Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 9 AS 58/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 80/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 51/18 BH
Datum
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 3. November 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Unterkunftskosten in Höhe von 200 Euro monatlich im Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Oktober 2008.
Der Kläger stellte erstmals am 29. Dezember 2004 (Bl. 23 ff. der Verwaltungsakte Bd. 1) einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, dem er eine handschriftlich gefertigte und von seiner Mutter als Vermieterin unterschriebene Auflistung der Unterkunftskosten vom 20. Dezember 2004 (Bl. 33 der Verwaltungsakte Bd. 1) beifügte. In der Auflistung sind untereinander "Strom, Heizungswasser, Müllgebühr und Fernsehen" benannt und Gesamtkosten in Höhe von 400 Euro beziffert.
Am 31. Januar 2005 fand eine Überprüfung der Wohnverhältnisse des Klägers durch Mitarbeiter des Beklagten statt. In dem hierüber gefertigten Vermerk vom 1. Februar 2005 (Bl. 74 der Verwaltungsakte Bd. 1) heißt es u.a.:
" ...Herr A. wohnt mietfrei. Es besteht jedoch die Verpflichtung laut Aussage beider, dass sich Herr A. an sämtlichen Nebenkosten beteiligt, entsprechende Hinweise hierüber befinden sich auch in den Unterlagen der Agentur für Arbeit. Frau A. ist verwitwet und bezieht nach ihrer Aussage keine hohe Rente um für sämtliche anfallenden Kosten allein aufkommen zu können".
Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 (Bl. 68 der Verwaltungsakten Bd. 1) bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab 1. Februar 2005 bis 31. Juli 2005 ohne Berücksichtigung von Miet- oder Nebenkosten.
Am 27. Mai 2005 fand ein persönliches Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten (Herr D.) statt. In dem hierüber gefertigten Vermerk (Bl. 107 der Verwaltungsakten Bd. 1) heißt es u.a.:
"Herr A. beklagt sich darüber, dass im Rahmen seiner Berechnung des Arbeitslosengelds II keine Heizkosten berücksichtigt worden seien. Er lebe zwar mietfrei im Hause seiner Mutter, müsse jedoch entsprechend zu den anfallenden Heizkosten einen Beitrag leisten. Herr A. erklärte, dass seine Mutter nur ein relativ geringes Renteneinkommen besitze. Mit diesem Renteneinkommen sei sie nicht in der Lage, die Unterhaltung des Hausgrundstückes alleine zu gewährleisten. Er fragte daher an, ob von Seiten der Behörde Mietkosten berücksichtigt werden können."
In der Folgezeit bewilligte der Beklagte dem Kläger rückwirkend und laufend monatliche Nebenkosten in Höhe von 26,56 Euro und Heizungskosten in Höhe von 34 Euro.
Am 18. November 2005 fand ein weiteres Gespräch mit dem Kläger und seiner Mutter statt. In dem hierüber gefertigten Vermerk (Bl. 190 der Verwaltungsakte Bd. 1) heißt es u.a.:
"Herr und Frau A. erklärten übereinstimmend, dass Herr A. von seiner Mutter in der Vergangenheit ein Privatdarlehen in Höhe von über 20.000 Euro erhalten habe. Schriftliche Festlegungen hierzu existierten nicht. Mit der Mutter sei jedoch vereinbart, dass er dieses Darlehen in monatlichen Raten in Höhe von 253,58 EUR (500,- DM) zurückzahlt. Er habe hierfür einen Dauerauftrag eingerichtet".
Im März 2006 (Bl. 219 ff. der Verwaltungsakte Bd. 1) legte der Kläger dem Beklagten einen von ihm und seiner Mutter unterschriebenen Mietvertrag vom 1. November 2005 vor. Darin war die Nettokaltmiete mit 200 Euro beziffert. Neben der Miete sollten monatlich 50 Euro Betriebskostenvorschuss und 70 Euro Heizkostenvorschuss, d.h. insgesamt 320 Euro gezahlt werden gezahlt werden. § 1 des schriftlichen Mietvertrages ("Mieträume") war nicht, § 3 ("Miete und Nebenkosten") nur unvollständig ausgefüllt. Als Konto, auf das Miete und Nebenkosten gezahlt werden sollten, war in § 4 ("Zahlung der Miete und der Nebenkosten") das eigene Konto des Klägers angegeben.
Am 27. Juni 2006 fand eine weitere Inaugenscheinnahme der Wohnung des Klägers statt. In dem hierüber vom Beklagten gefertigten Vermerk (Bl. 212 der Verwaltungsakte Bd. 1) heißt es u.a.:
"Das Untergeschoss des Hauses wird durch die Mutter des WF bewohnt. Das Obergeschoss wird durch den WF bewohnt. Folgende Räume wurden durch den WF als sein Wohnraum gezeigt: Eine Küche, ein Wohnzimmer, eine Toilette mit Dusche sowie ein Schlafzimmer. Im Schlafzimmer befand sich ein Einzelbett. Die Wohnfläche betrug etwa entsprechend den Angaben im vorgelegten Mietvertrag ca. 50 m². Im Obergeschoss befanden sich noch 2 weitere Räume, die von der Mutter des Widerspruchsführers genutzt würden".
Weiter heißt es in dem Vermerk:
"Zur Erledigung der Widerspruchsangelegenheiten sollte wie folgt verfahren werden: Die Berücksichtigung von Unterkunftskosten ab 1. November 2005 entsprechend den Angaben des vorgelegten Mietvertrages in angemessener Höhe und gleichzeitiger Entnahme des Unterhaltsbetrages i.S.v. § 9 Abs. 5 SGB II".
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006 (Bl. 75 der Widerspruchsakte Bd. 1) bewilligte der Beklagte dem Kläger Unterkunftskosten laut Mietvertrag ab 1. November 2005.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2006 (Bl. 222 der Verwaltungsakte Bd. 1). forderte der Beklagte den Kläger auf, den Mietvertrag vom 1. November 2005 in den §§ 1 und 3 vollständig auszufüllen, eine Mietbescheinigung einzureichen und die letzte Neben- und Heizkostenabrechnung oder ersatzweise vollständige Einzelnachweise vorzulegen. Weiterhin sollte der Kläger Nachweise darüber erbringen, dass die Miete sowie Neben- und Heizkosten tatsächlich an die Vermieterin gezahlt und die Mieteinnahmen von der Mutter beim Finanzamt angegeben wurden.
Der Kläger erklärte daraufhin mit beim Beklagten am 9. August 2006 (Bl. 232 der Verwaltungsakte Bd. 1) eingegangenen Schreiben:
"Da ich von Ihnen aber noch keine Miete sowie Betriebskosten bekommen habe, kann ich auch noch keinen Nachweis vorlegen. Wenn gezahlt wurde, kann ich Ihnen auch eine Quittung vorlegen. Was meine Vermieterin (Mutter) mit den Mieteinnahmen, wenn sie sie hat (liegt daran, wann ich sie von Ihnen bekomme) macht, geht mich nichts an."
Im August 2006 (Bl. 233 der Verwaltungsakte Bd. 1) legte der Kläger einen neuen, wiederum auf den 1. November 2005 datierten Mietvertrag vor. Die Gesamtkosten beliefen sich nunmehr auf 340 Euro, die in bar gezahlt werden sollten.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 (Bl. 248 der Verwaltungsakte Bd. 1) bewilligte der Beklagte dem Kläger rückwirkend ab dem 1. November 2005 zusätzlich zur Regelleistung monatliche Unterkunftskosten in Höhe von 235,50 Euro zuzüglich Heizkosten in Höhe von monatlich 40 Euro.
