L 3 U 122/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 241/09 WA
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 122/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Sonderregelung des § 83 SGB VII kommt bei gleichzeitiger Erzielung von Arbeitsentgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis und Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit nur zur Anwendung, wenn der Versicherungsfall aufgrund einer Tätigkeit eingetreten ist, für die Versicherungsschutz in Bezug auf die selbstständige Tätigkeit bestand.

2. Ein nach der Regelberechnung bestimmter Jahresarbeitsverdienst kann im Falle einkommensmindernder Investitionen nur dann gemäß § 87 SGB VII als in erheblichem Maße unbillig angesehen werden, wenn diese Einkommensrückgänge innerhalb einer Jahresfrist vor dem Monat des Versicherungsfalles eingetreten sind.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. April 2012 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung höherer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beteiligten streiten insofern darum, welcher Jahresarbeitsverdienst (JAV) der Berechnung der Rente, die dem Kläger aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 10. Dezember 2002 bewilligt ist, zugrunde zu legen ist.

Der 1964 geborene Kläger erlitt im Rahmen seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Vorarbeiter in der Bauabteilung bei der Firma C. AG in A-Stadt am 10. Dezember 2002 einen Unfall (Sturz auf den rechten Ellenbogen). Aufgrund dieses Ereignisses bewilligte die Beklagte infolge der Ermittlungen im Klageverfahren S 6 KN 120/04 U bei dem Sozialgericht Gießen dem Kläger mit Bescheid vom 13. Dezember 2005 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vom Hundert (v. H.) entsprechend einem monatlichen Betrag von 334,34 Euro, der sich durch spätere Rentenanpassungen erhöhte. Hierbei wurde der Rentenberechnung ein JAV in Höhe des in den zwölf Monaten vor dem Monat des Arbeitsunfalls erzielten Verdienstes bei der Firma C. AG zugrunde gelegt (30.090,94 Euro).

Hiergegen legte der Kläger am 12. Januar 2006 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Berechnung des JAV in Bezug auf den Zeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 30. November 2002 seien Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit unberücksichtigt geblieben. In diesem Zeitraum seien aufgrund größerer Investitionen anders als in den Jahren 1995 bis 1999 keine Gewinne erzielt worden. Daher sei der JAV zur Vermeidung erheblicher Unbilligkeit abweichend nach § 87 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII zu bestimmen. Hierzu legte der Kläger weitere Unterlagen vor. Aus den vorgelegten Steuerbescheiden ergeben sich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als Einzelunternehmer für das Jahr 1996 in Höhe von 21.508,00 DM, für das Jahr 1997 in Höhe von 17.599,00 DM, für das Jahr 1998 in Höhe von 13.448,00 DM, für das Jahr 1999 in Höhe von 1.369,00 DM, für das Jahr 2000 in Höhe von -37.893 DM, für das Jahr 2001 in Höhe von -28.961,62 Euro und für das Jahr 2002 in Höhe von -12.547 Euro. Im Übrigen beantragte der Kläger die Verzinsung seiner Leistungen.

Mit Bescheid vom 19. Januar 2006 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen Zinsanspruch in Höhe von 581,90 Euro für den Zeitraum 1. März 2004 bis 30. November 2005. Darüber hinaus bestehe kein Zinsanspruch.

Die Beklagte wies den Widerspruch schließlich mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2006 zurück. Ein höherer JAV als im Ausgangsbescheid zugrunde gelegt sei nicht zu berücksichtigen. Nach § 82 SGB VII sei nur das Arbeitsentgelt aus unselbstständiger Tätigkeit zu berücksichtigen, da im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 30. November 2002, den zwölf Monaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten sei, ein weiteres Einkommen aus nebenerwerblicher Tätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft nicht erzielt worden sei. Der JAV diene dazu, den Lebensstandard im Jahr vor dem Versicherungsfall zum Maßstab für die Renten zu machen. Betriebliche Investitionen seien folglich nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sei der nach § 82 SGB VII ermittelte JAV nicht deshalb als erheblich unbillig im Sinne des § 87 SGB VII anzusehen, weil das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit aufgrund von Investitionen in das Unternehmen niedrig sei.

