L 2 R 356/14

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 2 R 338/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 356/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Mai 2014 sowie der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2012 und der Bescheid vom 29. Juni 2017 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2017 in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zur Hälfte zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Die 1959 geborene Klägerin hat in den Jahren 1975 bis 1977 eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin absolviert, jedoch nicht mit einer Prüfung abgeschlossen. Von 1988 bis 1995 arbeitete sie in einer Metzgerei als Fleischereifachverkäuferin. Es folgten von 1996 bis 2007 Tätigkeiten als Kantinenmitarbeiterin, im Frühstücksservice eines Hotels sowie als Kassiererin und im Service eines Autohofs. Zuletzt war die Klägerin von 2008 bis 2011 wieder als Fleischereifachverkäuferin tätig. Seit dem 13. Februar 2011 ist sie arbeitslos.

Die Klägerin stellte am 27. Oktober 2011 Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung und gab dabei an, sie leide seit ihrer Kindheit an Asthma, das sich in den letzten sechs Jahren zunehmend verschlimmert habe. Darüber hinaus habe sie seit 15 Jahren Depressionen mit Phasen akuter Dekompensation. Auch bestehe bei ihr eine Refluxkrankheit.

Die Beklagte zog zunächst einen Befundbericht des Hausarztes der Klägerin Dr. D. vom 13. Januar 2012 sowie ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Arbeitsagentur E-Stadt vom 21. Juli 2011 bei und wertete sodann den Reha-Entlassungsbericht der Klinik Kurhessen in Bad Sooden-Allendorf vom 23. Mai 2011 aus, in der sich die Klägerin in der Zeit vom 12. April bis 10. Mai 2011 zur Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme aufgehalten hatte. Der leitende Arzt F. (Facharzt für Innere Medizin/Pneumologie) führte darin bei den Diagnosen

1. stabiles gemischtförmiges Asthma und alveoläre Hyperventilation,
2. arterielle Hypertonie I,
3. Minderbelastbarkeit bei Rotatorernmanschettenläsion beidseits und Omarthrose rechts,
4. maladaptive Stressbewältigung und Verdacht auf Angststörung

aus, als Fleischereifachverkäuferin könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich arbeiten. Sie sei jedoch noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne ständige Überkopfarbeiten, ohne inhalativ-irritative Noxen, ohne ständigen thermischen Wechsel sowie ohne Exposition gegenüber Nässe sechs Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten. Die Entlassung der Klägerin sei einvernehmlich als arbeitsfähig für den allgemeinen Arbeitsmarkt mit den genannten Einschränkungen erfolgt.

Nach Veranlassung einer Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 19. Januar 2012 (Herr E., Internist, Sozialmedizin, Rehabilitationswesen) lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 26. Januar 2012 den Rentenantrag der Klägerin ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin erfülle nicht die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte Rente. Nach der medizinischen Beurteilung könne sie noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Die vor dem 2. Januar 1961 geborene Klägerin erfülle auch nicht die Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Sie könne zwar nach den getroffenen Feststellungen im bisherigen Beruf als Fleischereifachverkäuferin nicht mehr mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Sie könne jedoch noch in diesem Umfang als Kassiererin an einer Sammelkasse oder als Poststellenmitarbeiterin arbeiten. Dies sei der Klägerin aufgrund ihres beruflichen Werdeganges auch zumutbar.

Die Klägerin erhob Widerspruch am 8. Februar 2012 und machte geltend, sie leide unter Asthmaanfällen mit Luftnot und depressiven Episoden. Trotz Kuren und Medikamenten sei keine Besserung eingetreten. Ergänzend legte sie einen Befundbericht des Pneumologen G. vom 14. März 2012 vor.

Durch Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2012 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin habe zwar im Zeitpunkt der Rentenantragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt, sie sei jedoch weder teilweise noch voll erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig. Die Klägerin könne noch sechs Stunden und mehr täglich leichte Arbeiten mit Einschränkungen ausüben. Es liege auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, sodass es deswegen der Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht bedürfe. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aufgrund der in den vorgelegten Unterlagen aufgeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Diese seien hinsichtlich der Auswirkungen auf das Leistungsvermögen gewürdigt worden. Neue medizinische Gesichtspunkte habe die Klägerin nicht vorgetragen. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nicht. Die Klägerin sei zwar nach dem von dem Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Als Facharbeiterin dürfe die Klägerin jedoch auf alle Tätigkeiten verwiesen werden, die zu der Gruppe der Facharbeiterberufe oder der Gruppe der angelernten Arbeiter gehörten. Darüber hinaus könne sie aber auch auf Tätigkeiten der Gruppe der ungelernten Arbeiter verwiesen werden, wenn sich die Tätigkeiten aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten innerhalb des Betriebes oder im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Eingruppierung im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders herausheben würden. Zur Abwendung von Berufsunfähigkeit sei die Klägerin auf folgende Tätigkeiten verweisbar: Telefonistin, Mitarbeiterin in einer Poststelle, eines Betriebes oder Behörde, Warenaufmacherin/Versandfertigmacherin, Büro- und Verwaltungshilfskraft, Kassiererin. Die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes falle in den Risikobereich der Arbeitsförderung und nicht in den der gesetzlichen Rentenversicherung

Mit der am 27. Juni 2012 erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter und trug vor, sie sei zu Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr der Lage. Zur Bestätigung ihres Vortrags legte sie Atteste des Pneumologen G. vom 22. Juni 2012 und des Neurologen und Psychiaters H. vom 4. Juli 2012 vor, wonach sie nur noch unter drei Stunden täglich Arbeiten verrichten könne. Darüber hinaus legte die Klägerin im weiteren Verlauf folgende Unterlagen vor: ärztliche Bescheinigung des Dr. D. vom 12. Juni 2013 und weiteres Attest des Herrn G. vom 15. Juli 2013.

Im Rahmen der Beweiserhebung zog das Sozialgericht zunächst Berichte des Markuskrankenhauses Frankfurt am Main vom 4. Dezember 2011 und 15. November 2011, Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. D. vom 4. September 2012, des Arztes für Neurologie und Psychiatrie H. vom 6. September 2012, des Internisten und Pneumologen Dr. J. vom 5. September 2012 und des Pneumologen G. vom 26. September 2012 sowie einen Entlassungsbericht der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Zentrums für soziale Psychiatrie Bergstraße in Heppenheim vom 3. Mai 2001 bei.

Sodann gab das Sozialgericht die Erstellung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens bei Dr. K., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie in Auftrag. Der Sachverständige gelangte in seinem Gutachten vom 22. April 2013 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin vom 19. April 2013 bei den Diagnosen auf psychiatrischem Fachgebiet

1. ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstil mit dependenten Zügen,
2. Agoraphobie mit Panikstörung (ICD-10 F 40.01),
3. somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F 45.4),
4. Dysthymia (ICD-10 F 34.1) und
5. rezidivierende depressive Episoden, gegenwärtig remittiert (ICD-10 F 33.4)

zu der sozialmedizinischen Beurteilung, aktuell lägen keine erwerbsmindernden Auswirkungen der psychischen Beeinträchtigung vor. Es bestehe jedoch die Gefahr einer Progredienz des Krankheitsbildes. Eine suffiziente medikamentöse Behandlung und psychotherapeutische Behandlung sei dringend erforderlich. Unter Berücksichtigung der getroffenen Feststellungen sei die Klägerin noch in der Lage, regelmäßig zumindest sechs Stunden arbeitstäglich leichte Arbeiten zu verrichten. Dies gelte für Tätigkeiten mit leichten Anforderungen und klaren Strukturen im Hinblick auf Aufgaben und Arbeitszeit. Zur Gehfähigkeit führte Dr. K. aus, die Klägerin sei gesundheitlich imstande, viermal täglich noch Fußtrecken von mehr als 500 m zurückzulegen. Die Klägerin besitze derzeit die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, um sich innerhalb von 3 Monaten in eine neue Berufstätigkeit einarbeiten zu können. Eine psychologische Begutachtung der Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sei nicht erforderlich. Das festgestellte Leistungsvermögen bestehe mindestens seit Juli 2012 (letzter Besuch bei Dr. H.). Abschließend hielt der Sachverständige Dr. K. eine weitere Begutachtung auf einem anderen medizinischen Fachgebiet nicht für erforderlich.

