L 1 KR 357/14 KL

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 357/14 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der Vereinbarkeit von satzungsrechtlichen Regelungen einer Krankenkasse mit höherrangigem Recht (hier: Bezuschussung für Maßnahmen der Kryokonservierung - Konservierungsvorgang, Lagerung sowie Auftauzyklus - im Zusammenhang mit einer Maßnahme der künstlichen Befruchtung)
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Satzungsänderung der Klägerin.

Die Klägerin beabsichtigte u.a., zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehenen Leistungen ab dem 1. Januar 2015 Versicherten für eine im Geltungsbereich ihrer Satzung vorgenommene Kryokonservierung - Aufbewahren von Zellen oder Gewebe durch Einfrieren in flüssigem Stickstoff - (Konservierungsvorgang, Lagerung sowie Auftauzyklus), die im Zusammenhang mit einer Maßnahme der künstlichen Befruchtung medizinisch empfohlen und wegen einer bei ihnen nachgewiesenen Krebserkrankung (gesicherte Diagnose Hoden- bzw. Eierstock-/Gebärmutterkrebs) erforderlich sei, einen Zuschuss von maximal 1.200 EUR zu den dafür anfallenden Kosten zu gewähren. Der Anspruch auf diese Leistung sollte bestehen, wenn der Versicherte während der gesamten Maßnahme und zum Zeitpunkt der Beantragung des Zuschusses bei der Klägerin versichert sei und der Nachweis der Krebserkrankung durch ein ärztliches Attest erfolge. Einen entsprechenden Entwurf für den 64. Nachtrag zur Satzung der Klägerin vom 1. März 2003 leitete die Klägerin der Beklagten mit der Bitte um Vornahme einer Vorprüfung am 7. Juli 2014 zu. Im Rahmen der Vorprüfung wies die Beklagte mit Schreiben vom 11. Juli 2014 darauf hin, dass die Kryokonservierung in zeitlicher Hinsicht nicht unmittelbar der Herbeiführung einer Schwangerschaft in Ersetzung des natürlichen Zeugungsaktes diene. Ihre Bedeutung liege darin, im Fall des Scheiterns des Befruchtungsversuchs die Durchführung weiterer Befruchtungsmaßnahmen unter Vermeidung erneuter Eingriffe zu ermöglichen. Dies sei eine präventive Maßnahme, die neben dem betreffenden einzelnen Befruchtungsvorgang stehe und diesem nicht mehr zuzurechnen sei. Die Leistungsvoraussetzungen seien in § 27a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) abschließend genannt, sodass eine Genehmigung im Rahmen des § 11 Abs. 6 SGB V ausscheide. Der Verwaltungsrat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung am 16. Juli 2014 eine Ergänzung in dem Art. I Ziff. 3 § 22 Buchst. d) der Satzung der Klägerin vom 1. März 2003 mit dem folgendem Inhalt:

"IV. Versicherte, die Anspruch auf Leistungen nach Absatz I. und II. haben, erhalten für eine im Geltungsbereich dieser Satzung vorgenommene Kryokonservierung (Konservierungsvorgang, Lagerung sowie Auftauzyklus), die im Zusammenhang mit einer Maßnahme der künstlichen Befruchtung medizinisch empfohlen und wegen einer bei ihnen nachgewiesenen Krebserkrankung (gesicherte Diagnose Hoden- bzw. Eierstock-/Gebärmutterkrebs) erforderlich ist, einen Zuschuss zu den dafür anfallenden Kosten. Der Nachweis der Krebserkrankung erfolgt durch die Vorlage eines ärztlichen Attests. Die Einhaltung des Deutschen Embryonenschutzgesetzes gilt als Voraussetzung. Der Leistungserbringer muss in entsprechender Anwendung des Absatzes III. zugelassen bzw. berechtigt sein.
V. Die Versicherten erhalten den Zuschuss nachträglich auf Antrag. Der Zuschuss beträgt maximal 600 EUR, jedoch nicht mehr als die tatsächlich entstandenen Kosten. Sind die Voraussetzungen des Absatz II. gegeben, erhöht sich der Zuschuss auf maximal 1.200 EUR begrenzt auf die tatsächlich entstandenen Kosten. Voraussetzung ist die Vorlage des ärztlichen Attests gemäß Absatz IV. Satz 2, der Originalrechnung des Leistungserbringers und des Zahlungsnachweises des Versicherten als Nachweis der Anspruchsvoraussetzung und als zahlungsbegründende Unterlagen. Der Antrag ist zusammen mit dem Antrag auf Kostenbeteiligung nach Absatz III. zu stellen. Voraussetzung ist weiterhin, dass der Versicherte während der gesamten Maßnahme und zum Zeitpunkt der Beantragung des Zuschusses bei der BAHN-BKK versichert ist.
VI. Ein Antrag auf Kostenerstattung gemäß Absatz V. kann auch gestellt werden, wenn sich nach Abschluss der Behandlung herausstellt, dass eine künstliche Befruchtung nicht erforderlich ist, weil keine Zeugungsunfähigkeit eingetreten und dieser Umstand ärztlich bescheinigt ist."

