Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 71/18 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 204/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 2018 aufgehoben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Bundesrepublik Deutschland
a) an Unternehmen in ihrer Funktion als Arbeitgeber heranzutreten und diese aufzufordern, die Krankenkassen-Leistungen der Antragsgegnerin den Beschäftigten des Unternehmens zu empfehlen sowie
b) mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten mit der Maßgabe angedroht, dass die Haft an einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin zu vollziehen ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 2018 aufzuheben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Bundesrepublik Deutschland a) an Unternehmen in ihrer Funktion als Arbeitgeber heranzutreten und diese aufzufordern, die Krankenkassen-Leistungen der Antragsgegnerin den Beschäftigten des Unternehmens zu empfehlen, und/oder b) mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird, und/oder c) mit Hilfe von Wechselprämien um Mitglieder zu werben, wenn dies jeweils geschieht wie in Anlage AS 1 wiedergegeben,
ist in dem tenorierten Umfang begründet.
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts Frankfurt in dem angefochtenen Beschluss mangelt es dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit zunächst nicht am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Bezüglich des vorliegend auf § 4 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) gestützten Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin ist auf die spezialgesetzlichen Regelungen in § 12 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zurückzugreifen, durch welche die in § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geforderten Voraussetzung der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs verdrängt wird. Durch Verweis auf den entsprechend anwendbaren § 12 UWG gelten für die gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung des sozialversicherungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs die gleichen Regeln wie für den Unterlassungsanspruch nach dem UWG. Das bedeutet vor allem, dass Krankenkassen einem unlauteren Wettbewerb auch im Wege einer Abmahnung entgegentreten können und einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der sonst im gerichtlichen Verfahren erforderlichen Voraussetzung erlassen werden können (G. Becker in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 4 SGB V, Rn. 35). Der Verweis auf den entsprechend anwendbaren § 12 UWG verfolgt das Ziel den Krankenkassen die Möglichkeit einzuräumen, einem unlauteren Wettbewerb im Wege der Abmahnung und des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGG unter Beachtung einer gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung entgegenzutreten. Diese folgt aus § 12 Abs. 2 UWG, wonach zur Sicherung bestehender Unterlassungsansprüche einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden können (BT-Drucksache 17/9852, S 36 f.). Im Übrigen wurde von der Antragstellerin durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Leiters ihrer Rechtsabteilung C. vom 5. März 2018 (Bl. 152 Gerichtsakte) auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin erstmals am 15. Januar 2018 Kenntnis von den streitgegenständlichen Werbemaßnahmen der Antragsgegnerin erlangt hat. Hierauf hat die Antragstellerin umgehend durch einen außergerichtlichen Einigungsversuch und sodann durch den am 19. Februar 2018 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung reagiert. Folglich wurde die Dringlichkeitsvermutung nicht durch verzögerte Geltendmachung der Unterlassungsansprüche widerlegt.
Der Antragstellerin steht auch in der Sache ein Anspruch auf Unterlassung der im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter a) und b) beschriebenen Werbemaßnahmen der Antragsgegnerin zu. Der Anspruch auf das Unterlassen der im vorstehenden Antrag unter a) und b) beschriebenen Handlungen der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V, wonach Krankenkassen die Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen von anderen Krankenkassen verlangen können. Das Werben um neue Mitglieder gehört zwar zu den gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen. Es führt zu einem Wettbewerb der Krankenkassen untereinander, da nur diese als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen. Aus der Verpflichtung zur Zusammenarbeit, der gemeinsamen Verantwortung für die Durchführung der Krankenversicherung und auch aus der Stellung als öffentlich-rechtliche Körperschaften folgt insoweit allerdings ein die Krankenkassen treffendes Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das in Bezug auf die Mitgliederwerbung dahingehend zu konkretisieren ist, dass um neue Mitglieder nur sachbezogen geworben werden darf (BSG, Urteil vom 2. Februar 1984 – 8 RK 41/82 – juris Rn 27; BSG Urteil vom 31. März 1998 – B 1 KR 9/95 R - juris Rn 12; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2014 – L 1 KR 361/12 –, juris Rn. 27).
Hiermit sind die im Antrag auf Erlass einer einstweilen Anordnung unter a) und b) beschriebenen Handlungsweisen der Antragsgegnerin nicht zu vereinbaren.