Durch Urteil vom 22. Mai 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin sei nach den gesetzlichen Maßstäben nicht erwerbsgemindert. Zwar werde ihr Leistungsvermögen durch Gesundheitsstörungen vorrangig auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet in qualitativer Hinsicht eingeschränkt. Der Klägerin seien jedoch bei Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden arbeitstäglich leichte Arbeiten zumutbar. Dies ergebe sich aus dem Gesamtergebnis der Ermittlung und der Beweisaufnahme, insbesondere dem Sachverständigengutachten des Dr. K. Der Sachverständige sei den Beschwerden der Klägerin sorgfältig nachgegangen und habe die Befunde aufgrund körperlicher und neurologischer Untersuchung sowie aufgrund einer ausführlichen Exploration erhoben. Das Gutachten sei schlüssig und plausibel begründet und in sich widerspruchsfrei, sodass kein Anlass bestehe, die Leistungsbeurteilung von Dr. K. in Zweifel zu ziehen. Das verbliebene Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr pro Arbeitstag schließe den Anspruch auf Rente wegen teilweiser und auch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da sie nicht berufsunfähig sei. Die Klägerin, die langjährig den Beruf der Fleischereiverkäuferin ausgeübt habe, sei der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Nach den von dem Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen müsse sie sich zumutbar auf die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde verweisen lassen. Diese Tätigkeit entspreche dem Restleistungsvermögen der Klägerin und sei ihr auch sozial zumutbar. In der Rechtsprechung sei die soziale Zumutbarkeit dieser Tätigkeit als Verweisungstätigkeit anerkannt.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 14. Oktober 2014 mittels Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil am 7. November 2014 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, bei ihr bestehe eine schwere Asthmaerkrankung mit einer Anfallshäufigkeit durchschnittlich an jedem dritten Tag und zum Teil auch mit mehreren Anfällen am Tag. Die sich hieraus ergebenden Einschränkungen seien nicht zutreffend bewertet worden, zumal das Sozialgericht ein lungenfachärztliches Gutachten nicht eingeholt habe. Trotz bestmöglicher Behandlung sei keine Besserung erreicht worden und es würden immer wieder Asthmaanfälle auftreten. Dementsprechend sei die Annahme, sie könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein, unzutreffend. Vielmehr sei ihre Leistungsfähigkeit auf weit unter sechs Stunden täglich herabgesetzt. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass sie unter Ängsten leide. Sie habe inzwischen eine Therapie bei Frau Dr. L. in L-Stadt begonnen. Neben der quantitativen Einschränkung seien auch qualitative Leistungseinschränkungen zu beachten, sodass im Ergebnis keine für sie in Betracht kommende Tätigkeit mehr denkbar sei. Abschließend regt die Klägerin an, ein pneumologisches Gutachten bei einem Facharzt auf dem Gebiet der Lungen- und Bronchialheilkunde einzuholen. Im Verlauf des Verfahrens legt sie ein Attest der Neurologin und Psychiaterin Dr. L. vom 30. März 2016 vor.

Aufgrund der (noch auszuführenden) weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren hat der Beklagte durch Bescheid vom 29. Juni 2017 der Klägerin befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2019 gewährt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Mai 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2012 und den Bescheid vom 29. Juni 2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 31. Mai 2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung in dem noch anhängigen Umfang zurückzuweisen.

Sie hält daran fest, dass ein Rentenanspruch der Klägerin nicht bestehe, und legt einen Versicherungsverlauf der Klägerin vom 21. November 2014 vor.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-pneumologischen Sachverständigengutachtens vom 28. Oktober 2015 bei Dr. M. Der Sachverständige stellte nach ambulanten Untersuchungen der Klägerin vom 16. Juni 2015 und 11. August 2015 die Diagnosen

1. allergisches Asthma bronchiale,
2. Stressinkontinenz mit unwillkürlichem Urinabgang beim Husten,
3. gastroösophageale Refluxkrankheit, 2012 mittels Hemifundoplikation nach Toupet behandelt,
4. Schmerzsyndrom mit Ischialgie,
5. Bursitis trochanterica,
6. Schultergürtel-bezogenes Schmerzsyndrom,
7. Depression und
8. Panikattacken

und führte aus, auf somatischem Gebiet komme zum einen dem Asthma bronchiale ein erwerbsmindernder Dauereinfluss zu, dies allerdings in nur einem geringen Umfang. Insofern sei die Belastbarkeit der Ergometrie zumindest durchschnittlich. Anamnestisch seien die Dyspnoe-Attacken vorwiegend psychosomatischer Natur. Weiterhin komme dem persistierenden Husten mit dabei auftretendem unwillkürlichen Urinabgang eine potentiell erwerbsmindernde Qualität zu. Wesentlich erscheine die Angst- und Panikstörung mit dazugehörigem Empfinden von Luftnot. Insoweit verwies Dr. M. auf die fachpsychiatrische Beurteilung von Dr. K. Er führte weiter aus, aus pneumologisch-internistischer Sicht sei die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies gelte für leichte Arbeiten ohne ständige Überkopftätigkeit, ohne inhalativ-irritative Noxen, ohne ständigen thermischen Wechsel und ohne Durchnässung. Unter diesen Bedingungen bestehe ein Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr. Betriebsunübliche Pausen benötige die Klägerin nicht. Fußwegstrecken von bis zu 500 m könne sie sicherlich viermal täglich selbständig zurücklegen. Befragt zu dem Zeitpunkt, ab dem die Leistungsbeurteilung anzunehmen sei, führte der Sachverständige aus, die Einschränkungen auf pneumologischem Gebiet würden anamnestisch seit mindestens ca. 20 Jahren vorliegen. Aus der Gerichtsakte (Hinweis auf Blatt 35) sei zu entnehmen, dass die asthmatischen Beschwerden bereits am 28. Mai 2008 vorgelegen hätten. Da bereits eine ausführliche psychiatrische Begutachtung durch Dr. K. erfolgt sei, wäre allenfalls eine urologische Beurteilung der Stressinkontinenz erforderlich.

Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 3. Februar 2016 kritisch zu dem Gutachten geäußert. Der Senat hat hierauf einen nervenärztlichen Befundbericht der behandelnden Neurologin und Psychiaterin Dr. L. vom 30. März 2016 beigezogen und zu den Ausführungen der Klägerin eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. M. vom 23. Mai 2016 eingeholt. Dieser teilte mit, relevante dauerhafte lungenfunktionelle Einschränkungen hätten sich nicht objektivieren lassen. Es handele sich um ein lediglich geringgradiges persistierendes Asthma (Schweregrad 2), das eine weitgehend uneingeschränkte Teilnahme am Erwerbsleben erlaube. Aufgrund von Anamnese, psychiatrischen Gutachten und objektivierbaren Befunden gehe er, wie im Gutachten ausgeführt, von einem zumindest wesentlich psychisch mitbedingten Beschwerdebild aus. Neue Gesichtspunkte würden sich im Übrigen nicht ergeben.