Mit Leistungsbewilligungsbescheid vom 31. Oktober 2006 (Bl. 275 der Verwaltungsakte Bd. 2) bewilligte die Behörde monatliche Kaltmietkosten in Höhe von 200 Euro, sowie monatliche Nebenkosten für den Zeitraum 1. November 2006 bis 30. April 2007 in Höhe von 57 Euro und Heizkosten in Höhe von 40 Euro. Sie forderte den Kläger zugleich auf, einen Nachweis darüber beizubringen, dass die gemäß Bescheid vom 4. Oktober 2006 erhaltene Nachzahlung von Unterkunftskosten sachgerecht zur Tilgung der entsprechenden Schulden eingesetzt worden ist. Aus den vorgelegten Kontoauszügen sei nur der Eingang und Verbleib des Betrages auf dem Konto des Klägers ersichtlich. Sofern die Tilgung durch Barzahlung erfolgt sei, werde um Vorlage eines Kontoauszuges gebeten, aus dem ersichtlich sei, dass der Betrag dem Konto entnommen wurde.
Mit Schreiben vom 1. November 2006 (Bl. 285 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten, Teil 2) reagierte der Kläger auf die Aufforderungen im Bescheid vom 31. Oktober 2006 und im Bescheid vom 4. Oktober 2006, einen Nachweis über die Nachzahlung von Miete und Unterkunftskosten für den Zeitraum 1. November 2005 bis 31. Oktober 2006 an seine Mutter zu erbringen. In dem Schreiben heißt es u.a.:
"Der Nachweis für die monatliche Miete und Nebenkosten laut Mietvertrag für meine Vermieterin ist meinen Kontoauszügen zu entnehmen. Monatsbetrag 255,23 Euro, damals 500,- DM. Den monatlichen Fehlbetrag von 84,77 Euro zum Mietvertrag hat meine Tante mir in 3 Raten a = 339,08 Euro in bar geliehen".
Mit Schreiben vom 24. November 2006 (Bl. 295 der Verwaltungsakte Bd. 2) wies der Beklagte den Kläger auf seine Angaben im Gespräch am 18. November 2005 hin, wonach der regelmäßig von seinem Konto überwiesene Betrag von 255,23 Euro zur monatlichen Tilgung eines ihm von der Mutter zur Verfügung gestellten Privatdarlehens diene. Außerdem habe er im bisherigen Verfahren auf die Anforderung von Nachweisen immer erklärt, dass er aufgrund fehlender Mittel die Miete nicht zahlen könne und erst nach erfolgter Zahlung der Kosten der Unterkunft die laut der Vermieterin bestehenden Mietrückstände begleichen können. Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht.
Der Kläger nahm am 1. Dezember 2006 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf. Der Beklagte stellte die Leistungen deswegen per Bescheid vom 24. Januar 2007 zum 31. Dezember 2006 ein.
Mit Bescheid vom 17. Januar 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger einen Eingliederungszuschuss in Höhe von 1.800 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2009, insgesamt 41.040 Euro.
Ab dem 30. Mai 2007 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 11. Juni 2007 beantragte er bei der AOK Hessen Krankengeld. Am 12. Juni 2007 sprach der Kläger bei der Servicestelle des Beklagten vor und ließ sich einen Weiterbewilligungsantrag aushändigen.
Die AOK Hessen lehnte den Antrag auf Krankengeld mit Bescheid vom 17. Juli 2007 und Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2008 ab. Mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. September 2010 (Aktenzeichen: 4 KR 20/09) wurde die AOK u.a. verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum 30. Juli 2006 bis 31. Dezember 2007 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Mit zwischenzeitlichem Schreiben vom 20. August 2008 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die AOK Leistungen vom 13. Juni 2007 bis zum 29. Juli 2007 gezahlt habe. Der Kläger führt in dem Schreiben weiter aus:
" Bin ich leider gezwungen, den Antrag (Weiterbewilligungsantrag) von ALG. 2, den ich vorsichtshalber ( ) am 12.06.2007 beantragt habe, damit ich ja weiter rechtlich und gesetzlich arbeitslos und rentenversichert bin, in Anspruch zu nehmen Das ich denn ALG 2 Antrag ( ) erst so spät in Anspruch nehme liegt daran das ich bis zuletzt noch gehofft habe auch ohne Gericht von der AOK Fulda das Krankengeld was mir gesetzlich zusteht zubekommen und deshalb nie einen ALG 2 Antrag ( ...) benötigen würde "
Der Kläger trug in dem Schreiben weiter vor, der Mitarbeiter am Empfang habe ihm ausdrücklich versichert, dass es gesetzlich nur wichtig und richtig sei, wann der ALG-II-Antrag gestellt und nicht wann er abgegeben wurde.
Mit Bescheid vom 3. November 2008 (Bl. 372 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten, Teil 2) lehnte der Beklagte zunächst die Übernahme von SGB-II-Leistungen für die Zeit ab 12. Juni 2007 komplett ab, da ein wirksamer Antrag erst ab dem 30. Oktober 2008 gestellt worden sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2009 (Hefter Widerspruch) zurück.
Hiergegen richtete sich die am 27. März 2009 (Bl. 1 Gerichtsakte) erhobene Klage (S 9 AS 72/09), die zwischenzeitlich zum Ruhen gebracht (Beschluss vom 14. Mai 2012) und nach Wiederaufnahme am 25. April 2013 (Bl. 62 der Gerichtsakte) mit dem Aktenzeichen S 9 AS 58/13 weitergeführt wurde.
Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2016 (Bl. 152 der Gerichtsakte) bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum ab 1. Januar 2008 bis 31. Oktober 2008 ohne Anerkennung von Unterkunftskosten. Auf Anfrage des Gerichts stellte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016 (Bl. 160 der Gerichtsakte) klar, dass im vorliegenden Verfahren nur noch Leistungen für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 30. November 2008 festgesetzt werden sollten.
Der Kläger behauptete weiterhin, einer Mietforderung in Höhe von monatlich 200 Euro ausgesetzt gewesen zu sein.
Der Klägervertreter erklärte in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll (Bl. 184 ff. der Gerichtsakte), dass für November 2008 keine Leistungen mehr geltend gemacht würden. Der Beklagte erklärte sich in der mündlichen Verhandlung bereit, für den noch streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 60,56 Euro Heiz- und Nebenkosten zu übernehmen, woraufhin der Klägervertreter die Klage bezüglich der Heiz- und Nebenkosten zurücknahm.
Der Klägervertreter beantragte, den Beklagten unter Aufhebung der insoweit ablehnenden Entscheidung im Leistungsbescheid vom 3. November 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. März 2009 und der Änderung vom 5. Januar 2016 zu verpflichten, für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Kaltmiete in Höhe von 200 Euro monatlich zu gewähren.
Der Beklagte trat dem entgegen. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der Kläger tatsächlich einer wirksamen Mietforderung ausgesetzt sei. Er habe vor der Antragstellung bereits mietfrei im Haus seiner Mutter gewohnt. Im Hinblick auf angeblich ausstehende Mieten sei er offensichtlich bislang noch keine mietrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt worden. Er habe bislang weder eine Kündigung noch auch nur eine Androhung einer Kündigung erhalten. Es liege deswegen kein ernstlicher Mietvertrag vor.
Das Gericht befragte den Kläger in der mündlichen Verhandlung zum Sachverhalt und erhob durch Vernehmung der Mutter des Klägers als Zeugin Beweis (Bl. 184 ff. der Gerichtsakte).
