S 2 SO 19/11 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 19/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 57/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 02.06.2009 wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Gerichtskosten trägt der Antragsteller.

Gründe:

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 02.06.2009. Bei diesem Bescheid handelt es sich um die Überleitungsanzeige betreffend einen Schenkungsrückforderungsanspruch unter dem Aspekt der gemischten Schenkung. Auf den Inhalt des in Kopie in der Akte befindlichen Bescheids vom 02.06.2009 wird Bezug genommen. Die dem Vater des Antragstellers als Hilfeempfänger im Zeitraum 08.03.2007 bis 05.04.2008 erbrachten Sozialhilfeleistungen sind in dem Bescheid mit 21.582,21 Euro beziffert. Die Überleitungsanzeige erfolgt im Hinblick auf den notariellen Vertrag über eine Grundstücksveräußerung, beurkundet vom Notar H in der Urkundenrolle für 1997 dort Nr. 0 unter dem 05.03.1997. Dieser Vertrag wurde zwischen dem Antragsteller und seinen Eltern geschlossen. Die Eltern veräußern darin das elterliche Haus an den Sohn unter Erwerb eines dinglichen Wohnrechts. Auf den Inhalt des in der Akte in Kopie befindlichen Vertrags wird für die näheren Einzelheiten Bezug genommen. Der Antrag auf Eintragung ins Grundbuch wurde am 20.05.1997 gestellt.

II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist unbegründet. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag ( ...) 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, gemäß § 86b Abs. 1 SGG die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 93 Abs. 3 SGB XII haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Verwaltungsakt, der den Übergang des Anspruchs bewirkt, keine aufschiebende Wirkung. Die nach § 86b Abs. 1 SGG erforderliche Interessenabwägung geht zur Überzeugung des Gerichts zu Ungunsten des Antragstellers aus.

Hat eine leistungsberechtigte Person ( ...) einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches ist, kann der Träger der Sozialhilfe gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches, Zwölftes Buch (SGB XII) durch schriftliche Anzeige an den Anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Der Antragsgegner hat seit dem 08.03.2007 Leistungen nach dem SGB XII an den Vater des Antragstellers erbracht. Der Antragsgegner hat durch schriftliche Anzeige mit Bescheid vom 02.06.2009 bewirkt, dass ein möglicher Schenkungsrückforderungsanspruch bezüglich der Übertragung des Hausgrundstücks bis zur Höhe der Sozialhilfeaufwendungen auf ihn übergeht. Sollte die Leistung teilweise unentgeltlich im Wege der Schenkung erfolgt sein, was gegebenenfalls vom zuständigen Zivilgericht zu klären ist, so könnte sich daraus ein Schenkungsrückgewähranspruch ergeben, da der Vater des Antragstellers seinen angemessenen Unterhalt nicht selbst bestreiten konnte, sondern seit dem 08.03.2007 der Unterstützung durch den Antragsgegner nach dem SGB XII bedurfte und damit die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des § 528 BGB erfüllt sein können. Über die Rechtmäßigkeit rechtswegfremder Forderungen hat das Sozialgericht nicht zu befinden (vgl. LSG NRW vom 18.07.2007 zu Az. L 20 B 16/07 SO). Das Sozialgericht nimmt nur eine sogenannte Negativevidenzprüfung hinsichtlich des überzuleitenden Anspruchs vor; die Überleitung ist nur ausgeschlossen, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht besteht (Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 93 Rdnr. 10 unter Hinweis auf BVerwG E 34,219, E 92,281 und andere). Ein Schenkungsrückforderungsanspruch ist jedenfalls nicht offensichtlich verjährt, auch wenn seit der Schenkung bereits mehr als zehn Jahre vergangen sind. Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkten ist gemäß § 529 BGB ausgeschlossen, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder wenn zur Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind. Die Zehnjahresfrist des § 529 BGB liegt also zwischen der Erfüllung der Schenkung und dem Eintritt der Bedürftigkeit, und entgegen einem offenbar recht weit verbreiteten Irrglauben, dem auch die Antragstellerseite unterlegen ist, nicht etwa zwischen der Schenkung und dem Zeitpunkt der Rückforderung. Der Wortlaut des § 529 BGB ist eindeutig. Die notarielle Übertragung, die eine gemischte Schenkung sein könnte, erfolgte am 05.03.1997. Das ist im Zeitpunkt des Eintritts der Bedürftigkeit am 08.03.2007 zwar mehr als 10 Jahre, nämlich 10 Jahre und 3 Tage, her. Mit dem notariellen Vertragsabschluss war die Veräußerung des Grundstücks jedoch noch nicht abgeschlossen. Denn es bedurfte noch der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch, ehe das Rechtsgeschäft vollzogen war. Der Antrag beim Grundbuchamt auf Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch erfolgte erst am 20.05.1997. Zwischen dem 20.05.1997 und dem 08.03.2007 liegen noch keine zehn Jahre. Die Zehnjahresfrist ist also noch eingehalten worden. Insoweit sind im vorliegenden Fall weder die Qualifikation des notariellen Vertrags vom 05.03.1997 als gemischte Schenkung noch ein Schenkungsrückforderungsanspruch bereits offensichtlich ausgeschlossen. Es bedarf vielmehr einer detaillierten zivilrechtlichen Überprüfung. Das Interesse des Sozialhilfeträgers an einer sofortigen Regressmöglichkeit ist dem Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorrangig. Dies gilt hier schon deshalb, weil keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Handelns des Antragsgegners bestehen.