Sodann hat der Senat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines nervenärztlichen Sachverständigengutachtens bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. N. vom 11. Dezember 2016, der die Klägerin am 24. November 2016 ambulant untersuchte und folgende Diagnosen stellte:

1. mittelgradige depressive Episode, ICD 10 F 32.1,
2. Agoraphobie mit Panikstörung, ICD 10 F 40.01,
3. chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ICD 10 F 45.41,
4. Asthma bronchiale,
5. Schlafapnoe-Syndrom
6. allergische Diathese,
7. Varikosis,
8. arterielle Hypertonie,
9. gastroösophageale Refluxkrankheit,
10. Stressinkontinenz,
11. LWS-Syndrom mit ischialgieformen Beschwerden,
12. Trochanter-major-Schmerzsyndrom (Bursitis trochanterica),
13. Zustand nach Schultergelenksoperation rechtseitig, 1999 (Schultergürtel-bezogenes Schmerzsyndrom rechtsseitig).

Der Sachverständige Prof. Dr. N. führte aus, aus diesen Erkrankungen resultierten für die Klägerin mannigfaltige seelische und körperliche Funktionsdefizite. Hierbei sei im Wesentlichen eine depressive Grundstimmung zu berücksichtigen, ebenso mannigfaltige Ängste im Sinne phobischer Störungen und auch eines Paniksyndroms. Darüber hinaus seien die chronischen Schmerzzustände, die Atemstörung und das Schlafapnoe-Syndrom, die allergischen Reaktionen, die hypertonen Blutdruckwerte, die zumindest leichteren Bewegungseinschränkungen, die Stressinkontinenz und auch die Auffälligkeiten von Seiten der gastroösophagealen Refluxkrankheit zu nennen. Insgesamt sei die Klägerin aufgrund der getroffenen Feststellungen nur in der Lage, drei bis unter sechs Stunden täglich einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Zumutbar seien allenfalls noch leichte körperliche Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, nur in klimatisierten, wohltemperierten Räumen bzw. ohne außergewöhnliche Temperaturen, ohne Inhalation von Schadstoffen, ohne Stressbelastungen, ohne Schichtarbeit, ohne Publikumsverkehr, nicht in Räumen, die Ängste provozieren sowie ohne erhöhte Anforderungen an die Verantwortung. Aufgrund der vielfältigen körperlichen und seelischen Störungen bestehe das Erfordernis von betriebsunüblichen Pausen. Prof. Dr. N. führte weiter aus, die Anpassungsfähigkeit der Klägerin sei eingeschränkt. Als Fleischereifachverkäuferin könne sie künftig nicht mehr mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag tätig sein. Unter Beachtung der genannten Einschränkungen wäre die Klägerin allenfalls in der Lage, Arbeiten als Warensortiererin, Warenaufmacherin, Versandfertigmachern, Mitarbeiterin auf einer Poststelle, Pförtnerin oder Telefonistin sowie als Hilfskraft in einem Büro oder einer Verwaltung zu verrichten. Hinsichtlich der Wegefähigkeit bestehe keine Einschränkung. Die Klägerin sei durchaus in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke zu Fuß von mehr als 500 m innerhalb einer Zeit von jeweils weniger als 20 min zurückzulegen. Außerdem sei sie in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder selbst ein Kraftfahrzeug zu führen. Angesichts des langen Krankheitsverlaufs und unter Berücksichtigung der mannigfaltigen körperlichen und seelischen Störungen sei es völlig unwahrscheinlich, dass die Minderung der festgestellten Erwerbsfähigkeit irgendwann zukünftig behoben werden können. Es sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht davon auszugehen, dass sich die Leistungsfähigkeit der Klägerin zukünftig wieder auf mindestens sechs Stunden pro Tag erhöhen werde. Zu der Frage, ab welchem Zeitpunkt das festgestellte Leistungsvermögen bestehe, führte der Sachverständige aus, es sei "mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit" davon auszugehen, dass das festgestellte Leistungsvermögen bereits seit Rentenantragstellung am 27. Oktober 2011 bestehe. Hierfür spreche nicht nur der komplexe, sondern auch der langjährige Krankheitsverlauf auf verschiedenen Krankheitsebenen. Zu der abweichenden Beurteilung des Sachverständigen Dr. K. im Vorgutachten vom 22. April 2013 führte Prof. Dr. N. aus, Dr. K. habe damals die volle Ausprägung der bei der Klägerin festzustellenden psychiatrischen Erkrankungen nicht erkannt. Dementsprechend habe er eine nicht nachvollziehbare sozialmedizinische Einschätzung abgegeben. Überdies sei zu monieren, dass Dr. K. versäumt habe, auch die körperlichen Erkrankungen der Klägerin hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf ihre Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen und in Bezug zu setzen zu den psychischen Funktionsdefiziten. Letztlich hielt Prof. Dr. N. die Einholung eines weiteren Gutachtens auf anderem medizinischen Fachgebiet nicht für erforderlich.

Hierauf hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Februar 2017 und unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13. Januar 2017 (Frau O.) ein Vergleichsangebot dahingehend abgegeben, dass sie das Vorliegen von teilweiser Erwerbsminderung seit dem 24. November 2016 anerkennt und unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Teilzeitarbeitsmarkt Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2019 im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften gewährt.

Mit Schriftsatz vom 18. April 2017 hat die Klägerin das Vergleichsangebot nicht angenommen und geltend gemacht, es müsse das Vorliegen von teilweiser Erwerbsminderung bereits seit dem 23. (gemeint: 22.) April 2013, dem Zeitpunkt des Gutachtens von Dr. K., anerkannt werden mit entsprechendem Rentenanspruch vom 1. November 2013 bis 31. Mai 2019.

Dem ist die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. April 2017 entgegengetreten und hat mit weiterem Schriftsatz vom 10. Mai 2017 ihr Vergleichsangebot als Teilanerkenntnis abgegeben. Das Teilanerkenntnis hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Mai 2017 angenommen. Einen ausführenden Rentenbescheid hat die Beklagte unter dem 29. Juni 2017 erteilt (monatlicher Zahlbetrag netto 809,46 EUR).

Der Senat hat sodann zur Frage des Zeitpunkts des Leistungsfalles eine ergänzende Stellungnahme bei dem Sachverständigen Prof. Dr. N. vom 3. August 2017 eingeholt. Dieser führte aus, nach erneuter sorgsamer Durchsicht der Unterlagen gehe er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass das von ihm festgestellte reduzierte Leistungsvermögen bereits seit Rentenantragstellung am 27. Oktober 2011 bestanden habe. Für dieses gutachterliche Theorem spreche unverändert der sehr komplexe und langjährige Krankheitsverlauf bei der Klägerin.

Darüber hinaus hat der Senat eine berufskundliche Auskunft bei der Bundesagentur für Arbeit – Regionaldirektion Hessen – vom 17. September 2017 zu der Frage der für die Zeit vom Oktober 2011 bis Mai 2017 in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten eingeholt.

Abschließend ist den Beteiligten das Schreiben des Verbandes Großhandel, Außenhandel, Verlage und Dienstleistungen e.V. (AGH) vom 25. Januar 2011 nebst Gehalts- und Lohntarifvertrag vom 23. Oktober 2009 übersandt und hierzu mitgeteilt worden, dass diese (in einem anderen gleichgelagerten Verfahren beigezogenen) Unterlagen, insbesondere zur tariflichen Einstufung eines Telefonisten, zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht werden.

Wegen aller weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die noch anhängige Berufung der Klägerin ist auch teilweise begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalles vom 2. Dezember 2014 auch für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2017 zu, sodass sich der Gesamtanspruch unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses der Beklagten auf die Zeit vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2019 erstreckt. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Mai 2014 sowie der Bescheid vom 26. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juni 2012 und auch der Bescheid vom 29. Juni 2017 waren entsprechend zu ändern. Insoweit ist der das Teilanerkenntnis ausführende Bescheid vom 29. Juni 2017 nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss vom 17. August 2017, B 5 R 248/16 B).

Zunächst ist klarzustellen, dass nach Annahme des Teilanerkenntnisses der Beklagten vom 10. Mai 2017 durch die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Mai 2017 lediglich noch ein Rentenanspruch für die vor dem anerkannten Zeitraum liegende Zeit streitbefangen ist, wie dies die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. April 2017 zum Ausdruck gebracht hat. Ein Anspruch auf unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung wird von der Klägerin nicht mehr verfolgt.