Mit Urteil vom 3. November 2016 wies das Sozialgericht Fulda die Klage ab.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage sei unbegründet. Der nur noch hinsichtlich der Versagung der Übernahme von monatlichen Kosten für Miete angefochtene Bescheid vom 3. November 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2009 in der geänderten Fassung der Bewilligung vom 5. Januar 2016 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Übernahme von weiteren Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 200 Euro im Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 2008.
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sei § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die geltend gemachten Kosten müssten tatsächlich angefallen sein. Dies setze voraus, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum einer ernsthaften Mietforderung seiner Mutter, der Zeugin A., ausgesetzt gewesen sei. Zahlungsverpflichtungen zwischen nahen Angehörigen seien nur dann als rechtlich erheblich im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzuerkennen, wenn sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Mietvertrags dem zwischen Fremden Üblichen jedenfalls im Wesentlichen entspreche (sogenannter abgeschwächter Fremdvergleich, vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. Mai 2009, B 14 AS 31/07 R, und BSG, Beschluss vom 25.08.2011, B 8 SO 1/11 B, Rn. 7, SG Karlsruhe, Urteil vom 25. Oktober 2012 – S 4 AS 2654/11 –, Rn. 21, jeweils zit. nach juris).
Davon sei nach der Gesamtschau der vorliegenden Verwaltungsvorgänge, dem gesamten Vorbringen des Klägers und der im Termin durchgeführten Zeugenvernehmung seiner Mutter, der Zeugin A., nicht auszugehen. Zunächst bestünden erhebliche Zweifel daran, dass überhaupt ein wirksamer Mietvertrag abgeschlossen worden sei (siehe hierzu unter 1.). Die gesamte Aktenlage und das Ergebnis der Beweisaufnahme hätten das Gericht unabhängig davon überzeugt, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keiner ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen sei (siehe hierzu unter 2). Unabhängig davon entspreche die tatsächliche Durchführung des Vertrags in keiner Weise dem zwischen Fremden im Rechtsverkehr Üblichen (siehe hierzu unter 3).
1. Die für das Zustandekommen eines Vertrags grundsätzlich erforderlichen beiderseitigen Willenserklärungen zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarung seien im ersten, im März 2006 eingereichten Mietvertrag vom 1. November 2005 nicht hinreichend erkennbar. In § 1 des Mietvertrags ("Mieträume") fehlten Angaben, sodass völlig unklar bleibe, worüber die Parteien sich überhaupt mit dem erforderlichen Rechtbindungswillen geeinigt haben wollten. Auch die Tatsache, dass die Miete gemäß § 4 ("Zahlung der Miete und der Nebenkosten") auf das eigene Konto des Klägers gezahlt werden sollte und § 3 ("Miete und Nebenkosten") nur unvollständig ausgefüllt sei, spreche gegen das Zustandekommen einer die Parteien bindenden vertraglichen Vereinbarung.
Hinsichtlich des im August 2006 vorgelegten zweiten Mietvertrags vom 1. November 2005 bestünden jedenfalls Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit und damit auch an der Wirksamkeit dieser Vereinbarung (§§ 117,118 BGB). Zunächst sei die Vorlage erst und nur auf Verlangen des Beklagten erfolgte. Die Vertragsparteien sahen selbst offensichtlich keinen Anlass, den bis dahin in den wesentlichen Punkten unvollständigen ersten Vertrag zu ergänzen. Es irritiere zudem die Datierung auf den 1. November 2005, da die Beteiligten wohl kaum zwei Mietverträge am selben Tag abgeschlossen hätten. Die im neuen Vertrag vorgenommene Änderung der Zahlungsmodalitäten (von Überweisung in Barzahlung) und die höher angesetzten tatsächlichen Kosten seien nicht nachvollziehbar und ließen den Verdacht entstehen, dass der Kläger die Gelegenheit nutzen wollte, die Konditionen zu seinen Gunsten zu verbessern bzw. die Überprüfbarkeit der tatsächlichen Mietzahlungen an seine Mutter zu erschweren. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der zweiten Vereinbarung ergäben sich auch aus dem Inhalt des Schreibens des Klägers vom 1. November 2006, in dem er im Gegensatz zur angeblich vereinbarten Barzahlung nunmehr auf Überweisungen der Miete von seinem Konto verweise.
2. Unabhängig von den Zweifeln am Bestehen eines rechtlich wirksamen Mietvertrags sei der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keiner ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt. Zum einen habe er seinen eigenen Angaben im Termin zufolge seit 2008 tatsächlich keine Miete mehr an seine Mutter gezahlt. Darüber hinaus habe die Betrachtung der aktenkundigen Vorgeschichte ab dem Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2004, die Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie das Ergebnis der Beweisaufnahme das Gericht davon überzeugt, dass er tatsächlich auch keiner ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt war, sondern von Anfang an lediglich einen Weg gesucht habe, weitere Leistungen vom Beklagten für sich zu erhalten.
Hierfür sprächen maßgeblich folgende Umstände:
Der Kläger habe nach der Einschätzung des Gerichts bereits bei Antragstellung versucht, die Behörde über die Höhe seiner Unterkunftskosten zu täuschen um Leistungen zu erhalten, die ihm in Wahrheit nicht zustanden. In der bei Antragstellung eingereichten Auflistung der Unterkunftskosten vom 20. Dezember 2004 komme "Miete" als Position nicht vor. Die ausgewiesene Gesamtforderung von auf den Cent genau 400 Euro entspreche weder den später angegebenen Nebenkosten noch der später gegenüber der Behörde angegebenen Miethöhe zuzüglich der Nebenkosten. Es liege hier deswegen bereits die Vermutung nahe, dass der Betrag in Ermangelung einer echten Forderung pauschal behauptet wurde. Insofern halte die Kammer den Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung, sein Mandant habe die Auflistung der Position "Miete" schlichtweg vergessen, nicht für plausibel.
Diese Einschätzung stützten auch die Angaben des Klägers und seiner Mutter, der Zeugin A., im Gespräch mit dem Beklagten am 31. Januar 2005. Ausweislich des Behördenvermerks gaben beide damals übereinstimmend an, dass lediglich die Verpflichtung bestehe, sich an sämtlichen Nebenkosten zu beteiligen. Die Kammer gehe insofern nach allgemeiner Lebenserfahrung davon aus, dass diese Kosten nicht - wie im Erstantrag angegeben - monatlich 400 Euro betragen haben. In einem weiteren Gesprächsvermerk vom 27. Mai 2005 werde die Angabe des Klägers, er wohne mietfrei bei seiner Mutter, erneut dokumentiert.
