Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 13 U 23/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 153/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 39/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Juli 2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls.
Der 1952 geborene Kläger war als Gas- und Wasserinstallateur beschäftigt und stürzte bei Ausübung dieser Tätigkeit am 10. August 2009 von einer etwa drei bis vier Meter hohen Leiter. Am selben Tag wurde er stationär im Kreiskrankenhaus Weilburg aufgenommen. Ausweislich des Durchgangsarztberichts von Dr. D. vom 10. August 2009 habe der Kläger angegeben, auf einer zusammensteckbaren Leiter in etwa 3,50 m Höhe gestanden zu haben, als diese weggerutscht und der obere Teil der Leiter auf ihn gefallen sei, wobei er etwa 5 Minuten lang nichts habe hören und sehen können und kurz darauf erbrochen habe. Als Erstdiagnosen führte Dr. D. Verdacht auf Fraktur Proc. Coronoideus, Verdacht auf Fraktur Os Trapezoid, Steißbeinfraktur, Prellung von Wirbelsäule, Schädel sowie Thorax an. In seinem Zwischenbericht vom 17. August 2009 führte er aus, insgesamt liege ein komplikationsloser Verlauf vor. Die Computertomographie (CT) des linken Ellenbogens und des linken Handgelenks habe keinen Anhaltspunkt für eine Fraktur am Ellenbogen oder im Bereich der Handwurzelknochen ergeben. Es handele sich um eine nicht verschobene distale Radiusfraktur. Der Kläger sei mit einer Unterarmschiene versorgt worden. Als Diagnosen gab Dr. D. an: Steißbeinfraktur, distale Radiusfraktur links, Wirbelsäulenprellung, Ellenbogenprellung links. Am 18. August 2009 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.
Am 20. August 2009 fand eine Nachuntersuchung des Klägers bei Dr. D. statt, der in seinem Zwischenbericht vom 21. August 2009 als Diagnosen Steißbeinfraktur, distale Radiusfraktur links, Wirbelsäulenprellung, Ellenbogenprellung links, Commotio cerebri 1. Grades und Verdacht auf Contusio labyrinthi rechts aufführte. Das linke Handgelenk sei in einer dorsalen Krewi-Schiene ruhig gestellt und relativ beschwerdefrei. Rechts habe der Kläger ein Ohrgeräusch mit wechselnder Schwerhörigkeit. Über dem rechten Felsenbein bestehe ein Klopfschmerz. Dr. D. führte in dem Zwischenbericht weiter aus, dass das linke Handgelenk in zwei Ebenen einen achsengerechten Fragmentbestand zeige.
Unter dem 25. August 2009 erstattete der Arbeitgeber des Klägers eine Unfallanzeige gegenüber der Beklagten und gab hierin an, der Kläger sei bei der Demontage von Rohren aus etwa 2,80 m Höhe von der Leiter gefallen.
Am 7. September 2009 wurde der Kläger erneut von Dr. D. nachuntersucht. Im Zwischenbericht vom 10. September 2009 führte dieser aus, dass sich beim Abnehmen der Schiene noch ein geringer Druckschmerz im Handgelenk ergeben habe und die Beweglichkeit gering eingeschränkt sei. Die Beweglichkeit von Finger und Ellenbogen sei frei gewesen. Es hätten weder Schmerzen oder Instabilität noch Hämatomverfärbungen festgestellt werden können. Lediglich über dem Steißbein sei noch ein geringer Schmerz angegeben worden. Die Röntgenaufnahme des linken Handgelenks ohne Schiene habe einen völlig unauffälligen Befund gezeigt. Die Fraktur sei nicht mehr nachweisbar. In einem weiteren Zwischenbericht vom 16. September 2009 legte Dr. D. dar, der Kläger habe noch einen geringen Druckschmerz im Steißbein angegeben, der Ellenbogen sei frei beweglich. Außerdem bestehe noch geringer Handgelenkschmerz links. Die Fingerbeweglichkeit sei regelgerecht, Sensibilitätsstörungen lägen nicht vor. Die Extension/Flexion im Handgelenk links betrage 60-0-60, die Pro-/Supination sei unauffällig. Ausweislich eines Zwischenberichts vom 2. Oktober 2009 gab der Kläger im Rahmen der Nachuntersuchung am 1. Oktober 2009 gegenüber Dr. D. weiterhin Schmerzen im linken Handgelenk an. Dr. D. führte hier aus, dass sich bei der Untersuchung ein Druckschmerz in der Tabatiere und auch ein ulnocarpaler Stauchungsschmerz ergeben hätten, ferner ein Rotationsschmerz ulnocarpal bei Verdacht auf Diskusläsion. Es hätten sich keine Hinweise für eine carpale Instabilität ergeben. Die Extension/Flexion im Handgelenk betrage 50-0-40, die Pro-/Supination sei endgradig schmerzhaft. Eine Dystrophie liege nicht vor. Die intrinsische Handmuskulatur sei frei. Der Faustschluss sei regelrecht. Der Carpalkanal sei unauffällig. Die Beuge- und Strecksehnen seien frei.
Am 22. Oktober 2009 wurde eine Magnetresonanztomographie (MRT) des linken Handgelenkes durch den Radiologen Dr. E. durchgeführt. In seinem Befundbericht vom selben Tag schilderte dieser, dass sich bei glatter cortikaler Abgrenzung im distalen Radius eine sagittal verlaufende Spaltstruktur mit abgesenktem T1-Signal und diskret angehobenem T2-Signal ergeben habe. Distale ulna sowie cartilaginärer ulnocarpaler Komplex seien regelrecht erfasst. Distale und proximale Carpalreihe sowie proximale metacarpalia seien unauffällig. Minimal vermehrte Flüssigkeit im Handgelenksraum sei zu beobachten gewesen. In der Bewertung zeigten sich eine nicht ganz frische postfraktionelle Fissurbildung des distalen Radius sowie ein Reizerguss des carpalen Gelenkraumes. Anhaltspunkte für eine ligamentäre Verletzung hätten sich nicht gefunden.
Am 2. November 2009 begann der Kläger eine Arbeitsbelastungserprobung. Ab 16. November 2009 übte er seine berufliche Tätigkeit wieder vollumfänglich aus.
In ihrem fachärztlichen Bericht vom 20. November 2009 legten der Chefarzt für Unfallchirurgie Prof. Dr. F. und der Facharzt für Chirurgie Dr. G., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) Frankfurt am Main, nach einer weiteren Untersuchung des Klägers dar, dass die Verhältnisse an den Ellenbogengelenken unauffällig seien, der Speichenbruch links in regelrechter Stellung verheilt sei und auf neurochirurgischem Fachgebiet keine Bedenken gegen den Abschluss des Heilverfahrens bestünden. Die Belastungserprobung werde vom Kläger offenbar auch mit Beschwerden im Handgelenk toleriert und könne fortgesetzt werden, danach trete Arbeitsfähigkeit ein. Eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verbleibe nicht.
Am 3. November 2010 stellte sich der Kläger erneut bei dem Durchgangsarzt Dr. D. vor und berichtete von ausstrahlenden Schmerzen und Taubheitsgefühl im linken Arm. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom 4. November 2010 hätten sich nach der durchgeführten Röntgenuntersuchung des linken Handgelenks eine unauffällige Radiusgelenkfläche, eine regelgerechte Stellung des distalen Radioulnargelenkes, eine regelgerechte proximale Handwurzelreihe sowie ein unauffälliger Metacarpal ergeben.
Am 8. November 2010 suchte der Kläger Prof. Dr. H., Chefarzt der Neurologischen Klinik Vitos Weilmünster auf, wo er angab, am 10. August 2009 aus 4 m Höhe von einer Leiter gestürzt zu sein und seit einigen Monaten ständig Schmerzen im linken Arm zu haben. Vom 11. bis 19 November 2010 wurde er daraufhin in der Vitos Klinik für Neurologie Weilmünster stationär behandelt. Der Kläger suchte anschießend Dr. D. auf und legte ihm einen Bericht der Neurologischen Klinik Weilmünster vor, in dem eine Reflexdystrophie linke Hand diagnostiziert wurde. In seinem Zwischenbericht vom 23. November 2010 führte Dr. D. insoweit aus, dass diese Diagnose nicht nachvollziehbar sei. In ihrem Entlassungsbericht vom 24. November 2011 diagnostizierten Prof. Dr. H. und der Oberarzt Q. bei dem Kläger eine sympathische Reflexdystrophie im Stadium III links nach distaler Radiusfraktur links 8/2009. Zur Begründung dieser Diagnose legten sie dar, dass sich in der Drei-Phasen-Skelettszintigraphie (vom 17. November 2010) ein vorläufiger Befund ergeben habe, der mit dieser Diagnose gut vereinbar sei.
Am 7. Januar 2011 stellte sich der Kläger erneut in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main vor. In ihrem Bericht vom 10. Januar 2011 legten die Fachärzte für Anästhesiologie Dr. J. und R. dar, dass sich bei der Untersuchung der betroffenen linken Hand primär keine Auffälligkeiten gezeigt hätten. Die Hand zeige weder trophische Störungen, Wachstumsveränderungen von Fingernägeln oder Behaarung noch Temperaturunterschiede und auch keine Schwellungen oder Schwitzneigung, die einen Hinweis auf ein CRPS ergeben könnten. Es finde sich keine Atrophie der Handmuskulatur, auch nicht der Muskulatur der Arme im Seitenvergleich. Prof. Dr. F., Chefarzt Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie, sowie Dr. G., Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie, schilderten in dem Bericht vom 11. Januar 2011, dass sich auch aus ihrer Sicht im linken Arm des Klägers keine Zeichen einer Heilentgleisung, keiner Sudeck’schen Distrophie oder eines CRPS ergeben hätten.