Von der Antragstellerin wurde durch Vorlage der betreffenden Schriftsätze glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin zum Jahresbeginn 2018 per E-Mail an Arbeitgeber herangetreten ist und diese hierbei aufgefordert hat, ihren Beschäftigten einen Kassenwechsel zu empfehlen. Dies wurde von der Antragsgegnerin nicht substantiiert in Abrede gestellt. Die Einbeziehung von Arbeitgebern zur Abwerbung ihrer bei anderen Krankenkassen versicherten Arbeitnehmer stellt eine unsachliche Werbemaßnahme im vorgenannten Sinne dar. Von der Antragstellerin wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass die aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende Abhängigkeit von Arbeitnehmern gegenüber ihren Arbeitgebern dazu führen kann, dass Handlungsvorschläge der Arbeitgeber zur Wahl der Krankenkasse von den Beschäftigten als verbindliche Vorgaben aufgefasst werden könnten. Dies gilt umso mehr, wenn von den Arbeitgebern die von der Antragsgegnerin diesen ebenfalls übersandten Mitgliedschaftsanträge und Kündigungserklärungen weitergereicht werden, wie dies offensichtlich mit der Werbemaßnahme bezweckt worden ist. Für einen Träger der sozialen Krankenversicherung stellt es eine unsachliche Werbemaßnahme dar, sich zur Abwerbung versicherter Personen deren Arbeitgeber zunutze zu machen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juni 2003 – L 4 KR 1365/02 –, Rn. 40, juris). Die Antragsgegnerin bedient sich insoweit zum Zwecke der Mitgliederwerbung der Autorität der Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern und verstößt insoweit auch gegen die gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung in der Fassung vom 11. November 2015 (Wettbewerbsgrundsätze 2016, dort Rn. 41). Hierzu wurde von der Antragstellerin zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Antragsgegnerin insoweit allein der Autorität und nicht der Kompetenz der Arbeitgeber bedient, da diesen eine besondere fachliche Kompetenz zur Auswahl der passenden Krankenkasse ihrer Arbeitnehmer nicht zukommt. Der Senat hält es für geboten, die in den Wettbewerbsgrundsätzen verankerten Grundsätze bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des "unlauteren Wettbewerbs" durch "unzulässige Werbemaßnahmen" zugrunde zu legen. Die Wettbewerbsgrundsätze werden verbreitet als "Verwaltungsvorschriften", "-richtlinien" oder "Leitlinien in Form von Wettbewerbsregeln" bezeichnet. Sie sind auf der Grundlage der Sachleitungsgewalt und innerhalb des Funktionsbereichs der (selbständigen) Wahrnehmung der jeweiligen Aufsichtszuständigkeit ausschließlich nach innen gerichtet. Es handelt es sich um einen "Maßstab eigener Art für die Führung der Rechtsaufsicht" zur Auslegung und Ermessensleitung bei der Anwendung des einschlägigen Rechts und zur Hinwirkung auf dessen Beachtung. Die Wettbewerbsgrundsätze sind insoweit ebenso Ausdruck einer gleichgerichteten und konsentierten Rechtsauffassung wie einer gleichgerichteten und abgestimmten Rechtspraxis der Aufsichtsbehörden. Diese zu erzielen ist wesentliche Intention des obligatorischen Erfahrungsaustauschs (§ 90 Abs. 4 SGB IV), als dessen Ausfluss die Wettbewerbsgrundsätze im Sinne eines einheitlichen Maßstabs der Aufsichtsführung insoweit zu betrachten sind (Plate/Sichert: Die "Wettbewerbsgrundsätze 2016", NZS 2016, 374). Aufgrund der unabhängig zur gerichtlichen Klärung bestehenden Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden für die für die Überprüfung des Mitglieder- und Servicewettbewerbs unter den Krankenkassen im Hinblick auf das Lauterbarkeitsrecht (BT-Drucksache 17/9852, S 36 f.) hält es der Senat auch im Interesse der einheitlichen Rechtsausübung für erforderlich, die Wettbewerbsgrundsätze als maßgebliche Kriterien zur Bestimmung des unlauteren Wettbewerbs durch unzulässige Werbemaßnahmen heranzuziehen.
Mit den Wettbewerbsgrundsätzen ist es auch nicht zu vereinbaren, mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird. Vergleiche von Beiträgen oder Leistungen sind danach zwar zulässig, sofern sie nicht in unlauterer Weise erfolgen, d.h. insbesondere nicht irreführend, herabsetzend oder verunglimpfend sind. Werden ausschließlich Beiträge verglichen, ist allerdings zugleich auch über Leistungsunterschiede aufzuklären (Wettbewerbsgrundsätze 2016, Rn. 9). Insoweit wurden in dem streitgegenständlichen Werbeprospekt (Bl. 16 Gerichtsakte) die Beitragssätze der Antragsgegnerin den Beitragssätzen mehrerer anderer, namentlich genannter Krankenkassen, unter anderen der Antragstellerin, gegenübergestellt, ohne hinreichend auf die bestehenden unterschiedlichen Leistungskataloge hinzuweisen. Die Darstellung der unterschiedlichen Beitragssätze sowie einiger besonderen Leistungsmerkmale der Antragsgegnerin erfüllen dabei annähernd den gesamten Inhalt des Prospektes und sind zu dem farblich besonders hervorgehoben, während sich der Hinweis auf eventuelle Unterschiede in den Leistungsangeboten (" bei den Mitbewerbern kann es unterschiedliche Leistungsangebote geben") lediglich in einer leicht zu übersehenden, klein gedruckten Fußnote findet. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung zur Aufklärung über bestehende Leistungsunterschiede nicht hinreichend nachgekommen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist demgegenüber insoweit unbegründet, als er darauf gerichtet ist, der Antragsgegnerin zu untersagen, "mit Hilfe von Wechselprämien um Mitglieder zu werben". Diesbezüglich wurde von der Antragsgegnerin in der streitgegenständlichen Werbemaßnahme lediglich auf die Möglichkeit hingewiesen, bei einem Wechsel der Mitgliedschaft bis zum 28. Februar 2018 für das Jahr 2018 die in § 10a ihrer Satzung festgelegten Mehrleistungen nach § 11 Abs. 6 SGB in Anspruch nehmen zu können. Von der Antragsgegnerin wurde insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine gesetzlich zugelassene Mehrleistung handelt, welche auch von Ihrer Aufsichtsbehörde genehmigt worden ist. Eine unzulässige Werbemaßnahme vermag der Senat hierin nicht zu erkennen.
Die Rechtmäßigkeit der Androhung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft folgt aus § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 928, 890 Absätze 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO; vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Mai 2012 L 10 P 5/12 B ER –, juris Rn. 26 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
a) an Unternehmen in ihrer Funktion als Arbeitgeber heranzutreten und diese aufzufordern, die Krankenkassen-Leistungen der Antragsgegnerin den Beschäftigten des Unternehmens zu empfehlen sowie
b) mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- EUR, für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten mit der Maßgabe angedroht, dass die Haft an einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied der Antragsgegnerin zu vollziehen ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. März 2018 aufzuheben und der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung, wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung, bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorstandsvorsitzenden der Antragsgegnerin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in der Bundesrepublik Deutschland a) an Unternehmen in ihrer Funktion als Arbeitgeber heranzutreten und diese aufzufordern, die Krankenkassen-Leistungen der Antragsgegnerin den Beschäftigten des Unternehmens zu empfehlen, und/oder b) mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird, und/oder c) mit Hilfe von Wechselprämien um Mitglieder zu werben, wenn dies jeweils geschieht wie in Anlage AS 1 wiedergegeben,
ist in dem tenorierten Umfang begründet.
Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts Frankfurt in dem angefochtenen Beschluss mangelt es dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit zunächst nicht am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Bezüglich des vorliegend auf § 4 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) gestützten Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin ist auf die spezialgesetzlichen Regelungen in § 12 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zurückzugreifen, durch welche die in § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geforderten Voraussetzung der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs verdrängt wird. Durch Verweis auf den entsprechend anwendbaren § 12 UWG gelten für die gerichtliche und außergerichtliche Durchsetzung des sozialversicherungsrechtlichen Unterlassungsanspruchs die gleichen Regeln wie für den Unterlassungsanspruch nach dem UWG. Das bedeutet vor allem, dass Krankenkassen einem unlauteren Wettbewerb auch im Wege einer Abmahnung entgegentreten können und einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der sonst im gerichtlichen Verfahren erforderlichen Voraussetzung erlassen werden können (G. Becker in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 4 SGB V, Rn. 35). Der Verweis auf den entsprechend anwendbaren § 12 UWG verfolgt das Ziel den Krankenkassen die Möglichkeit einzuräumen, einem unlauteren Wettbewerb im Wege der Abmahnung und des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem SGG unter Beachtung einer gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung entgegenzutreten. Diese folgt aus § 12 Abs. 2 UWG, wonach zur Sicherung bestehender Unterlassungsansprüche einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden können (BT-Drucksache 17/9852, S 36 f.). Im Übrigen wurde von der Antragstellerin durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung des Leiters ihrer Rechtsabteilung C. vom 5. März 2018 (Bl. 152 Gerichtsakte) auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin erstmals am 15. Januar 2018 Kenntnis von den streitgegenständlichen Werbemaßnahmen der Antragsgegnerin erlangt hat. Hierauf hat die Antragstellerin umgehend durch einen außergerichtlichen Einigungsversuch und sodann durch den am 19. Februar 2018 beim Sozialgericht Frankfurt am Main eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung reagiert. Folglich wurde die Dringlichkeitsvermutung nicht durch verzögerte Geltendmachung der Unterlassungsansprüche widerlegt.