Es seien auch keinerlei überzeugende Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich an dem mietfreien Wohnen des Klägers im Hause seiner Mutter später etwas geändert haben sollte. Insbesondere erfolgten nach dem Abschluss des Mietvertrags vom 1. November 2005 keine Leistungen auf die Mietforderung. Das Schreiben des Klägers vom 1. November 2006 und die hierzu erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Version einer angeblichen Forderungsverrechnung in Höhe von monatlich "255,23 Euro - damals 500,- DM" überzeugten das Gericht nicht. Der Vortrag sei nicht glaubhaft, da sich der Kläger in erhebliche Widersprüche verwickelt habe: Während er und seine Mutter gegenüber dem Beklagten ausweislich eines Vermerks vom 18. November 2005 zunächst angegeben hätten, er habe von ihr in der Vergangenheit ein privates Darlehen in Höhe über 20.000 Euro erhalten, das er in monatlichen Raten "in Höhe von 255,58 Euro (ungefähr 500 DM)" zurückzahle, solle dieser Betrag jetzt im Wege einer Verrechnung als Ausgleich für monatliche Mietzahlungen seit November 2005 herhalten. Dagegen spräche jedoch maßgeblich der eigene Vortrag des Klägers im Schreiben vom 9. August 2006, mit dem er erkläre, dass er keinen Nachweis für seit 2005 geleistete Miete vorlegen könne, da er vom Beklagten noch keine Miete bekommen habe und er eine Quittung erst vorlegen könne, wenn sie an die Mutter gezahlt werde. In diesem Zusammenhang sei auch auffällig, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 1. November 2006 hinter dem in Euro ausgewiesenen Überweisungsbetrag "damals 500 DM" vermerkt habe, obwohl der Euro bereits am 1. Januar 2002 eingeführt wurde. Soweit er damit darauf hinweisen möchte, dass schon zu DM-Zeiten Miete in Höhe von 500 DM verrechnet worden sei, wäre dieser Vortrag nicht tragfähig, da der Betrag der Höhe nach mit der späteren Auflistung der Unterkunftskosten im Erstantrag nicht übereinstimme. Außerdem habe der Autoverkauf, auf dem die Verrechnung beruhen solle, nach der Aussage der Zeugin A. erst im Jahr 2002 stattgefunden. Die Kammer halte es bei Würdigung der Gesamtumstände für am wahrscheinlichsten, dass der Kläger entsprechend seinen vom Beklagten unter dem 18. November 2005 vermerkten Angaben zu einem Zeitpunkt vor 2002 von seiner Mutter, der Zeugin A., ein privates Darlehen in Höhe von 20.000 Euro erhalten habe, das er vor 2002 in Höhe von 500 DM und ab 2002 entsprechend in Euro abbezahlt habe. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die Zweckbestimmung als Mietzahlung nachträglich verfahrensangepasst erfolgt sei, um die tatsächlich nicht erfolgte Weitergabe der von der Behörde an ihn überwiesenen Nachzahlungen von Unterkunftskosten ab November 2005 zu verschleiern. Es seien auch keinerlei plausible Gründe erkennbar, warum sich der damalige Sachbearbeiter den in dem o.g. Vermerk vom 18. November 2005 detailliert beschriebenen Sachverhalt ausgedacht haben sollte.
Auch die Angaben der Zeugin A. in der Beweisaufnahme hätten diese Überzeugung der Kammer nicht erschüttern können. Zwar habe sich die Zeugin A. an ein zu früheren Zeiten gewährtes Darlehen in Höhe von 20.000 Euro nicht erinnern können. Sie habe vielmehr schlüssig erklärt, dass sie dem Kläger ca. 2002 seinen BMW abgekauft und dabei eine noch offene Schlusszahlung in Höhe von ungefähr 14.500 Euro übernommen habe. Dabei habe sie - in Übereinstimmung mit dem Kläger - auch erklärt, dass dieser die noch ausstehenden Raten an die Bank als Ausgleich für die Miete übernommen habe. Die Kammer halte diesen Vortrag der Zeugin A. indes nicht für glaubhaft. Ihre Ausführungen gerade in Bezug auf die angebliche vorgenommene Verrechnung der Miete seien auffällig unkonkret und dünn. Die Zeugin habe auf weiteres Nachfragen des Gerichts keinerlei Details über den Zeitraum der angeblichen Verrechnung und die in diesem Zusammenhang ausstehenden Mietzinsforderungen machen können. Insofern seien bei der Kammer zusätzlich auch grundsätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin A. entstanden, da ihr Vortrag gegenüber dem Gericht, sie habe mit dem Kläger zuvor nicht über die mündliche Verhandlung gesprochen und wisse nichts über seine Probleme mit dem Amt, völlig realitätsfern erscheine.
Nach alledem gehe das Gericht davon aus, dass der Kläger die vom Beklagten im Oktober 2006 gewährte Unterkunftskostennachzahlung für den Zeitraum ab November 2005 nicht an seine Mutter weitergeleitet habe. Daran werde deutlich, dass auch keine entsprechende Verpflichtung zur Mietzahlung bestanden habe, und der Kläger allein die Möglichkeit gesucht habe, mehr Geld vom Leistungsträger zur eigenen Verfügung zu erhalten.
Ob außerhalb des Bezugszeitraums von SGB II in 2007 Mietzahlungen des Klägers an seine Mutter erfolgt seien, was angesichts der aufgezeigten Vorgeschichte zweifelhaft sein dürfte und ggf. auch keine zwingenden Rückschlüsse auf den Zeitraum 2008 bis 2016 zuließe, könne offen bleiben.
3. Denn unabhängig von der Frage, ob der Kläger jemals einer echten Mietzinsforderung ausgesetzt war, scheitere der Anspruch nach § 22 SGB II jedenfalls daran, dass die Durchführung des Mietvertrags ansonsten nicht annähernd dem im Rechtsverkehr zwischen Fremden Üblichen entsprach. Bei einer ernsthaften Vereinbarung von Unterkunftskosten müsse der Mieter bei Nichtzahlung des Mietzinses mit Mahnungen bzw. letztendlich mit Kündigung und Räumungsandrohung der Wohnung rechnen. Die Androhung oder Durchsetzung rechtlicher Konsequenzen gegenüber dem Kläger seien jedoch bislang weder vorgetragen noch ersichtlich, obwohl er seinen eigenen Angaben im Termin zufolge seit 2008 überhaupt keine Miete gezahlt habe. Auch das Ergebnis der Beweisaufnahme habe bestätigt, dass der angebliche Mietvertrag in seiner Umsetzung nicht den üblichen Anforderungen im Rechtsverkehr entsprochen habe. Denn die Zeugin A. habe auf Nachfragen des Gerichts nicht angeben können, wieviel Miete überhaupt ausstehe. Auch ihre Erklärungen, sie habe sich darum noch nicht gekümmert und dem Kläger gesagt, dass sie das Geld bekomme, wenn er es vom Amt bekomme, belegten, dass der Kläger bei Nichtzahlung der Mietzinsforderung keinerlei Konsequenzen zu befürchten hatte und habe. Insofern gehe die Kammer von einer dauerhaften unbegrenzten Stundung der Miete aus. Unter diesen Umständen komme eine Übernahme weiterer Unterkunftskosten nach § 22 SGB II nicht in Betracht.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 13. Januar 2017 (Bl. 213a der Gerichtsakte) zugestellt. Dagegen hat der Kläger am 6. Februar 2017 (Bl. 215 der Gerichtsakte) Berufung beim Sozialgericht Fulda eingelegt.
Der Kläger hält an seinem erstinstanzlichen Vorbringen fest.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 3. November 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 3. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2009 in der Fassung des Bescheides vom 5. Januar 2016 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 2008 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 200 Euro monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 24. Januar 2018 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die bei der Entscheidung jeweils vorgelegen haben, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen oder Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind auch vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Eines Einverständnisses der Beteiligten mit dieser Entscheidungsform bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 Rka 97/96 – NZS 1998, 304; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. A. 2012, § 153 Rn. 14).
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes, die Geltendmachung weiterer Unterkunftskosten in Höhe von 200 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 2008 (10 Monate x 200 Euro = 2.000 Euro), den maßgeblichen Betrag von 750 Euro deutlich überstieg.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden. Dem Kläger stehen im streitgegenständlichen Zeitraum keine weiteren Unterkunftskosten in Höhe von 200 Euro monatlich zu. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Fulda im angegriffenen Urteil, die sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG), verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Unterkunftskosten in Höhe von 200 Euro monatlich im Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Oktober 2008.
Der Kläger stellte erstmals am 29. Dezember 2004 (Bl. 23 ff. der Verwaltungsakte Bd. 1) einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, dem er eine handschriftlich gefertigte und von seiner Mutter als Vermieterin unterschriebene Auflistung der Unterkunftskosten vom 20. Dezember 2004 (Bl. 33 der Verwaltungsakte Bd. 1) beifügte. In der Auflistung sind untereinander "Strom, Heizungswasser, Müllgebühr und Fernsehen" benannt und Gesamtkosten in Höhe von 400 Euro beziffert.