Mit Schreiben vom 10. März 2011 bat die Beklagte die AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen (AOK), dem Kläger kein Verletztengeld über den 10. Januar 2011 hinaus zu zahlen, weil davon auszugehen sei, dass die ggf. über diesen Zeitraum hinausgehende Arbeitsunfähigkeit nicht mehr mit dem Versicherungsfall vom 10. August 2009 in Verbindung stehe. Mit Schreiben vom 16. März 2011 teilte die Beklagte dem Unfallarzt Dr. D. mit, dass das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren mit sofortiger Wirkung abgebrochen werde und für die weitere Behandlung die Zuständigkeit der Krankenkasse gegeben sei. Dieses Schreiben übersandte sie am selben Tag dem Kläger. Hiergegen legte dieser mit Schreiben vom 19. März 2011 Widerspruch ein.
In seinem Gutachten vom 19. April 2011 kam der von der Beklagten beauftragte Prof. Dr. Dr. h. c. K., Direktor der Gutachtenstelle des Zentrums für Chirurgie, Universitätsklinikum Gießen/Marburg, unter Mitarbeit des Oberarztes Dr. L. nach einer persönlichen Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass bei diesem ein CRPS (Morbus Sudeck) nach den Budapest-Kriterien 2003 vorliege. Bei dem Kläger seien anhaltender Schmerz, der unverhältnismäßig zu dem auslösenden Ereignis stehe (Punkt 1), aus der zweiten Gruppe sensorische Defizite in Form von Asymmetrien der Hautfarbe, sudomotorische Defizite in Form von Ödemen sowie motorische Defizite in Form von motorischer Dysfunktion (Schwäche, Distonie) und eine hochgradige Abnahme des Bewegungsausmaßes vorhanden. Aus der dritten Gruppe lägen ein sensorisches Defizit in Form von Hyperalgesie und Allodynie sowie ein vasomotorisches Defizit in Form von Asymmetrie der Hautfarbe, insbesondere der Hohlhand vor. Das sudomotorische Defizit zeige sich in Form von Ödemen und das motorische/trophische in Form der motorischen Dysfunktionen namentlich von Schwäche, Tremor, Dystonie sowie hochgradiger Abnahme des Bewegungsausmaßes. Hinsichtlich des verspäteten Auftretens der Symptome mit maximaler Ausprägung über ein Jahr nach dem in Rede stehenden Unfall sei auf die aktuelle Literatur zu verweisen, wonach durchaus Fälle eines CRPS wenige Monate aber auch Jahre später nach einem Trauma oder Eingriff beobachtet werden könnten. Insbesondere in Anbetracht der ausführlichen Diagnostik, die keine andere Erkrankung auf einem angrenzenden Fachgebiet erbracht hätte, liege bei dem Kläger ein CRPS Typ I (Morbus Sudeck) vor. Ein Anhalt für Aggravation bestehe nicht, da der Kläger 12 Jahre bei der Firma arbeite und so gut wie nie krank gewesen sei.
Die Beklagte legte dieses Gutachten dem Neurologen und Psychiater Dr. M. vor, der in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Juni 2011 ausführte, die Annahme eines unfallabhängigen CRPS sei nicht überzeugend. Temperaturunterschiede oder Asymmetrien der Hautfarbe sowie Ödeme oder Asymmetrien des lokalen Schwitzens seien nicht dokumentiert. Außerdem bestehe der Verdacht der Aggravation. Schließlich könne auch eine somatoforme Schmerzstörung vorliegen. Es bedürfe zur weiteren Abklärung einer psychiatrischen Untersuchung der konkurrierenden Faktoren.
Der von der Beklagten daraufhin beauftragte Prof. Dr. N., Leiter der Neurologischen Klinik, Medizinisches Zentrum für Neurologie und Neurochirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, diagnostizierte in seinem nach persönlicher Untersuchung des Klägers erstellten neurologischen Gutachten vom 7. November 2011 ein chronifiziertes myofaszielles Schmerzsyndrom und den Verdacht auf eine somatoforme Störung, während ein komplexes regionales Schmerzsyndrom ausgeschlossen werde. Die in der 3-Phasen-Skelettszintigraphie beschriebene mäßig verminderte Aktivitätsbelegung der linken Hand sei unspezifisch, da der Befund ebenfalls durch eine Minderbewegung erklärt und demnach nicht als Beweis für ein CRPS herangezogen werden könne. Aufgrund der körperlichen Fehlhaltung durch Schonung mit Schulterhochstand und positiven Triggerpunkten an der Rücken-, Schulter- und Armmuskulatur sei ein chronifiziertes Schmerzsyndrom in Betracht zu ziehen. Diese Erkrankungen seien nach dem Unfall vom 10. August 2009 aufgetreten und stünden wahrscheinlich mit diesem in Zusammenhang. Ein komplexes regionales Schmerzsyndrom liege nach den "Budapester Kriterien" nicht vor. Zwar sei bei dem Kläger ein andauernder Schmerz vorhanden, der durch das initiale Trauma nicht erklärt werden könne (erstes Diagnosekriterium). Ferner würden von den Unterpunkten des zweiten Diagnosekriteriums ein sensorisches Defizit im Sinne einer Hyperästhesie des linken Armes und des Rückens, eine Asymmetrie des Schwitzens, eine Verminderung des Bewegungsumfangs und eine Schwäche des linken Arms sowie Zittern, trophische Störungen und verändertes Nagelwachstums berichtet. In der klinischen Untersuchung hätten allerdings die anamnestischen Angaben nicht sicher objektiviert werden können. Ein Hauttemperaturunterschied, eine Veränderung der Hautfarbe oder ein Schwitzen und eine trophische Störung hätten nicht nachgewiesen werden können. Das dritte Diagnosekriterium sei damit nicht erfüllt. Außerdem könne das Beschwerdebild durch ein myofaszielles Schmerzsyndrom und eine somatoforme Schmerzstörung besser erklärt werden (4. Diagnosekriterium). Insoweit werde eine psychosomatische Begutachtung angeregt.
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. Dezember 2011 legte Dr. M. hierzu dar, ein psychosomatisches Gutachten sei nicht erforderlich, weil dies für die Frage der Kausalität keine neuen Aspekte liefern könne. Ein Unfallzusammenhang könne nur über den Nachweis eines CRPS belegt werden. Eine psychische Symptomatik wie eine somatoforme Schmerzstörung könne nicht durch den Unfall verursacht werden, da er nicht schwer genug gewesen sei, um anhaltende psychische Symptome nach mehr als zwei Jahren seit dem Unfallgeschehen zu verursachen. Der Unfall selbst habe keine emotionalen Konflikte oder psychosoziale Belastungen verursacht. Eine Psychotraumatisierung sei ausgeschlossen. Der Unfall sei höchstens Anlass und nicht Ursache der wahrscheinlichen somatoformen Schmerzstörung. Das von Prof. Dr. N. angenommene myofaszielle Schmerzsyndrom sei keine ICD 10 – konforme Diagnose und kein eigenständiges Krankheitsbild. Fehlhaltungen, die zu Muskelverspannungen und zu lokalisierbaren Druckschmerzhaftigkeiten führten, seien Folge der somatoformen Schmerzstörung und deshalb hierunter zu subsumieren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Verwaltungsakt vom 16. März 2011 über den Abbruch des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass sich die von dem Kläger nach Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit am 16. November 2009 und nahezu einjähriger vollschichtiger Ausübung der beruflichen Tätigkeit nun geäußerten Beschwerden nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf das Unfallereignis vom 10. August 2009 zurückführen ließen. Soweit Dr. L. in seinem Gutachten vom 19. April 2011 zu dem Ergebnis gelangt sei, dass beim Kläger ein Schmerzsyndrom im Sinne eines CRPS Typ I (Morbus Sudeck) vorliege, könne dem nicht gefolgt werden. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Gutachten von Prof. Dr. N. Der in Rede stehende Unfall sei zudem nicht schwer genug gewesen, um anhaltende psychische Symptome über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren nach dem Unfall zu verursachen.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Januar 2012 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 hat die Beklagte festgestellt, dass die Behandlungsbedürftigkeit und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 28. Oktober 2010 in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 10. August 2009 stünden, so dass Leistungen abgelehnt werden müssten.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2012 hat sich das Sozialgericht Gießen für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Wiesbaden verwiesen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er an einem CRPS leide, das auf den Arbeitsunfall vom 10. August 2009 zurückzuführen sei.
Das Sozialgericht Wiesbaden hat ein Sachverständigengutachten bei Dr. O., Arzt für Orthopädie, Physikalische Therapie, Sportmedizin, in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 4. Juli 2013 ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem von ihm persönlich untersuchten Kläger eine aktive und passive Schulterbewegungseinschränkung links mit intolerablen Schmerzen im Bereich des gesamten linken Arms und radiologisch eine leichte Schultergelenksarthrose links, Zustand nach Radiusfraktur mit aktiver Bewegungseinschränkung, chronifiziertes myofaszielles Schmerzsyndrom, Zustand nach Steißbeinfraktur sowie Osteochondrose C5/C6 und C6/C7 vorlägen. Die von dem Kläger geäußerten Schmerzen stünden im Zusammenhang mit einem chronischen myofasziellen Schmerzsyndrom. Von einem chronischen regionalen Schmerzsyndrom sei hingegen nicht auszugehen. Es ließen sich weder eine Temperaturdifferenz noch eine Asymmetrie der Hautfarbe im Bereich der oberen Extremitäten nachweisen. Außerdem seien kein vermehrtes Schwitzen (Hyperdrosis) und auch keine Umfangsvermehrung im Sinne von Ödemen oder Muskelhypotrophie reproduziert. Ferner zeige sich kein vermehrtes Nagelwachstum oder verändertes Haarwachstum. Bezüglich motorischer Dysfunktionen habe keine objektive valide Beurteilung abgeleitet werden können, da der Kläger im Rahmen der somatischen Untersuchung unverhältnismäßig starke Schmerzen angegeben habe. Bezüglich der degenerativen Veränderung im Bereich des linken Schultereckgelenks sowie der Halswirbelsäule sei eindeutig von degenerativen Veränderungen auszugehen. Die krankhaften Erscheinungen seien wahrscheinlich nach dem Unfall entstanden. Aus orthopädischer Sicht sei die Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes nicht zu erklären.
Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2015 beantragt, den Bescheid vom 16. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2011 und des Bescheides vom 15. Februar 2012 abzuändern und festzustellen, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 27. Oktober 2010 hinaus bestanden haben und bestehen.
Mit Urteil vom 16. Juli 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Sachverständige Dr. O. in Übereinstimmung mit dem Gutachten auf neurologischem Fachgebiet von Prof. Dr. N. das Vorliegen eines Morbus Sudeck nicht habe feststellen können, weil die hierfür erforderlichen Diagnosekriterien nur zum Teil erfüllt gewesen seien.
Am 9. September 2015 hat der Kläger beim Sozialgericht Wiesbaden Berufung gegen das Urteil zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt (L 9 U 205/15).
Mit Beschluss vom 3. August 2016 hat das Amtsgericht Weilburg Vormundschaftsgericht - die Ehefrau des Klägers zur Betreuerin unter anderem für den Aufgabenkreis "Rechts- und Behördenangelegenheiten" bestellt.
Der Senat hat ein nervenärztliches Gutachten bei Prof. Dr. med. Dr. Dipl. Ing. P., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, eingeholt. In seinem nach persönlicher Untersuchung erstellten Gutachten vom 13. Dezember 2016 legt dieser dar, dass bei dem Kläger auf neurologischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen, insbesondere kein CRPS, und auf psychiatrischem Fachgebiet eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome in Verbindung mit einer desolateren Bewegungsstörung vorliege. Ein CRPS sei auszuschließen, weil an körperlichen Auffälligkeiten lediglich eine Atrophie der linken Schultermuskulatur objektivierbar sei, während kein distal betontes Ödem, keine veränderte Schweißsekretion, keine Veränderung des Haarwachstums, kein verändertes Erscheinungsbild der Fingernägel, keine Temperaturdifferenz und auch keine veränderte Hautfarbe am linken Arm und der Hand im Vergleich zu rechts festzustellen gewesen seien. Der Kläger habe nach dem Unfall Probleme gehabt, seine zum Unfallzeitpunkt ausgeübte körperlich schwere Tätigkeit wieder fortzuführen. Als dann noch zusätzlich eine Schulterproblematik hinzugekommen sei, sei das Lebenskonstrukt des Klägers eingestürzt. Er habe dies mit einer neurotischen Veränderung und depressiver und dissotiativer Symptomatik "beantwortet". Bei dem Kläger bestehe eine Anlage zu dissoziativen Konflikten. Die psychische Symptomatik habe sich nicht auf das Unfallereignis oder die körperlichen Unfallfolgen entwickelt, sondern darauf, dass die schwere körperliche Arbeit nicht mehr in demselben Umfang möglich gewesen, die Schulterproblematik hinzugekommen und eine Umsetzung auf eine andere Stelle nicht möglich gewesen sei. Da sich die psychischen Folgen erst drei Jahre nach dem Unfall entwickelt hätten, sei der Unfall dafür nicht mehr verantwortlich zu machen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Juli 2015 und des Bescheides der Beklagten vom 16. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2011 und des Änderungsbescheides vom 15. Februar 2012 festzustellen, dass Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Arbeitsunfalls vom 10. August 2009 über den 27. Oktober 2010 hinaus bestehen und festzustellen, dass ein CRPS, hilfsweise eine schwere depressive Episode, weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 10. August 2009 ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass das Nichtvorliegen eines CRPS durch das Gutachten von Prof. Dr. Dr. P. bestätigt worden sei. Bei dem Kläger liege vielmehr eine schwere depressive Episode vor. Er habe über ein Jahr lang nach dem Unfall seine berufliche Tätigkeit wieder ausüben können. Im Rahmen der Untersuchung in der BGU am 7. Januar 2011 seien keine dem entgegenstehenden Unfallfolgen mehr festgestellt worden. Weder die Schulterprobleme noch die nicht erfolgte Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz seien Folge des Arbeitsunfalls.
Der Senat hat am 24. Juni 2016 und 12. Juni 2017 Erörterungstermine durchgeführt. Wegen des jeweiligen Inhalts wird auf die Sitzungsniederschriften vom 24. Juni 2016 und 12. Juni 2017 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 13. Juni 2017 hat der Senat das Verfahren bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheides hinsichtlich der Einstellung der Verletztengeldzahlung ausgesetzt. Nachdem die Beklagte dem Gericht mitgeteilt hat, dass eine Ausgangsentscheidung hinsichtlich der Einstellung der Verletztengeldbewilligung nicht vorliegt, hat der Senat das Verfahren unter dem 14. September 2017 fortgesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - form- und fristgerecht eingelegt und nach §§ 143, 144 SGG statthaft.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klage auf Feststellung von Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit ist bereits unzulässig (1.), die Klage auf Feststellung weiterer Unfallfolgen zwar zulässig, aber unbegründet (2.)
1. Die Klage auf Feststellung von Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit ist unzulässig.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Streitgegenständlich war im erstinstanzlichen Verfahren ausweislich des protokollierten Antrages ausschließlich die Feststellung der Beklagten über die Ablehnung von Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit.
Der Kläger begehrt zunächst ein Grundurteil über allgemeine Heilbehandlungsleistungen (§§ 28 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzlich Unfallversicherung - SGB VII). Ein Grundurteil (§ 130 SGG) kommt aber nur in Betracht, wenn eine ihrer Art nach feststehende Geldleistung begehrt wird und lediglich die Höhe offen gelassen werden soll, nicht aber bei der Gewährung von Sachleistungen (BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 35/03 R -, juris, Rn. 12). Daher kann ein Grundurteil nicht hinsichtlich des allgemeinen Sachleistungsbegehren auf unbestimmte Heilbehandlung ergehen, zumal der Anspruch auf konkrete Heilbehandlung durch Erfüllung nach § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erlischt, wenn bereits die Krankenkasse die entsprechende Heilbehandlung gewährt hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. August 2017 - L 8 U 1894/17 -, juris, Rn. 41, 47). Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sich Maßnahmen der Heilbehandlung über das von der Gesetzlichen Krankenversicherung Geleistete hinaus beschafft hätte oder ihm sonstige von der Beklagten zu ersetzenden Kosten entstanden wären.
Da der Kläger bislang keine konkrete Sachleistung der Heilbehandlung geltend gemacht hat, kann er sich für die erstmalige Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs im Gerichtsverfahren auch nicht auf § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG berufen, wonach ein Umstellen von einem Sachleistungsanspruch auf einen Kostenerstattungsanspruch nicht als Klageänderung anzusehen ist (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. August 2017 - L 8 U 1894/17 -, juris, Rn. 49).
Unzulässig ist auch die Klage auf isolierte Feststellung von Arbeitsunfähigkeit. Es handelt sich hierbei um eine reine Elementenfeststellungsklage, für die es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erfasst die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nicht. Die isolierte Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bedeutet zudem nicht, dass auch ein Anspruch auf Verletztengeld besteht. Die Arbeitsunfähigkeit ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Bewilligung von Verletztengeld. Daher ist ein Anspruchsteller gehalten, unmittelbar Verletztengeld gerichtlich geltend zu machen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. August 2017 - L 8 U 1894/17 -, juris, Rn. 53).
2. Die Klage auf Feststellung weiterer Unfallfolgen ist zulässig, aber unbegründet.
a) Dieser Antrag ist keine Klageänderung in Form einer Klageerweiterung nach §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 SGG. Der Kläger hat zwar einen solchen Anspruch im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht. Diese Erweiterung des Begehrens ist vorliegend aber eine bloße Erweiterung des Klageantrages in der Hauptsache ohne Änderung des Klagegrundes nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 1977 - 9 RV 66/76 -, juris, Rn. 11; a. A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2011 L 10 U 4346/08 -, juris, Rn. 23; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. März 2015 - L 2 U 394/13 -, juris, Rn. 26). Der Klagegrund, d. h. der dem Klageantrag zugrunde liegende Lebenssachverhalt, hat sich nicht geändert. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren war zudem die Feststellung eines CRPS als Unfallfolge das wesentliche Klageziel. Das Sozialgericht hätte auf eine entsprechende Formulierung des Antrages hinweisen müssen (§ 106 Abs. 1 SGG).
b) Die Klage ist zwar zulässig. Sie ist als Feststellungsklage statthaft (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist oder ein bestimmter Gesundheitserstschaden eingetreten ist, wahlweise mit einer Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs.1 Nr. 3 SGG oder mit einer auf Feststellung gerichteten Verpflichtungsklage verfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn. 12).
c) Die Feststellungsklage ist aber unbegründet.
Anspruchsgrundlage für das Feststellungsbegehren des Klägers ist § 102 SGB VII. Danach kann der Versicherte auch die Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind, wobei diese Norm nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelnen Anspruchselemente umfasst, was prozessual durch § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG bestätigt wird, wonach eine Feststellungsklage auch darauf gerichtet sein kann, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn. 16 ff.).
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 12). Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist die Feststellung konkreter Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - juris, Rn. 12, 22). Hierbei muss die Unfallfolge im Sinne eines Vollbeweises feststehen.
Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (z. B. ICD-10 = 10. Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO, DSM = diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung) erforderlich unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist. Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 22).
(1) Ein Anspruch auf Feststellung, dass ein CRPS Folge des Arbeitsunfalls ist, besteht nicht. Denn es liegt bei dem Kläger bereits kein CRPS vor.
Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ist ein posttraumatisches Schmerzsyndrom einer Extremität, bei dem die Schmerzen im Vergleich zum erwarteten Heilungsverlauf unangemessen stark sind und die Symptome (deshalb) in der Regel körperfern in der Traumastelle auftreten und sich nicht auf das Innervationsgebiet peripherer Nerven oder Nervenwurzeln beschränken (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 398). Es wird in zwei Typen eingeteilt, den Typ I (Synonyme: Morbus Sudeck/Sudeck-Syndrom, sympathische Reflexdystrophie), dessen Auslöser schmerzhafte Traumen der distalen Extremitäten (z. B. Quetschungen, Frakturen ohne offensichtliche Läsionen größerer Nerven) sind, und den Typ II (Synonym: Kausalgie), bei dem zusätzlich klinisch und elekrophysiologisch nachweisbare Nervenläsionen vorhanden sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 398). Die Diagnose eines CRPS erfolgt nach aktuellem Stand der medizinischen Wissenschaft nach den sog. Budapest-Kriterien (siehe dazu Widder/Tegenthoff, MedSach 2014, 26; Enax-Krumova/Tegenthoff, MedSach 2017, 222; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 399 f.). Danach liegt ein CRPS vor, wenn ein anhaltender Schmerz besteht, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärt wird (1.), aus den vier Kategorien Sensorik, Vasomotorik, Sudomotorik/Ödem und Motorik/Trophik mindestens ein Symptom aus drei Kategorien in der Anamnese vorliegt (2.) und aus zwei Kategorien zum Zeitpunkt der Untersuchung nachgewiesen wird (3.) sowie keine andere Diagnose den Schmerz erklärt (4.). Durchgehend anwendbare, eindeutige apparativ-technische Verfahren stehen bis heute für die Diagnostik des CRPS nicht zur Verfügung (Enax-Krumova/Tegentgoff, MedSach 2017, 222).
Der Senat ist aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. N., Dr. O. und Prof. Dr. Dr. P. davon überzeugt, dass bei dem Kläger kein CRPS vorliegt. Alle drei Sachverständigen halten unter Zugrundelegung der Budapest Kriterien ein CRPS nicht für gegeben.
In der klinischen Untersuchung bei Prof. Dr. N. konnten keine Hauttemperaturunterschiede, Veränderung der Hautfarbe, Schwitzen oder trophische Störungen nachgewiesen werden. Damit ist eine Voraussetzung eines CRPS, nämlich der Nachweis mindestens eines Zeichens in zwei Kategorien des dritten Diagnosekriteriums, nicht erfüllt. Dem entsprechen die Ausführungen von Dr. O., der im Rahmen seiner Untersuchung kein vermehrtes Schwitzen, kein Ödem, keine Muskelhypotrophie, kein vermehrtes Nagelwachstum oder Haarwachstum feststellen konnte. Auch Prof. Dr. Dr. P. schließt bei dem Kläger ein CRPS aus, weil an körperlichen Auffälligkeiten lediglich eine Atrophie der linken Schultermuskulatur objektivierbar sei, während kein distal betontes Ödem, keine veränderte Schweißsekretion, keine Veränderung des Haarwachstums, kein verändertes Erscheinungsbild der Fingernägel, keine Temperaturdifferenz und auch keine veränderte Hautfarbe am linken Arm und der Hand im Vergleich zu rechts festzustellen gewesen seien.
Diese Feststellungen und Bewertungen werden nicht durch das Gutachten von Prof. Dr. K. erschüttert. Das Gutachten enthält keine hinreichenden Ausführungen und Dokumentationen zum Nachweis der Symptome (Kriterium 3). Dies ist aber bei der Diagnose eines CRPS zwingend erforderlich. Das Hauptproblem bei der Begutachtung eines möglichen CRPS ist nämlich, dass die meisten der in den Budapest Kriterien genannten Symptome auf den subjektiven Angaben des Betroffenen beruhen (Widder/Tegenthoff, MedSach 2014, 26, 30). Während das Kriterium 2 mit den anamnestischen Hinweisen lediglich die subjektiv geprägte Schilderung des Patienten erfasst, nennt das Kriterium 3 letztlich die klinische Dokumentation von durch den Untersucher zu objektivierenden klinischen Symptomen (Enax-Krumova/Tegenthoff, MedSach 2017, 222; 224).
Auch der Bericht von Prof. Dr. H. kann die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. P., Prof. Dr. N. und Dr. O. nicht entkräften. Er stellt in seiner Bewertung maßgeblich darauf ab, dass sich in der Drei-Phasen-Skelettszintigraphie (vom 17. November 2010) ein Befund ergeben habe, der mit einem CRPS gut vereinbar sei. Der Senat tritt indes der Einschätzung von Prof. Dr. N. bei, dass die in der 3-Phasen-Skelettszintigraphie beschriebene mäßig verminderte Aktivitätsbelegung der linken Hand unspezifisch ist, da der Befund ebenfalls durch eine Minderbewegung erklärt und demnach nicht als Beweis für ein CRPS herangezogen werden kann. Dem entspricht auch der aktuelle Stand der medizinischen Wissenschaft. Danach erlaubt zwar eine innerhalb des ersten Jahres durchgeführte Drei-Phasen-Skelettszintigraphie bei positivem Nachweis typisch perlschnurartiger gelenknaher Nuklidanreicherungen im Bereich der distalen Extremität weitgehend die diagnostische Sicherung eines CRPS; beim Verlassen dieses Zeitfensters oder bei einem negativen Befund bleibt jedoch die klinische Symptomatik wesentlich für die diagnostische Sicherung (Enax-Krumova/Tegenthoff, MedSach 2017, 222, 223). Dieses Zeitfenster von einem Jahr wurde vorliegend deutlich überschritten.
Der Senat weist darauf hin, dass selbst dann, wenn ein CRPS vorliegen würde, dieses nicht auf den streitgegenständlichen Arbeitsunfall zurückgeführt werden könnte. Denn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft treten CRPS-Symptome im Allgemeinen innerhalb von wenigen Tagen bis maximal zwei Wochen nach einem Trauma auf, wobei ein späterer Beginn nur dann nachvollziehbar ist, wenn eine Brückensymptomatik eruierbar ist oder entsprechende therapeutische Manipulationen erfolgen, welche für die Entstehung der CRPS-Symptomatik als ursächlich anzusehen sind bzw. (wie z. B. ein Gipsverband) diese verschleiern (Widder/Tegenthoff, MedSach 2014, 26, 30; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 401).
(2) Der Kläger hat auch kein Anspruch auf Feststellung, dass eine schwere depressive Episode weitere Folge des Arbeitsunfalls ist.
Zwar geht der Senat mit Prof. Dr. Dr. P. davon aus, dass der Kläger unter dieser Erkrankung leidet. Diese psychische Störung ist jedoch nicht nach der Theorie der wesentlichen Bedingung Folge des streitgegenständlichen Arbeitsunfalls.
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis, wonach jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). In einer zweiten Prüfungsstufe ist die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können, d. h. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 13). Diese Unterscheidung und Zurechnung erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, wonach als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 14). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit; diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, sodass die reine Möglichkeit nicht ausreicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 20). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 21).
Die fehlende Wesentlichkeit des Arbeitsunfalls für die depressive Erkrankung des Klägers folgt aber noch nicht aus der geringen Schwere des Unfallereignisses und dessen Gesundheitserstschäden. Denn es gibt bei seelischen Erkrankungen keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ein als geringfügig beurteiltes Trauma stets als bloße Gelegenheitsursache anzusehen ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 40/05 R -, juris, Rn. 10).
Es kann zudem dahinstehen, ob die Wesentlichkeit des Unfalls für die depressive Erkrankung schon wegen einer fehlenden psychischen Erstreaktion abzulehnen ist. Nach den Kausalitätskriterien in der gesetzlichen Unfallversicherung kommt einer solchen psychischen Reaktion vor allem bei minderschweren Ereignissen die Bedeutung als notwendige Anknüpfungstatsache im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Unfallfolge zu (Hessisches LSG, Urteil vom 25. März 2014 L 3 U 207/11 - juris).
Selbst wenn der Arbeitsunfall im naturwissenschaftlichen Sinne nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass die Erkrankung an der depressiven Episode entfiele (conditio sine qua non) und auch generell geeignet wäre, eine solche Erkrankung auszulösen (Wirkursache), wäre er zumindest keine wesentliche Ursache. Dies folgt aus den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Dr. P., wonach weder der Unfall noch dessen körperliche Folgen für die psychischen Erkrankungen des Klägers verantwortlich gemacht werden können. Vielmehr seien diese dadurch entscheidend, mithin wesentlich, verursacht worden, dass der Kläger seine bisherige berufliche Tätigkeit nicht mehr habe ausüben können, was bei ihm eine neurotische Veränderung und eine depressive und dissotiative Symptomatik ausgelöst habe. Bestätigt wird dies nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. P. dadurch, dass sich die psychischen Folgen erst drei Jahre nach dem Unfall entwickelt hätten, sodass dieser nicht mehr verantwortlich zu machen sei. Diesen Einschätzungen tritt der Senat bei.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
III. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls.