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 28. Juli 2014 die Genehmigung des 64. Nachtrags zu der Satzung vom 1. März 2003 bei der Beklagten. Mit Bescheid vom 29. September 2014, der Klägerin zugestellt am 1. Oktober 2014, genehmigte die Beklagte den vom Verwaltungsrat am 16. Juli 2014 beschlossenen 64. Nachtrag zur Satzung mit Ausnahme von Art. I § 22 Buchst. d) Künstliche Befruchtung, Absätze IV bis VI und insoweit Art. II (Inkrafttreten) gemäß § 195 Abs. 1 SGB V i.V.m. § 90 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV). Die zusätzliche Leistungsgewährung für eine Kryokonservierung finde in § 11 Abs. 6 SGB V keine rechtliche Grundlage. Gemäß § 11 Abs. 6 SGB V könne die Krankenkasse in ihrer Satzung lediglich zusätzliche, vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität u.a. bei der künstlichen Befruchtung, § 27a SGB V, vorsehen. Einer Erweiterung des Leistungsanspruchs auf die Kryokonservierung stehe vorliegend bereits die Vorgabe in § 11 Abs. 6 SGB V entgegen, der zufolge die Satzungsleistungen nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeschlossen sein dürften. Nach den vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung "Richtlinien über künstliche Befruchtung" als untergesetzliche Normen seien Leistungen ausdrücklich ausgeschlossen, die über die künstliche Befruchtung hinausgingen, wie etwa die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten Embryonen (Leistungsvoraussetzungen Nr. 4 der Richtlinien über künstliche Befruchtung). Diese Einschränkung sei nach dem Ordnungssystem des SGB V auch sachlich geboten und als Klarstellung zu deuten, weil es anderenfalls nicht nur zu formellen Kollisionen, sondern auch zu inhaltlichen Wertungswidersprüchen zwischen der Satzungskompetenz der Kasse einerseits und der Beurteilungs- bzw. Richtlinienkompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses andererseits kommen könne, die bezüglich Qualität, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen übergreifend angelegt sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 28. Oktober 2014 Klage bei dem Hessischen Landessozialgericht erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass die Richtlinien über künstliche Befruchtung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V nicht als negativer Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses i.S. von § 11 Abs. 6 Satz 1 SGB V zu werten seien. Unter "Leistungsvoraussetzungen Nr. 4" sei insoweit lediglich ausgeführt, dass Maßnahmen, die über die künstliche Befruchtung hinausgingen, wie etwa die Kryokonservierung, nicht von diesen Richtlinien umfasst seien. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe in seiner Erklärung vom 19. Juni 2008 vielmehr bekannt gegeben, dass die Beratung zum Thema "Kryokonservierung" eingestellt worden sei, da es sich bei dem Verfahren um eine medizinisch-technische Maßnahme handele, die über den substituierenden Zeugungsakt hinausgehe und somit nicht mehr unter den Begriff der medizinischen Maßnahme i.S. des § 27a Abs. 1 SGB V subsumiert werden könne, sich die Leistungspflicht der Krankenkasse demnach wohl eher nicht auf eine solche weitergehende Maßnahme erstrecke. Eine medizinische Bewertung des Verfahrens bzw. eine Beurteilung der medizinisch-inhaltlichen Notwendigkeit der Methode und des therapeutischen Nutzens und deren Wirtschaftlichkeit hätten gerade nicht stattgefunden. Auch sei durch den Gemeinsamen Bundesausschuss lediglich eine Einstellung der weiteren Prüfung der Aufnahme des Verfahrens in die Regelversorgung erfolgt. Die Beschränkungen für die Krankenkassen im Blick auf zusätzliche Satzungsleistungen seien grundsätzlich nicht eng auszulegen. Ziel der Einführung des § 11 Abs. 6 SGB V im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2983) sei die Stärkung der wettbewerblichen Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen gewesen. Auch das neue Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) lasse in § 140a SGB V - Besondere Versorgung - innovative Leistungen, die noch keinen Eingang in die Regelversorgung gefunden hätten zu und schließe dabei ausdrücklich auch Satzungsleistungen nach § 11 Abs. 6 SGB V ein. Die Kryokonservierung sei als eine zusätzliche Leistung im Bereich der künstlichen Befruchtung im Sinne des § 11 Abs. 6 SGB V anzusehen. Vorliegend gehe es gerade nicht darum, ob die Kryokonservierung Teil des Leistungspflichtkataloges der Krankenkassen sein solle, sondern darum, ob die Krankenkasse ein entsprechendes Gestaltungsrecht zur Bezuschussung dieser Methode nach § 11 Abs. 6 SGB V habe. Die Kryokonservierung könne unter "zusätzliche Leistungen" im Rahmen der künstlichen Befruchtung subsumiert werden, da sie letztlich der Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 Satz 1 SGB V diene. Die Leistung sei im Verhältnis zu den entstehenden Kosten auch nicht als unverhältnismäßig anzusehen. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat die Klägerin u.a. die Richtlinien über künstliche Befruchtung in der Fassung vom 14. August 1990, zuletzt geändert am 21. August 2014 und die tragenden Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Einstellung der Beratungen gemäß § 135 Abs. 1 SGB V zur "Kryokonservierung von Spermatozoen" vom 19. Juni 2008 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 29. September 2014 insoweit aufzuheben als die Beklagte die Genehmigung des vom Verwaltungsrat der Klägerin am 16. Juli 2014 beschlossenen 64. Nachtrag zur Satzung vom 1. März 2003 hinsichtlich Art. I Ziff. 3 § 22 Buchst. d) Künstliche Befruchtung, Absätze IV bis VI und Art. II (Inkrafttreten) versagt hat und die Beklagte zu verurteilen den 64. Nachtrag hinsichtlich Art. I Ziff. 3 § 22 Buchst. d) Künstliche Befruchtung, Absätze IV bis VI und Art. II (Inkrafttreten) zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt im Klageverfahren vor, dass die von der Klägerin beschlossenen Satzungsänderungen nicht im Einklang mit höherrangigem Recht stünden. Die streitgegenständlichen Satzungsregelungen sähen Leistungen vor, die nicht durch das SGB V zugelassen seien. § 11 Abs. 6 SGB V biete hierfür keine Rechtsgrundlage, da diese Norm lediglich ein eingeschränktes Tätigwerden des Satzungsgebers ermögliche, d.h. aufgrund des Gesetzesvorbehalts nur ein Tätigwerden innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens. Die satzungsrechtliche Eröffnung eines Anspruchs auf zusätzliche Leistungen für eine Kryokonservierung im Rahmen der künstlichen Befruchtung stelle einen neuen Versicherungsfall dar, der nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen sei. Die Kryokonservierung menschlicher Keimzellen gehöre bereits generell nicht zu den Leistungen nach § 27a SGB V, da sie lediglich eine künftige künstliche Befruchtung und zudem keine Krankenbehandlung ermögliche. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beziehe sich der in der Norm verwendete Begriff "künstliche Befruchtung" nur auf Maßnahmen, die dem einzelnen Zeugungsakt entsprächen und unmittelbar der Befruchtung dienten. Die Kryokonservierung von Ei- und Samenzellen diene jedoch gerade nicht dem konkret bevorstehenden Befruchtungsversuch, sondern vorsorglich späteren Wiederholungen solcher Versuche. Somit erweise sie sich als eine zusätzliche, den substituierenden Zeugungsakt überschreitende medizinisch-technische Maßnahme, die nicht von der Leistungspflicht der Krankenkasse umfasst werde (Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2005, B 1 KR 11/03 R). Dem entsprächen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über künstliche Befruchtung, worin in Bezug auf den Ausschluss der Kryokonservierung (Ziff. 4 der Leistungsvoraussetzungen) lediglich wiederholt werde, was sich bereits bei methodengerechter Gesetzesauslegung von § 27a Abs. 1 SGB V aus dessen Wortlaut ergebe. Handele es sich aber bei der Kryokonservierung um eine versicherungsfremde Leistung, könne sich diese auch nicht innerhalb des Rahmens des § 11 Abs. 6 SGB V bewegen, weshalb der Gemeinsame Bundesausschuss aus diesen Gründen auch seine Beratungen gemäß § 135 Abs. 1 SGB V eingestellt habe. § 11 Abs. 6 SGB V ermächtige bereits nach seinem Wortlaut den Satzungsgeber nicht generell dazu, Satzungsleistungen für alle denkbaren zusätzlichen Leistungen der künstlichen Befruchtung vorzusehen, sondern lediglich durch die Regelung des § 27a SGB V geprägte zusätzliche Leistungen. Die Kryokonservierung könne auch keinem anderen Bereich des § 11 Abs. 6 SGB V zugeordnet werden, da es sich weder um eine ärztliche Behandlung noch um ein Hilfs- oder Heilmittel handele. Zudem müssten sich auch bereichsinterne Angebotserweiterungen am Wirtschaftlichkeitsgebot messen lassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig.

