Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 10 SF 49/18 DS
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1/18 DS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Formbedürftige Schriftsätze können mittels sog. Computerfax durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Faxgerät des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird.
Hierfür ist es auch ausreichend, dass nur ein Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann.
2. Fehlt es an einer eingescannten Unterschrift, ist eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung, ob das Schreiben von dem Absender herrührt und von diesem mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden ist, geboten.
3. Bei Nutzung eines E-Mail-to-Fax - Dienstes ist die Authentizität und Integrität des übermittelten Dokuments unter Beachtung der Umstände nach einem besonders strengen Maßstab zu prüfen, um nicht systemwidrig die speziellen Formanforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs zu umgehen.
Hierfür ist es auch ausreichend, dass nur ein Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann.
2. Fehlt es an einer eingescannten Unterschrift, ist eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung, ob das Schreiben von dem Absender herrührt und von diesem mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden ist, geboten.
3. Bei Nutzung eines E-Mail-to-Fax - Dienstes ist die Authentizität und Integrität des übermittelten Dokuments unter Beachtung der Umstände nach einem besonders strengen Maßstab zu prüfen, um nicht systemwidrig die speziellen Formanforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs zu umgehen.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 10. August 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 10. August 2018 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, alle in der Leistungsakte des Antragsgegners gespeicherten Firmenunterlagen für Zeiträume ab 1. Januar 2013 zu löschen sowie zukünftig auf die Speicherung von Daten zu verzichten, die Bezug zu der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers haben,
hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits unzulässig. Danach ist die Beschwerde schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Diese Form wahrt die Beschwerdeschrift des Antragstellers nicht. Diese ist offenbar aus einem sog. E-Mail-to-Fax – Dienst unter Nutzung des Freemail – E-Mail-Accounts "xyz@web.de" eingereicht worden und nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift bzw. dem digitalisierten Abbild derselben versehen, sondern mit dem maschinenschriftlichen Nachnamen des Antragstellers in einer geschwungeneren Schriftart.
Die eigenhändige Unterschrift des Beteiligten oder seines Bevollmächtigten ist grundsätzlich ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis für bestimmende Schriftsätze. Die Schriftform wird ebenfalls durch ein verschriftlichtes Rechtsschutzgesuch gewahrt, das mittels Telefax dem Gericht zugeleitet wird und dort ausgedruckt wird (Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 1. August 1996 – 1 BvR 121/95). Mittels sog. Computerfax können bestimmende Schriftsätze ferner formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Fax des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird (vgl. auch § 130 Nr. 6 Zivilprozessordnung – ZPO). Zudem ist es ausreichend, dass nur ein Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (Bundesgerichtshof - BGH, Vorlagebeschluss vom 29. September 1998 – XI ZR 367/97; Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS-OGB, Beschluss vom 5. Februar 2000 – Gms-OGB 1/98; bestätigt durch: BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2002 – 2 BvR 2168/00).
Eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung, ob das Schreiben von dem Antragsteller herrührt und von diesem mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden ist, wie sie von Verfassungs wegen zur effektiven Rechtsschutzgewährung geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00), führt im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis.
Die Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem soll sie sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Ausgehend von dieser Zweckbestimmung des Schriftformerfordernisses ist es notwendig, über die Feststellung hinaus, dass das fristgerecht eingegangene Faxschreiben des Antragstellers nicht unterschrieben ist, zu fragen, ob der darin enthaltene Rechtsbehelf von dem Antragsteller herrührte und dieser ihn mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht hat. Dabei war zu berücksichtigen, dass als Absender der Name des Antragstellers maschinenschriftlich unter dem Schreiben zu finden war und in dem Schreiben zusätzlich das Aktenzeichen und das Zustelldatum des Ausgangsverfahrens und damit Daten genannt waren, die in der Regel allein dem Betroffenen bekannt sind.