Hiergegen hat der Kläger am 25. Juli 2006 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Der Kläger hat zur Klagebegründung angeführt, die Beklagte gehe unzutreffend davon aus, dass im Zeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 30. November 2002 kein Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit angefallen sei. Zwar sei in diesem Zeitraum kein steuerlicher Gewinn, aber ein vergleichsweise hohes Vorsteuerergebnis erzielt worden. Bei Selbstständigen schwanke das Nachsteuereinkommen wegen ungleichmäßiger betrieblicher Investitionen. Durch die Investitionen würden aber Werte geschaffen, die wie Bargeld zuflössen. Der Kläger habe in den Jahren 2000 bis 2003 neue Betriebshallen und Ställe gebaut. Hierdurch sei sein Vermögen erhöht worden, was sich aber nicht im Nachsteuergewinn zeige, wodurch ein verzerrtes Bild entstehe. Für solche Konstellationen sei der einer Rente zugrunde zu legende JAV nach billigem Ermessen höher festzusetzen. Der Kläger hat im Klageverfahren die Jahresabschlüsse aus den Jahren 1997/1998, 1998/1999, 1999/2000 und 2000/2001 vorgelegt, aus denen sich Verluste des landwirtschaftlichen Betriebes ab dem Geschäftsjahr 1999/2000 ergeben. In den Jahren 2004 und 2005 hat der Betrieb nach den vorgelegten Unterlagen wieder Gewinne erzielt.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, für Billigkeitserwägungen nach § 87 SGB VII bestehe kein Raum. Der Kläger habe in den Jahren von 2000 bis 2003 keinerlei Gewinne durch seine selbstständige Tätigkeit erzielt. Die in den Jahren 2004 und 2005 erzielten Gewinne seien nicht typisch für sein landwirtschaftliches Unternehmen.

Mit Urteil vom 27. April 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte den Berechnungen des Jahresarbeitsverdienstes für die Rente aus dem Arbeitsunfall vom 10. Dezember 2002 nur das im Jahr zuvor vom Kläger im versicherten Arbeitsverhältnis bei der Firma C. AG erzielte Bruttoarbeitsentgelt zugrunde gelegt. Denn selbst unter Berücksichtigung seiner nebenberuflichen selbständigen Tätigkeit als Landwirt ergäben sich keine weiteren Einnahmen, die im streitigen Zeitraum erzielt worden seien. Gemäß § 82 Abs. 1 SGB VII sei der JAV der Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte (§ 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) und Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) des Versicherten in den zwölf Monaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Dieser Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte sei zwischen den Beteiligten unstreitig das Bruttoarbeitseinkommen aus der Tätigkeit für die Firma C. AG. Daneben bestehe ebenso unstreitig in dem zu berücksichtigenden Zeitraum nach § 82 Abs. 1 SGB VII kein Einkommen aus der selbständigen landwirtschaftlichen Tätigkeit.