Der Bescheid vom 02.06.2009 leidet entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht an einem Mangel der Bestimmtheit. Zum einen ist im Bescheid ohnehin der konkret bezifferte Betrag von 21.582,21 Euro genannt, so dass der Antragsteller ganz genau weiß, was ihn erwartet. Insoweit liegt der Fall bereits inhaltlich anders, als der Parallelfall S 16 SO 11/08 des Antragstellers in Bezug auf die Überleitung von möglichen Schenkungsrückgewähransprüchen seiner Mutter hinsichtlich deren Hilfebedürftigkeit. Im Übrigen ist eine solche Bezifferung entgegen gelegentlich vertretener Einzelmeinungen auch nicht erforderlich. Als Verwaltungsakt muss die Überleitungsanzeige gemäß § 33 Abs.1 SGB X zwar hinreichend bestimmt sein. Nach herrschender Meinung ist jedoch ausreichend, dass der Wille des Sozialhilfeträgers zur Überleitung zum Ausdruck kommt, sowie der Leistungsberechtigte, die Art der Hilfe, sowie der überzuleitende Anspruch nebst Angabe von Gläubiger und Schuldner bezeichnet werden (dazu Lehr- und Praxiskommentar zum SGB XII, § 93 Rdnr. 40 m.w.N. und Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Im Übrigen entspricht es für das Parallelproblem des gewillkürten Forderungsübergangs der gängigen Praxis im Zivilrecht, dass für die Abtretung die Bestimmbarkeit einer abzutretenden Forderung allein durch Nennung von Gläubiger, Schuldner und Rechtsgrund ohne die Notwendigkeit einer konkreten Bezifferung genügt. Die Sicherungsabtretung bestimmbarer aber nicht bezifferter Forderungen ist alltägliche, rechtmäßige und notwendige Praxis des Rechtsverkehrs. Auch die Träger der Sozialhilfe sind auf eine zügige Sicherung ihrer Regressmöglichkeiten angewiesen, zumal sie die Hilfeleistung an den Hilfebedürftigen nicht zunächst zurückstellen können. Dabei stellen die Sozialhilfekosten einen ganz erheblichen Teil des Finanzbedarfs der Kommunen dar. Wesentlicher Grundsatz der Gewährung von Sozialhilfe ist die Subsidiarität der Hilfeleistung gegenüber eigenem Einkommen und eigenen Vermögenspositionen. Wird der Hilfesuchende bei Geltendmachung der Bedürftigkeit unter dem Aspekt der Gegenwärtigkeit des Bedarfs nicht zunächst auf die Realisierung eigener Ansprüche verwiesen, so ist es von der Gesetzessystematik her nur sachgerecht, diese dann wenigstens zeitnah und einfach auf den Hilfeträger überleiten zu können. Hieran besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit. Dabei ist zu beachten, dass durch die Überleitung lediglich die Person des Gläubigers ausgetauscht und die Verpflichtung des Schuldners im Übrigen ohnehin nicht modifiziert, insbesondere nicht erweitert wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 I VwGO.
Rechtskraft
Aus
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