Das Landessozialgericht ist nach § 29 Abs. 2 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur Entscheidung berufen. Danach entscheiden die Landessozialgerichte im ersten Rechtszug u.a. über Aufsichtsangelegenheiten gegenüber Trägern der Sozialversicherung und ihrer Verbände, bei denen die Aufsicht von einer Landes- oder Bundesbehörde ausgeübt wird.

Bezüglich der zutreffenden Klageart kann der Senat offen lassen, ob eine Klage auf Erteilung der Genehmigung einer Satzung durch die Aufsichtsbehörde aufgrund der Verwaltungsaktqualität der Genehmigung (Akt der Rechtsanwendung oder Mitwirkung bei der autonomen Rechtsetzung) als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) oder als Aufsichtsklage (§ 54 Abs. 3 SGG) statthaft ist. Auch mit der Aufsichtsklage kann die Vornahme einer begünstigenden Aufsichtsanordnung begehrt werden, nämlich die Erteilung einer beantragten Satzungsgenehmigung, wenn die Aufsichtsbehörde dies abgelehnt hat und der Versicherungsträger geltend macht, dass er auf die Vornahme dieses Aktes einen Rechtsanspruch habe (so auch: Bundessozialgericht, Urteile vom 22. November 1968, 3 RK 3/66; vom 8. November 2011, B 1 A 1/11 R und vom 18. November 2014, B 1 A 1/14 R - juris -).

So liegt es hier.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Aufhebung der Entscheidung der Beklagten in Form der Ablehnung der Genehmigung der begehrten Satzungsänderung und die Erteilung dieser Genehmigung.

Gemäß § 195 Abs. 1 Satz 1 SGB V i.V.m. § 90 Abs. 1 SGB IV bedarf eine Satzung und damit auch die Änderung einer Satzung in ihrer Gesamtheit der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Die Genehmigung ist Wirksamkeitsvoraussetzung (Peters in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht Band 1, Stand: April 2015, § 195 SGB V Rdnr. 3; vgl. hierzu auch: Schirmer/Kater/Schneider, Aufsicht in der Sozialversicherung, Stand: Juni 2014, 525 S. 1 ff).