Gemäß § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung, wenn sie

1. teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI demgegenüber Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch

1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Erwerbsgemindert ist der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI zufolge nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der für den Nachweis der sog. Vorversicherungszeit im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI maßgebliche 5-Jahres-Zeitraum verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 und § 241 Abs. 1 SGB VI um die im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Aufschubzeiten (insbesondere Anrechnungs- und Ersatzzeiten). Gemäß § 43 Abs. 5 SGB VI ist eine Pflichtbeitragszeit von 3 Jahren dann nicht erforderlich, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestands eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit der Vorschrift des § 53 SGB VI zufolge (z. B. wegen eines Arbeitsunfalls) vorzeitig erfüllt ist. Nach der Sonderregelung des § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeitragszeiten vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufungsfähigkeit außerdem nicht erforderlich für Versicherte, die vor dem 1. Januar 1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit den im Gesetz im Einzelnen aufgeführten sog. Anwartschaftserhaltungszeiten (insbesondere Beitragszeiten, beitragsfreien Zeiten, Berücksichtigungszeiten oder Rentenbezugszeiten) belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit vor dem 1. Januar 1984 eingetreten ist. Für Kalendermonate, für die eine Beitragszahlung noch zulässig ist, bedarf es gemäß § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI keiner Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten.

Die für eine Rente wegen Erwerbsminderung erforderliche allgemeine Wartezeit im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 Nr. 3 SGB VI ist gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt, wenn vor Eintritt der Erwerbsminderung eine Versicherungszeit von 5 Jahren zurückgelegt ist.

Hiervon ausgehend ist im vorliegenden Fall die Fähigkeit der Klägerin, durch erlaubte Erwerbstätigkeit ein Arbeitsentgelt in nicht ganz unerheblichem Umfang zu erzielen (Erwerbsfähigkeit), durch verschiedene Gesundheitsstörungen beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin seit dem 2. Dezember 2014 nur noch in der Lage ist, drei bis unter sechs Stunden täglich leichte Arbeiten mit Einschränkungen (ohne Zwangshaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten von mehr als 10 kg, nur in klimatisierten, wohltemperierten Räumen bzw. ohne außergewöhnliche Temperaturen, ohne Inhalation von Schadstoffen, ohne Stressbelastungen, ohne Schichtarbeit, ohne Publikumsverkehr, nicht in Räumen, die Ängste provozieren sowie ohne erhöhte Anforderungen an die Verantwortung) zu verrichten. Diese Beurteilung des Leistungsvermögens ergibt sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände aus einer Gesamtschau der über den Gesundheitszustand der Klägerin vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und medizinischen Gutachten im Sinne einer Längsschnittbetrachtung. Zwischen den Beteiligten ist nicht mehr streitig, dass das quantitative Leistungsvermögen der Klägerin auf drei bis unter sechs Stunden täglich herabgesunken ist. Dies ergibt sich auch für den Senat zweifelsfrei aus dem im Berufungsverfahren erstellten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N., der als Arzt für Neurologie und Psychiatrie mit der Zusatzbezeichnung u.a. Psychotherapie (analytische und tiefenpsychologische Verfahren) und Betreiber einer ärztlichen Untersuchungsstelle für neurologische, psychiatrische, psychologische und tiefenpsychologische Begutachtungen über breites Fachwissen und umfangreiche Erfahrungen verfügt. Die Äußerungen von Prof. Dr. N. sind in sich schlüssig, widerspruchsfrei und überzeugend. Die Leistungsbeurteilung wird nach eingehender Befunderhebung mit nachvollziehbarer und einleuchtender Begründung aus den gestellten Diagnosen abgeleitet. Seine abschließende sozialmedizinische Beurteilung zum verbliebenen Restleistungsvermögen ist deshalb für den Senat uneingeschränkt nachvollziehbar. Im Hinblick auf eine Rückdatierung des Leistungsfalles auf den Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 27. Oktober 2011 vermag der Senat dem Sachverständigen jedoch nicht zu folgen. Dies gilt ebenso für die Auffassung der Beklagten, wonach der Eintritt des Leistungsfalles erst ab dem Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. N. vom 24. November 2016 bewiesen sei. Vielmehr steht zur Überzeugung des Senats fest, dass ab dem 2. Dezember 2014 von der beschriebenen Minderung des quantitativen Leistungsvermögens im Sinne eines Vollbeweises ausgegangen werden kann. Hierfür sind folgende Erwägungen bedeutsam:

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Leistungsminderung "auf nicht absehbare Zeit" vorliegt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (vgl. u.a. Urteil vom 22. Februar 2013, L 5 R 211/12) grundsätzlich eine retrospektive Betrachtungsweise geboten. Dabei ist ausgehend vom Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung mit Blick auf den in der Vergangenheit liegenden Krankheitsverlauf eine rückschauende Leistungsbeurteilung vorzunehmen und festzustellen, ob ein und dieselbe – zunächst eher unbedeutende – Erkrankung sich seit dem Zeitpunkt der Erstdiagnose nachfolgend kontinuierlich bis hin zu dem im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. in einem späteren Zeitpunkt schließlich gegebenen (rentenberechtigenden) Zustand verschlimmert hat oder ob sich – wie im Falle der Klägerin – eine in früherer Zeit eingetretene Erkrankung mit anfänglich günstigerer Heilungsprognose im Verlaufe der Zeit als dauerhaft herausstellt. Dabei kann auch das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn eine anfänglich als vorübergehend einzuschätzende Arbeitsunfähigkeit im weiteren Verlauf zur Dauerleistungsminderung wird, dann ist vielmehr der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit identisch mit dem Leistungsfall der Erwerbsminderung (so auch Bayerisches LSG vom 12. Juli 2000, L 13 RA 49/98). Darüber hinaus ist auf die Beweislast hinzuweisen. Für das tatsächliche Vorliegen von seelisch bedingten Störungen, ihre Unüberwindbarkeit aus eigener Kraft und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trifft den Rentenbewerber die (objektive) Beweislast (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2004, B 5 RJ 48/03 R m.w.N.).

Dies vorausgeschickt ergibt die Längsschnittbetrachtung der vorliegenden medizinischen Berichte und Gutachten folgendes: Die Beklagte hat sich mehrfach zur Frage einer Rückdatierung des Leistungsfalles auf den Reha-Entlassungsbericht der Klinik Kurhessen in Bad Sooden-Allendorf vom 23. Mai 2011 sowie auf das Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Arbeitsagentur E-Stadt vom 21. Juli 2011 berufen. Beiden medizinischen Unterlagen kann jedoch kein entscheidender Beweiswert zukommen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin vordergründig seelische Erkrankungen vorliegen, die allerdings in Wechselwirkung zu diversen körperlichen Erkrankungen stehen. Dementsprechend kann Ausgangspunkt für eine zutreffende sozialmedizinische Beurteilung des beruflichen Leistungsvermögens der Klägerin nur eine psychiatrische bzw. psychosomatische Expertise sein. Die Klinik Kurhessen in Bad Sooden-Allendorf ist jedoch ausgewiesen als Fachklinik für orthopädische Erkrankungen und Erkrankungen der Atmungsorgane. Dementsprechend sind ausweislich des Reha-Entlassungsberichts (Bl. 1b) die Leistungen schwerpunktmäßig orthopädischerseits und internistischerseits bzw. seitens des lungenärztlichen Gebietes erbracht worden. Demgegenüber waren Leistungen mit Bezug zur Psychosomatik (autogenes Training, Psychotherapiesitzungen) untergeordnet. Der Entlassungsbericht ist schließlich von Herrn F., Facharzt für Innere Medizin/Pneumologie verantwortlich abgeschlossen worden. Insgesamt kann es deshalb vorliegend auf den Entlassungsbericht für die zeitliche Einordnung des Leistungsfalles nicht ankommen. Dies gilt gleichermaßen für das Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Arbeitsagentur. Welche Facharztbezeichnung der begutachtende Arzt (Herr P.) führt, bleibt unerwähnt. Darüber hinaus ist erkennbar ein Schwerpunkt bei den somatischen Erkrankungen (Asthma bronchiale, arterielle Hypertonie, Läsion der Rotatorenmanschette, gastroösophageale Refluxkrankheit) gesetzt und sind psychiatrische Erkrankungen (depressive Entwicklung, Verdacht auf Angststörung) lediglich sekundär mitberücksichtigt worden. Dies ergibt sich auch aus den Angaben zur "Psyche", die lediglich schlagwortartig ohne Untermauerung durch weitere Befunde wiedergegeben werden.