Der 1952 geborene Kläger war als Gas- und Wasserinstallateur beschäftigt und stürzte bei Ausübung dieser Tätigkeit am 10. August 2009 von einer etwa drei bis vier Meter hohen Leiter. Am selben Tag wurde er stationär im Kreiskrankenhaus Weilburg aufgenommen. Ausweislich des Durchgangsarztberichts von Dr. D. vom 10. August 2009 habe der Kläger angegeben, auf einer zusammensteckbaren Leiter in etwa 3,50 m Höhe gestanden zu haben, als diese weggerutscht und der obere Teil der Leiter auf ihn gefallen sei, wobei er etwa 5 Minuten lang nichts habe hören und sehen können und kurz darauf erbrochen habe. Als Erstdiagnosen führte Dr. D. Verdacht auf Fraktur Proc. Coronoideus, Verdacht auf Fraktur Os Trapezoid, Steißbeinfraktur, Prellung von Wirbelsäule, Schädel sowie Thorax an. In seinem Zwischenbericht vom 17. August 2009 führte er aus, insgesamt liege ein komplikationsloser Verlauf vor. Die Computertomographie (CT) des linken Ellenbogens und des linken Handgelenks habe keinen Anhaltspunkt für eine Fraktur am Ellenbogen oder im Bereich der Handwurzelknochen ergeben. Es handele sich um eine nicht verschobene distale Radiusfraktur. Der Kläger sei mit einer Unterarmschiene versorgt worden. Als Diagnosen gab Dr. D. an: Steißbeinfraktur, distale Radiusfraktur links, Wirbelsäulenprellung, Ellenbogenprellung links. Am 18. August 2009 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen.
Am 20. August 2009 fand eine Nachuntersuchung des Klägers bei Dr. D. statt, der in seinem Zwischenbericht vom 21. August 2009 als Diagnosen Steißbeinfraktur, distale Radiusfraktur links, Wirbelsäulenprellung, Ellenbogenprellung links, Commotio cerebri 1. Grades und Verdacht auf Contusio labyrinthi rechts aufführte. Das linke Handgelenk sei in einer dorsalen Krewi-Schiene ruhig gestellt und relativ beschwerdefrei. Rechts habe der Kläger ein Ohrgeräusch mit wechselnder Schwerhörigkeit. Über dem rechten Felsenbein bestehe ein Klopfschmerz. Dr. D. führte in dem Zwischenbericht weiter aus, dass das linke Handgelenk in zwei Ebenen einen achsengerechten Fragmentbestand zeige.
Unter dem 25. August 2009 erstattete der Arbeitgeber des Klägers eine Unfallanzeige gegenüber der Beklagten und gab hierin an, der Kläger sei bei der Demontage von Rohren aus etwa 2,80 m Höhe von der Leiter gefallen.
Am 7. September 2009 wurde der Kläger erneut von Dr. D. nachuntersucht. Im Zwischenbericht vom 10. September 2009 führte dieser aus, dass sich beim Abnehmen der Schiene noch ein geringer Druckschmerz im Handgelenk ergeben habe und die Beweglichkeit gering eingeschränkt sei. Die Beweglichkeit von Finger und Ellenbogen sei frei gewesen. Es hätten weder Schmerzen oder Instabilität noch Hämatomverfärbungen festgestellt werden können. Lediglich über dem Steißbein sei noch ein geringer Schmerz angegeben worden. Die Röntgenaufnahme des linken Handgelenks ohne Schiene habe einen völlig unauffälligen Befund gezeigt. Die Fraktur sei nicht mehr nachweisbar. In einem weiteren Zwischenbericht vom 16. September 2009 legte Dr. D. dar, der Kläger habe noch einen geringen Druckschmerz im Steißbein angegeben, der Ellenbogen sei frei beweglich. Außerdem bestehe noch geringer Handgelenkschmerz links. Die Fingerbeweglichkeit sei regelgerecht, Sensibilitätsstörungen lägen nicht vor. Die Extension/Flexion im Handgelenk links betrage 60-0-60, die Pro-/Supination sei unauffällig. Ausweislich eines Zwischenberichts vom 2. Oktober 2009 gab der Kläger im Rahmen der Nachuntersuchung am 1. Oktober 2009 gegenüber Dr. D. weiterhin Schmerzen im linken Handgelenk an. Dr. D. führte hier aus, dass sich bei der Untersuchung ein Druckschmerz in der Tabatiere und auch ein ulnocarpaler Stauchungsschmerz ergeben hätten, ferner ein Rotationsschmerz ulnocarpal bei Verdacht auf Diskusläsion. Es hätten sich keine Hinweise für eine carpale Instabilität ergeben. Die Extension/Flexion im Handgelenk betrage 50-0-40, die Pro-/Supination sei endgradig schmerzhaft. Eine Dystrophie liege nicht vor. Die intrinsische Handmuskulatur sei frei. Der Faustschluss sei regelrecht. Der Carpalkanal sei unauffällig. Die Beuge- und Strecksehnen seien frei.
Am 22. Oktober 2009 wurde eine Magnetresonanztomographie (MRT) des linken Handgelenkes durch den Radiologen Dr. E. durchgeführt. In seinem Befundbericht vom selben Tag schilderte dieser, dass sich bei glatter cortikaler Abgrenzung im distalen Radius eine sagittal verlaufende Spaltstruktur mit abgesenktem T1-Signal und diskret angehobenem T2-Signal ergeben habe. Distale ulna sowie cartilaginärer ulnocarpaler Komplex seien regelrecht erfasst. Distale und proximale Carpalreihe sowie proximale metacarpalia seien unauffällig. Minimal vermehrte Flüssigkeit im Handgelenksraum sei zu beobachten gewesen. In der Bewertung zeigten sich eine nicht ganz frische postfraktionelle Fissurbildung des distalen Radius sowie ein Reizerguss des carpalen Gelenkraumes. Anhaltspunkte für eine ligamentäre Verletzung hätten sich nicht gefunden.
Am 2. November 2009 begann der Kläger eine Arbeitsbelastungserprobung. Ab 16. November 2009 übte er seine berufliche Tätigkeit wieder vollumfänglich aus.
In ihrem fachärztlichen Bericht vom 20. November 2009 legten der Chefarzt für Unfallchirurgie Prof. Dr. F. und der Facharzt für Chirurgie Dr. G., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik (BGU) Frankfurt am Main, nach einer weiteren Untersuchung des Klägers dar, dass die Verhältnisse an den Ellenbogengelenken unauffällig seien, der Speichenbruch links in regelrechter Stellung verheilt sei und auf neurochirurgischem Fachgebiet keine Bedenken gegen den Abschluss des Heilverfahrens bestünden. Die Belastungserprobung werde vom Kläger offenbar auch mit Beschwerden im Handgelenk toleriert und könne fortgesetzt werden, danach trete Arbeitsfähigkeit ein. Eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verbleibe nicht.
Am 3. November 2010 stellte sich der Kläger erneut bei dem Durchgangsarzt Dr. D. vor und berichtete von ausstrahlenden Schmerzen und Taubheitsgefühl im linken Arm. Ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom 4. November 2010 hätten sich nach der durchgeführten Röntgenuntersuchung des linken Handgelenks eine unauffällige Radiusgelenkfläche, eine regelgerechte Stellung des distalen Radioulnargelenkes, eine regelgerechte proximale Handwurzelreihe sowie ein unauffälliger Metacarpal ergeben.
Am 8. November 2010 suchte der Kläger Prof. Dr. H., Chefarzt der Neurologischen Klinik Vitos Weilmünster auf, wo er angab, am 10. August 2009 aus 4 m Höhe von einer Leiter gestürzt zu sein und seit einigen Monaten ständig Schmerzen im linken Arm zu haben. Vom 11. bis 19 November 2010 wurde er daraufhin in der Vitos Klinik für Neurologie Weilmünster stationär behandelt. Der Kläger suchte anschießend Dr. D. auf und legte ihm einen Bericht der Neurologischen Klinik Weilmünster vor, in dem eine Reflexdystrophie linke Hand diagnostiziert wurde. In seinem Zwischenbericht vom 23. November 2010 führte Dr. D. insoweit aus, dass diese Diagnose nicht nachvollziehbar sei. In ihrem Entlassungsbericht vom 24. November 2011 diagnostizierten Prof. Dr. H. und der Oberarzt Q. bei dem Kläger eine sympathische Reflexdystrophie im Stadium III links nach distaler Radiusfraktur links 8/2009. Zur Begründung dieser Diagnose legten sie dar, dass sich in der Drei-Phasen-Skelettszintigraphie (vom 17. November 2010) ein vorläufiger Befund ergeben habe, der mit dieser Diagnose gut vereinbar sei.
Am 7. Januar 2011 stellte sich der Kläger erneut in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main vor. In ihrem Bericht vom 10. Januar 2011 legten die Fachärzte für Anästhesiologie Dr. J. und R. dar, dass sich bei der Untersuchung der betroffenen linken Hand primär keine Auffälligkeiten gezeigt hätten. Die Hand zeige weder trophische Störungen, Wachstumsveränderungen von Fingernägeln oder Behaarung noch Temperaturunterschiede und auch keine Schwellungen oder Schwitzneigung, die einen Hinweis auf ein CRPS ergeben könnten. Es finde sich keine Atrophie der Handmuskulatur, auch nicht der Muskulatur der Arme im Seitenvergleich. Prof. Dr. F., Chefarzt Unfallchirurgie und orthopädische Chirurgie, sowie Dr. G., Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie, schilderten in dem Bericht vom 11. Januar 2011, dass sich auch aus ihrer Sicht im linken Arm des Klägers keine Zeichen einer Heilentgleisung, keiner Sudeck’schen Distrophie oder eines CRPS ergeben hätten.
Mit Schreiben vom 10. März 2011 bat die Beklagte die AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen (AOK), dem Kläger kein Verletztengeld über den 10. Januar 2011 hinaus zu zahlen, weil davon auszugehen sei, dass die ggf. über diesen Zeitraum hinausgehende Arbeitsunfähigkeit nicht mehr mit dem Versicherungsfall vom 10. August 2009 in Verbindung stehe. Mit Schreiben vom 16. März 2011 teilte die Beklagte dem Unfallarzt Dr. D. mit, dass das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren mit sofortiger Wirkung abgebrochen werde und für die weitere Behandlung die Zuständigkeit der Krankenkasse gegeben sei. Dieses Schreiben übersandte sie am selben Tag dem Kläger. Hiergegen legte dieser mit Schreiben vom 19. März 2011 Widerspruch ein.