Eines Vorverfahrens bedarf es gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG nicht.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Beklagte war berechtigt, dem 64. Satzungsnachtrag die nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB IV i.V.m. § 195 Abs. 1 SGB V erforderliche Genehmigung der Änderung der Satzung der Klägerin vom 1. März 2003 bezüglich von Art. I Ziff. 3 § 22 Buchst. d) Künstliche Befruchtung, Absätze IV bis VI und insoweit Art. II (Inkrafttreten) zu versagen. Die Satzungsänderung ist wegen Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht nicht genehmigungsfähig. Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht kommt auch in Betracht, wenn die Grenzen der ermächtigenden Vorschrift verlassen werden. Dabei besteht für den Bereich der Krankenversicherung die Beschränkung der Prüfbefugnisse der Aufsichtsbehörde auf eine Rechtskontrolle gerade zu Gunsten des Selbstverwaltungsrechts der Krankenkassen (vgl. hierzu ausführlich: Bundessozialgericht, Urteile vom 7. November 2000, B 1 A 4/99 R; vom 24. April 2002, B 7/1 A 4/00 R und vom 8. November 2011, B 1 A 1/11 R; Peters, a.a.O., § 195 SGB V Rdnr. 4; Schirmer/Kater/Schneider, a.a.O., 530 S. 4).

Ausgehend hiervon hat sich die Beklagte zutreffend auf eine Rechtskontrolle beschränkt.

Die vorgesehene Kryokonservierung verstößt gegen die gesetzliche Ausgestaltung des Leistungsrechts des SGB V, da die Regelung der Ermächtigungsgrundlage des § 11 Abs. 6 SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) vom 17. Juli 2015 (BGBl. I S. 1368) m.W. vom 25. Juli 2015 nicht genügt, die hier allein in Betracht kommt.

Nach § 11 Abs. 6 Satz 1 SGB V kann die Krankenkasse in ihrer Satzung zusätzliche vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht ausgeschlossene Leistungen in der fachlich gebotenen Qualität im Bereich der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation (§§ 23, 40), der Leistungen von Hebammen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (§ 24d), der künstlichen Befruchtung (§ 27a), der zahnärztlichen Behandlung ohne die Versorgung mit Zahnersatz (§ 28 Absatz 2), bei der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen apothekenpflichtigen Arzneimitteln (§ 34 Absatz 1 Satz 1), mit Heilmitteln (§ 32) und Hilfsmitteln (§ 33), im Bereich der häuslichen Krankenpflege (§ 37) und der Haushaltshilfe (§ 38) sowie Leistungen von nicht zugelassenen Leistungserbringern vorsehen. Ziel der Regelung über Satzungsleistungen war es, die wettbewerblichen Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen auf der Leistungsseite der gesetzlichen Krankenversicherung zu stärken (Begründung des Gesetzentwurfs zum GKV-VStG vom 5. September 2011, BT-Drucksache 17/6906, S. 3). Insoweit sollte den Krankenkassen in den genannten Bereichen des § 11 Abs. 6 SGB V auch ein weiterer Gestaltungsspielraum eingeräumt werden.

§ 194 Abs. 2 SGB V grenzt den zulässigen Satzungsinhalt jedoch in zweifacher Hinsicht negativ ein. Die Satzung darf keine Bestimmungen enthalten, die den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung widersprechen, § 194 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Insoweit konkretisiert die Norm das in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz verankerte Rechtsstaatsgebot im Sinne des Vorrangs des Gesetzes gegenüber Satzungsregelungen. Die Selbstverwaltung ist an bestehende Gesetze gebunden und darf keine Satzungsregelungen verabschieden, die einem Gesetz widersprechen. § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB V, wonach die Satzung nur Leistungen vorsehen darf, soweit dieses Gesetz sie zulässt, entspricht dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt, wonach die Selbstverwaltung nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung tätig werden darf. Die §§ 30 SGB IV und 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) stellen zusätzliche einfachgesetzliche Regelungen des Vorbehalts des Gesetzes dar.