Soweit der Kläger vortragen habe, das Einkommen aus der selbständigen landwirtschaftlichen Tätigkeit im Jahr vor dem Versicherungsfall sei untypisch gewesen, habe er dies nicht belegen können. Der JAV sei daher nicht abweichend von § 82 Abs. 1 SGB VII nach billigem Ermessen gemäß § 87 SGB VII zu erhöhen gewesen. Danach sei ein nach der Regelberechnung festgesetzter JAV abweichend zu bestimmen, wenn er in erheblichem Maße unbillig wäre. Hierfür lägen jedoch nach den vom Kläger selbst vorgelegten Unterlagen keine Anhaltspunkte vor. So sei die betriebliche Entwicklung im Jahr 2001/2002 kein Ausreißer gewesen. Die vom Kläger vorgelegten Zahlen würden durch die vorgelegten Jahresabschlüsse für den klägerischen landwirtschaftlichen Betrieb bestätigt. Der Kläger selbst habe diese Zahlen eingehend begründet. Danach habe nach Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes vom Vater des Klägers ein erheblicher Investitionsstau bestanden. Ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Zahlen seien deshalb die Gewinne zwischen 1996 und 1999 kontinuierlich zurückgegangen; zuletzt hätten sie im Jahr 1999 nur noch 699,96 EUR betragen. Die Investitionen in den Betrieb hätten sich nicht nur auf das Jahr vor dem Arbeitsunfall beschränkt, das hier normalerweise der Berechnung nach § 82 SGB VII zugrunde zu legen sei. Vielmehr habe der Kläger durch seine Investitionen in vier aufeinanderfolgenden Jahren zwischen 2000 und 2003 erhebliche Verluste bzw. keine Gewinne vorzuweisen gehabt. Im Jahr 2004 sei ein geringfügiger Gewinn erzielt worden, der nach Angaben des Klägers 2.226,00 EUR betragen habe. Nur im Jahr 2005 sei ein größerer Gewinn in Höhe von 33.460,00 EUR erzielt worden. Zudem habe der Kläger im Erörterungstermin und in der letzten mündlichen Verhandlung einräumen müssen, dass der auf Milchwirtschaft spezialisierte Betrieb spätestens seit dem Jahr 2009 überhaupt keine Gewinne wegen der allgemeinen Lage in der Milchwirtschaft mehr abwerfe. Damit sei für die Kammer das Gesamtbild eines sich nicht kontinuierlich entwickelnden Betriebes entstanden. Selbst wenn der Durchschnitt der vom Kläger nachgewiesenen zehn Jahre von 1996 bis 2005 zugrunde gelegt würde, so ergäbe sich hieraus kein Gewinn. Es sei deshalb keinesfalls unbillig, dass die Beklagte bei Bemessung des hier streitigen JAV keine zusätzlichen Einnahmen des Klägers fiktiv zugrunde gelegt habe. Vielmehr hätte es sich nach Ansicht des Sozialgerichts sogar angeboten, im Rahmen der Regelung des § 87 SGB VII den JAV niedriger zu bemessen, da durch die kontinuierlichen Investitionen des Klägers sein Lebensstandard wesentlich geringer in dem der Bemessung zugrunde liegenden Jahr gewesen sei als das, was ihm durch die Bruttoeinnahmen für die Firma C. AG zugeflossen sei. Hiervon habe die Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Eine Erhöhung im Rahmen der Billigkeitsüberlegung komme aber keinesfalls in Betracht. Dies habe der Kläger selbst dadurch dokumentiert, dass es ihm in Absprache mit seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2012 nicht eindeutig und schnell gelungen sei, den seines Erachtens billigen JAV zu bemessen, der dann beantragte Betrag von 45.400,00 EUR sei mehr oder weniger aus der Luft gegriffen. Insgesamt bestehe deshalb kein Anlass, die angegriffene Entscheidung abzuändern.

Der Kläger hat gegen das ihm am 11. Juni 2012 zugestellte Urteil am 4. Juli 2012 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Es sei von Amts wegen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln, dass der JAV höher liege als der von der Beklagten festgesetzte Betrag von 30.090,94 Euro. Hilfsweise ist hierzu unter Bezugnahme auf § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - die Einholung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens bei Dr. D., D-Stadt, der öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger auf dem Gebiet der Landwirtschaft sei, beantragt worden. Nach dem Hinweis des Gerichts, nach § 109 SGG könne nur die Einholung eines ärztlichen Gutachtens beantragt werden, hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, eine förmliche Entscheidung über den Antrag nach § 109 SGG sei entbehrlich.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 27. April 2012 aufzuheben und den Bescheid vom 13. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2006 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm höhere Rente unter Zugrundelegung eines nach § 87 SGB VII unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bestimmenden JAV zu bewilligen, der das klägerische Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit als Landwirt berücksichtigt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist auf dessen Entscheidungsgründe.

