L 8 KR 315/15 B

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 274/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 315/15 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. September 2015 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Wirkzeitraum der Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Seine Klage vom 12. Mai 2014 begründete der Kläger mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 20. April 2015 und beantragte zeitgleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte der Kläger am 6. Mai 2015 zu den Akten. Hierauf bewilligte das Sozialgericht mit Beschluss vom 3. September 2015 dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab dem 6. Mai 2015. Der Beschluss enthält keine Begründung und keine Rechtsmittelbelehrung.

Gegen den am 29. September 2015 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 5. Oktober 2015 "sofortige Beschwerde" erhoben, mit der er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits ab Antragstellung am 20. April 2015 begehrt. Die Entscheidung über die Wirkdauer der Prozesskostenhilfe entspreche nicht der Intention des § 48 Abs. 4 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Die Einschränkung, dass Prozesskostenhilfe erst ab Vorlage des Antrags bewilligt werde, bewirke, dass die Begründung der Klage und des Antrags auf Prozesskostenhilfe bei der Bemessung der anwaltlichen Gebühr nicht berücksichtigt werde. Dies sei mit dem gesetzgeberischen Willen nicht vereinbar. Aus der Gesetzesbegründung zu § 48 RVG ergebe sich, dass die Tätigkeit im Klageverfahren nach Stellung des Antrags bis zur Bewilligung grundsätzlich in die Bemessung der Gebühr einbezogen sein solle. Dies sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen.

Zwar ist der Kläger durch den Beschluss des Sozialgerichts beschwert, weil die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst ab dem 6. Mai 2015 konkludent eine Teilablehnung des Prozesskostenhilfeantrags, nämlich für den Zeitraum ab Antragstellung am 20. April 2015 beinhaltet. Diese Teilablehnung hat Folgen für die Bestimmung der Höhe der Rahmengebühr nach den §§ 3, 14 RVG. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren kann nur der Teil des Verfahrens zur Ausfüllung der Kriterien aus § 14 Abs. 1 RVG herangezogen werden, für den Prozesskostenhilfe bewilligt und der betroffene Anwalt beigeordnet war. Denn § 48 Abs. 1 RVG regelt ausdrücklich, dass sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, bestimmt. Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist damit nach Grund und Höhe vom Umfang der Beiordnung abhängig (Hessisches LSG, Beschluss vom 10. Juli 2015 – L 2 SF 11/15 E –, Rn. 23, juris). Dementsprechend scheidet bei einer Bewilligung, die auf einen Zeitpunkt nach Vorlage der Klagebegründung oder anderen für die Gebührenfestsetzung nach § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Umständen (wie z.B. Akteneinsicht) beschränkt wird, eine Berücksichtigung dieser anwaltlichen Tätigkeit bei der Gebührenfestsetzung aus (HLSG aaO.).

Der Zulässigkeit der Beschwerde steht jedoch § 172 Abs. 3 Nr 2 a) Sozialgerichtsgesetz (SGG) entgegen. Danach ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Ein solcher Fall liegt hier vor.

Ausgehend von der Struktur des § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), auf die § 73a SGG verweist, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an die Erfüllung zweier Voraussetzungen geknüpft, nämlich die Bedürftigkeit des Antragstellers und die hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung. Die Feststellung der Bedürftigkeit geschieht erst nach Eingang eines vollständigen Antrags, dem gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO die formularmäßige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beizufügen ist. Weil damit erst die Grundlage für die Prüfung der Bedürftigkeit geschaffen wird, ist das Vorhandensein des ausgefüllten Erklärungsvordrucks Bestandteil der Bedürftigkeitsprüfung mit der Folge, dass eine Ablehnung der Prozesskostenhilfegewährung wegen der Nichtvorlage des Erklärungsvordrucks unter den Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs. 3 Nr 2a) SGG fällt (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 3. September 2009, L 11 AS 102/09 B PKH, juris Rn. 9; zustimmend Reyels, jurisPR-SozR 23/2009 Anm. 6; Leitherer-in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 172 Rn. 6g). Gleiches hat dann zu gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – das Sozialgericht die Prozesskostenhilfebewilligung erst ab dem Datum des Eingangs der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vornimmt und damit zu erkennen gibt, dass es zwar die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bejaht, aber erst mit der Vorlage der Erklärung die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe als gegeben ansieht.

Die Beschwerde muss daher als unzulässig verworfen werden. Das Sozialgericht sollte allerdings erwägen, ob die Beschwerde des Klägers in eine Gegenvorstellung umzudeuten ist. Eine solche wird auch nach Einführung der Anhörungsrüge weiterhin als zulässig angesehen (vgl. BSG, Beschluss vom 21. August 2009 – B 11 AL 12/09 C –, juris). Die Überprüfung der angegriffenen Entscheidung im Wege der richterlichen Selbstkontrolle würde eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der nicht von der Hand zu weisenden Argumentation des Klägers ermöglichen, dass § 48 Abs. 4 RVG in der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung gerade wegen der bei Rahmengebühren eintretenden gebührenrechtlichen Folgen einer Beschränkung des Bewilligungszeitraums die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab dem Zeitpunkt der Beantragung zur Regel macht und ihr zeitlich späteres Einsetzen ("soweit vom Gericht nichts anderes bestimmt") nur dann erfolgen soll, wenn der Kläger durch eigenes Verhalten – etwa eine schuldhaft verzögerte Glaubhaftmachung seiner Bedürftigkeit – für eine Einschränkung des Bewilligungszeitraumes Anlass gegeben hat (vgl. BT-Drucks. 17/11471, S. 270).

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§§ 73a Abs. 1 S. 1, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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