Der Antragstellerin steht auch in der Sache ein Anspruch auf Unterlassung der im Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unter a) und b) beschriebenen Werbemaßnahmen der Antragsgegnerin zu. Der Anspruch auf das Unterlassen der im vorstehenden Antrag unter a) und b) beschriebenen Handlungen der Antragsgegnerin ergibt sich aus § 4 Abs. 3 Satz 2 SGB V, wonach Krankenkassen die Unterlassung unzulässiger Werbemaßnahmen von anderen Krankenkassen verlangen können. Das Werben um neue Mitglieder gehört zwar zu den gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen. Es führt zu einem Wettbewerb der Krankenkassen untereinander, da nur diese als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht kommen. Aus der Verpflichtung zur Zusammenarbeit, der gemeinsamen Verantwortung für die Durchführung der Krankenversicherung und auch aus der Stellung als öffentlich-rechtliche Körperschaften folgt insoweit allerdings ein die Krankenkassen treffendes Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, das in Bezug auf die Mitgliederwerbung dahingehend zu konkretisieren ist, dass um neue Mitglieder nur sachbezogen geworben werden darf (BSG, Urteil vom 2. Februar 1984 – 8 RK 41/82 – juris Rn 27; BSG Urteil vom 31. März 1998 – B 1 KR 9/95 R - juris Rn 12; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2014 – L 1 KR 361/12 –, juris Rn. 27).
Hiermit sind die im Antrag auf Erlass einer einstweilen Anordnung unter a) und b) beschriebenen Handlungsweisen der Antragsgegnerin nicht zu vereinbaren.
Von der Antragstellerin wurde durch Vorlage der betreffenden Schriftsätze glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin zum Jahresbeginn 2018 per E-Mail an Arbeitgeber herangetreten ist und diese hierbei aufgefordert hat, ihren Beschäftigten einen Kassenwechsel zu empfehlen. Dies wurde von der Antragsgegnerin nicht substantiiert in Abrede gestellt. Die Einbeziehung von Arbeitgebern zur Abwerbung ihrer bei anderen Krankenkassen versicherten Arbeitnehmer stellt eine unsachliche Werbemaßnahme im vorgenannten Sinne dar. Von der Antragstellerin wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass die aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende Abhängigkeit von Arbeitnehmern gegenüber ihren Arbeitgebern dazu führen kann, dass Handlungsvorschläge der Arbeitgeber zur Wahl der Krankenkasse von den Beschäftigten als verbindliche Vorgaben aufgefasst werden könnten. Dies gilt umso mehr, wenn von den Arbeitgebern die von der Antragsgegnerin diesen ebenfalls übersandten Mitgliedschaftsanträge und Kündigungserklärungen weitergereicht werden, wie dies offensichtlich mit der Werbemaßnahme bezweckt worden ist. Für einen Träger der sozialen Krankenversicherung stellt es eine unsachliche Werbemaßnahme dar, sich zur Abwerbung versicherter Personen deren Arbeitgeber zunutze zu machen (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juni 2003 – L 4 KR 1365/02 –, Rn. 40, juris). Die Antragsgegnerin bedient sich insoweit zum Zwecke der Mitgliederwerbung der Autorität der Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern und verstößt insoweit auch gegen die gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung in der Fassung vom 11. November 2015 (Wettbewerbsgrundsätze 2016, dort Rn. 41). Hierzu wurde von der Antragstellerin zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Antragsgegnerin insoweit allein der Autorität und nicht der Kompetenz der Arbeitgeber bedient, da diesen eine besondere fachliche Kompetenz zur Auswahl der passenden Krankenkasse ihrer Arbeitnehmer nicht zukommt. Der Senat hält es für geboten, die in den Wettbewerbsgrundsätzen verankerten Grundsätze bei der Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe des "unlauteren Wettbewerbs" durch "unzulässige Werbemaßnahmen" zugrunde zu legen. Die Wettbewerbsgrundsätze werden verbreitet als "Verwaltungsvorschriften", "-richtlinien" oder "Leitlinien in Form von Wettbewerbsregeln" bezeichnet. Sie sind auf der Grundlage der Sachleitungsgewalt und innerhalb des Funktionsbereichs