In einem Erörterungstermin am 17. Juni 2014 hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Kläger in den zwölf Monaten vor dem Arbeitsunfall aus seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit keinen Gewinn erzielt habe, so dass kein Raum für eine Unbilligkeit nach § 87 SGB VII bestehen dürfte und dass die Investitionen nicht als Arbeitseinkommen zu berücksichtigen seien. Der Kläger hat auch danach die Einholung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens weiterhin für erforderlich gehalten. Der Senat hat ihm anheimgestellt, ein solches Gutachten als Privatgutachten vorzulegen, was indes nicht erfolgt ist.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der schriftsätzliche Berufungsantrag, der nach seinem Wortlaut neben der Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils lediglich auf die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 13. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2006 gerichtet ist, bedurfte der Auslegung. Die Auslegung des klägerseitigen Vorbringens unter Berücksichtigung des klägerischen Interesses (§ 123 SGG) ergibt, dass der Kläger nicht die bloße Aufhebung, sondern die Änderung des genannten Bescheides und die Leistung einer höheren Rente auf Grundlage eines höheren JAV unter Berücksichtigung auch von Einkommen aus der selbstständigen Erwerbstätigkeit als Landwirt begehrt. Nach dem klägerischen Vorbringen, das auf die Festsetzung eines höheren JAV nach billigem Ermessen gemäß § 87 SGB VII gerichtet ist, wird ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung eines höheren Rechts auf Rente gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 82 Abs. 1 Satz 1, § 87 SGB VII geltend gemacht. Zur Erreichung dieses Rechtsschutzbegehrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG die statthafte Klageart (BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 24/10 R - juris). Dementsprechend war der Berufungsantrag in der im Tatbestand genannten Weise zu fassen.

Dieser Berufungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Rente nach § 56 SGB VII. Vielmehr hat die Beklagte die Rente des Klägers zu Recht nach einem JAV von 30.090,94 Euro berechnet und bewilligt. Insbesondere ist der der Berechnung der Rente zugrunde gelegte JAV nicht gemäß § 87 Satz 1 SGB VII in erheblichem Maße unbillig und deshalb neu festzusetzen.

Der JAV ist zunächst nach der Regelberechnung des § 82 Abs. 1 SGB VII festzusetzen. Erst im Anschluss ist zu prüfen, ob der im Einzelfall berechnete JAV gemäß § 87 SGB VII in erheblichem Maße unbillig ist (hierzu BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 24/10 R - juris).

Der JAV ist gemäß § 82 SGB VII zutreffend festgesetzt worden. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII definiert den JAV als den "Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte (§ 14 des Vierten Buches) und Arbeitseinkommen (§ 15 des Vierten Buches) des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist." Hier betrug das Arbeitsentgelt im Sinne von Einnahmen aus einer Beschäftigung (§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) ausweislich einer entsprechenden Mitteilung der Arbeitgebers vom 21. Januar 2004 im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum vor dem Monat der Arbeitsunfalls im Dezember 2002 30.090,94 Euro.

Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit des Klägers als Landwirt war bei der Bestimmung des JAV nicht zu berücksichtigen, da solches nicht bestand. Dabei war das Einkommen des Klägers als Landwirt vorliegend nach der allgemeinen Vorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII zu bestimmen, wonach das Arbeitseinkommen aus einer solchen selbstständigen Tätigkeit nach den Vorschriften des Einkommensteuerrechts zu ermitteln ist. Demgegenüber ist die Sonderregelung des § 83 SGB VII, wonach die Höhe des JAV durch die Satzung des zuständigen Unfallversicherungsträgers - dies wäre in Bezug auf die Tätigkeit als Landwirt die Berufsgenossenschaft für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau - bestimmt wird, hier nicht anwendbar. Dies folgt daraus, dass bei Erzielung von Arbeitsentgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis und (geltend gemachter) gleichzeitiger Erzielung von Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit die Vorschrift des § 83 SGB VII nur zum Tragen kommt, wenn der Versicherungsfall aufgrund einer Tätigkeit eingetreten ist, für die Versicherungsschutz als Unternehmer bestand (dazu etwa Schudmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 82 SGB VII Rdnr. 71 und Ricke in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand: März 2016, § 82 Rdnr. 3a, jeweils m.w.N., vgl. auch BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 3/08 - juris). Demgegenüber kann der gegenteiligen Ansicht, die in früherer Rechtsprechung auch vom Bundessozialgericht - allerdings nur in einem obiter dictum - unter Geltung der RVO vertreten wurde (BSG, Urteil vom 4. Juli 1995 - 2 RU 33/94 - juris), vertreten wurde, zumindest für das neue Recht nicht gefolgt werden. Nach dieser Ansicht soll bei einem sowohl abhängig beschäftigten als auch selbstständig tätigen Versicherten in Bezug auf die selbstständige Tätigkeit auch bei einem Versicherungsfall im Rahmen der abhängigen Beschäftigung der satzungsmäßige (fiktive) Jahresarbeitsverdienst gemäß § 83 SGB VII angesetzt werden (dazu Schmidt, SGB VII, 4. Aufl. 2009, § 82 Rdnr. 9). Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen, da aufgrund des Ausnahmecharakters des § 83 SGB VII die dort in Bezug genommene satzungsmäßige Versicherungssumme nur innerhalb des Versicherungsverhältnisses, dem sie zuzuordnen ist, maßgeblich sein kann (Keller in: Hauck/Noftz SGB, 03/16, § 82 SGB VII, Rdnr. 14). Andernfalls würde der JAV nicht - wie jedoch § 83 SGB VII ausdrücklich vorsieht - für einen versicherten Unternehmer festgesetzt werden (s. Schudmann a.a.O.). Der Anwendungsbereich des § 83 SGB VII, dessen Regelung zur Bemessungsgrundlage nur für die Unternehmerversicherung als Form der solidarischen Eigenhilfe auf genossenschaftlicher Grundlage zweckentsprechend ist (Schudmann, a.a.O., § 83 Rdnr. 14), würde bei einer Geltung auch für Versicherungsfälle im Rahmen der versicherten abhängigen Beschäftigung zweckwidrig ausgedehnt. Dies würde zu einer unverhältnismäßigen Belastung des für das Beschäftigungsverhältnis zuständigen Versicherungsträgers durch höhere Rentenansprüche führen. Dementsprechend ist die genannte ältere Rechtsprechung des BSG zu Recht auf breite Ablehnung gestoßen (s. etwa Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 82 Rdnr. 14; Schudmann, a.a.O., § 82 Rdnr. 74 - jeweils m.w.N.; vgl. auch Ricke, a.a.O., § 82 Rdnr. 3a,). In neuerer Rechtsprechung des BSG, auf die in diesem Zusammenhang verwiesen wird (Schudmann, a.a.O., § 83 Rdnr. 21), wird daher zutreffend hervorgehoben, dass § 83 SGB VII nur einschlägig ist, wenn sich der Versicherungsfall in Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ereignet hat (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 - B 2 U 3/08 R -, Rdnr. 12). Nach dem Vorstehenden kommt vor allem auch die Sondervorschrift des § 93 SGB VII für landwirtschaftliche Unternehmer mangels Versicherungsfall bei der Unternehmertätigkeit nicht zur Anwendung (hierzu auch Feddern in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 93 SGB Rdnr. 18: Bei einem Versicherungsfall des Unternehmers in anderer Eigenschaft - etwa als Arbeitnehmer - gelten für die JAV-Berechnung die §§ 82 ff. SGB VII).

Demnach ist das Arbeitseinkommen vorliegend nicht nach § 83 SGB VII bzw. § 93 SGB VII, sondern allein nach der Vorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII i.V.m. § 15 Abs. 1 SGB IV (§ 15 Abs. 2 SGB IV gilt nur für sog. Kleinlandwirte und findet daher auf den Kläger keine Anwendung) zu bestimmen. Im Hinblick auf die nach dieser Regelung für die Bestimmung des Arbeitseinkommens aus selbstständiger Tätigkeit maßgeblichen Vorschriften des Einkommensteuerrechts ist festzustellen, dass der Kläger ausweislich der vorliegenden Steuerbescheide für die Jahre 2001 und 2002 - also der Steuer-bescheide, die den nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB VII maßgeblichen Zeitraum umfassen - aus seiner selbstständigen Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer in beiden Steuerjahren Verluste erwirtschaftet hat (2001: -56.644 DM, 2002: -12.547 Euro). Dementsprechend weist auch der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2000/2001 einen Verlust aus. Auf das Vorbringen, es sei ein hohes Vorsteuerergebnis erzielt worden, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an.