Ausgehend von diesen Grenzziehungen haben die Krankenkassen, abgesehen von den übrigen gesetzlichen Gestaltungsanforderungen (fachlich gebotene Qualität, kein Ausschluss durch den Gemeinsamen Bundesausschuss) zu beachten, dass die zusätzlichen Leistungen inhaltlich im engeren Sinne keine neuen Leistungen, sondern eine Weiterentwicklung der Regelversorgung darstellen. Die Krankenkassen dürfen insbesondere die Leistungen nach Voraussetzungen, Inhalt und Umfang, nicht aber in ihrer Art und Funktion verändern, d.h. wesensmäßig zu einer anderen umgestalten. Nach Wortlaut, Regelungssystem und -zweck will das Gesetz im Rahmen des § 11 Abs. 6 Satz 1 SGB V dem Satzungsgeber nicht ermöglichen, wesentlich neue, anders als im Gesetz vorgeformte Leistungen zuzulassen. Es beschränkt dessen Regelungskompetenz vielmehr auf "zusätzliche" Leistungen. Es ermächtigt ihn auch nicht generell, Satzungsleistungen für alle denkbaren zusätzlichen Leistungen vorzusehen. Grundsätzlich legt das Gesetz selbst die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung fest (§§ 11 ff. SGB V), mag sich der konkrete Individualanspruch des Versicherten auch erst in seiner Reichweite und Gestalt aus dem Zusammenspiel mit weiteren, gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen ergeben. Soweit die einzelne Krankenkasse selbst ausnahmsweise Leistungen ausgestalten darf, will der Gesetzgeber damit nicht quasi einen Freibrief ausstellen, um ein gesetzesunabhängiges Leistungsrecht kraft Satzung zu schaffen. Der Satzungsgeber hat aufgrund gesetzlicher Öffnungen für Gestaltungsleistungen vielmehr jeweils nur ein begrenztes, vom Gesetzgeber eröffnetes Gestaltungsfeld. Die Regelung in § 11 Abs. 6 Satz 1 SGB V verweist für Leistungen der künstlichen Befruchtung auf das Grundmodell des § 27a SGB V, d.h. sie ermächtigt den Satzungsgeber nur zu zusätzlichen Satzungsleistungen, die gerade durch § 27a SGB V geprägt sind (Noftz in: Hauck/Haines, Gesetzliche Krankenversicherung, Kommentar, Stand: Dezember 2015, § 11 Rdnr. 73, 76, 79; Peters, a.a.O., § 194 SGB V Rdnr. 9; Begründung des Gesetzentwurfs des GKV-VStG vom 5. September 2011, BT-Drucksache 17/6906, S. 53; Bundessozialgericht, Urteile vom 24. April 2002, B 7/1 A 4/00 R; vom 10. Februar 1993, 1 RR 1/92 und vom 18. November 2014, B 1 A 1/14 R; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 15. Mai 2014, L 1 KR 56/13 KL; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. Juni 2014, L 1 KR 435/12 KL - juris -; Schirmer/Kater/Schneider, a.a.O., 530 S. 8).

Vorliegend sieht die betroffene Satzungsregelung jedoch nicht zusätzliche Leistungen an den anspruchsberechtigten Personenkreis, sondern "andere" Leistungen gegenüber dem Bereich der künstlichen Befruchtung nach § 27a SGB V vor.

Der in der Überschrift der Vorschrift des § 27a SGB V verwendete Begriff der "Künstlichen Befruchtung" erfasst nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat nach eigener Überprüfung anschließt, nur Maßnahmen, die dem einzelnen natürlichen Zeugungsakt entsprechen und unmittelbar der Befruchtung dienen, nicht aber eine Kryokonservierung und Lagerung von Samenzellen oder vorsorglich gewonnener Eizellen für die Wiederholung eines Versuchs der Befruchtung (Bundessozialgericht, Urteile vom 26. Juni 1990, 3 RK 19/89; vom 25. Mai 2000, B 8 KN 3/99 KR R; vom 22. März 2005, B 1 KR 11/03 R; vom 17. Februar 2010, B 1 KR 10/09 R; vom 28. September 2010, B 1 KR 26/09; vom 12. September 2015, B 1 KR 15/14 R und Beschluss vom 9. Dezember 2004, B 1 KR 95/03 B - juris -). Maßnahmen, die sich als Teil einer künstlichen Befruchtung erweisen, regelt das Gesetz insoweit allein im Rahmen des § 27a SGB V als eigenständigen Versicherungsfall. Der Gesetzgeber hat diese ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht etwa mit dem Ziel korrigiert, die Kryokonservierung und Lagerung von Samen und Eizellen als Vorstufe der künstlichen Befruchtung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen, sondern hat sogar den Leistungsrahmen des § 27a SGB V eingeschränkt (vgl. insoweit: Bundessozialgericht, Urteil vom 28. September 2010, B 1 KR 26/09 R - juris -). Hiervon weicht die betroffene Satzungsänderung im Sinne der unzulässigen Schaffung eines "neuen" Versicherungsfalles ab, worauf die Beklagte bereits im Rahmen ihrer Klageerwiderung zutreffend hingewiesen hat.

