S 15 EG 29/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
15
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 15 EG 29/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Elterngeld für seine am 00.00.2010 geborene Pflegetochter.

Seinem Antrag auf Elterngeld fügte er eine Bescheinigung des Sozialdienstes L e.V. im Kreis X (Pflegekinderdienst, Fachberatung für Westfälische Pflegefamilien) vom 20.01.2010 bei. Es wird bestätigt, dass das Kind als Pflegekind gemäß § 33 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) am 06.01.2010 in die Familie aufgenommen wurde. Es handele sich um eine Inkognito-Pflege. Das Pflegeverhältnis werde im Auftrag des Jugendamtes vom Pflegekinderdienst beraterisch inhaltlich und fachlich begleitet. Das Pflegeverhältnis sei auf Dauer angelegt.

Der Beklagte übersandte dem Kläger einen Vordruck, in dem dieser vom Jugendamt die Adoptionspflege bestätigen lassen sollte. In dem vom Pflegekinderdienst ausgefüllten Vordruck ist das Wort Adoptionspflege gestrichen und durch Vollzeitpflege ersetzt worden. Der Kläger teilte dem Beklagten unter dem 29.04.2010 mit, seine Ansprechpartnerin vom Kinderpflegedienst beabsichtige, in diesen Tagen mit dem Fachteam des zuständigen Jugendamtes zu sprechen zwecks Initiierung einer Adoptionspflege für die Pflegetochter. Der Sozialdienst L unterstütze derzeit alle Bemühungen in Richtung Umwandlung des Pflegeverhältnisses.

Mit Bescheid vom 03.05.2010 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Elterngeld ab. Zur Begründung ist ausgeführt, einen Anspruch auf Elterngeld habe auch, wer u.a. ein Kind mit dem Ziel der Annahme als Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Das Kind befinde sich nicht in der Adoptionspflege des Klägers.

Hiergegen erhob der Kläger am 17.05.2010 Widerspruch. Er machte geltend, das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) schließe Familien mit Kindern in Dauerpflege nicht vom Bezug von Elterngeld aus. Eher verfolge der Gesetzgeber mit der Formulierung "Ziel der Annahme" eine Abgrenzung zur Bereitschafts- und Kurzzeitpflege. Anderenfalls wäre eine deutliche Formulierung zur Ausgrenzung von Kindern in Dauerpflege, bei denen eine zukünftige Adoption gewünscht sei, gewählt worden. Das Gesetz sehe einen Anspruch auf Elterngeld auch für im Rechtssinne (noch) nicht mit dem Kind verwandte Personen vor. Eine rechtlich verfestigte Familienbeziehung könne auch durch ein auf Dauer durch ein Jugendamt angelegtes Pflegeverhältnis begründet sein, zumal wenn das Ziel einer Annahme verfolgt werde. Pflegekinder würden auch in anderen Gesetzen der Familie zugeordnet. Bei seiner Pflegetochter liege das Ziel der Annahme vor. Bereits vor der Aufnahme der Pflegetochter hätten das zuständige Jugendamt und der Kinderpflegedienst festgestellt, dass eine Aufnahme des Kindes in die Herkunftsfamilie und eine mögliche spätere "Rück"-Führung seitens aller beteiligten Behörden und Instanzen auszuschließen sei und das Kind in seiner Familie bleiben solle. Entsprechend dem ersten Hilfeplanprotokoll sei das Kind gut in der Familie integriert. Gespräche zu einer Überführung in Adoptionspflege fänden statt. Aufgrund seiner Einkommensverluste lebe seine 4-köpfige Familie derzeit von einem Nettoerwerbseinkommen von 700,00 EUR seiner Ehefrau. Das Pflegegeld solle ausdrücklich nicht der Existenzsicherung der Familie dienen. Familien, die Kinder aufgenommen hätten, lebten als öffentliche Familie und seien mit gesellschaftlichen Aufgaben betraut worden. Diese gingen weit über die Anforderungen hinaus, denen sich Eltern mit leiblichen Kindern stellen müssten.