Der sich insofern ergebende JAV war auch nicht im Rahmen des § 87 SGB VII wegen erheblicher Unbilligkeit zu korrigieren. Diese Vorschrift ist zwar anwendbar, da vorliegend die Berechnung des JAV nach § 82 SGB VII und nicht nach § 83 SGB VII bzw. § 93 SGB VII erfolgt ist (vgl. etwa Schudmann, a.a.O., § 87 Rdnr. 5; Ricke, a.a.O., § 87 Rdnr. 3). Jedoch ist der Tatbestand dieser Vorschrift im Übrigen nicht erfüllt. Nach der Vorschrift des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist im Fall erheblicher Unbilligkeit eines nach der Regelberechnung gemäß § 82 SGB VII festgesetzten Jahresarbeitsverdienst dieser nach billigem Ermessen im Rahmen von Mindest- und Höchstjahresarbeitsverdienst festzusetzen. Hierbei sind gemäß § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB VII insbesondere die Fähigkeiten, die Ausbildung, die Lebensstellung und die Tätigkeit der Versicherten im Zeitpunkt des Versicherungsfalls zu berücksichtigen. Die Festsetzung des JAV nach der Regelberechnung gemäß § 82 SGB VII ist nicht im Sinne des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB VII in erheblichem Maße unbillig. Ob der berechnete JAV in erheblichem Maße unbillig ist, kann das Gericht in vollem Umfang selbst überprüfen, da insoweit die Auslegung und Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs in Frage steht; es besteht insoweit auch kein Beurteilungsspielraum des Unfallversicherungsträgers (BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 24/10 R - juris). Die Vorschrift des § 87 SGB VII betrifft atypische Fallgestaltungen, die zu einem billigen Ergebnis geführt werden sollen. Ziel der Regelung ist es, den JAV als Grundlage für die Rentenhöhe in der Weise zu bestimmen, "dass der Lebensstandard gesichert wird, den der Versicherte zeitnah vor dem Versicherungsfall erreicht und auf den er sich eingerichtet hat" (BSG a.a.O.).