Inwieweit hierzu eine Änderung durch das Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) vom 16. Juli 2015 m.W. zum 23. Juli 2015 eingetreten sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Die Krankenkassen können entsprechend dem neu gefassten § 140a SGB V lediglich Verträge mit den in Absatz 3 der Vorschrift genannten Leistungserbringern über eine besondere Versorgung der Versicherten abschließen. Diese Verträge können dabei zwar auch Abweichendes von den im Dritten Kapitel benannten Leistungen beinhalten, soweit sie die in § 11 Absatz 6 SGB V genannten Leistungen, Leistungen nach den §§ 20d, 25, 26, 27b, 37a und 37b SGB V sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden betreffen. Die Sätze 1 und 2 des § 140a SGB V gelten jedoch nur insoweit, als über die Eignung der Vertragsinhalte als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 SGB V im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 SGB V oder im Rahmen der Beschlüsse nach § 137c Absatz 1 SGB V keine ablehnende Entscheidung getroffen hat und die abweichende Regelung dem Sinn und der Eigenart der vereinbarten besonderen Versorgung entspricht, sie insbesondere darauf ausgerichtet ist, die Qualität, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung zu verbessern. Die Zuerkennung eines gesetzesunabhängigen Leistungsrechts kraft Satzung ist hiermit für die Krankenkassen gerade nicht erfolgt, was die Bindung an § 11 Abs. 6 SGB V verdeutlicht. Insoweit stellt bereits die Gesetzesbegründung zum GKV-VSG vom 25. Februar 2015 (BT-Drucksache 18/4095 zu Nr. 69, S. 127) klar, dass

"Satz 1 Abweichungsbefugnisse von gesetzlichen Vorgaben (regelt) und dem bisherigen § 140b Absatz 4 Satz 1 (entspricht). In der Praxis besteht Rechtsunsicherheit über den zulässigen Leistungsumfang in den besonderen Versorgungsverträgen, insbesondere darüber, ob Leistungen, die nicht zur Regelversorgung gehören, auch Gegenstand der Verträge sein können. Im Sinne einer möglichst großen Gestaltungsfreiheit und zur wettbewerblichen Weiterentwicklung wird in Satz 2 klargestellt, dass auch Leistungen in den Verträgen vereinbart werden können, die über den Leistungsumfang der Regelversorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung hinausgehen. Zulässige Leistungen können auch solche sein, die nach § 11 Absatz 6 Gegenstand einer Satzungsleistung sein können, wie zum Beispiel auch die Verordnungsfähigkeit von nach § 34 Absatz 1 Satz 1 vom Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich ausgeschlossenen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Andere gesetzlich vom Versorgungsanspruch ausgenommenen Arzneimittel, wie etwa die in § 34 Absatz 1 Satz 8 aufgeführten sogenannten Lifestyle-Arzneimittel, können hingegen nicht Gegenstand der Verträge sein. Darüber hinaus können aber auch Leistungen der Früherkennung (§§ 25 und 26), Leistungen der Soziotherapie und der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung sowie ärztliche Leistungen einschließlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, deren Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, Gegenstand der Verträge sein. Hierzu gehören beispielsweise innovative Leistungen, die noch keinen Eingang in die Regelversorgung gefunden haben. Nicht zugelassene Leistungserbringer, deren Leistungen Gegenstand von Satzungsleistungen nach § 11 Absatz 6 sein können, kommen dagegen als Vertragspartner einer besonderen Versorgung nicht in Frage. Dies folgt bereits aus Absatz 3, der diese Leistungserbringer nicht als Vertragspartner nennt."

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Der Senat hat vorliegend mangels anderweitiger Anhaltspunkte den Regelstreitwert zugrunde gelegt.
Rechtskraft
Aus
Saved