Mit Schreiben vom 18.05.2010 wies der Beklagte darauf hin, dass das Gesetz an die tatsächliche Haushaltsaufnahme mit dem Ziel der rechtlichen Verfestigung dieser Beziehung im Wege der Annahme als Kind gemäß §§ 1741 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anknüpfe. Der Beginn der Adoptionspflege sei durch eine Bestätigung des Jugendamtes nachzuweisen. Werde die Annahme als Kind abgelehnt, entfalle der Anspruch nur für die Zukunft. Es sei lediglich eine Bestätigung bezüglich der Vollzeitpflege eingesandt worden. Vollzeitpflege begründe keinen Anspruch auf Elterngeld.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2010 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch unter Bezugnahme auf das aufklärende Schreiben vom 18.05.2010 zurück.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt weiter vor, das BEEG stelle zur Abgrenzung von Kurzzeitpflege- und Bereitschaftspflegesituationen auf die beabsichtigte Adoption ab. Der Begriff der Adoptionspflege werde im BEEG nicht verwandt. Aus den Gesetzesmaterialien ergäben sich keine Einschränkungen für Pflegeeltern. Er habe keinen Einfluss darauf, wann die Vollzeitpflege offiziell in eine Adoptionspflege umgewandelt werde. In der Zwischenzeit könne er nicht ohne staatliche Unterstützungsleistungen auskommen. Das Sozialstaatsprinzip und der in Artikel 6 Grundgesetz (GG) verankerte Schutz von Ehe und Familie verlangten einen Anspruch auf Elterngeld für Pflegeeltern. Bei seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28.03.2011 hat der Kläger angegeben, das Kind sei weiterhin in Vollzeitpflege bei ihnen. Bei dem nächsten Hilfeplangespräch sei auch Thema die Überführung in Adoptionspflege.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 03.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 zu verurteilen, ihm Elterngeld für seine am 03.01.2010 geborene Pflegetochter gemäß seinem Antrag vom12.04.2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, bei Vollzeitpflege bestehe anders als bei Adoptionspflege kein Anspruch auf Elterngeld. Die Vollzeitpflege gehöre zu den lebensfeldersetzenden Hilfen zur Erziehung (§§ 27 und 33 SGB VIII). Sie bedeute die zeitweise oder dauerhafte Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie oder Erziehungsstelle. Alle Hilfen zur Erziehung hätten die Rückführung in das Herkunftssystem zum Ziel. Nur wenn wesentliche Gründe gegen eine Rückkehr sprächen, sollten andere Lebensperspektiven erarbeitet werden (vgl. § 37 SGB VIII). Die Pflegefamilie erhalte für den Unterhalt des Kindes und die Erziehungsleistungen Pflegegeld vom Jugendamt. Adoptionspflege (§ 1744 BGB) stelle keine Vollzeitpflege im Sinne des § 33 SGB VIII dar. Adoptionspflege sei die Zeit von der Aufnahme eines zur Adoption freigegebenen Kindes bis zur eigentlichen Adoption. In der Zeit der Adoptionspflege gehöre das Kind juristisch gesehen noch zu seiner Herkunftsfamilie. Seine Herkunftseltern hätten jedoch nicht mehr die elterliche Sorge für das Kind. Die zukünftigen Adoptionseltern hätten sie noch nicht. In dieser Zwischenzeit habe das Jugendamt die Vormundschaft für das Kind. Die Adoptionspflege diene der Vorbereitung der Annahme als Kind und sei ihrer Intention nach eine Eingewöhnungszeit. Die Adoptionsvermittlungsstelle überprüfe während dieser Adoptionspflegezeit, ob sich die angestrebte Eltern-Kind-Beziehung entwickelt habe und ein positiver Verlauf vorhergesagt werden könne. Die Adoptionspflege beginne mit der Aufnahme des zu adoptierenden Kindes durch geeignete Adoptiveltern und ende mit dem rechtskräftigen Adoptionsbeschluss des Vormundschaftsgerichts. Sie dauere in der Regel ein Jahr. Habe das Kind bereits vorher als Pflegekind bei den annehmenden Personen gelebt und hätten diese ihren Wunsch zur Adoption des Kindes geäußert, so werde das Pflegegeld bis zu dem Zeitpunkt gewährt, an welchem die erforderlichen Einwilligungserklärungen dem Vormundschaftsgericht zugegangen seien. Ab diesem Zeitpunkt beginne die Unterhaltspflicht der künftigen Adoptiveltern (§ 1751 Abs. 4 BGB).