der (selbständigen) Wahrnehmung der jeweiligen Aufsichtszuständigkeit ausschließlich nach innen gerichtet. Es handelt es sich um einen "Maßstab eigener Art für die Führung der Rechtsaufsicht" zur Auslegung und Ermessensleitung bei der Anwendung des einschlägigen Rechts und zur Hinwirkung auf dessen Beachtung. Die Wettbewerbsgrundsätze sind insoweit ebenso Ausdruck einer gleichgerichteten und konsentierten Rechtsauffassung wie einer gleichgerichteten und abgestimmten Rechtspraxis der Aufsichtsbehörden. Diese zu erzielen ist wesentliche Intention des obligatorischen Erfahrungsaustauschs (§ 90 Abs. 4 SGB IV), als dessen Ausfluss die Wettbewerbsgrundsätze im Sinne eines einheitlichen Maßstabs der Aufsichtsführung insoweit zu betrachten sind (Plate/Sichert: Die "Wettbewerbsgrundsätze 2016", NZS 2016, 374). Aufgrund der unabhängig zur gerichtlichen Klärung bestehenden Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden für die für die Überprüfung des Mitglieder- und Servicewettbewerbs unter den Krankenkassen im Hinblick auf das Lauterbarkeitsrecht (BT-Drucksache 17/9852, S 36 f.) hält es der Senat auch im Interesse der einheitlichen Rechtsausübung für erforderlich, die Wettbewerbsgrundsätze als maßgebliche Kriterien zur Bestimmung des unlauteren Wettbewerbs durch unzulässige Werbemaßnahmen heranzuziehen.
Mit den Wettbewerbsgrundsätzen ist es auch nicht zu vereinbaren, mit Beitragsvergleichen zu werben, in denen nicht über die Leistungsunterschiede der verglichenen Krankenkassen aufgeklärt wird. Vergleiche von Beiträgen oder Leistungen sind danach zwar zulässig, sofern sie nicht in unlauterer Weise erfolgen, d.h. insbesondere nicht irreführend, herabsetzend oder verunglimpfend sind. Werden ausschließlich Beiträge verglichen, ist allerdings zugleich auch über Leistungsunterschiede aufzuklären (Wettbewerbsgrundsätze 2016, Rn. 9). Insoweit wurden in dem streitgegenständlichen Werbeprospekt (Bl. 16 Gerichtsakte) die Beitragssätze der Antragsgegnerin den Beitragssätzen mehrerer anderer, namentlich genannter Krankenkassen, unter anderen der Antragstellerin, gegenübergestellt, ohne hinreichend auf die bestehenden unterschiedlichen Leistungskataloge hinzuweisen. Die Darstellung der unterschiedlichen Beitragssätze sowie einiger besonderen Leistungsmerkmale der Antragsgegnerin erfüllen dabei annähernd den gesamten Inhalt des Prospektes und sind zu dem farblich besonders hervorgehoben, während sich der Hinweis auf eventuelle Unterschiede in den Leistungsangeboten (" bei den Mitbewerbern kann es unterschiedliche Leistungsangebote geben") lediglich in einer leicht zu übersehenden, klein gedruckten Fußnote findet. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer Verpflichtung zur Aufklärung über bestehende Leistungsunterschiede nicht hinreichend nachgekommen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist demgegenüber insoweit unbegründet, als er darauf gerichtet ist, der Antragsgegnerin zu untersagen, "mit Hilfe von Wechselprämien um Mitglieder zu werben". Diesbezüglich wurde von der Antragsgegnerin in der streitgegenständlichen Werbemaßnahme lediglich auf die Möglichkeit hingewiesen, bei einem Wechsel der Mitgliedschaft bis zum 28. Februar 2018 für das Jahr 2018 die in § 10a ihrer Satzung festgelegten Mehrleistungen nach § 11 Abs. 6 SGB in Anspruch nehmen zu können. Von der Antragsgegnerin wurde insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine gesetzlich zugelassene Mehrleistung handelt, welche auch von Ihrer Aufsichtsbehörde genehmigt worden ist. Eine unzulässige Werbemaßnahme vermag der Senat hierin nicht zu erkennen.
Die Rechtmäßigkeit der Androhung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft folgt aus § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. §§ 928, 890 Absätze 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO; vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Mai 2012 L 10 P 5/12 B ER –, juris Rn. 26 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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