In seinem Gutachten vom 19. April 2011 kam der von der Beklagten beauftragte Prof. Dr. Dr. h. c. K., Direktor der Gutachtenstelle des Zentrums für Chirurgie, Universitätsklinikum Gießen/Marburg, unter Mitarbeit des Oberarztes Dr. L. nach einer persönlichen Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, dass bei diesem ein CRPS (Morbus Sudeck) nach den Budapest-Kriterien 2003 vorliege. Bei dem Kläger seien anhaltender Schmerz, der unverhältnismäßig zu dem auslösenden Ereignis stehe (Punkt 1), aus der zweiten Gruppe sensorische Defizite in Form von Asymmetrien der Hautfarbe, sudomotorische Defizite in Form von Ödemen sowie motorische Defizite in Form von motorischer Dysfunktion (Schwäche, Distonie) und eine hochgradige Abnahme des Bewegungsausmaßes vorhanden. Aus der dritten Gruppe lägen ein sensorisches Defizit in Form von Hyperalgesie und Allodynie sowie ein vasomotorisches Defizit in Form von Asymmetrie der Hautfarbe, insbesondere der Hohlhand vor. Das sudomotorische Defizit zeige sich in Form von Ödemen und das motorische/trophische in Form der motorischen Dysfunktionen namentlich von Schwäche, Tremor, Dystonie sowie hochgradiger Abnahme des Bewegungsausmaßes. Hinsichtlich des verspäteten Auftretens der Symptome mit maximaler Ausprägung über ein Jahr nach dem in Rede stehenden Unfall sei auf die aktuelle Literatur zu verweisen, wonach durchaus Fälle eines CRPS wenige Monate aber auch Jahre später nach einem Trauma oder Eingriff beobachtet werden könnten. Insbesondere in Anbetracht der ausführlichen Diagnostik, die keine andere Erkrankung auf einem angrenzenden Fachgebiet erbracht hätte, liege bei dem Kläger ein CRPS Typ I (Morbus Sudeck) vor. Ein Anhalt für Aggravation bestehe nicht, da der Kläger 12 Jahre bei der Firma arbeite und so gut wie nie krank gewesen sei.
Die Beklagte legte dieses Gutachten dem Neurologen und Psychiater Dr. M. vor, der in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Juni 2011 ausführte, die Annahme eines unfallabhängigen CRPS sei nicht überzeugend. Temperaturunterschiede oder Asymmetrien der Hautfarbe sowie Ödeme oder Asymmetrien des lokalen Schwitzens seien nicht dokumentiert. Außerdem bestehe der Verdacht der Aggravation. Schließlich könne auch eine somatoforme Schmerzstörung vorliegen. Es bedürfe zur weiteren Abklärung einer psychiatrischen Untersuchung der konkurrierenden Faktoren.
Der von der Beklagten daraufhin beauftragte Prof. Dr. N., Leiter der Neurologischen Klinik, Medizinisches Zentrum für Neurologie und Neurochirurgie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, diagnostizierte in seinem nach persönlicher Untersuchung des Klägers erstellten neurologischen Gutachten vom 7. November 2011 ein chronifiziertes myofaszielles Schmerzsyndrom und den Verdacht auf eine somatoforme Störung, während ein komplexes regionales Schmerzsyndrom ausgeschlossen werde. Die in der 3-Phasen-Skelettszintigraphie beschriebene mäßig verminderte Aktivitätsbelegung der linken Hand sei unspezifisch, da der Befund ebenfalls durch eine Minderbewegung erklärt und demnach nicht als Beweis für ein CRPS herangezogen werden könne. Aufgrund der körperlichen Fehlhaltung durch Schonung mit Schulterhochstand und positiven Triggerpunkten an der Rücken-, Schulter- und Armmuskulatur sei ein chronifiziertes Schmerzsyndrom in Betracht zu ziehen. Diese Erkrankungen seien nach dem Unfall vom 10. August 2009 aufgetreten und stünden wahrscheinlich mit diesem in Zusammenhang. Ein komplexes regionales Schmerzsyndrom liege nach den "Budapester Kriterien" nicht vor. Zwar sei bei dem Kläger ein andauernder Schmerz vorhanden, der durch das initiale Trauma nicht erklärt werden könne (erstes Diagnosekriterium). Ferner würden von den Unterpunkten des zweiten Diagnosekriteriums ein sensorisches Defizit im Sinne einer Hyperästhesie des linken Armes und des Rückens, eine Asymmetrie des Schwitzens, eine Verminderung des Bewegungsumfangs und eine Schwäche des linken Arms sowie Zittern, trophische Störungen und verändertes Nagelwachstums berichtet. In der klinischen Untersuchung hätten allerdings die anamnestischen Angaben nicht sicher objektiviert werden können. Ein Hauttemperaturunterschied, eine Veränderung der Hautfarbe oder ein Schwitzen und eine trophische Störung hätten nicht nachgewiesen werden können. Das dritte Diagnosekriterium sei damit nicht erfüllt. Außerdem könne das Beschwerdebild durch ein myofaszielles Schmerzsyndrom und eine somatoforme Schmerzstörung besser erklärt werden (4. Diagnosekriterium). Insoweit werde eine psychosomatische Begutachtung angeregt.
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 5. Dezember 2011 legte Dr. M. hierzu dar, ein psychosomatisches Gutachten sei nicht erforderlich, weil dies für die Frage der Kausalität keine neuen Aspekte liefern könne. Ein Unfallzusammenhang könne nur über den Nachweis eines CRPS belegt werden. Eine psychische Symptomatik wie eine somatoforme Schmerzstörung könne nicht durch den Unfall verursacht werden, da er nicht schwer genug gewesen sei, um anhaltende psychische Symptome nach mehr als zwei Jahren seit dem Unfallgeschehen zu verursachen. Der Unfall selbst habe keine emotionalen Konflikte oder psychosoziale Belastungen verursacht. Eine Psychotraumatisierung sei ausgeschlossen. Der Unfall sei höchstens Anlass und nicht Ursache der wahrscheinlichen somatoformen Schmerzstörung. Das von Prof. Dr. N. angenommene myofaszielle Schmerzsyndrom sei keine ICD 10 – konforme Diagnose und kein eigenständiges Krankheitsbild. Fehlhaltungen, die zu Muskelverspannungen und zu lokalisierbaren Druckschmerzhaftigkeiten führten, seien Folge der somatoformen Schmerzstörung und deshalb hierunter zu subsumieren.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Verwaltungsakt vom 16. März 2011 über den Abbruch des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass sich die von dem Kläger nach Wiedererlangen der Arbeitsfähigkeit am 16. November 2009 und nahezu einjähriger vollschichtiger Ausübung der beruflichen Tätigkeit nun geäußerten Beschwerden nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf das Unfallereignis vom 10. August 2009 zurückführen ließen. Soweit Dr. L. in seinem Gutachten vom 19. April 2011 zu dem Ergebnis gelangt sei, dass beim Kläger ein Schmerzsyndrom im Sinne eines CRPS Typ I (Morbus Sudeck) vorliege, könne dem nicht gefolgt werden. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Gutachten von Prof. Dr. N. Der in Rede stehende Unfall sei zudem nicht schwer genug gewesen, um anhaltende psychische Symptome über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren nach dem Unfall zu verursachen.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Januar 2012 Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2012 hat die Beklagte festgestellt, dass die Behandlungsbedürftigkeit und die Arbeitsunfähigkeit des Klägers ab 28. Oktober 2010 in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 10. August 2009 stünden, so dass Leistungen abgelehnt werden müssten.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2012 hat sich das Sozialgericht Gießen für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Wiesbaden verwiesen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er an einem CRPS leide, das auf den Arbeitsunfall vom 10. August 2009 zurückzuführen sei.
Das Sozialgericht Wiesbaden hat ein Sachverständigengutachten bei Dr. O., Arzt für Orthopädie, Physikalische Therapie, Sportmedizin, in Auftrag gegeben. In seinem Gutachten vom 4. Juli 2013 ist dieser zu dem Ergebnis gekommen, dass bei dem von ihm persönlich untersuchten Kläger eine aktive und passive Schulterbewegungseinschränkung links mit intolerablen Schmerzen im Bereich des gesamten linken Arms und radiologisch eine leichte Schultergelenksarthrose links, Zustand nach Radiusfraktur mit aktiver Bewegungseinschränkung, chronifiziertes myofaszielles Schmerzsyndrom, Zustand nach Steißbeinfraktur sowie Osteochondrose C5/C6 und C6/C7 vorlägen. Die von dem Kläger geäußerten Schmerzen stünden im Zusammenhang mit einem chronischen myofasziellen Schmerzsyndrom. Von einem chronischen regionalen Schmerzsyndrom sei hingegen nicht auszugehen. Es ließen sich weder eine Temperaturdifferenz noch eine Asymmetrie der Hautfarbe im Bereich der oberen Extremitäten nachweisen. Außerdem seien kein vermehrtes Schwitzen (Hyperdrosis) und auch keine Umfangsvermehrung im Sinne von Ödemen oder Muskelhypotrophie reproduziert. Ferner zeige sich kein vermehrtes Nagelwachstum oder verändertes Haarwachstum. Bezüglich motorischer Dysfunktionen habe keine objektive valide Beurteilung abgeleitet werden können, da der Kläger im Rahmen der somatischen Untersuchung unverhältnismäßig starke Schmerzen angegeben habe. Bezüglich der degenerativen Veränderung im Bereich des linken Schultereckgelenks sowie der Halswirbelsäule sei eindeutig von degenerativen Veränderungen auszugehen. Die krankhaften Erscheinungen seien wahrscheinlich nach dem Unfall entstanden. Aus orthopädischer Sicht sei die Gebrauchsunfähigkeit des linken Armes nicht zu erklären.
Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16. Juli 2015 beantragt, den Bescheid vom 16. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2011 und des Bescheides vom 15. Februar 2012 abzuändern und festzustellen, dass unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit über den 27. Oktober 2010 hinaus bestanden haben und bestehen.
Mit Urteil vom 16. Juli 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Sachverständige Dr. O. in Übereinstimmung mit dem Gutachten auf neurologischem Fachgebiet von Prof. Dr. N. das Vorliegen eines Morbus Sudeck nicht habe feststellen können, weil die hierfür erforderlichen Diagnosekriterien nur zum Teil erfüllt gewesen seien.
Am 9. September 2015 hat der Kläger beim Sozialgericht Wiesbaden Berufung gegen das Urteil zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt (L 9 U 205/15).
Mit Beschluss vom 3. August 2016 hat das Amtsgericht Weilburg Vormundschaftsgericht - die Ehefrau des Klägers zur Betreuerin unter anderem für den Aufgabenkreis "Rechts- und Behördenangelegenheiten" bestellt.
Der Senat hat ein nervenärztliches Gutachten bei Prof. Dr. med. Dr. Dipl. Ing. P., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, eingeholt. In seinem nach persönlicher Untersuchung erstellten Gutachten vom 13. Dezember 2016 legt dieser dar, dass bei dem Kläger auf neurologischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen, insbesondere kein CRPS, und auf psychiatrischem Fachgebiet eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome in Verbindung mit einer desolateren Bewegungsstörung vorliege. Ein CRPS sei auszuschließen, weil an körperlichen Auffälligkeiten lediglich eine Atrophie der linken Schultermuskulatur objektivierbar sei, während kein distal betontes Ödem, keine veränderte Schweißsekretion, keine Veränderung des Haarwachstums, kein verändertes Erscheinungsbild der Fingernägel, keine Temperaturdifferenz und auch keine veränderte Hautfarbe am linken Arm und der Hand im Vergleich zu rechts festzustellen gewesen seien. Der Kläger habe nach dem Unfall Probleme gehabt, seine zum Unfallzeitpunkt ausgeübte körperlich schwere Tätigkeit wieder fortzuführen. Als dann noch zusätzlich eine Schulterproblematik hinzugekommen sei, sei das Lebenskonstrukt des Klägers eingestürzt. Er habe dies mit einer neurotischen Veränderung und depressiver und dissotiativer Symptomatik "beantwortet". Bei dem Kläger bestehe eine Anlage zu dissoziativen Konflikten. Die psychische Symptomatik habe sich nicht auf das Unfallereignis oder die körperlichen Unfallfolgen entwickelt, sondern darauf, dass die schwere körperliche Arbeit nicht mehr in demselben Umfang möglich gewesen, die Schulterproblematik hinzugekommen und eine Umsetzung auf eine andere Stelle nicht möglich gewesen sei. Da sich die psychischen Folgen erst drei Jahre nach dem Unfall entwickelt hätten, sei der Unfall dafür nicht mehr verantwortlich zu machen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Juli 2015 und des Bescheides der Beklagten vom 16. März 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2011 und des Änderungsbescheides vom 15. Februar 2012 festzustellen, dass Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Arbeitsunfalls vom 10. August 2009 über den 27. Oktober 2010 hinaus bestehen und festzustellen, dass ein CRPS, hilfsweise eine schwere depressive Episode, weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 10. August 2009 ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass das Nichtvorliegen eines CRPS durch das Gutachten von Prof. Dr. Dr. P. bestätigt worden sei. Bei dem Kläger liege vielmehr eine schwere depressive Episode vor. Er habe über ein Jahr lang nach dem Unfall seine berufliche Tätigkeit wieder ausüben können. Im Rahmen der Untersuchung in der BGU am 7. Januar 2011 seien keine dem entgegenstehenden Unfallfolgen mehr festgestellt worden. Weder die Schulterprobleme noch die nicht erfolgte Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz seien Folge des Arbeitsunfalls.
Der Senat hat am 24. Juni 2016 und 12. Juni 2017 Erörterungstermine durchgeführt. Wegen des jeweiligen Inhalts wird auf die Sitzungsniederschriften vom 24. Juni 2016 und 12. Juni 2017 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 13. Juni 2017 hat der Senat das Verfahren bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheides hinsichtlich der Einstellung der Verletztengeldzahlung ausgesetzt. Nachdem die Beklagte dem Gericht mitgeteilt hat, dass eine Ausgangsentscheidung hinsichtlich der Einstellung der Verletztengeldbewilligung nicht vorliegt, hat der Senat das Verfahren unter dem 14. September 2017 fortgesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Beklagtenakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG - form- und fristgerecht eingelegt und nach §§ 143, 144 SGG statthaft.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die Klage auf Feststellung von Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit ist bereits unzulässig (1.), die Klage auf Feststellung weiterer Unfallfolgen zwar zulässig, aber unbegründet (2.)
1. Die Klage auf Feststellung von Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit ist unzulässig.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Streitgegenständlich war im erstinstanzlichen Verfahren ausweislich des protokollierten Antrages ausschließlich die Feststellung der Beklagten über die Ablehnung von Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit.
Der Kläger begehrt zunächst ein Grundurteil über allgemeine Heilbehandlungsleistungen (§§ 28 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzlich Unfallversicherung - SGB VII). Ein Grundurteil (§ 130 SGG) kommt aber nur in Betracht, wenn eine ihrer Art nach feststehende Geldleistung begehrt wird und lediglich die Höhe offen gelassen werden soll, nicht aber bei der Gewährung von Sachleistungen (BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 35/03 R -, juris, Rn. 12). Daher kann ein Grundurteil nicht hinsichtlich des allgemeinen Sachleistungsbegehren auf unbestimmte Heilbehandlung ergehen, zumal der Anspruch auf konkrete Heilbehandlung durch Erfüllung nach § 107 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erlischt, wenn bereits die Krankenkasse die entsprechende Heilbehandlung gewährt hat (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. August 2017 - L 8 U 1894/17 -, juris, Rn. 41, 47). Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger sich Maßnahmen der Heilbehandlung über das von der Gesetzlichen Krankenversicherung Geleistete hinaus beschafft hätte oder ihm sonstige von der Beklagten zu ersetzenden Kosten entstanden wären.
Da der Kläger bislang keine konkrete Sachleistung der Heilbehandlung geltend gemacht hat, kann er sich für die erstmalige Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs im Gerichtsverfahren auch nicht auf § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG berufen, wonach ein Umstellen von einem Sachleistungsanspruch auf einen Kostenerstattungsanspruch nicht als Klageänderung anzusehen ist (vgl. dazu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. August 2017 - L 8 U 1894/17 -, juris, Rn. 49).
Unzulässig ist auch die Klage auf isolierte Feststellung von Arbeitsunfähigkeit. Es handelt sich hierbei um eine reine Elementenfeststellungsklage, für die es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG erfasst die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nicht. Die isolierte Feststellung von Arbeitsunfähigkeit bedeutet zudem nicht, dass auch ein Anspruch auf Verletztengeld besteht. Die Arbeitsunfähigkeit ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Bewilligung von Verletztengeld. Daher ist ein Anspruchsteller gehalten, unmittelbar Verletztengeld gerichtlich geltend zu machen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. August 2017 - L 8 U 1894/17 -, juris, Rn. 53).
2. Die Klage auf Feststellung weiterer Unfallfolgen ist zulässig, aber unbegründet.
a) Dieser Antrag ist keine Klageänderung in Form einer Klageerweiterung nach §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 SGG. Der Kläger hat zwar einen solchen Anspruch im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht. Diese Erweiterung des Begehrens ist vorliegend aber eine bloße Erweiterung des Klageantrages in der Hauptsache ohne Änderung des Klagegrundes nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 6. Oktober 1977 - 9 RV 66/76 -, juris, Rn. 11; a. A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2011 L 10 U 4346/08 -, juris, Rn. 23; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 18. März 2015 - L 2 U 394/13 -, juris, Rn. 26). Der Klagegrund, d. h. der dem Klageantrag zugrunde liegende Lebenssachverhalt, hat sich nicht geändert. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren war zudem die Feststellung eines CRPS als Unfallfolge das wesentliche Klageziel. Das Sozialgericht hätte auf eine entsprechende Formulierung des Antrages hinweisen müssen (§ 106 Abs. 1 SGG).
b) Die Klage ist zwar zulässig. Sie ist als Feststellungsklage statthaft (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist oder ein bestimmter Gesundheitserstschaden eingetreten ist, wahlweise mit einer Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs.1 Nr. 3 SGG oder mit einer auf Feststellung gerichteten Verpflichtungsklage verfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn. 12).
c) Die Feststellungsklage ist aber unbegründet.
Anspruchsgrundlage für das Feststellungsbegehren des Klägers ist § 102 SGB VII. Danach kann der Versicherte auch die Klärung verlangen, ob ein Versicherungsfall vorliegt, welcher Träger dafür verbandszuständig ist und welche Gesundheitsschäden dem Versicherungsfall zuzurechnen sind, wobei diese Norm nicht nur die abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch, sondern ausnahmsweise auch die einzelnen Anspruchselemente umfasst, was prozessual durch § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG bestätigt wird, wonach eine Feststellungsklage auch darauf gerichtet sein kann, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit ist (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R -, juris, Rn. 16 ff.).
Zur Feststellung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Folge eines Versicherungsfalles muss zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Unfallfolgen entweder mittels des Gesundheitserstschadens oder direkt ein Ursachenzusammenhang nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung bestehen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 12). Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund von ihnen ist die Feststellung konkreter Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - juris, Rn. 12, 22). Hierbei muss die Unfallfolge im Sinne eines Vollbeweises feststehen.