Andererseits war vorliegend mit einzubeziehen, dass der Antragsteller mit Schreiben des Berichterstatters vom 14. November 2018 auf die Problematik und das grundsätzliche Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift hingewiesen worden ist. Auch hierauf hat er nicht mit einem den Formanforderungen entsprechenden Schreiben, insbesondere nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift reagiert. Ferner ist zu beachten, dass sich der Antragsteller vorliegend nicht eines konventionellen Telefaxgeräts bedient hat, wie es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und dem Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zugrunde lag, sondern eines E-Mail-to-Fax – Dienstes; offensichtlich des Freemail-Anbieters "web.de". Diese Dienste lassen die ungeprüfte Einrichtung von E-Mail-Accounts einschließlich des Telefax-Versands ohne jede Form der Authentifizierung unter jedem beliebigen Namen zu. Hinzu tritt, dass – anders als bei Telefaxgeräten der Generation, wie sie der o.g. Rechtsprechung zugrunde lagen – nicht mehr eine vergleichsweise sichere Punkt-zu-Punkt – Verbindung über eine (ggf. sogar noch analoge) Telefonleitung genutzt wird und eine dort (analog) übertragene Bild-Datei mit dem entsprechenden Erschwernis einer Fälschung Gegenstand der Übermittlung ist ("Telekopie" im herkömmlichen Sinne). Vielmehr hat der Antragsteller offenkundig schlicht elektronische Dateien in ein Telefax-Formular des web.de – Dienstes hochgeladen und diese von dort aus übertragen. Dem ersten Übertragungsschritt liegt daher eine rein internetbasierte Übertragung zugrunde, die mit der Punkt-zu-Punkt – Verbindung früherer Telefax-Geräte unter dem Gesichtspunkt der IT-Sicherheit und des Datenschutzes nicht mehr vergleichbar ist und die nur sehr schwachen elektronischen Sicherungsmitteln unterliegt. Gerade hinsichtlich der hier so zentralen Authentizität des Absenders gibt es bei diesem Kommunikationsmittel gar keine Absicherung.
Hier ermöglicht insbesondere die Bezeichnung des genutzten E-Mail – Accounts "xyz@web.de", der dem Namen nach keinerlei Rückschluss auf den mit Vornamen Herbert heißenden Antragsteller zulässt, keine ausreichende Herleitung der Authentizität der übermittelten Beschwerdeschrift. Ferner ergeben sich aus der Art und Weise der Übermittlung keine ausreichenden Hinweise, die den Senat in die Lage versetzen würden die Integrität des übertragenen Dokuments und die Abgrenzung desselben von einem bloßen Entwurf zu überprüfen.
Zwar hat der Senat keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Nutzung auch moderner Telefaxdienste (vgl. dagegen VG Dresden, Urteil vom 2. Oktober 2018 – 2 K 302/18). Allerdings sind hier bezüglich der Authentizität und Integrität des übermittelten Schriftsatzes höhere Anforderungen zu stellen, als bei der Verwendung konventioneller Telefaxgeräte, um nicht letztlich eine systemwidrige Umgehung der hochgesicherten elektronischen Kommunikationsformen gem. § 65a SGG zu ermöglichen.
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 10. August 2018 aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, alle in der Leistungsakte des Antragsgegners gespeicherten Firmenunterlagen für Zeiträume ab 1. Januar 2013 zu löschen sowie zukünftig auf die Speicherung von Daten zu verzichten, die Bezug zu der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers haben,
hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bereits unzulässig. Danach ist die Beschwerde schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Diese Form wahrt die Beschwerdeschrift des Antragstellers nicht. Diese ist offenbar aus einem sog. E-Mail-to-Fax – Dienst unter Nutzung des Freemail – E-Mail-Accounts "xyz@web.de" eingereicht worden und nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift bzw. dem digitalisierten Abbild derselben versehen, sondern mit dem maschinenschriftlichen Nachnamen des Antragstellers in einer geschwungeneren Schriftart.
Die eigenhändige Unterschrift des Beteiligten oder seines Bevollmächtigten ist grundsätzlich ein zwingendes Wirksamkeitserfordernis für bestimmende Schriftsätze. Die Schriftform wird ebenfalls durch ein verschriftlichtes Rechtsschutzgesuch gewahrt, das mittels Telefax dem Gericht zugeleitet wird und dort ausgedruckt wird (Bundesverfassungsgericht - BVerfG, Beschluss vom 1. August 1996 – 1 BvR 121/95). Mittels sog. Computerfax können bestimmende Schriftsätze ferner formwirksam durch elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf das Fax des Gerichts übermittelt werden, soweit der Zweck der Schriftform auf diese Weise gewährleistet wird (vgl. auch § 130 Nr. 6 Zivilprozessordnung – ZPO). Zudem ist es ausreichend, dass nur ein Hinweis angebracht ist, dass der benannte Urheber wegen der gewählten Übertragungsform nicht unterzeichnen kann (Bundesgerichtshof - BGH, Vorlagebeschluss vom 29. September 1998 – XI ZR 367/97; Gemeinsamer Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS-OGB, Beschluss vom 5. Februar 2000 – Gms-OGB 1/98; bestätigt durch: BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2002 – 2 BvR 2168/00).
Eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung, ob das Schreiben von dem Antragsteller herrührt und von diesem mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht worden ist, wie sie von Verfassungs wegen zur effektiven Rechtsschutzgewährung geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Juli 2002 - 2 BvR 2168/00), führt im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis.
Die Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem soll sie sicherstellen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Ausgehend von dieser Zweckbestimmung des Schriftformerfordernisses ist es notwendig, über die Feststellung hinaus, dass das fristgerecht eingegangene Faxschreiben des Antragstellers nicht unterschrieben ist, zu fragen, ob der darin enthaltene Rechtsbehelf von dem Antragsteller herrührte und dieser ihn mit Wissen und Wollen in den Verkehr gebracht hat. Dabei war zu berücksichtigen, dass als Absender der Name des Antragstellers maschinenschriftlich unter dem Schreiben zu finden war und in dem Schreiben zusätzlich das Aktenzeichen und das Zustelldatum des Ausgangsverfahrens und damit Daten genannt waren, die in der Regel allein dem Betroffenen bekannt sind.
Andererseits war vorliegend mit einzubeziehen, dass der Antragsteller mit Schreiben des Berichterstatters vom 14. November 2018 auf die Problematik und das grundsätzliche Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift hingewiesen worden ist. Auch hierauf hat er nicht mit einem den Formanforderungen entsprechenden Schreiben, insbesondere nicht mit einer eigenhändigen Unterschrift reagiert. Ferner ist zu beachten, dass sich der Antragsteller vorliegend nicht eines konventionellen Telefaxgeräts bedient hat, wie es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und dem Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes zugrunde lag, sondern eines E-Mail-to-Fax – Dienstes; offensichtlich des Freemail-Anbieters "web.de". Diese Dienste lassen die ungeprüfte Einrichtung von E-Mail-Accounts einschließlich des Telefax-Versands ohne jede Form der Authentifizierung unter jedem beliebigen Namen zu. Hinzu tritt, dass – anders als bei Telefaxgeräten der Generation, wie sie der o.g. Rechtsprechung zugrunde lagen – nicht mehr eine vergleichsweise sichere Punkt-zu-Punkt – Verbindung über eine (ggf. sogar noch analoge) Telefonleitung genutzt wird und eine dort (analog) übertragene Bild-Datei mit dem entsprechenden Erschwernis einer Fälschung Gegenstand der Übermittlung ist ("Telekopie" im herkömmlichen Sinne). Vielmehr hat der Antragsteller offenkundig schlicht elektronische Dateien in ein Telefax-Formular des web.de – Dienstes hochgeladen und diese von dort aus übertragen. Dem ersten Übertragungsschritt liegt daher eine rein internetbasierte Übertragung zugrunde, die mit der Punkt-zu-Punkt – Verbindung früherer Telefax-Geräte unter dem Gesichtspunkt der IT-Sicherheit und des Datenschutzes nicht mehr vergleichbar ist und die nur sehr schwachen elektronischen Sicherungsmitteln unterliegt. Gerade hinsichtlich der hier so zentralen Authentizität des Absenders gibt es bei diesem Kommunikationsmittel gar keine Absicherung.
Hier ermöglicht insbesondere die Bezeichnung des genutzten E-Mail – Accounts "xyz@web.de", der dem Namen nach keinerlei Rückschluss auf den mit Vornamen Herbert heißenden Antragsteller zulässt, keine ausreichende Herleitung der Authentizität der übermittelten Beschwerdeschrift. Ferner ergeben sich aus der Art und Weise der Übermittlung keine ausreichenden Hinweise, die den Senat in die Lage versetzen würden die Integrität des übertragenen Dokuments und die Abgrenzung desselben von einem bloßen Entwurf zu überprüfen.
Zwar hat der Senat keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Nutzung auch moderner Telefaxdienste (vgl. dagegen VG Dresden, Urteil vom 2. Oktober 2018 – 2 K 302/18). Allerdings sind hier bezüglich der Authentizität und Integrität des übermittelten Schriftsatzes höhere Anforderungen zu stellen, als bei der Verwendung konventioneller Telefaxgeräte, um nicht letztlich eine systemwidrige Umgehung der hochgesicherten elektronischen Kommunikationsformen gem. § 65a SGG zu ermöglichen.
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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