S 21 AS 123/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 21 AS 123/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Betriebskosten des Kraftfahrzeugs der Kläger.

Die am 00.00.1966 geborene Klägerin zu 1) und der am 00.00.1956 geborene Kläger zu 2) beantragten am 13.06.2005 die Übernahme der Betriebskosten für ihr Kraftfahrzeug Opel Omega B 2,6.

Am 09.08.2005 lehnte die Beklagte die begehrten Leistungen ab.

Hiergegen legten die Kläger am 29.08.2005 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2006 zurückwies.

Dagegen haben die Kläger am 11.07.2006 Klage erhoben. Sie tragen vor, es sei ihnen erlaubt, ein angemessenes Kraftfahrzeug zu besitzen. Wenn ihnen dies gestattet sei, so müsse die Beklagte auch die Kosten, die für den Betrieb dieses Fahrzeuges notwendig seien, übernehmen.

Darunter fielen: Benzin, Reparatur-und Wartungskosten, Steuern, Versicherungen, sowie weitere Kosten, die sich aus der Abnutzung des Fahrzeuges ergäben. Danach sei ein Betrag von 1,30 EUR pro Kilometer bei einer unterstellten Laufleistung von 9000 km jährlich aufzuwenden. Dazu haben die Kläger mit Schriftsatz vom 18.09.2007 eine detaillierte Kostenaufstellung zur Gerichtsakte gereicht (Blatt 35 ff. der Akten), auf die verwiesen wird.

Die Beklagte vertrete die Auffassung, dass die beantragten Kosten bereits im Regelsatz enthalten seien. Dies sei allerdings nicht der Fall. Die Regelsätze hätten für diese Position keinen Anteil vorgesehen. Es könne in diesem Zusammenhang nicht auf die Position "Mobilität" verwiesen werden. Diese beinhalte lediglich das Fortbewegen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, jedoch nicht mit einem privaten PKW. Das Halten eines PKW zur Mobilität bei der Arbeitssuche sei ausdrücklich gewünscht und anerkannt. Deshalb müssten hierfür in logischer Konsequenz auch die Kosten für die Unterhaltung des Kraftfahrzeugs übernommen werden. Es könne gerade nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Kosten im Regelsatz enthalten seien, zumal die Regelsätze aufgrund veralteten Zahlenmaterials unrichtig ermittelt worden seien. Darüber hinaus sei eine Pauschalierung der Regelleistung unzulässig. Deshalb liege ein Verstoß gegen das Grundgesetz vor. Soweit seitens der Beklagten vorgetragen werde, dass das Einkommen der Klägerin zu 1) um den Betrag in Höhe von 18,29 EUR sowie Fahrtkosten von 1,68 EUR bereinigt würde und damit die Leistungen erbracht seien, übersehe sie, dass es sich hierbei lediglich um einen geringen Anteil der Unterhaltungskosten handele, und die Beklagte die Abzüge, so wie vorgetragen, überhaupt nicht vornehme.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 09.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2006 -W 1269/05- aufzuheben und den Klägern weitere Leistungen zum Betrieb und zur Unterhaltung ihres Kraftfahrzeuges in Höhe von 1,30 Euro bei einer Kilometerleistung von 9.000 Kilometern jährlich zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, für die Erstattung der Betriebskosten eines Kraftfahrzeuges gebe es im SGB II keine Rechtsgrundlage. Nach Art. 20 GG sei die Beklagte als Teil der vollziehenden Gewalt an Recht und Gesetz gebunden. Sie müsse deshalb die Bestimmungen des SGB II beachten. Sie dürfe nicht von den pauschalierten Regelsätzen des Gesetzes abweichen. Die Übernahme der Betriebskosten des PKW der Kläger außerhalb der Regelsätze und der Bereinigung des Einkommens der Klägerin zu 1) sei im Gesetz nicht vorgesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Kläger sind durch den Bescheid vom 09.08.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2006 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig.

Für die Gewährung der von den Klägern beantragten Leistungen für den Betrieb und die Unterhaltung ihres Kraftfahrzeugs findet sich im Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) keine Anspruchsgrundlage. Die Höhe der Regelleistung, über die solche Kosten gegebenenfalls zu erstatten wären, ist ebenso wenig zu beanstanden, wie die von der Beklagten durchgeführte Bereinigung des Einkommens der Bedarfsgemeinschaft.