Weiter liegt der gegenüber dem Sozialgericht erstattete Befundbericht des seinerzeit behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie H. vom 6. September 2012 vor. Danach hat sich die Klägerin am 22. Februar 2012 in seine Behandlung begeben. Herr H. ist im Rahmen der Befunderhebung von einer depressiven Stimmungslage mit psychomotorischer Verlangsamung, eingeengtem Gedankengang und eingeschränkter Konzentrations- und Merkfähigkeit ausgegangen. Er hat die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode (F 32.1G) gestellt und im Übrigen mitgeteilt, dass die Klägerin während des Behandlungszeitraumes dauerhaft arbeitsunfähig gewesen sei. Aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt danach ihre Arbeitsfähigkeit wiedererlangt hat. So hat die später behandelnde Neurologin und Psychiaterin Dr. L. in ihrem Befundbericht vom 30. März 2016 ebenfalls bestätigt, dass die Klägerin während des gesamten Behandlungszeitraumes (ab 2. Dezember 2014) arbeitsunfähig gewesen sei. Wird weiter berücksichtigt, dass auch der Sachverständige Prof. Dr. N. als Diagnose an erster Stelle eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F 32.1) gestellt hat, liegt an sich nahe, den Leistungsfall auf den Beginn der Behandlung bei Herrn H. am 22. Februar 2012 zu datieren.

Dem steht jedoch das später im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Gutachten des Sachverständigen Dr. K. vom 22. April 2013 entgegen. Zunächst vermag sich der Senat der von Prof. Dr. N. erhobenen Kritik nicht anzuschließen, Dr. K. habe versäumt, die körperlichen Erkrankungen der Klägerin hinreichend zu berücksichtigen. Die Durchsicht des Gutachtens von Dr. K. zeigt, dass neben den psychischen Erkrankungen auch körperliche Erkrankungen (Asthma bronchiale, Rückenprobleme, Hüftschmerzen, Kopfschmerzen, Seite 12, 13 und 20 des Gutachtens) durchaus berücksichtigt worden sind. Allerdings werden die zugrunde liegenden Diagnosen im Rahmen der Beantwortung der Beweisfragen nicht genannt. Weiter kann nicht übersehen werden, dass Dr. K. zum einen von einer bislang unzureichenden Behandlung (medikamentös und psychotherapeutisch) ausgegangen ist und zum anderen als Ergebnis der Untersuchung der Klägerin festgestellt hat, es liege aktuell keine relevante depressive Episode vor. Auch wenn aufgrund der kritischen Ausführungen des im Berufungsverfahren zum Sachverständigen bestellten Prof. Dr. N. Zweifel im Hinblick auf die Beurteilung von Dr. K. verbleiben, führt dies allenfalls zu einem non liquet, wobei die Klägerin die objektive Beweislast zu tragen hat. Der vollständige Beweis (Nachweis) für das Vorliegen einer Rentenberechtigung ist erst dann geführt, wenn für das Vorliegen der behaupteten rentenerheblichen Tatsachen ein derart hoher, an Gewissheit grenzender Grad von Wahrscheinlichkeit spricht, dass sämtliche begründeten Zweifel demgegenüber aus der Sicht eines vernünftigen, die Lebensverhältnisse klar überschauenden Menschen vollständig zu schweigen haben (vgl. hierzu schon: BSG, Urteil vom 28. November 1957, 4 RJ 186/56 = BSGE 6, 142 ff.). Hiervon kann zum Zeitpunkt der Untersuchung der Klägerin durch Dr. K. gerade nicht ausgegangen werden. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Ausführungen von Dr. K. in seinem Gutachten vom 22. April 2013 der Annahme eines Leistungsfalles zum davor liegenden Zeitpunkt des Beginns der Behandlung bei Herrn H. am 22. Februar 2012 entgegenstehen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Falle von divergierenden Beurteilungen von gerichtlich bestellten Sachverständigen – wie sie hier vorliegen – die Einholung eines "Obergutachtens" nicht geboten ist. Dies schon deshalb, weil "Obergutachten" im SGG nicht vorgesehen sind (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Beschlüsse vom 6. Dezember 1989, 2 BU 146/89; vom 17. November 2003, B 3 P 23/03 B; vom 23. Mai 2006, B 13 RJ 272/05 B und vom 14. Oktober 2016, B 1 KR 59/16; ebenso Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 12. Auflage, § 128 Rn. 7e).). Entscheidend ist, ob durch einen Sachverständigen ein Absinken des quantitativen Leistungsvermögens auf unter sechs Stunden oder rentenrelevante qualitative Leistungseinschränkungen nachvollziehbar dargelegt werden. Insoweit ist es grundsätzlich die dem Gericht selbst obliegende Aufgabe, aufgrund der festgestellten Befundlage die vorhandenen Beweise zu gewichten und zu würdigen und schlussendlich zu einer eigenen Überzeugung zu gelangen.

Zeitlich nach Erstattung des Gutachtens durch Dr. K. vom 22. April 2013 hat sich die Klägerin am 2. Dezember 2014 bei der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. in Behandlung begeben. Diese hat in ihrem von dem Senat angeforderten Bericht vom 30. März 2016 sowie in dem an den Hausarzt der Klägerin gerichteten Bericht vom 2. Dezember 2014 zum Befund ausgeführt, die Klägerin sei affektiv vermindert schwingungsfähig, depressiv niedergeschlagen, unfähig, Freude und Lust zu empfinden (Anhedonie) mit dem Gefühl der Leere, Antriebslosigkeit, Morgentief und massiven Schlafstörungen. Diagnostisch ist Dr. L. von einer rezidivierenden depressiven Störung gegenwärtig mittelgradige depressive Episode – mit erheblicher Chronifizierung sowie einer Dysthymie ausgegangen. Sie hat – wie ausgeführt – der Klägerin eine durchgängige Arbeitsunfähigkeit attestiert und im Übrigen darauf hingewiesen, die erhobenen Befunde hätten sich nicht gebessert. Soweit es zeitweise zu einer leichten Besserung der depressiven Symptomatik gekommen sei, habe diese nicht lange angehalten. Die bislang durchgeführten verschiedenen medikamentösen Therapien und die ambulanten Psychotherapien seien nicht erfolgreich gewesen. Ziel sei es, die bestehenden Kompetenzen und Ressourcen aufrechtzuerhalten. Aufgrund der chronifizierten Symptomatik sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin über eine ausreichende Belastbarkeit und Stabilität verfüge, um wieder am Arbeitsleben teilnehmen zu können. Schließlich hat Dr. L. in ihrem Attest vom 30. März 2016 nochmals darauf hingewiesen, dass die Klägerin während der Behandlung zu keinem Zeitpunkt ausreichend belastungsstabil im Hinblick auf eine regelmäßige Arbeit im Umfang von mehr als drei Stunden gewesen sei. Neben der chronifizierten depressiven Symptomatik leide die Klägerin an ausgeprägten Ängsten bis hin zu Panikattacken. Die Angaben von Dr. L. stehen im Wesentlichen im Einklang mit den Ausführungen im nachfolgenden Gutachten von Prof. Dr. N. vom 11. Dezember 2016. Dieser ist psychiatrischerseits von einer mittelgradigen depressiven Episode, einer Agoraphobie mit Panikstörung sowie einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren ausgegangen. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass Prof. Dr. N. zutreffend darauf hingewiesen hat, das komplexe Krankheitsbild der Klägerin erfordere eine Gesamtbetrachtung der psychiatrischen bzw. psychologischen und psychosomatischen sowie der internistischen und orthopädischen Erkrankungen, wie sie von ihm vorgenommen worden ist. Wird weiter berücksichtigt, dass das ebenfalls im Berufungsverfahren eingeholte internistisch-pneumologische Sachverständigengutachten von Dr. M. vom 28. Oktober 2015 nicht wesentlich zur weiteren Erhellung des der Klägerin verbliebenen Leistungsvermögens beitragen kann, weil der Sachverständige seine Beurteilung allein aus pneumologisch-internistischer Sicht abgegeben hat, so ist es in der Gesamtschau gerechtfertigt, für den Eintritt des Leistungsfalles der teilweisen Erwerbsminderung auf den Beginn der Behandlung bei Dr. L. am 2. Dezember 2014 abzustellen und aus den ausgeführten Gründen der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. N. nicht zu folgen, wonach seine Leistungsbeurteilung bereits seit Rentenantragstellung anzunehmen sei. Ohnehin hat Prof. Dr. N. insoweit zunächst im Gutachten von einer "ganz überwiegenden Wahrscheinlichkeit" gesprochen und sich erst mit der ergänzenden Stellungnahme vom 3. August 2017 auf Nachfrage des Senats "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" auf das von ihm festgestellte reduzierte Leistungsvermögen bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 27. Oktober 2011 festgelegt. Dies belegt die eigene Unsicherheit des Sachverständigen bei der retrospektiven Beurteilung.