Zur Anerkennung einer psychischen Störung als Unfallfolge ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosesysteme (z. B. ICD-10 = 10. Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme der WHO, DSM = diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung) erforderlich unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist. Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 22).
(1) Ein Anspruch auf Feststellung, dass ein CRPS Folge des Arbeitsunfalls ist, besteht nicht. Denn es liegt bei dem Kläger bereits kein CRPS vor.
Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) ist ein posttraumatisches Schmerzsyndrom einer Extremität, bei dem die Schmerzen im Vergleich zum erwarteten Heilungsverlauf unangemessen stark sind und die Symptome (deshalb) in der Regel körperfern in der Traumastelle auftreten und sich nicht auf das Innervationsgebiet peripherer Nerven oder Nervenwurzeln beschränken (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 398). Es wird in zwei Typen eingeteilt, den Typ I (Synonyme: Morbus Sudeck/Sudeck-Syndrom, sympathische Reflexdystrophie), dessen Auslöser schmerzhafte Traumen der distalen Extremitäten (z. B. Quetschungen, Frakturen ohne offensichtliche Läsionen größerer Nerven) sind, und den Typ II (Synonym: Kausalgie), bei dem zusätzlich klinisch und elekrophysiologisch nachweisbare Nervenläsionen vorhanden sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 398). Die Diagnose eines CRPS erfolgt nach aktuellem Stand der medizinischen Wissenschaft nach den sog. Budapest-Kriterien (siehe dazu Widder/Tegenthoff, MedSach 2014, 26; Enax-Krumova/Tegenthoff, MedSach 2017, 222; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 399 f.). Danach liegt ein CRPS vor, wenn ein anhaltender Schmerz besteht, der durch das Anfangstrauma nicht mehr erklärt wird (1.), aus den vier Kategorien Sensorik, Vasomotorik, Sudomotorik/Ödem und Motorik/Trophik mindestens ein Symptom aus drei Kategorien in der Anamnese vorliegt (2.) und aus zwei Kategorien zum Zeitpunkt der Untersuchung nachgewiesen wird (3.) sowie keine andere Diagnose den Schmerz erklärt (4.). Durchgehend anwendbare, eindeutige apparativ-technische Verfahren stehen bis heute für die Diagnostik des CRPS nicht zur Verfügung (Enax-Krumova/Tegentgoff, MedSach 2017, 222).
Der Senat ist aufgrund der Gutachten von Prof. Dr. N., Dr. O. und Prof. Dr. Dr. P. davon überzeugt, dass bei dem Kläger kein CRPS vorliegt. Alle drei Sachverständigen halten unter Zugrundelegung der Budapest Kriterien ein CRPS nicht für gegeben.
In der klinischen Untersuchung bei Prof. Dr. N. konnten keine Hauttemperaturunterschiede, Veränderung der Hautfarbe, Schwitzen oder trophische Störungen nachgewiesen werden. Damit ist eine Voraussetzung eines CRPS, nämlich der Nachweis mindestens eines Zeichens in zwei Kategorien des dritten Diagnosekriteriums, nicht erfüllt. Dem entsprechen die Ausführungen von Dr. O., der im Rahmen seiner Untersuchung kein vermehrtes Schwitzen, kein Ödem, keine Muskelhypotrophie, kein vermehrtes Nagelwachstum oder Haarwachstum feststellen konnte. Auch Prof. Dr. Dr. P. schließt bei dem Kläger ein CRPS aus, weil an körperlichen Auffälligkeiten lediglich eine Atrophie der linken Schultermuskulatur objektivierbar sei, während kein distal betontes Ödem, keine veränderte Schweißsekretion, keine Veränderung des Haarwachstums, kein verändertes Erscheinungsbild der Fingernägel, keine Temperaturdifferenz und auch keine veränderte Hautfarbe am linken Arm und der Hand im Vergleich zu rechts festzustellen gewesen seien.
Diese Feststellungen und Bewertungen werden nicht durch das Gutachten von Prof. Dr. K. erschüttert. Das Gutachten enthält keine hinreichenden Ausführungen und Dokumentationen zum Nachweis der Symptome (Kriterium 3). Dies ist aber bei der Diagnose eines CRPS zwingend erforderlich. Das Hauptproblem bei der Begutachtung eines möglichen CRPS ist nämlich, dass die meisten der in den Budapest Kriterien genannten Symptome auf den subjektiven Angaben des Betroffenen beruhen (Widder/Tegenthoff, MedSach 2014, 26, 30). Während das Kriterium 2 mit den anamnestischen Hinweisen lediglich die subjektiv geprägte Schilderung des Patienten erfasst, nennt das Kriterium 3 letztlich die klinische Dokumentation von durch den Untersucher zu objektivierenden klinischen Symptomen (Enax-Krumova/Tegenthoff, MedSach 2017, 222; 224).
Auch der Bericht von Prof. Dr. H. kann die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. P., Prof. Dr. N. und Dr. O. nicht entkräften. Er stellt in seiner Bewertung maßgeblich darauf ab, dass sich in der Drei-Phasen-Skelettszintigraphie (vom 17. November 2010) ein Befund ergeben habe, der mit einem CRPS gut vereinbar sei. Der Senat tritt indes der Einschätzung von Prof. Dr. N. bei, dass die in der 3-Phasen-Skelettszintigraphie beschriebene mäßig verminderte Aktivitätsbelegung der linken Hand unspezifisch ist, da der Befund ebenfalls durch eine Minderbewegung erklärt und demnach nicht als Beweis für ein CRPS herangezogen werden kann. Dem entspricht auch der aktuelle Stand der medizinischen Wissenschaft. Danach erlaubt zwar eine innerhalb des ersten Jahres durchgeführte Drei-Phasen-Skelettszintigraphie bei positivem Nachweis typisch perlschnurartiger gelenknaher Nuklidanreicherungen im Bereich der distalen Extremität weitgehend die diagnostische Sicherung eines CRPS; beim Verlassen dieses Zeitfensters oder bei einem negativen Befund bleibt jedoch die klinische Symptomatik wesentlich für die diagnostische Sicherung (Enax-Krumova/Tegenthoff, MedSach 2017, 222, 223). Dieses Zeitfenster von einem Jahr wurde vorliegend deutlich überschritten.
Der Senat weist darauf hin, dass selbst dann, wenn ein CRPS vorliegen würde, dieses nicht auf den streitgegenständlichen Arbeitsunfall zurückgeführt werden könnte. Denn nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft treten CRPS-Symptome im Allgemeinen innerhalb von wenigen Tagen bis maximal zwei Wochen nach einem Trauma auf, wobei ein späterer Beginn nur dann nachvollziehbar ist, wenn eine Brückensymptomatik eruierbar ist oder entsprechende therapeutische Manipulationen erfolgen, welche für die Entstehung der CRPS-Symptomatik als ursächlich anzusehen sind bzw. (wie z. B. ein Gipsverband) diese verschleiern (Widder/Tegenthoff, MedSach 2014, 26, 30; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl. 2017, S. 401).
(2) Der Kläger hat auch kein Anspruch auf Feststellung, dass eine schwere depressive Episode weitere Folge des Arbeitsunfalls ist.
Zwar geht der Senat mit Prof. Dr. Dr. P. davon aus, dass der Kläger unter dieser Erkrankung leidet. Diese psychische Störung ist jedoch nicht nach der Theorie der wesentlichen Bedingung Folge des streitgegenständlichen Arbeitsunfalls.
Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis, wonach jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). In einer zweiten Prüfungsstufe ist die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können, d. h. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 13). Diese Unterscheidung und Zurechnung erfolgt nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, wonach als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 14). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit; diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, sodass die reine Möglichkeit nicht ausreicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 20). Diese Grundlagen der Theorie der wesentlichen Bedingung gelten für alle als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen und damit auch für psychische Störungen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, juris, Rn. 21).
Die fehlende Wesentlichkeit des Arbeitsunfalls für die depressive Erkrankung des Klägers folgt aber noch nicht aus der geringen Schwere des Unfallereignisses und dessen Gesundheitserstschäden. Denn es gibt bei seelischen Erkrankungen keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ein als geringfügig beurteiltes Trauma stets als bloße Gelegenheitsursache anzusehen ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 40/05 R -, juris, Rn. 10).
Es kann zudem dahinstehen, ob die Wesentlichkeit des Unfalls für die depressive Erkrankung schon wegen einer fehlenden psychischen Erstreaktion abzulehnen ist. Nach den Kausalitätskriterien in der gesetzlichen Unfallversicherung kommt einer solchen psychischen Reaktion vor allem bei minderschweren Ereignissen die Bedeutung als notwendige Anknüpfungstatsache im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Unfallfolge zu (Hessisches LSG, Urteil vom 25. März 2014 L 3 U 207/11 - juris).
Selbst wenn der Arbeitsunfall im naturwissenschaftlichen Sinne nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass die Erkrankung an der depressiven Episode entfiele (conditio sine qua non) und auch generell geeignet wäre, eine solche Erkrankung auszulösen (Wirkursache), wäre er zumindest keine wesentliche Ursache. Dies folgt aus den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. Dr. P., wonach weder der Unfall noch dessen körperliche Folgen für die psychischen Erkrankungen des Klägers verantwortlich gemacht werden können. Vielmehr seien diese dadurch entscheidend, mithin wesentlich, verursacht worden, dass der Kläger seine bisherige berufliche Tätigkeit nicht mehr habe ausüben können, was bei ihm eine neurotische Veränderung und eine depressive und dissotiative Symptomatik ausgelöst habe. Bestätigt wird dies nach den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. P. dadurch, dass sich die psychischen Folgen erst drei Jahre nach dem Unfall entwickelt hätten, sodass dieser nicht mehr verantwortlich zu machen sei. Diesen Einschätzungen tritt der Senat bei.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
III. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
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