Die §§ 19 ff. SGB II, in der Fassung vom 30.07.2004, gültig von 01.01.2005 bis 30.06.2006 regeln abschließend, welche Grundsicherungsleistungen Leistungsempfängern nach dem SGB II zustehen. Dies sind: die Regelleistung gemäß § 20 SGB II, Leistungen für Mehrbedarfe beim Lebensunterhalt § 21 SGB II, Leistungen für Unterkunft und Heizung § 22 SGB II, Ein befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld I § 24 SGB II, Leistungen bei medizinischer Rehabilitation der Rentenversicherung und bei Anspruch auf Verletztengeld aus der Unfallversicherung und, § 25 SGB II, Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen § 26 SGB II.

Die Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb eines Kraftfahrzeuges sind in diesem Katalog nicht enthalten und deshalb auch nicht erstattungsfähig.

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger resultiert aus der in § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB II vorgesehenen Möglichkeit, das Kraftfahrzeug der Kläger als Schonvermögen unberücksichtigt zu lassen, nicht die Verpflichtung des Staates, für den Betrieb und die Unterhaltung dieses Fahrzeugs zu sorgen.

§ 12 SGB II in der Fassung vom 30.07.2004, gültig von 01.01.2005 bis 30.06.2006 lautet auszugsweise:

(1)Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen ... (3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen ...

2.Ein angemessenes Kraftfahrzeug für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ...

Abs. 3 der Norm bezweckt, dass Leistungsempfänger, die nur kurze Zeit hilfebedürftig sind, nicht sämtliches Vermögen zur Abwendung ihrer Hilfebedürftigkeit einsetzen müssen, sondern ein gewisses Schonvermögen behalten dürfen. Im Falle eines angemessenen Kraftfahrzeuges dient dies dazu, auch eine vom Wohnort des Leistungsempfängers weiter entfernte Arbeit aufnehmen oder beibehalten zu können. Diese Privilegierung der Hilfeempfänger führt indess nicht dazu, dass der Staat auch sämtliche Folgekosten, die sich aus dieser Vergünstigung ergeben, tragen muss, denn zwingend notwendig ist der Besitz und die Nutzung eines angemessenen Kraftfahrzeuges für ein Leben am soziokulturellen Existenzminimum nicht. Zu Unrecht gehen die Kläger davon aus, das sie die Kosten für den Betrieb und die Unterhaltung ihres Kraftfahrzeuges nicht aus ihren Regelleistungen decken müssen, denn § 20 SGB II alte Fassung (a.F.) deckt alle in Betracht kommenden Bedarfe des täglichen Lebens mit Ausnahme derjenigen ab, die Empfängern von Grundsicherungsleistungen in § 21 SGB II a.F. ausdrücklich zugestanden werden.

Die in diesem Zusammenhang vorgenommene Pauschalierung der Höhe der Regelleistung auf jeweils 311,00 Euro für die Kläger ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht gegen die in § 20 Abs. 2 und 3 SGB II gesetzlich festgeschriebene Höhe der Regelleistungen. Das Gericht folgt insbesondere nicht dem Vorbringen der Kläger, die genannten Vorschriften gewährleisteten nicht das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum und verstießen gegen die Menschenwürde sowie gegen fürsorgerechtliche Strukturprinzipien.

Eine genaue Bestimmung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins begegnet angesichts sich ständig ändernder gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse und Entwicklungen erheblichen Schwierigkeiten, wie u.a zahlreiche Entscheidungen des BVerfG zum steuerrechtlichen Existenzminimum belegen (vgl. etwa BVerfGE 87, 153, 169 ff. = NJW 1992, 3153; BVerfGE 99, 246, 259 ff. = NJW 1999, 561). Demgemäß hat der Gesetzgeber in den jeweiligen Gesetzen, die sich mit der Bestimmung des Existenzminimums befassen (z.B. Wohngeldgesetz, Einkommensteuergesetz), keineswegs eine einheitliche Definition gewählt (vgl. Wunder/Diehm, SozSich 2006, 195, 197). Soweit dem Begriff der Sicherung der "Mindestvoraussetzungen" die Forderung nach einem Schutz vor Existenznot im Sinne einer Sicherung der physiologischen Existenz des Bürgers zu entnehmen ist (vgl. Martinez Soria JZ 2005, 644, 648 mwN), bestehen keine Bedenken, dass der Gesetzgeber des SGB II diese Forderung erfüllt, indem er die in den §§ 14 ff. SGB II vorgesehenen Leistungen zur Verfügung stellt und darüber hinaus Regelungen zur Einbeziehung der Hilfebedürftigen in den Schutz der Sozialversicherung trifft (zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung - §§ 5 Abs. 1 Nr. 2a, 251, 252 SGB V; §§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a, 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI; vgl. hierzu auch Urteil des LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2006 - L 10 AS 1093/05 -, Juris, RdNr. 29; Mrozynski, Praxishandbuch zu SGB II und SGB XII, unter II.8 RdNr. 102 ff.).

Allerdings ist in der Rechtsprechung des BVerwG zur Sozialhilfe anerkannt, dass die staatliche Gewährleistungspflicht nicht nur auf die bloße Sicherung der körperlichen Existenz beschränkt ist, sondern auch die Gewährleistung eines "soziokulturellen Existenzminimums" sowie einen Schutz vor Stigmatisierung und sozialer Ausgrenzung umfasst (vgl. BVerwGE 87, 212 = NJW 1991, 2304; BVerwGE 94, 326 = NVwZ 1994, 1214). Auch diesen Anforderungen wird der Gesetzgeber bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende grundsätzlich gerecht. Denn er hat die in der Rechtsprechung zur Sozialhilfe entwickelten Erwägungen mit der Regelung in § 20 Abs. 1 SGB II aufgegriffen und präzisiert. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst schon nach dem Gesetzeswortlaut u.a. (neben z.B. Ernährung und Kleidung) "in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben".

Durchgreifende Bedenken lassen sich entgegen verschiedenen Äußerungen im Schrifttum (etwa Ockenga ZfSH/SGB 2006, 143, 144 ff.) nicht aus dem Gesetzgebungsverfahren und nicht aus dem nachfolgenden Verfahren zur Vorbereitung der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII - Regelsatzverordnung (RSV) - herleiten. Das Gericht hat insoweit berücksichtigt, dass nach der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drucks 15/1516 S. 56) für die Leistungshöhe eine vom Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt erhobene Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 mit Hochrechnung auf den Stand 1. Juli 2003 maßgebend sein und dass sich die Regelleistung hinsichtlich Höhe und Neubemessung auch an der RSV orientieren sollte (vgl. auch § 20 Abs. 4 Satz 2 SGB II a.F. i.V.m. § 28 Abs. 3 Satz 5 SGB XII). Der Senat hat auch berücksichtigt, dass die RSV bis zur Verabschiedung des SGB II durch den Bundestag im Dezember 2003 noch nicht erlassen war und dass erst mit Schreiben der Bundesregierung vom 10. März 2004 der RSV-Entwurf und dessen Begründung dem Bundesrat übermittelt wurde (BR-Drucks 206/04; vgl. Ockenga, aaO, S. 144), ferner, dass vor dem Gesetzesbeschluss zum SGB II der Vorentwurf einer RSV (Stand 21. Juli 2003, vgl. im Internet unter www.sozialpolitik.de, Themenfelder "Sozialstaat, Soziale Sicherung") vorlag, der im Detail von der späteren RSV vom 3. Juni 2004 (BGBl I 1067) abweicht. Grundsätzliche Einwände gegen die Festsetzung der Regelleistungen lassen sich aus diesem zeitlichen Ablauf jedoch nicht ableiten, da der Gesetzgeber bei der Ermittlung der - typisierten - Bedarfe wie schon bei der Sozialhilfe auf das Statistikmodell zurückgegriffen hat (vgl. Martens SozSich 2006, 182, 184) und erkennbarer Bezugspunkt für die Bemessung der Regelleistung mit 345 EUR die Höhe der bis dahin geltenden Regelsätze (ca. 297 EUR) zuzüglich eines an der damaligen Bewilligungspraxis bezüglich einmaliger Leistungen gemessenen Anteils in Höhe von ca. 16 v.H. war (vgl. hierzu u.a. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. August 2006 - L 8 AS 467/05; Brünner in LPK-SGB II § 20 Nr. 4; Berlit info also 2003, 195, 202; Bieback NZS 2005, 337, 338).

Auch im Übrigen kann das Gericht nicht feststellen, dass die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II a.F. höherrangigem Recht widerspricht. Bereits die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Sozialhilfe hat die Kontrolle für die Regelsatzfestsetzung durch Rechtsverordnung unter der Geltung des § 22 Abs. 2 Satz 1 BSHG auf die Prüfung beschränkt, ob die den Bedarf bestimmenden Faktoren auf ausreichenden Erfahrungswerten beruhen und ob die der Festsetzung zu Grunde liegenden Wertungen vertretbar sind (vgl. BVerwGE 94, 326 = NVwZ 1994, 1214; BVerwGE 102, 366 = NVwZ 1998, 285). Diese Prüfungsmaßstäbe zur Vereinbarkeit einer Rechtsverordnung mit dem ermächtigenden Gesetz können denknotwendigerweise nicht gleichermaßen für die Überprüfung des § 20 Abs. 2 SGB II gelten. Denn hierin hat der parlamentarische Gesetzgeber, der allein an das GG gebunden ist, die Höhe der Regelleistung unmittelbar bestimmt. Das Gericht kann jedoch offen lassen, inwieweit sich die oben genannten Maßstäbe nicht nur aus dem BSHG, sondern auch aus dem GG herleiten lassen (vgl. BVerfGE 82, 60, 80; Rothkegel, SGB 2006, 74, 76; gegen die Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BverwG: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. November 2005 - L 3 AS 3/05), denn selbst auf der Grundlage dieser Maßstäbe bestehen keine Bedenken. Die Prüfung ergibt unter Berücksichtigung der im Gesetzgebungsverfahren und im Zusammenhang mit dem Erlass der RSV dokumentierten Erwägungen, dass der Bestimmung der Regelleistung ausreichende Erfahrungswerte zu Grunde liegen und dass der dem Gesetzgeber zuzubilligende Einschätzungsspielraum nicht in unvertretbarer Weise überschritten ist.

Eine Unvertretbarkeit der Festsetzung der Regelleistung durch den Gesetzgeber ergibt sich nicht etwa daraus, dass im Schrifttum mangelnde Transparenz gerügt oder auf die angebliche Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen hingewiesen wird (vgl. u.a.: Berlit info also 2003, 195, 202; derselbe info also 2005, 181- 182; Frommann NDV 2004, 248, 252; Rothkegel ZfSH/SGB 2004, 396, 403 ff.; Däubler, NZS 2005, 225, 228; Ockenga, ZfSH/SGB 2006, 143, 144 ff.). Denn angesichts der offenkundigen Schwierigkeiten, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein auch unter Einbeziehung eines "soziokulturellen Existenzminimums" sachgerecht zu bestimmen, können Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Angemessenheit und der Gewichtung einzelner Größen keine entscheidende Rolle spielen (vgl.auch BSG SozR 3-4100 § 138 Nr. 14 S 83 ff.; vgl. zusammenfassend Mrozynski, Praxishandbuch zu SGB II und SGB XII, unter II.8 RdNr. 21 ff., 25, Stand 1. März 2006).

Bei der Vertretbarkeitsprüfung ist auch zu bedenken, dass die gegenwärtige Situation durch die Zunahme niedrig entlohnter Tätigkeiten und durch Einkommenseinbußen in breiten Bevölkerungskreisen geprägt ist, weshalb dem Gesichtspunkt des Lohnabstandsgebotes maßgebliche Bedeutung zukommen muss (so zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2006 - L 10 AS 1093/05 - Juris, Rdnrn31). Diesem Gebot entspricht, dass in der Konsequenz der Festlegung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 SGB II der Hilfeempfänger weniger konsumieren kann als die untersten 20 % der nach ihrem Nettoeinkommen geschichteten Haushalte der EVS ohne Einbeziehung der Hilfeempfänger (vgl. § 2 Abs. 3 RSV; Däubler NZS 2005, 225, 228). Vor allem ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu beachten, dass der Gesetzgeber des SGB II den Hilfebedürftigen nicht nur die Regelleistung, sondern in nicht unwesentlichem Umfang weitere Leistungen zur Verfügung stellt (vgl. u.a. §§ 16, 21, 22, 23 SGB II. ; zur Möglichkeit, in Ausnahmefällen auch Leistungen nach Maßgabe des SGB XII zu beanspruchen, vgl. Urteil des 7b. Senats des BSG vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R).

Unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte vermag das Gericht deshalb eine Unvertretbarkeit der Höhe der Regelleistung nicht zu erkennen. Ob und inwieweit den Gesetzgeber über die Anpassungsregelungen in § 20 Abs. 4 SGB II hinaus eine besondere Beobachtungspflicht (vgl. BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 13; BVerfGE 87, 348, 358; 88, 203, 309 ff.) bei der praktischen Umsetzung des Gesetzes trifft, kann das Gericht schon im Hinblick auf den hier streitigen Zeitraum dahingestellt sein lassen.

Die Höhe der nach § 20 Abs 3 SGB II a.F. im konkreten Fall nur zu 90 % berücksichtigte Regelleistung (311 EUR) begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Da bei zwei Angehörigen einer Bedarfsgemeinschaft ein Wirtschaften "aus einem Topf" zu Kostenersparnissen führt, ist nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber dies typisierend berücksichtigt (vgl. hierzu auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Juli 2006 - 1 BvR 2383/04 - zu § 22b Abs. 3 Fremdrentengesetz). Die Kostenersparnis bei gemeinsamer Haushaltsführung war schon der Grund für die gestaffelten Regelleistungen nach dem BSHG (siehe auch LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24. August 2006 - L 8 AS 467/05, vgl. zum Ganzen: BSG 11b. Senat Urteil vom 23.11.2006 B 11b AS 1/06 R).

Es bestehen ferner keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, bei den Klägern könnte eine individuelle Sondersituation vorliegen, die eine andere Beurteilung erfordern würde.

Die Kläger haben nicht vorgetragen, warum die Regelleistungen für sie konkret zu niedrig sein sollen und wieso sie hierdurch individuell in ihren Grundrechten betroffen sind. Der einfache Hinweis, alles werde immer teurer, und die Regelleistungen hätten deshalb an den zu verzeichnenden Preisanstieg angepasst werden müssen, überzeugt nicht, denn die Kläger haben keine Aufstellung darüber vorgelegt, welche Kosten ihnen durchschnittlich innerhalb eines Bewilligungszeitraumes entstehen, welche Bemühungen sie zur Verringerung jedes einzelnen rechnerisch ausgewiesenen Faktors vorgenommen haben und wieso eine weitere Senkung der Ausgaben in ihrem Haushalt unmöglich ist.

Dies gilt insbesondere für die als Betriebs- und Unterhaltungskosten ihres Kraftfahrzeuges geltend gemachten Aufwendungen. Offen blieb insofern bereits, warum die Klägerin zu 1) überhaupt mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren muss und nicht z.B. mit Kollegen eine Fahrgemeinschaft bilden konnte. Unverständlich bleibt auch, warum die Kläger nicht versucht haben, ihr Fahrzeug durch einen PKW zu ersetzen, dessen Nutzung und Unterhaltung für sie weniger kostenintensiv ist.

Die von der Beklagten vorgenommene Einkommensbereinigung ist nicht unter dem Gesichtspunkt zu beanstanden, dass die als Fahrtkosten angerechneten Beträge nicht die entstehenden Belastungen der Kläger abdecken, denn die von der Beklagten nach § 30 SGB II in der Fassung vom 24.12.2003, gültig vom 01.01.2005 bis 30.09.2005 angesetzten Beträge entsprechen dem zum Antragszeitpunkt geltenden materiellen Recht. Aus der Norm ergibt sich keine Verpflichtung der Behörde, sämtliche Fahrtkosten der Klägerin zu 1), die ihr aus den Fahrten von der Wohnung zur Arbeit und zurück entstehen, zu ersetzen, denn es handelt sich insoweit um eine Vergünstigung, die der Gesetzgeber Hilfeempfängern gewährt, ohne dass hierfür eine rechtliche Notwendigkeit bestünde.

Die Klage war somit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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