Soweit die Beklagte unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13. Januar 2017 (Frau O.) daran festgehalten hat, die rentenmaßgebliche Minderung des Leistungsvermögens sei erst durch die Begutachtung durch Prof. Dr. N. am 24. November 2016 objektiviert worden, ist die von Frau O. vorgebrachte Argumentation nach Auffassung des Senats nicht tragfähig. Sie hat hierzu ausgeführt, Prof. Dr. N. habe sich weder mit dem zeitnah zum Datum der Rentenantragstellung erstellten Reha-Entlassungsbericht der Klinik Kurhessen noch mit dem Gutachten des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit auseinandergesetzt. Auf diese beiden medizinischen Unterlagen kommt es jedoch – wie ausgeführt – nicht an. Soweit Frau O. weiter ausgeführt hat, der Sachverständige Prof. Dr. N. habe sich auch nicht mit den bisherigen Behandlungen und therapeutischen Optionen auseinandergesetzt, und die Angsterkrankung sei bei bestehender Besserungsmöglichkeit bisher noch nicht adäquat behandelt worden, ist zunächst nochmals auf die retrospektive Betrachtungsweise bei der Prüfung einer rentenrelevanten Leistungseinschränkung hinzuweisen. Zudem ist die Auseinandersetzung mit der bisherigen Behandlung der Klägerin durch den Senat im Rahmen der Beweiswürdigung erfolgt. Nicht zuletzt ist der beratenden Ärztin O. zu widersprechen, es bestehe eine Besserungsmöglichkeit. Sie selbst hat ohnehin lediglich von einer "theoretischen Besserungsmöglichkeit" gesprochen. Insoweit ergibt sich jedoch entscheidend aus dem Befundbericht von Dr. L. vom 30. März 2016, das nicht von einer Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ausgegangen werden kann. Damit steht die Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. N. im Einklang, der zur Besserungsaussicht ausgeführt hat, es sei völlig unwahrscheinlich, dass die festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit irgendwann einmal in der Zukunft angehoben werden könne.

Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin seit dem 2. Dezember 2014 nur noch in der Lage ist, leichte Arbeiten mit den genannten Einschränkungen im Umfang von drei bis unter sechs Stunden täglich zu verrichten. Dies erfüllt die Voraussetzungen eines Leistungsfalles der teilweisen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Zugleich sind hiermit die Voraussetzungen des Leistungsfalles einer vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI erfüllt. Für die Beurteilung, ob ein Versicherter, der aufgrund seines Gesundheitszustands in quantitativer Hinsicht nur noch weniger als täglich sechs Stunden und mindestens täglich drei Stunden arbeiten kann, voll erwerbsgemindert ist, kommt es darauf an, ob für entsprechende Erwerbstätigkeiten Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Versicherte mit seinen Kräften und Fähigkeiten noch ausfüllen kann. Insoweit kann jedoch ohne weitere Prüfung bzw. ohne Nachweis - fehlgeschlagener - Vermittlungsbemühungen der Arbeitsverwaltung oder des Rentenversicherungsträgers innerhalb eines Jahres von der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes ausgegangen werden (vgl. BSG, Urteil vom 8. September 2005, B 13 RJ 10/04 R m.w.N.; vgl. zur Fortgeltung der Rechtsgrundsätze über die sog. Arbeitsmarktrenten auch BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011, B 13 R 78/09 R). Bei einem quantitativ auf drei bis unter sechs Stunden täglich reduzierten Leistungsvermögen ist mithin grundsätzlich neben dem Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung zugleich auch der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung eingetreten.

Dem kann auch nicht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu der Frage, inwieweit seelische Erkrankungen bzw. psychische Leiden zur Minderung der Erwerbsfähigkeit führen können, entgegengehalten werden. Aus dieser Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteile vom 12. September 1990, 5 R 88/89 und 20. Oktober 2004, B 5 RJ 48/03R, jew. m.w.N.) folgt, dass psychische Erkrankungen erst dann von rentenrechtlicher Relevanz sind, wenn trotz adäquater Behandlung davon auszugehen ist, dass die psychischen Einschränkungen dauerhaft nicht überwunden werden können, weder aus eigener Kraft, noch mit ärztlicher bzw. therapeutischer Hilfe. Diese Rechtsprechung bezieht sich jedoch im Wesentlichen auf seelische Störungen im Sinne von neurotischen Hemmungen (BSG, Urteil vom 1. Juli 1964,11/1 RA 158/61) und kommt vor allem dann zum Tragen, wenn im Einzelfall die Prognose zuverlässig gestellt werden kann, dass die Ablehnung der Rente bei dem betroffenen Versicherten die neurotischen Erscheinungen ohne weiteres verschwinden lässt (BSG, Urteil vom 12. September 1990 a.a.O.). Typischerweise stehen Störungen nach F68.0 ICD 10 (Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen) der Gewährung einer Erwerbsminderungsrente entgegen (jurisPK-SGB VI, Stand 1. Juli 2013, § 43 Rn. 70). So liegt der Fall hier gerade nicht, denn bei der Klägerin handelt es sich nicht um eine neurotische Hemmung bzw. Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung, sondern um eine manifeste psychiatrische Erkrankung im Sinne einer (u.a.) mittelgradigen depressiven Episode, wie dies der Sachverständige Prof. Dr. N. im Einzelnen begründet hat. Eine derartige Erkrankung ist in aller Regel der Beeinflussung durch die Willenskraft des Patienten entzogen.

Ausgehend von dem 2. Dezember 2014 als Leistungsfall sind vorliegend ausweislich des Versicherungsverlaufes vom 29. Juni 2017 neben der allgemeinen Wartezeit (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI, § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) erfüllt. Im danach maßgeblichen Zeitraum von fünf Jahren vom 2. Dezember 2009 bis 1. Dezember 2014 hat die Klägerin 58 Monate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.