Am 31. Januar 2005 fand eine Überprüfung der Wohnverhältnisse des Klägers durch Mitarbeiter des Beklagten statt. In dem hierüber gefertigten Vermerk vom 1. Februar 2005 (Bl. 74 der Verwaltungsakte Bd. 1) heißt es u.a.:
" ...Herr A. wohnt mietfrei. Es besteht jedoch die Verpflichtung laut Aussage beider, dass sich Herr A. an sämtlichen Nebenkosten beteiligt, entsprechende Hinweise hierüber befinden sich auch in den Unterlagen der Agentur für Arbeit. Frau A. ist verwitwet und bezieht nach ihrer Aussage keine hohe Rente um für sämtliche anfallenden Kosten allein aufkommen zu können".
Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 (Bl. 68 der Verwaltungsakten Bd. 1) bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab 1. Februar 2005 bis 31. Juli 2005 ohne Berücksichtigung von Miet- oder Nebenkosten.
Am 27. Mai 2005 fand ein persönliches Gespräch zwischen dem Kläger und dem Beklagten (Herr D.) statt. In dem hierüber gefertigten Vermerk (Bl. 107 der Verwaltungsakten Bd. 1) heißt es u.a.:
"Herr A. beklagt sich darüber, dass im Rahmen seiner Berechnung des Arbeitslosengelds II keine Heizkosten berücksichtigt worden seien. Er lebe zwar mietfrei im Hause seiner Mutter, müsse jedoch entsprechend zu den anfallenden Heizkosten einen Beitrag leisten. Herr A. erklärte, dass seine Mutter nur ein relativ geringes Renteneinkommen besitze. Mit diesem Renteneinkommen sei sie nicht in der Lage, die Unterhaltung des Hausgrundstückes alleine zu gewährleisten. Er fragte daher an, ob von Seiten der Behörde Mietkosten berücksichtigt werden können."
In der Folgezeit bewilligte der Beklagte dem Kläger rückwirkend und laufend monatliche Nebenkosten in Höhe von 26,56 Euro und Heizungskosten in Höhe von 34 Euro.
Am 18. November 2005 fand ein weiteres Gespräch mit dem Kläger und seiner Mutter statt. In dem hierüber gefertigten Vermerk (Bl. 190 der Verwaltungsakte Bd. 1) heißt es u.a.:
"Herr und Frau A. erklärten übereinstimmend, dass Herr A. von seiner Mutter in der Vergangenheit ein Privatdarlehen in Höhe von über 20.000 Euro erhalten habe. Schriftliche Festlegungen hierzu existierten nicht. Mit der Mutter sei jedoch vereinbart, dass er dieses Darlehen in monatlichen Raten in Höhe von 253,58 EUR (500,- DM) zurückzahlt. Er habe hierfür einen Dauerauftrag eingerichtet".
Im März 2006 (Bl. 219 ff. der Verwaltungsakte Bd. 1) legte der Kläger dem Beklagten einen von ihm und seiner Mutter unterschriebenen Mietvertrag vom 1. November 2005 vor. Darin war die Nettokaltmiete mit 200 Euro beziffert. Neben der Miete sollten monatlich 50 Euro Betriebskostenvorschuss und 70 Euro Heizkostenvorschuss, d.h. insgesamt 320 Euro gezahlt werden gezahlt werden. § 1 des schriftlichen Mietvertrages ("Mieträume") war nicht, § 3 ("Miete und Nebenkosten") nur unvollständig ausgefüllt. Als Konto, auf das Miete und Nebenkosten gezahlt werden sollten, war in § 4 ("Zahlung der Miete und der Nebenkosten") das eigene Konto des Klägers angegeben.
Am 27. Juni 2006 fand eine weitere Inaugenscheinnahme der Wohnung des Klägers statt. In dem hierüber vom Beklagten gefertigten Vermerk (Bl. 212 der Verwaltungsakte Bd. 1) heißt es u.a.:
"Das Untergeschoss des Hauses wird durch die Mutter des WF bewohnt. Das Obergeschoss wird durch den WF bewohnt. Folgende Räume wurden durch den WF als sein Wohnraum gezeigt: Eine Küche, ein Wohnzimmer, eine Toilette mit Dusche sowie ein Schlafzimmer. Im Schlafzimmer befand sich ein Einzelbett. Die Wohnfläche betrug etwa entsprechend den Angaben im vorgelegten Mietvertrag ca. 50 m². Im Obergeschoss befanden sich noch 2 weitere Räume, die von der Mutter des Widerspruchsführers genutzt würden".
Weiter heißt es in dem Vermerk:
"Zur Erledigung der Widerspruchsangelegenheiten sollte wie folgt verfahren werden: Die Berücksichtigung von Unterkunftskosten ab 1. November 2005 entsprechend den Angaben des vorgelegten Mietvertrages in angemessener Höhe und gleichzeitiger Entnahme des Unterhaltsbetrages i.S.v. § 9 Abs. 5 SGB II".
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2006 (Bl. 75 der Widerspruchsakte Bd. 1) bewilligte der Beklagte dem Kläger Unterkunftskosten laut Mietvertrag ab 1. November 2005.
Mit Schreiben vom 13. Juli 2006 (Bl. 222 der Verwaltungsakte Bd. 1). forderte der Beklagte den Kläger auf, den Mietvertrag vom 1. November 2005 in den §§ 1 und 3 vollständig auszufüllen, eine Mietbescheinigung einzureichen und die letzte Neben- und Heizkostenabrechnung oder ersatzweise vollständige Einzelnachweise vorzulegen. Weiterhin sollte der Kläger Nachweise darüber erbringen, dass die Miete sowie Neben- und Heizkosten tatsächlich an die Vermieterin gezahlt und die Mieteinnahmen von der Mutter beim Finanzamt angegeben wurden.
Der Kläger erklärte daraufhin mit beim Beklagten am 9. August 2006 (Bl. 232 der Verwaltungsakte Bd. 1) eingegangenen Schreiben:
"Da ich von Ihnen aber noch keine Miete sowie Betriebskosten bekommen habe, kann ich auch noch keinen Nachweis vorlegen. Wenn gezahlt wurde, kann ich Ihnen auch eine Quittung vorlegen. Was meine Vermieterin (Mutter) mit den Mieteinnahmen, wenn sie sie hat (liegt daran, wann ich sie von Ihnen bekomme) macht, geht mich nichts an."
Im August 2006 (Bl. 233 der Verwaltungsakte Bd. 1) legte der Kläger einen neuen, wiederum auf den 1. November 2005 datierten Mietvertrag vor. Die Gesamtkosten beliefen sich nunmehr auf 340 Euro, die in bar gezahlt werden sollten.
Mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 (Bl. 248 der Verwaltungsakte Bd. 1) bewilligte der Beklagte dem Kläger rückwirkend ab dem 1. November 2005 zusätzlich zur Regelleistung monatliche Unterkunftskosten in Höhe von 235,50 Euro zuzüglich Heizkosten in Höhe von monatlich 40 Euro.