Bei Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ist insofern zu berücksichtigen, dass Unternehmensgewinne starken Schwankungen unterliegen können und dementsprechend zu erheblichen Einkommensschwankungen des Unternehmers führen können. Da solche Schwankungen letztlich für eine unternehmerische Tätigkeit charakteristisch sind und die Höhe des Gewinns von den Gestaltungsmöglichkeiten des Unternehmers abhängen, rechtfertigen diese Schwankungen in der Regel nicht die Annahme einer erheblichen Unbilligkeit im Sinne von § 87 SGB VII (siehe bereits BSG, Urteil vom 29. Januar 1974, 8/2 RU 239/72, juris; dazu etwa Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 03/16, § 87 SGB VII, Rdnr. 11; Becker, in Becker/Franke/Molkentin, SGB VII § 87 Rn. 9a). Insoweit besteht nach der älteren Rechtsprechung des BSG allerdings eine Ausnahme, wenn die Gewinne eines Unternehmers sehr niedrig waren oder Verluste zu verbuchen waren, weil in dem für die Bestimmung des JAV maßgeblichen Zeitraum bedeutsame Investitionen getätigt wurden (BSG, Urteil vom 30. Oktober 1980 - 8a RU 16/80). Wenn auf Grundlage dieser Rechtsprechung, die allerdings umstritten ist (zur Kritik etwa Schudmann in jurisPK-SGB VII, § 87 SGB VII Rdnr. 43 m.w.N., der u.a. auf die mangelnde Berücksichtigung der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten des Unternehmers hinweist), davon ausgegangen wird, dass im Ausgangspunkt eine erhebliche Unbilligkeit im Sinne des § 87 SGB VII vorliegen kann, wenn aufgrund von Investitionen Verluste im JAV-Zeitraum entstehen, so wäre im vorliegenden Fall gleichwohl keine erhebliche Unbilligkeit anzunehmen. Auszugehen ist von dem dargelegten Zweck des § 87 SGB VII, den JAV als Grundlage der Rente so zu bemessen, dass der Lebensstandard gesichert wird, den der Versicherte zeitnah vor dem Versicherungsfall erreicht und auf den er sich eingerichtet hat. Vor diesem Hintergrund begründet das Vorbringen der Klägerseite, durch die Investitionen in den landwirtschaftlichen Betrieb seien die hieraus erzielten Einkünfte verringert, keine erhebliche Unbilligkeit im Sinne des § 87 SGB VII. Maßgeblich ist insofern, dass die Einnahmen aus dem Betrieb vor dem für die Bemessung des JAV maßgeblichen Zeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 30. November 2002, in den auch die Investitionsaufwendungen fielen, nicht zu einem in relevanter Weise höheren Lebensstandard geführt haben, auf den sich der Kläger eingerichtet hätte und der nunmehr im Rahmen des § 87 SGB VII Berücksichtigung finden müsste. Es lag insofern kein Einkommensbestand vor, auf den der Kläger hätte vertrauen können. Vielmehr erzielte der Kläger im maßgeblichen Zeitraum keine Gewinne, sondern erhebliche Verluste durch den Betrieb des landwirtschaftlichen Unternehmens. Ausweislich der vorliegenden Steuerbescheide lagen diese Verluste im Jahr 2001 bei 28.961,62 Euro und im Jahr zuvor bei 19.374,39 Euro. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Kläger vor seinem Arbeitsunfall nicht aufgrund von Einnahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen höheren Lebensstandard einrichten. Eine Betrachtung der Einnahmen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb in noch weiter zurückliegenden Zeiträumen ist nicht geboten, weil insofern kein Vertrauenstatbestand mehr besteht. Einnahmeänderungen können nur dann eine Unbilligkeit des JAV in erheblichem Maße bedingen, wenn sie innerhalb der auch nach § 87 SGB VII maßgebenden Jahresfrist eingetreten sind (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 24/10 R - juris). Aber selbst wenn weiter zurückliegende Zeiträume in die Betrachtung einbezogen würden, wäre dies im Ergebnis unerheblich. So sind die mäßigen Einkünfte in Höhe von umgerechnet 10.996,87 Euro im Jahr 1996 in den Folgejahren noch deutlich gesunken. Das letzte positive Jahresergebnis lag bei umgerechnet 699,96 Euro im Jahr 1999. Das Vorbringen der Klägerseite, vor dem Investitionszeitraum seien stets hohe Gewinne erzielt worden, entbehrt daher der Grundlage. Im Folgezeitraum ab dem Jahr 2000 wurden wie ausgeführt nur noch (hohe) Verluste erzielt. Angesichts dieser Gewinnentwicklung gab es im relevanten Zeitraum vor dem Arbeitsunfall keinen durch Einnahmen des landwirtschaftlichen Betriebs gesicherten (höheren) Lebensstandard, auf den sich der Kläger hätte einrichten können - vielmehr litt die Einkommenssituation des Klägers umgekehrt unter einer negativen Entwicklung des Betriebsergebnisses.

Auf das Vorbringen des Klägers, er habe die Investitionen vorgenommen, um die ungünstige Betriebsentwicklung zu beenden und in Zukunft Gewinne zu erzielen, kommt es nicht an. Denn maßgeblich ist nach der Zielsetzung des § 87 SGB VII wie ausgeführt allein, ob sich der Kläger zeitnah vor dem Arbeitsunfall auf einen bestimmten (höheren) Lebensstandard aufgrund betrieblicher Einnahmen eingerichtet hat bzw. einrichten konnte, was wie dargelegt nicht der Fall ist. Auf zukünftige Gewinnerwartungen und hierauf bezogene Investitionen kann es daher angesichts der Zielsetzung des § 87 SGB VII von vornherein nicht ankommen. Es besteht daher kein Anlass für die Annahme, der nach § 82 SGB VII ermittelte JAV sei unbillig oder gar im Sinne des § 87 Satz 1 SGB VII erheblich unbillig.

Für eine weitere Sachaufklärung durch Einholung eines von dem Kläger für erforderlich gehaltenen betriebswirtschaftlichen Gutachtens bestand nach dem Vorstehenden ebenfalls kein Anlass.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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