Der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung erstreckt sich auf einen Leistungszeitraum vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2019. Insoweit steht der Klägerin nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI lediglich eine befristete Rente zu. Nach dieser Vorschrift werden u.a. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Die Rentengewährung erfolgt nur unbefristet, wenn sie nicht von der Arbeitsmarktlage abhängt und es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; die letztgenannte Voraussetzung ist bei einer Gesamtdauer der Rentengewährung von neun Jahren stets zu bejahen (§ 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI). Hier kam nur eine befristete Rente in Betracht, da der Klägerin der Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nur wegen der Verschlossenheit des (Teilzeit-) Arbeitsmarktes zusteht.

Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nach § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. Der siebte Kalendermonat nach Eintritt der nachgewiesenen Erwerbsminderung begann hier am 1. Juli 2015, so dass sich der Leistungszeitraum auf die Zeit ab diesem Zeitpunkt erstreckt. Soweit die Befristung nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn erfolgt, hat zunächst die Klägerin die Regelung der Beklagten in dem das Teilanerkenntnis ausführenden Bescheid vom 29. Juni 2017, die Rente bis zum 31. Mai 2019 zu befristen, nicht angegriffen. Im Übrigen kann die befristete Rentengewährung wiederholt werden, sodass die Regelung des § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI bzw. eine Befristung für längstens drei Jahre vorliegend einem Gesamtleistungszeitraum vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2019 und damit von nahezu vier Jahren nicht entgegensteht.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass ein vor dem 2. Dezember 2014 eingetretener Leistungsfall mit entsprechendem Rentenanspruch nicht feststellbar ist. Insofern verbleiben nicht auszuräumende Zweifel, die nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin gehen. Insoweit muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin vor dem genannten Zeitpunkt zumindest noch leichte Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich verrichten konnte und sich zur Verwertung ihres Restleistungsvermögen auf sämtliche – ihr in gesundheitlicher Hinsicht objektiv zumutbaren – Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen musste.

Davon ausgehend kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass ihre Resterwerbsfähigkeit im Arbeitsleben wegen der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt in der Zeit vor dem 2. Dezember 2014 praktisch nicht mehr verwertbar gewesen sei. Denn es gab und gibt zur Überzeugung des Gerichts auf dem für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsmarkt noch eine nennenswerte Zahl von Tätigkeiten, die sie trotz ihres eingeschränkten Leistungsvermögens ausüben konnte. Unter Berücksichtigung des festgestellten Leistungsvermögens lagen bei der Klägerin insbesondere auch keine ins Gewicht fallenden besonderen Umstände vor, welche die Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit in ungewöhnlicher Weise erschwert hätten. Insoweit bedarf es im Rahmen der - bezüglich des hier streitigen Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung allein maßgeblichen - Frage nach dem Bestehen realer Erwerbsmöglichkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld einer besonders eingehenden Prüfung lediglich dann, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine spezifische Leistungsbehinderung festgestellt ist (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 1. März 1984, 4 RJ 43/83 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. November 1982, 4 RJ 1/82) oder wenn der Rentenbewerber wegen eines besonders gearteten Berufslebens deutlich aus dem Kreis vergleichbarer Versicherter heraus fällt (vgl. hierzu: BSG, Urteile vom 27. April 1982, 1 RJ 132/80; vom 18. Februar 1981, 1 RJ 124/79). Derart gravierende Einschränkungen lagen bei der Klägerin für die zu prüfende Zeit vor dem 2. Dezember 2014 aber gerade nicht vor, wie dies dem Gutachten von Dr. K. vom 22. April 2013 entnommen werden kann.

Ob im Übrigen die in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei waren oder besetzt, ist für die Entscheidung unerheblich, denn die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten, der wie die Klägerin für die Zeit vor dem 2. Dezember 2014 noch zumindest sechs Stunden pro Arbeitstag einsatzfähig war, hängt nicht davon ab, ob das Vorhandensein von für sie offenen Arbeitsplätzen für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten konkret festgestellt werden kann oder nicht. Der im Sinne der sog. konkreten Betrachtungsweise auf die tatsächliche Verwertbarkeit der Resterwerbsfähigkeit abstellende Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 10. Dezember 1976, GS 2/75, GS 3/75, GS 4/75 u. GS 3/76) kann bei diesem Personenkreis grundsätzlich nicht herangezogen werden. Das hat der Gesetzgeber in § 43 Abs. 3 SGB VI nochmals ausdrücklich mit dem Hinweis darauf klargestellt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer ungeachtet der jeweiligen Arbeitsmarktlage - unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Ausnahmen können allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein Versicherter nach seinem Gesundheitszustand nicht dazu in der Lage ist, die an sich zumutbaren Arbeiten unter den in der Regel in den Betrieben üblichen Bedingungen zu verrichten, oder wenn er außerstande ist, Arbeitsplätze dieser Art von seiner Wohnung aus aufzusuchen (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2011, B 13 R 79/11 R). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

Für die 1959 geborene Klägerin ergibt sich bezüglich der vor dem 2. Dezember 2014 bzw. 1. Juli 2015 liegenden Zeit im Übrigen auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte, die

1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2. berufsunfähig

sind.

Berufsunfähig sind der Vorschrift des § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zufolge Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst gemäß § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist gemäß § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist der Vorschrift des § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI zufolge nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist nicht berufsunfähig im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmungen. Wie dargelegt, konnte sie nämlich noch in der maßgeblichen Zeit zumindest sechs Stunden täglich mit den genannten Einschränkungen einer geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin noch in der Lage war, ihren bisherigen Beruf bzw. ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit weiter auszuüben, denn allein der Umstand, im bisherigen Beruf nicht mehr tätig sein zu können, führt noch nicht zum Vorliegen von Berufsunfähigkeit.

Das Gesetz räumt den Versicherten einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann ein, wenn sie ihren versicherungspflichtig ausgeübten - "bisherigen Beruf" bzw. ihre "bisherige Berufstätigkeit" nicht mehr ausüben können. Vielmehr wird von den Versicherten verlangt, dass sie - immer bezogen auf ihren bisherigen Beruf - auch einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf nehmen und sich vor Inanspruchnahme der Rente mit einer (ggf. auch) geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden geben (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1976, 5/12 RJ 132/75). Nur wer sich nicht in dieser Weise auf einen anderen, ihm subjektiv zumutbaren Beruf verweisen lassen muss, ist berufsunfähig im Sinne des Gesetzes.

"Zugemutet werden" im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI können den Versicherten alle von ihnen nach ihren gesundheitlichen Kräften und ihren beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausführbaren, auch berufsfremden Tätigkeiten, die nach der im Gesetz angeführten positiven Kennzeichnung - Ausbildung und deren Dauer, besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb, d.h. nach ihrer Qualität - dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (vgl. hierzu: BSG, Urteile vom 25. März 1966, 5 RKn 77/64, vom 26. September 1974, 5 RJ 98/72, vom 19. Januar 1978, 4 RJ 81/77 u. vom 15. März 1978, 1/5 RJ 128/76 - ständige Rechtsprechung).