Die Elterngeldakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Für den Sachverhalt im Einzelnen wird auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.

Der Kläger ist durch den Bescheid vom 03.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2010 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Einen Anspruch auf Elterngeld für seine am 00.00.2010 geborene Pflegetochter hat der Kläger nicht. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 BEEG besteht kein Anspruch auf Elterngeld für Dauerpflegekinder. Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Ausschluss vom Elterngeld für Dauerpflegekinder, bei denen nicht zugleich Adoptionspflege vorliegt, verfassungswidrig ist.

Voraussetzung für einen Anspruch auf Elterngeld ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BEEG u.a., dass der Antragsteller mit "seinem" Kind in einem Haushalt lebt. Dies betrifft die leiblichen Kinder und die diesen gleichgestellten (vgl. §§ 1754, 1755 BGB) angenommenen (adoptierten) Kinder, nicht aber Pflegekinder (Hambüchen-Irmen, Elterngeld/Elternzeit/Kindergeld, Rdnr. 62 und 63 zu § 1 BEEG). Der Kläger lebt nicht mit "seinem" Kind in einem Haushalt.

Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Abs. 1 Nr. 2 auch, wer mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG). Diese Vorschrift erfasst den Fall der Adoptionspflege (Hambüchen-Irmen a.a.O. Rdnr. 64 zu § 1 BEEG). Die in § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG geforderte Aufnahme des Kindes mit dem Ziel der Annahme als Kind setzt eine Willenserklärung im Sinne einer Adoptionsbewerbung voraus und erfordert damit mehr als eine Äußerung der Adoptionsbereitschaft (Grüner-Dalichau, Kommentar, Stand 01.11.2010 Anmerkung 2.1 zu § 1 BEEG sowie Urteile des Bundessozialgerichts vom 15.08.2000 –B 14 EG 4/99 R- und vom 09.09.1992 –14b/4 REg 15/91- sowie vom 28.02.1996 -14 REg 3/95- zur gleichlautenden Vorschrift des Bundeserziehungsgeldgesetzes – BErzGG - ). Nach den Ausführungen im Urteil des Bundessozialgerichts vom 15.08.2000 ist ein Kind nicht schon dann mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen, wenn die Pflegeeltern vor oder nach der Aufnahme den Entschluss zur Adoption fassen. Der Status von Pflegeeltern genügt nicht, auch nicht in Verbindung mit deren inneren Willen oder der unverbindlichen Bereitschaft, ein bestimmtes Kind anzunehmen. Der Annahmewille muss bekundet werden. Bei Pflegeeltern geschieht dies regelmäßig durch die Einleitung eines Adoptionsverfahrens bzw. der Adoptionsvermittlung. Falls ein Pflegschaftsverhältnis besteht, muss sich dieses materiell-rechtlich zugleich als Adoptionspflege i.S.von § 1744 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erweisen. Vor einer Adoption ist grundsätzlich eine Adoptionspflege als Zeit der Vorbereitung und Prüfung für eine spätere Adoption vorgesehen (vgl. §1752 Abs. 1 BGB). Sie soll die nach § 1741 Abs. 1 BGB erforderliche Prognose zum Kindeswohl und zum Entstehen einer wirklichen Eltern-Kind-Beziehung erleichtern.