Mit Leistungsbewilligungsbescheid vom 31. Oktober 2006 (Bl. 275 der Verwaltungsakte Bd. 2) bewilligte die Behörde monatliche Kaltmietkosten in Höhe von 200 Euro, sowie monatliche Nebenkosten für den Zeitraum 1. November 2006 bis 30. April 2007 in Höhe von 57 Euro und Heizkosten in Höhe von 40 Euro. Sie forderte den Kläger zugleich auf, einen Nachweis darüber beizubringen, dass die gemäß Bescheid vom 4. Oktober 2006 erhaltene Nachzahlung von Unterkunftskosten sachgerecht zur Tilgung der entsprechenden Schulden eingesetzt worden ist. Aus den vorgelegten Kontoauszügen sei nur der Eingang und Verbleib des Betrages auf dem Konto des Klägers ersichtlich. Sofern die Tilgung durch Barzahlung erfolgt sei, werde um Vorlage eines Kontoauszuges gebeten, aus dem ersichtlich sei, dass der Betrag dem Konto entnommen wurde.
Mit Schreiben vom 1. November 2006 (Bl. 285 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten, Teil 2) reagierte der Kläger auf die Aufforderungen im Bescheid vom 31. Oktober 2006 und im Bescheid vom 4. Oktober 2006, einen Nachweis über die Nachzahlung von Miete und Unterkunftskosten für den Zeitraum 1. November 2005 bis 31. Oktober 2006 an seine Mutter zu erbringen. In dem Schreiben heißt es u.a.:
"Der Nachweis für die monatliche Miete und Nebenkosten laut Mietvertrag für meine Vermieterin ist meinen Kontoauszügen zu entnehmen. Monatsbetrag 255,23 Euro, damals 500,- DM. Den monatlichen Fehlbetrag von 84,77 Euro zum Mietvertrag hat meine Tante mir in 3 Raten a = 339,08 Euro in bar geliehen".
Mit Schreiben vom 24. November 2006 (Bl. 295 der Verwaltungsakte Bd. 2) wies der Beklagte den Kläger auf seine Angaben im Gespräch am 18. November 2005 hin, wonach der regelmäßig von seinem Konto überwiesene Betrag von 255,23 Euro zur monatlichen Tilgung eines ihm von der Mutter zur Verfügung gestellten Privatdarlehens diene. Außerdem habe er im bisherigen Verfahren auf die Anforderung von Nachweisen immer erklärt, dass er aufgrund fehlender Mittel die Miete nicht zahlen könne und erst nach erfolgter Zahlung der Kosten der Unterkunft die laut der Vermieterin bestehenden Mietrückstände begleichen können. Eine Reaktion des Klägers hierauf erfolgte nicht.
Der Kläger nahm am 1. Dezember 2006 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auf. Der Beklagte stellte die Leistungen deswegen per Bescheid vom 24. Januar 2007 zum 31. Dezember 2006 ein.
Mit Bescheid vom 17. Januar 2007 bewilligte der Beklagte dem Kläger einen Eingliederungszuschuss in Höhe von 1.800 Euro monatlich für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis 30. November 2009, insgesamt 41.040 Euro.
Ab dem 30. Mai 2007 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 11. Juni 2007 beantragte er bei der AOK Hessen Krankengeld. Am 12. Juni 2007 sprach der Kläger bei der Servicestelle des Beklagten vor und ließ sich einen Weiterbewilligungsantrag aushändigen.
Die AOK Hessen lehnte den Antrag auf Krankengeld mit Bescheid vom 17. Juli 2007 und Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2008 ab. Mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 21. September 2010 (Aktenzeichen: 4 KR 20/09) wurde die AOK u.a. verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum 30. Juli 2006 bis 31. Dezember 2007 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Mit zwischenzeitlichem Schreiben vom 20. August 2008 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die AOK Leistungen vom 13. Juni 2007 bis zum 29. Juli 2007 gezahlt habe. Der Kläger führt in dem Schreiben weiter aus:
" Bin ich leider gezwungen, den Antrag (Weiterbewilligungsantrag) von ALG. 2, den ich vorsichtshalber ( ) am 12.06.2007 beantragt habe, damit ich ja weiter rechtlich und gesetzlich arbeitslos und rentenversichert bin, in Anspruch zu nehmen Das ich denn ALG 2 Antrag ( ) erst so spät in Anspruch nehme liegt daran das ich bis zuletzt noch gehofft habe auch ohne Gericht von der AOK Fulda das Krankengeld was mir gesetzlich zusteht zubekommen und deshalb nie einen ALG 2 Antrag ( ...) benötigen würde "
Der Kläger trug in dem Schreiben weiter vor, der Mitarbeiter am Empfang habe ihm ausdrücklich versichert, dass es gesetzlich nur wichtig und richtig sei, wann der ALG-II-Antrag gestellt und nicht wann er abgegeben wurde.
Mit Bescheid vom 3. November 2008 (Bl. 372 des Verwaltungsvorgangs des Beklagten, Teil 2) lehnte der Beklagte zunächst die Übernahme von SGB-II-Leistungen für die Zeit ab 12. Juni 2007 komplett ab, da ein wirksamer Antrag erst ab dem 30. Oktober 2008 gestellt worden sei. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2009 (Hefter Widerspruch) zurück.
Hiergegen richtete sich die am 27. März 2009 (Bl. 1 Gerichtsakte) erhobene Klage (S 9 AS 72/09), die zwischenzeitlich zum Ruhen gebracht (Beschluss vom 14. Mai 2012) und nach Wiederaufnahme am 25. April 2013 (Bl. 62 der Gerichtsakte) mit dem Aktenzeichen S 9 AS 58/13 weitergeführt wurde.
Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2016 (Bl. 152 der Gerichtsakte) bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum ab 1. Januar 2008 bis 31. Oktober 2008 ohne Anerkennung von Unterkunftskosten. Auf Anfrage des Gerichts stellte der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016 (Bl. 160 der Gerichtsakte) klar, dass im vorliegenden Verfahren nur noch Leistungen für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 30. November 2008 festgesetzt werden sollten.
Der Kläger behauptete weiterhin, einer Mietforderung in Höhe von monatlich 200 Euro ausgesetzt gewesen zu sein.
Der Klägervertreter erklärte in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll (Bl. 184 ff. der Gerichtsakte), dass für November 2008 keine Leistungen mehr geltend gemacht würden. Der Beklagte erklärte sich in der mündlichen Verhandlung bereit, für den noch streitgegenständlichen Zeitraum monatlich 60,56 Euro Heiz- und Nebenkosten zu übernehmen, woraufhin der Klägervertreter die Klage bezüglich der Heiz- und Nebenkosten zurücknahm.
Der Klägervertreter beantragte, den Beklagten unter Aufhebung der insoweit ablehnenden Entscheidung im Leistungsbescheid vom 3. November 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. März 2009 und der Änderung vom 5. Januar 2016 zu verpflichten, für den streitgegenständlichen Zeitraum eine Kaltmiete in Höhe von 200 Euro monatlich zu gewähren.
Der Beklagte trat dem entgegen. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der Kläger tatsächlich einer wirksamen Mietforderung ausgesetzt sei. Er habe vor der Antragstellung bereits mietfrei im Haus seiner Mutter gewohnt. Im Hinblick auf angeblich ausstehende Mieten sei er offensichtlich bislang noch keine mietrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt worden. Er habe bislang weder eine Kündigung noch auch nur eine Androhung einer Kündigung erhalten. Es liege deswegen kein ernstlicher Mietvertrag vor.
Das Gericht befragte den Kläger in der mündlichen Verhandlung zum Sachverhalt und erhob durch Vernehmung der Mutter des Klägers als Zeugin Beweis (Bl. 184 ff. der Gerichtsakte).
Mit Urteil vom 3. November 2016 wies das Sozialgericht Fulda die Klage ab.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässige Klage sei unbegründet. Der nur noch hinsichtlich der Versagung der Übernahme von monatlichen Kosten für Miete angefochtene Bescheid vom 3. November 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 11. März 2009 in der geänderten Fassung der Bewilligung vom 5. Januar 2016 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Übernahme von weiteren Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 200 Euro im Zeitraum 1. Januar bis 31. Oktober 2008.
Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sei § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Die geltend gemachten Kosten müssten tatsächlich angefallen sein. Dies setze voraus, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum einer ernsthaften Mietforderung seiner Mutter, der Zeugin A., ausgesetzt gewesen sei. Zahlungsverpflichtungen zwischen nahen Angehörigen seien nur dann als rechtlich erheblich im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzuerkennen, wenn sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Mietvertrags dem zwischen Fremden Üblichen jedenfalls im Wesentlichen entspreche (sogenannter abgeschwächter Fremdvergleich, vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 7. Mai 2009, B 14 AS 31/07 R, und BSG, Beschluss vom 25.08.2011, B 8 SO 1/11 B, Rn. 7, SG Karlsruhe, Urteil vom 25. Oktober 2012 – S 4 AS 2654/11 –, Rn. 21, jeweils zit. nach juris).
Davon sei nach der Gesamtschau der vorliegenden Verwaltungsvorgänge, dem gesamten Vorbringen des Klägers und der im Termin durchgeführten Zeugenvernehmung seiner Mutter, der Zeugin A., nicht auszugehen. Zunächst bestünden erhebliche Zweifel daran, dass überhaupt ein wirksamer Mietvertrag abgeschlossen worden sei (siehe hierzu unter 1.). Die gesamte Aktenlage und das Ergebnis der Beweisaufnahme hätten das Gericht unabhängig davon überzeugt, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keiner ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen sei (siehe hierzu unter 2). Unabhängig davon entspreche die tatsächliche Durchführung des Vertrags in keiner Weise dem zwischen Fremden im Rechtsverkehr Üblichen (siehe hierzu unter 3).
1. Die für das Zustandekommen eines Vertrags grundsätzlich erforderlichen beiderseitigen Willenserklärungen zum Inhalt der vertraglichen Vereinbarung seien im ersten, im März 2006 eingereichten Mietvertrag vom 1. November 2005 nicht hinreichend erkennbar. In § 1 des Mietvertrags ("Mieträume") fehlten Angaben, sodass völlig unklar bleibe, worüber die Parteien sich überhaupt mit dem erforderlichen Rechtbindungswillen geeinigt haben wollten. Auch die Tatsache, dass die Miete gemäß § 4 ("Zahlung der Miete und der Nebenkosten") auf das eigene Konto des Klägers gezahlt werden sollte und § 3 ("Miete und Nebenkosten") nur unvollständig ausgefüllt sei, spreche gegen das Zustandekommen einer die Parteien bindenden vertraglichen Vereinbarung.
Hinsichtlich des im August 2006 vorgelegten zweiten Mietvertrags vom 1. November 2005 bestünden jedenfalls Zweifel an dessen Ernsthaftigkeit und damit auch an der Wirksamkeit dieser Vereinbarung (§§ 117,118 BGB). Zunächst sei die Vorlage erst und nur auf Verlangen des Beklagten erfolgte. Die Vertragsparteien sahen selbst offensichtlich keinen Anlass, den bis dahin in den wesentlichen Punkten unvollständigen ersten Vertrag zu ergänzen. Es irritiere zudem die Datierung auf den 1. November 2005, da die Beteiligten wohl kaum zwei Mietverträge am selben Tag abgeschlossen hätten. Die im neuen Vertrag vorgenommene Änderung der Zahlungsmodalitäten (von Überweisung in Barzahlung) und die höher angesetzten tatsächlichen Kosten seien nicht nachvollziehbar und ließen den Verdacht entstehen, dass der Kläger die Gelegenheit nutzen wollte, die Konditionen zu seinen Gunsten zu verbessern bzw. die Überprüfbarkeit der tatsächlichen Mietzahlungen an seine Mutter zu erschweren. Zweifel an der Ernsthaftigkeit der zweiten Vereinbarung ergäben sich auch aus dem Inhalt des Schreibens des Klägers vom 1. November 2006, in dem er im Gegensatz zur angeblich vereinbarten Barzahlung nunmehr auf Überweisungen der Miete von seinem Konto verweise.
2. Unabhängig von den Zweifeln am Bestehen eines rechtlich wirksamen Mietvertrags sei der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum keiner ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt. Zum einen habe er seinen eigenen Angaben im Termin zufolge seit 2008 tatsächlich keine Miete mehr an seine Mutter gezahlt. Darüber hinaus habe die Betrachtung der aktenkundigen Vorgeschichte ab dem Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2004, die Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sowie das Ergebnis der Beweisaufnahme das Gericht davon überzeugt, dass er tatsächlich auch keiner ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt war, sondern von Anfang an lediglich einen Weg gesucht habe, weitere Leistungen vom Beklagten für sich zu erhalten.
Hierfür sprächen maßgeblich folgende Umstände:
Der Kläger habe nach der Einschätzung des Gerichts bereits bei Antragstellung versucht, die Behörde über die Höhe seiner Unterkunftskosten zu täuschen um Leistungen zu erhalten, die ihm in Wahrheit nicht zustanden. In der bei Antragstellung eingereichten Auflistung der Unterkunftskosten vom 20. Dezember 2004 komme "Miete" als Position nicht vor. Die ausgewiesene Gesamtforderung von auf den Cent genau 400 Euro entspreche weder den später angegebenen Nebenkosten noch der später gegenüber der Behörde angegebenen Miethöhe zuzüglich der Nebenkosten. Es liege hier deswegen bereits die Vermutung nahe, dass der Betrag in Ermangelung einer echten Forderung pauschal behauptet wurde. Insofern halte die Kammer den Vortrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung, sein Mandant habe die Auflistung der Position "Miete" schlichtweg vergessen, nicht für plausibel.
Diese Einschätzung stützten auch die Angaben des Klägers und seiner Mutter, der Zeugin A., im Gespräch mit dem Beklagten am 31. Januar 2005. Ausweislich des Behördenvermerks gaben beide damals übereinstimmend an, dass lediglich die Verpflichtung bestehe, sich an sämtlichen Nebenkosten zu beteiligen. Die Kammer gehe insofern nach allgemeiner Lebenserfahrung davon aus, dass diese Kosten nicht - wie im Erstantrag angegeben - monatlich 400 Euro betragen haben. In einem weiteren Gesprächsvermerk vom 27. Mai 2005 werde die Angabe des Klägers, er wohne mietfrei bei seiner Mutter, erneut dokumentiert.
Es seien auch keinerlei überzeugende Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich an dem mietfreien Wohnen des Klägers im Hause seiner Mutter später etwas geändert haben sollte. Insbesondere erfolgten nach dem Abschluss des Mietvertrags vom 1. November 2005 keine Leistungen auf die Mietforderung. Das Schreiben des Klägers vom 1. November 2006 und die hierzu erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Version einer angeblichen Forderungsverrechnung in Höhe von monatlich "255,23 Euro - damals 500,- DM" überzeugten das Gericht nicht. Der Vortrag sei nicht glaubhaft, da sich der Kläger in erhebliche Widersprüche verwickelt habe: Während er und seine Mutter gegenüber dem Beklagten ausweislich eines Vermerks vom 18. November 2005 zunächst angegeben hätten, er habe von ihr in der Vergangenheit ein privates Darlehen in Höhe über 20.000 Euro erhalten, das er in monatlichen Raten "in Höhe von 255,58 Euro (ungefähr 500 DM)" zurückzahle, solle dieser Betrag jetzt im Wege einer Verrechnung als Ausgleich für monatliche Mietzahlungen seit November 2005 herhalten. Dagegen spräche jedoch maßgeblich der eigene Vortrag des Klägers im Schreiben vom 9. August 2006, mit dem er erkläre, dass er keinen Nachweis für seit 2005 geleistete Miete vorlegen könne, da er vom Beklagten noch keine Miete bekommen habe und er eine Quittung erst vorlegen könne, wenn sie an die Mutter gezahlt werde. In diesem Zusammenhang sei auch auffällig, dass der Kläger in seinem Schreiben vom 1. November 2006 hinter dem in Euro ausgewiesenen Überweisungsbetrag "damals 500 DM" vermerkt habe, obwohl der Euro bereits am 1. Januar 2002 eingeführt wurde. Soweit er damit darauf hinweisen möchte, dass schon zu DM-Zeiten Miete in Höhe von 500 DM verrechnet worden sei, wäre dieser Vortrag nicht tragfähig, da der Betrag der Höhe nach mit der späteren Auflistung der Unterkunftskosten im Erstantrag nicht übereinstimme. Außerdem habe der Autoverkauf, auf dem die Verrechnung beruhen solle, nach der Aussage der Zeugin A. erst im Jahr 2002 stattgefunden. Die Kammer halte es bei Würdigung der Gesamtumstände für am wahrscheinlichsten, dass der Kläger entsprechend seinen vom Beklagten unter dem 18. November 2005 vermerkten Angaben zu einem Zeitpunkt vor 2002 von seiner Mutter, der Zeugin A., ein privates Darlehen in Höhe von 20.000 Euro erhalten habe, das er vor 2002 in Höhe von 500 DM und ab 2002 entsprechend in Euro abbezahlt habe. Die Kammer sei davon überzeugt, dass die Zweckbestimmung als Mietzahlung nachträglich verfahrensangepasst erfolgt sei, um die tatsächlich nicht erfolgte Weitergabe der von der Behörde an ihn überwiesenen Nachzahlungen von Unterkunftskosten ab November 2005 zu verschleiern. Es seien auch keinerlei plausible Gründe erkennbar, warum sich der damalige Sachbearbeiter den in dem o.g. Vermerk vom 18. November 2005 detailliert beschriebenen Sachverhalt ausgedacht haben sollte.
Auch die Angaben der Zeugin A. in der Beweisaufnahme hätten diese Überzeugung der Kammer nicht erschüttern können. Zwar habe sich die Zeugin A. an ein zu früheren Zeiten gewährtes Darlehen in Höhe von 20.000 Euro nicht erinnern können. Sie habe vielmehr schlüssig erklärt, dass sie dem Kläger ca. 2002 seinen BMW abgekauft und dabei eine noch offene Schlusszahlung in Höhe von ungefähr 14.500 Euro übernommen habe. Dabei habe sie - in Übereinstimmung mit dem Kläger - auch erklärt, dass dieser die noch ausstehenden Raten an die Bank als Ausgleich für die Miete übernommen habe. Die Kammer halte diesen Vortrag der Zeugin A. indes nicht für glaubhaft. Ihre Ausführungen gerade in Bezug auf die angebliche vorgenommene Verrechnung der Miete seien auffällig unkonkret und dünn. Die Zeugin habe auf weiteres Nachfragen des Gerichts keinerlei Details über den Zeitraum der angeblichen Verrechnung und die in diesem Zusammenhang ausstehenden Mietzinsforderungen machen können. Insofern seien bei der Kammer zusätzlich auch grundsätzliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin A. entstanden, da ihr Vortrag gegenüber dem Gericht, sie habe mit dem Kläger zuvor nicht über die mündliche Verhandlung gesprochen und wisse nichts über seine Probleme mit dem Amt, völlig realitätsfern erscheine.
Nach alledem gehe das Gericht davon aus, dass der Kläger die vom Beklagten im Oktober 2006 gewährte Unterkunftskostennachzahlung für den Zeitraum ab November 2005 nicht an seine Mutter weitergeleitet habe. Daran werde deutlich, dass auch keine entsprechende Verpflichtung zur Mietzahlung bestanden habe, und der Kläger allein die Möglichkeit gesucht habe, mehr Geld vom Leistungsträger zur eigenen Verfügung zu erhalten.
Ob außerhalb des Bezugszeitraums von SGB II in 2007 Mietzahlungen des Klägers an seine Mutter erfolgt seien, was angesichts der aufgezeigten Vorgeschichte zweifelhaft sein dürfte und ggf. auch keine zwingenden Rückschlüsse auf den Zeitraum 2008 bis 2016 zuließe, könne offen bleiben.
3. Denn unabhängig von der Frage, ob der Kläger jemals einer echten Mietzinsforderung ausgesetzt war, scheitere der Anspruch nach § 22 SGB II jedenfalls daran, dass die Durchführung des Mietvertrags ansonsten nicht annähernd dem im Rechtsverkehr zwischen Fremden Üblichen entsprach. Bei einer ernsthaften Vereinbarung von Unterkunftskosten müsse der Mieter bei Nichtzahlung des Mietzinses mit Mahnungen bzw. letztendlich mit Kündigung und Räumungsandrohung der Wohnung rechnen. Die Androhung oder Durchsetzung rechtlicher Konsequenzen gegenüber dem Kläger seien jedoch bislang weder vorgetragen noch ersichtlich, obwohl er seinen eigenen Angaben im Termin zufolge seit 2008 überhaupt keine Miete gezahlt habe. Auch das Ergebnis der Beweisaufnahme habe bestätigt, dass der angebliche Mietvertrag in seiner Umsetzung nicht den üblichen Anforderungen im Rechtsverkehr entsprochen habe. Denn die Zeugin A. habe auf Nachfragen des Gerichts nicht angeben können, wieviel Miete überhaupt ausstehe. Auch ihre Erklärungen, sie habe sich darum noch nicht gekümmert und dem Kläger gesagt, dass sie das Geld bekomme, wenn er es vom Amt bekomme, belegten, dass der Kläger bei Nichtzahlung der Mietzinsforderung keinerlei Konsequenzen zu befürchten hatte und habe. Insofern gehe die Kammer von einer dauerhaften unbegrenzten Stundung der Miete aus. Unter diesen Umständen komme eine Übernahme weiterer Unterkunftskosten nach § 22 SGB II nicht in Betracht.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 13. Januar 2017 (Bl. 213a der Gerichtsakte) zugestellt. Dagegen hat der Kläger am 6. Februar 2017 (Bl. 215 der Gerichtsakte) Berufung beim Sozialgericht Fulda eingelegt.
Der Kläger hält an seinem erstinstanzlichen Vorbringen fest.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 3. November 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 3. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2009 in der Fassung des Bescheides vom 5. Januar 2016 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 2008 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von 200 Euro monatlich zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat die Beteiligten mit Verfügung vom 24. Januar 2018 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die bei der Entscheidung jeweils vorgelegen haben, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richterinnen oder Richter zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Beteiligten sind auch vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG). Eines Einverständnisses der Beteiligten mit dieser Entscheidungsform bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 17. September 1997 – 6 Rka 97/96 – NZS 1998, 304; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. A. 2012, § 153 Rn. 14).
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß §§ 143 und 144 SGG. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da der Wert des Beschwerdegegenstandes, die Geltendmachung weiterer Unterkunftskosten in Höhe von 200 Euro monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 2008 (10 Monate x 200 Euro = 2.000 Euro), den maßgeblichen Betrag von 750 Euro deutlich überstieg.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden. Dem Kläger stehen im streitgegenständlichen Zeitraum keine weiteren Unterkunftskosten in Höhe von 200 Euro monatlich zu. Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts Fulda im angegriffenen Urteil, die sich der Senat nach Prüfung zu Eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG), verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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