Das zur Ausfüllung dieser Grundsätze von der Rechtsprechung entwickelte sog. Mehrstufenschema unterscheidet dabei für Arbeiterberufe - als unterste Gruppe - die Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten, die mittlere Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten, schließlich die Gruppe mit dem Leitberuf der Gelernten (Facharbeiter) und darüber die zahlenmäßig kleine Gruppe mit dem Leitberuf der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. der Facharbeiter mit besonders qualifizierten Tätigkeiten. Als im Sinne von § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI zumutbaren beruflichen Abstieg hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jeweils den Abstieg zur nächstniedrigeren Gruppe angenommen. Hiernach können z.B. Versicherte, die nach ihrem bisherigen Beruf in die Gruppe mit dem Leitberuf der Facharbeiter fallen, auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Angelernten (sonstigen Ausbildungsberufe) verwiesen werden, in aller Regel jedoch nicht ohne weiteres auf Tätigkeiten aus der Gruppe mit dem Leitberuf der Ungelernten (vgl. BSG, Urteile vom 30. März 1977, 5 RJ 98/76 u. vom 24. März 1983, 1 RA 15/82 m.w.N. - ständige Rechtsprechung). Unabhängig davon können Versicherte mit dem Leitberuf der Ungelernten auf das gesamte allgemeine Arbeitsfeld verwiesen werden (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24. März 1983 a.a.O. m.w.N. ständige Rechtsprechung). Innerhalb der – vielschichtigen und inhomogenen – Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten ist eine Abgrenzung dergestalt zu beachten, dass dem unteren Bereich alle Tätigkeiten mit einer Anlernzeit von drei bis 12 Monaten und dem oberen Bereich die Tätigkeiten mit einer Anlernzeit von über 12 bis 24 Monaten zuzuordnen sind (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93 m.w.N.). Ein Angelernter des oberen Bereichs genießt ebenfalls Berufsschutz, sodass ihm zumindest eine zumutbare Verweisungstätigkeit konkret zu benennen ist, sofern er im bisherigen Beruf nicht mehr tätig sein kann. Subjektiv zumutbar ist einem Angehörigen der Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten im oberen Bereich zunächst eine Tätigkeit, die in der Regel der Gruppe mit dem Leitbild des Angelernten (unterer Bereich) zuzurechnen ist. Aber auch durch Qualitätsmerkmale herausgehoben ungelernte Tätigkeiten kommen in Betracht (BSG, Urteil vom 29. März 1994 a.a.O.).

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zum sogenannten Mehrstufenschema und unter Berücksichtigung des Ausbildungs- und Berufsverlaufs ist fraglich, ob der Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung und anschließenden Tätigkeit als Fleischereifachverkäuferin ein qualifizierter Berufsschutz zuzubilligen und sie der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen ist. Zweifel ergeben sich daraus, dass die Klägerin ihre Ausbildung nicht erfolgreich abgeschlossen, sondern abgebrochen hat. Zudem war sie nicht durchgängig im Beruf der Fleischereifachverkäuferin tätig. Dies alles kann jedoch dahingestellt bleiben, denn selbst wenn die Klägerin der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen ist, muss sie sich im Sinne des Mehrstufenschemas nach den vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen zur Verwertung ihres Restleistungsvermögens sozial zumutbar auf all diejenigen Tätigkeiten verweisen lassen, die zu den Facharbeiterberufen und den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen gehören oder die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten Dauer erfordern, wenn sie dazu gesundheitlich im Stande und beruflich fähig ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, Urteile vom 15. Februar 1979, 5 RJ 112/77 u. vom 17. November 1987, 5b RJ 10/87). Darüber hinaus muss sich die Klägerin als Facharbeiterin aber auch auf Tätigkeiten aus der Gruppe der ungelernten Arbeiter verweisen lassen, wenn sich die betreffenden Tätigkeiten aus dem Kreis ungelernter Tätigkeiten innerhalb des Betriebes und im Ansehen, aber auch unter Berücksichtigung ihrer tariflichen Eingruppierung im Vergleich mit anderen Tätigkeiten besonders herausheben. Dabei sollen diese ungelernten Tätigkeiten wegen ihrer Qualität tariflich etwa gleich hoch wie die sonstigen Ausbildungsberufe eingestuft sein (vgl. BSG, Urteile vom 1. Februar 1984, 5b RJ 80/83, vom 30. September 1987, 5b RJ 20/86 u. vom 12. September 1991, 5 RJ 34/90).

Nach diesen Grundsätzen auch einem Facharbeiter zumutbare Verweisungstätigkeit ist aber unter anderem die der Klägerin in objektiver Hinsicht zumutbare Tätigkeit als Telefonistin. Die Tätigkeit eines Telefonisten umfasst nach der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Hessen vom 17. September 2017 die Bedienung von Telefon-/Fernsprechzentralen. Dazu gehört die Erteilung von Auskünften, die Weiterleitung und Registrierung von Gesprächen, die Entgegennahme und Weitergabe von Telefonnotizen, Telefaxen, E-Mails u. ä. Die Anforderungen an Telefonisten sind aufgrund der Tatsache, dass diese in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung tätig sind, recht unterschiedlich. Während sich in großen Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungen die Tätigkeiten in der Regel auf das Bedienen einer z. T. recht umfangreichen Telefonanlage beschränken, findet man in kleineren und mittleren Betrieben und Organisationen häufig eine Funktionskoppelung mit einfachen Bürotätigkeiten, Schreibtätigkeiten sowie Empfangs- und Pförtnertätigkeiten. Oft sind allgemeine PC-Kenntnisse (Word, Excel, Outlook) erwünscht, im Einzelfall auch kaufmännische Grundkenntnisse. Es handelt sich um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen temperierten Räumen. Die Tätigkeit kann in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen ausgeübt werden. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich. Die Tätigkeit erfordert gute Sprech- und Hörfähigkeit. Es handelt sich zwar bei der Tätigkeit eines Telefonisten weder um einen sonstigen Ausbildungsberuf noch um eine Tätigkeit, die eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten Dauer erfordert. Die Tätigkeit wird jedoch wegen ihrer Qualität wie ein sonstiger Ausbildungsberuf bewertet und tariflich eingestuft, was ihre soziale Zumutbarkeit als Verweisungstätigkeit ebenfalls begründet (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 1991, 5 RJ 34/90 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17).

Unter Berücksichtigung des Tarifgefüges in Hessen hat das erkennende Gericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Tätigkeit eines Telefonisten als sozial zumutbare Verweisungstätigkeit für einen Facharbeiter anzusehen ist (vgl. statt vieler Urteil vom 17. Oktober 2014, L 5 R 171/13, insbesondere zur Auflistung der tariflichen Einstufungen). Nach einer aktuelleren Tarifvertragsauskunft des Verbandes Großhandel, Außenhandel, Verlage und Dienstleistungen Hessen e.V. vom 25. Januar 2011, die den Beteiligten zur Verfügung gestellt worden ist, erfolgt die Eingruppierung von Telefonisten "in jedem Falle" in die Gehaltsgruppe II des einschlägigen Gehalts- und Lohntarifvertrages, welche zumindest eine zweijährige kaufmännische oder gleichwertige Berufsausbildung voraussetzt. Anhaltspunkte dafür, dass die tarifvertragliche Einstufung der Tätigkeit des Telefonisten zumindest auch auf qualitätsfremden Merkmalen bzw. Erwägungen beruhen könnte, sind für den Senat nicht ersichtlich.

Der Senat hält im Ergebnis daran fest, dass die Tätigkeit des Telefonisten einem Versicherten, der Berufsschutz als Facharbeiter genießt, grundsätzlich sozial zumutbar. Im Übrigen ergibt sich aus der eingeholten Auskunft der Bundesagentur für Arbeit, dass die Tätigkeit des Telefonisten in nennenswertem Umfang auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes – auch Betriebsfremden – zur Verfügung steht.

Sämtliche der bei der Klägerin für die Zeit vor dem 2. Dezember 2014 zu beachtenden qualitativen Einschränkungen sind in Ansehung der vorbeschriebenen leichten Tätigkeiten bei der Arbeitsausübung beachtet, so dass die Klägerin in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung der Tätigkeit einer Telefonistin wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich in der Lage war.

Damit sind im Hinblick auf das Vorliegen einer sowohl objektiv als auch subjektiv zumutbaren Verweisungstätigkeit die Voraussetzungen für die Annahme von Berufsunfähigkeit für die Zeit vor dem 2. Dezember 2014 bzw. 1. Juli 2015 im Falle der Klägerin nicht gegeben.

Im Ergebnis hat die Klägerin neben der von der Beklagten bereits anerkannten Leistungszeit vom 1. Juni 2017 bis 31. Mai 2019 einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auch für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis 31. Mai 2017. Die Berufung der Klägerin konnte nur in diesem Umfang Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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