Entgegen den Ausführungen des Klägers ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des BEEG, dass ein Dauerpflegeverhältnis nicht zum Bezug von Elterngeld ausreicht, falls es sich nicht zugleich um Adoptionspflege handelt. In der Bundestagsdrucksache 16/1889 Seite 19 heißt es, dass Abs. 3 einen Anspruch auf Elterngeld auch für im Rechtssinne (noch) nicht mit dem Kind verwandte Personen vorsieht und die Nummern 1 und 2 eine rechtlich verfestigte Familienbeziehung zum Maßstab machen. Um eine rechtlich verfestigte Familienbeziehung handelt es sich erst, wenn eine Dauerpflege zur Adoptionspflege wird. Im genannten Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.09.1992 wird darauf hingewiesen, dass in § 1 Abs. 3 Nr. 1 BErzGG zunächst der Begriff "ein in Adoptionspflege genommenes Kind" verwendet werden sollte. Auf Empfehlung des zuständigen Ausschusses sei "im Vereinheitlichungsinteresse" eine Formulierung gewählt worden, die der des Adoptionsanpassungsgesetzes vom 24.06.1985 entspreche. Dieses Gesetz habe die Adoptionspflege eingeführt. Die Annahme solle nach § 1744 BGB erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt habe (Adoptionspflege). § 1 Abs. 3 Nr. 1 BErzGG sei schon nach dem Wortlaut vorrangig im Zusammenhang mit der ähnlichen Formulierung in § 1751 Abs. 4 Satz 1 BGB zu sehen. Nach dieser Vorschrift ist der Annehmende dem Kind vor den Verwandten des Kindes unterhaltspflichtig, sobald die Eltern die erforderliche Einwilligung erteilt haben "und das Kind in die Obhut des Annehmenden mit dem Ziel der Annahme aufgenommen ist". Auch in § 1751 BGB sei die Formulierung dahin zu verstehen, dass das Verfahren der Adoption bzw. der Adoptionsvermittlung eingeleitet sein müsse. Der Annahmewille müsse nicht nur vorhanden, sondern auch nach außen bekundet sein. Ein förmlicher Adoptionsantrag werde nicht als erforderlich angesehen, es genüge die Adoptionsbewerbung, insbes. wenn der Adoptionswunsch während des Pflegeverhältnisses entstehe. Die Streichung der Einwilligung der natürlichen Eltern in die Adoption als zusätzlicher Voraussetzung des Anspruchs auf Erziehungsgeld sei in der Bundestagsdrucksache 11/1161 Seite 15 wie folgt erläutert worden: "Zukünftig kommt es nicht mehr darauf an, dass die formelle Einwilligung der Eltern in die Adoption, die frühestens acht Wochen nach der Geburt des Kindes gegeben werden kann, vorliegt. Es genügt die Einwilligung der Eltern in die Pflege mit dem Ziel der Adoption". Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht auch nach Auffassung der Kammer eindeutig dafür, dass für einen Anspruch auf Elterngeld nach § 1 Abs.3 Satz 1 Nr. 1 BEEG eine Adoptionspflege Voraussetzung ist und dass eine unverbindliche Adoptionsbereitschaft nicht ausreicht.

Nach den vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen des Pflegekinderdienstes und seinen eigenen Angaben im Termin zur mündlichen Verhandlung handelt es sich im vorliegenden Fall um ein Dauerpflegeverhältnis und (noch) nicht um Adoptionspflege.

Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 100 GG kam nicht in Betracht. Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass die hier maßgebenden Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BEEG verfassungswidrig sind. Aus Artikel 6 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip folgt keine Pflicht des Gesetzgebers, Pflegeeltern einen Anspruch auf Elterngeld einzuräumen, sondern lediglich die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich (vgl. das genannte Urteil des Bundessozialgerichts vom 09.09.1992). Ebenso ist der allgemeine Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Ihm kommt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ob eine Regelung dem allgemeinen Gleichheitssatz entspricht, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Für die Ungleichbehandlung von Dauerpflegekindern gegenüber leiblichen Kindern, Adoptivkindern und Kindern in Adoptionspflege bestehen nach Ansicht der Kammer sachliche Gründe. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die relativ seltenen Fälle der Adoptionspflege aus sozialpolitischen Gründen besonders zu fördern. Im Urteil vom 09.09.1992 hat das Bundessozialgericht unter Bezugnahme auf die Bundestagsdrucksache 10/3792, Seite 15 ausgeführt, bei der Adoptionspflege sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass ihr in der Regel die Annahme des Kindes folge. Neben der Bereitschaft der Pflegeeltern zur Annahme des Kindes liege in diesem Fall regelmäßig auch das Einverständnis des Sorgeberechtigten in die Übernahme der Pflege mit dem Ziel der Adoption vor. Die für den Regelfall gesetzlich vorgeschriebene Gewöhnungsphase (§ 1744 BGB) vor dem Ausspruch der Adoption durch das Vormundschaftsgericht (§ 1752 Abs. 1 BGB) sollte nicht zu einem faktischen Ausschluss von Adoptiveltern aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten führen, da die Anspruchsdauer nach der ursprünglichen Fassung des Bundeserziehungsgeldgesetzes mit der Pflegephase weitgehend identisch gewesen sei. Während die Adoptionspflege regelmäßig zur Annahme des Kindes führe, das Gesetz somit nur den nachfolgenden Status vorweg nehme, fehle bei der Familienpflege eine Regelhaftigkeit einer dauerhaften Erziehungsgemeinschaft (wie sie der Gesetzgeber bei der Stiefelternschaft aus der ehelichen Bindung zum sorgeberechtigten Elternteil abgeleitet habe). Der Gesetzgeber habe im Fall der Adoptionspflege den Ausnahmefall, dass es nicht zu einer Annahme des Kindes komme, unberücksichtigt lassen dürfen. Bei der unterschiedlichen Behandlung der Familienpflege habe der Gesetzgeber zudem berücksichtigen dürfen, dass die gegenwartsbezogenen Einschränkungen der Pflegeeltern zum Teil dadurch aufgewogen würden, dass ihnen von den Behörden der Jugendhilfe ein Pflegegeld zufließe. Die Verfassungsbeschwerde der Pflegemutter ist vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 22.12.1993 -1 BvR 54/93- nicht zur Entscheidung angenommen worden. In dem genannten Nichtannahmebeschluss heißt es u.a., der Gesetzgeber habe beim Ausschluss der Pflegemutter vom Erziehungsgeld berücksichtigen dürfen, dass diese Pflegegeld erhalte. Gegenüber anderen Anspruchsberechtigten werde die Pflegemutter nicht oder jedenfalls nicht ohne sachlich rechtfertigende Gründe benachteiligt. Bei einem Kind, dass mit dem Ziel der Annahme als Kind in die Obhut des Annehmenden aufgenommen sei, sei die auf Dauer angelegte Familienbeziehung, weil diese in der Regel in eine Adoption übergehe, maßgebend. Angesichts der Verzweigtheit und Vielschichtigkeit sozialer Leistungsregelungen verstoße es besonders im Hinblick auf den Zweck der einzelnen Leistungen nicht gegen den Gleichheitssatz, dass in anderen Sozialleistungsgesetzen Pflegeeltern und leibliche Eltern gleich behandelt würden. Die Auslegung des Bundeserziehungsgeldgesetzes durch das Bundessozialgericht, wonach die Aufnahme eines Pflegekindes in die Obhut mit dem Ziel der Annahme eine Willenserklärung im Sinne einer Adoptionsbewerbung voraussetze, sei nachvollziehbar und verkenne keine Grundrechte. Nach Auffassung der Kammer haben die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts in den genannten Entscheidungen für die Regelungen im BEEG im Wesentlichen weiterhin Gültigkeit. Von einer Verfassungswidrigkeit des Ausschlusses von Pflegeeltern vom Elterngeld konnte sich das Gericht nach alledem nicht überzeugen.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved