S 19 SO 39/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
19
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 SO 39/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 SO 44/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 15/10 R
Datum
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Übernahme von Beiträgen zur Alterssicherung einer Pflegeperson nach § 65 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Die Klägerin erhält von der Beklagten seit Jahren laufende Hilfe zur Pflege nach § 61 ff. SGB XII. Sie lebt im Haushalt ihres Neffen und wird von dessen Ehefrau, Frau S S1, gepflegt. Mit Bescheid vom 06.05.1999 bewilligte die Beklagte für die Jahre 1998 und 1999 die Übernahme von Beiträgen für eine angemessene Altersversorgung für die Pflegeperson in Höhe von 4.478,75 DM bzw. 4.423,50 DM jährlich. In den Folgejahren wurde jährlich die Übernahme der Beiträge beantragt und von der Beklagten genehmigt. Für das Jahr 2005 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2006 die Übernahme des Beitrages der Pflegeperson ab.

Am 17.08.2006 beantragte die Klägerin für das Jahr 2006 die Übernahme der Beiträge zur Alterssicherung für die Pflegeperson.

Die Beklagte forderte daraufhin mit Schreiben vom 17.08.2006 aktuelle Nachweise über die voraussichtliche gesetzliche Rente des Ehemannes der Pflegeperson und die der Pflegeperson sowie Nachweise über die Kosten des Hauses (Tilgung, Zinsen, Nebenkosten, Baujahr, Wohnfläche) an.

Die Pflegeperson übersandte daraufhin einen Nachweis über ihre voraussichtliche gesetzliche Rente. Einen Nachweis über die voraussichtliche Rente ihres Ehemannes könne sie nicht vorlegen, da dieser nicht dazu bereit sei, ihr entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dies gelte auch für die Vorlage von Nachweisen über die Kosten des Hauses. Dieses stehe im Alleineigentum ihres Ehemannes. Es komme aber allein auf ihren Rentenanspruch an und nicht darauf, welche Ansprüche ihr Ehemann zu erwarten habe.

Die Beklagte forderte die Pflegeperson mit Schreiben vom 01.09.2006 erneut auf, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen und wies auf die Mitwirkungspflichten hin.

Mit Bescheid vom 25.10.2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme der Beiträge zur Alterssicherung wegen fehlender Mitwirkung ab.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, sie sei ihren Mitwirkungspflichten in ausreichender Form nachgekommen. Die voraussichtliche Altersrente dritter Personen wie des Ehemannes sei unerheblich, es komme ausschließlich auf die voraussichtliche Altersrente der Pflegeperson an. Außerdem läge eine Mitwirkungsverletzung nicht vor, da sie über die angeforderten Unterlagen nicht verfüge und sich ihr Neffe weigere, entsprechende Angaben zu machen.

Die Beklagte teilte daraufhin mit, sie halte die Ablehnung wegen fehlender Mitwirkung nicht mehr aufrecht, es sei aber eine Ablehnung wegen nicht nachgewiesener Voraussetzungen vorgesehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück: Voraussetzung für die Übernahme von Beiträgen sei unter anderem, dass die Alterssicherung der Pflegeperson nicht anderweitig sichergestellt sei. Ob eine angemessene Alterssicherung bereits anderweitig sichergestellt sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts prognostisch auf der Grundlage der bekannten Tatsachen, orientiert an den typischen Erwartungen hinsichtlich des gewöhnlichen Verlaufs des Lebens der Pflegeperson, zu beurteilen. Eine ausreichende und angemessene Alterssicherung, die letztlich die Beitragsübernahme ausschließe, könne auch dann vorliegen, wenn der Anspruch auf Alterssicherung ohne eigene Beitragszahlung lediglich von einem anderen (in der Regel Ehegatten) abgeleitet sei oder wenn beide Ansprüche zusammen eine angemessene Alterssicherung darstellen würden. Auch die Alterssicherung einer Pflegeperson durch eine betriebliche Altersversorgung des Ehegatten könne eine anderweitige angemessene Alterssicherung sein (vgl. Schellhorn, Kommentar zum SGB XII, Rd-Nr. 27 zu § 65). Die Klägerin als Anspruchsinhaberin habe nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Übernahme der Beiträge zur Alterssicherung ihrer Pflegeperson erfüllt seien.

Die Klägerin hat am 22.03.2007 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, es sei bereits aus dem mittlerweile bestandskräftigen Bescheid vom 06.05.1999 ein Anspruch auf Übernahme der Beiträge abzuleiten. Die Beklagte habe für die Zukunft festgestellt, dass die Beiträge für eine angemessene Altersversorgung der Pflegeperson ab 1998 zu übernehmen seien. Diese Grundsatzentscheidung sei auch für die Folgejahre bindend. Sie habe nachgewiesen, dass die voraussichtliche Altersrente der Pflegeperson nicht für deren angemessene Alterssicherung ausreiche und keine anderweitige Sicherstellung gegeben sei. Es komme entgegen der Auffassung der Beklagten bei der Beurteilung der anderweitigen Sicherstellung ausschließlich auf die voraussichtliche Altersrente der Pflegeperson an. Selbst wenn es bei der Beitragsübernahmeverpflichtung auch auf die voraussichtliche Rente des Ehemannes der Pflegeperson und dessen Altersvorsorge ankomme, führe der fehlende Nachweis nicht zu einem Ausschluss des Anspruchs. Schließlich verfüge weder die Klägerin noch die Pflegeperson über die von der Beklagten angeforderten Unterlagen. Eine Weigerung des Ehemannes der Pflegeperson, diese Nachweise herauszugeben, könne nicht zu einer Mitwirkungspflichtverletzung oder zu einer Verletzung der gebotenen Nachweispflicht der Klägerin für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen führen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2007 zu verurteilen, ihr die Beiträge zur angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson S S1 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 26.02.2007. Weiter trägt sie vor, bei dem Bescheid vom 06.05.1999 handele es sich nicht um eine Dauerbewilligung für alle Zukunft. Die Aussage ab 1998 beziehe sich darauf, dass der Antrag auf Übernahme der Beiträge in 1998 gestellt wurde, hierüber aber erst in 1999 habe entschieden werden können. Im weiteren Verlauf der Angelegenheit sei dann von der Klägerin jedes Jahr neu die Übernahme der Beiträge beantragt und jeweils für ein weiteres Jahr darüber entschieden worden. Auf eine Dauerbewilligung könne sich die Klägerin nicht berufen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erstattung bzw. die Übernahme der Kosten einer Alterssicherung sei ständig zu prüfen. Die Zusatzleistung sei keine rentengleiche Dauerleistung.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 18.02.2008 sind die Beteiligten – unter Darlegung der mangelnden Erfolgsaussichten der Klage - zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

Daraufhin teilte die Klägerin unter dem 04.03.2008 mit, auch wenn das Bundesverwaltungsgericht zur alten Regelung des § 69 b Bundessozialhilfegesetz (BSHG) festgestellt habe, dass die Alterssicherung einer Pflegeperson auch durch eine ausreichende Altersversorgung des Ehegatten anderweitig sichergestellt sein könne, sei diese Entscheidung nicht automatisch auf die Vorschriften zum SGB XII übertragbar. Eine derartige Auslegung führe auch zu einer Ungleichbehandlung gegenüber solchen Pflegebedürftigen und ihren Pflegepersonen, die eine Übernahme der Aufwendungen für eine Alterssicherung nach der gesetzlichen Pflegeversicherung erhielten. So würden für diese Pflegepersonen nach § 44 Pflegeversicherungsgesetz die Beiträge an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung oder an die berufsständische Versorgungseinrichtung unabhängig von der Alterssicherung des Ehegatten gezahlt werden. Es sei kein ausreichender rechtlicher oder tatsächlicher Grund gegeben, der eine unterschiedliche Behandlung der Pflegeperson des Bedürftigen nach § 61 SGB XII zur Pflegeperson des gesetzlich pflegeversicherten Bedürftigen rechtfertigen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Es liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheides nach § 105 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vor, da die Sache nach Ansicht des Gerichts keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist durch den Bescheid der Beklagen vom 25.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2007 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Die Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht die Übernahme von Aufwendungen für die Beiträge zur angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson S S1 abgelehnt.

Gemäß § 65 Abs. 2 SGB XII sind Pflegebedürftigen, die Pflegegeld nach § 64 erhalten, zusätzlich die Aufwendungen für die Beiträge einer Pflegeperson für eine angemessene Alterssicherung zu erstatten, wenn diese nicht anderweitig sichergestellt ist. Bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, dass Leistungen der Alterssicherung nur dann gewährt werden, wenn keine anderweitige Sicherung vorliegt. Damit wird der sog. Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) noch einmal ausdrücklich wiederholt. Eine angemessene Sicherstellung der Alterssicherung kann u.a. dann angenommen werden, wenn die Pflegeperson aufgrund eines Arbeitsverhältnisses in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist und der Umfang dieser Pflichtversicherung als angemessen anzusehen ist. Nach Auffassung des Gerichts liegt eine ausreichende und angemessene Alterssicherung auch dann vor, wenn der Anspruch auf Alterssicherung ohne eigene Beitragszahlung von einem anderen, z.B. dem Ehemann, abgeleitet ist oder wenn beide Ansprüche zusammen eine angemessene Alterssicherung ergeben (vgl. Schellhorn, SGB XII Kommentar, 17. Auflage, § 65 Rd-Nr. 27 m.w.N. zur Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte). Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine Beschränkung der Prüfung einer angemessenen Alterssicherung allein auf die der Pflegeperson erfolgen soll, zumal das Gesetz schon eine solche nicht vornimmt. Nach dessen eindeutigen Wortlaut kommt es allein darauf an, dass "keine anderweitige Sicherstellung" der Alterssicherung vorliegt. Welcher Art diese ist, geht aus dem Gesetz gerade nicht hervor. Es bestehen keine Bedenken, diese in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 69 b BSHG vertretene Auffassung auch unter dem Geltungsbereich des SGB XII anzuwenden, denn § 65 SGB XII entspricht wörtlich dem § 69 b BSHG.

Die Klägerin als Anspruchsinhaberin hat den geltend gemachten Anspruch nachzuweisen. Gelingt ihr dies nicht, geht dies zu ihren Lasten, sie kann dann den Anspruch nicht durchsetzen.

Soweit die Klägerin eine Ungleichbehandlung gegenüber solchen Pflegebedürftigen und ihren Pflegepersonen, die eine Übernahme der Aufwendungen für eine Alterssicherung nach der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, geltend macht, ist eine Verletzung des Art. 3 des Grundgesetzes nicht erkennbar. Es mangelt schon an einem vergleichbaren Sachverhalt. Denn auf der einen Seite stehen Pflegepersonen, die Personen, die in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert sind, pflegen, auf der anderen Seite Pflegepersonen, die Personen, die nicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung versichert sind. Eine sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung dieser (nicht vergleichbaren) Personengruppen, ist daher nicht erforderlich.

Die Klägerin kann auch keinen Anspruch auf Bewilligung von Beiträgen zur Alterssicherung aus dem Bescheid vom 06.05.1999 herleiten. Hiermit wurde keine Dauerbewilligung ausgesprochen, vielmehr hat die Beklagte Leistungen für die Jahre 1998 und 1999 bewilligt. In den Folgejahren musste die Klägerin die Übernahme der Beiträge jeweils neu beantragen, die Beklagte entschied über den Anspruch immer für ein Jahr. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, ist das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erstattung bzw. die Übernahme der Kosten einer Alterssicherung ständig zu prüfen und die Zusatzleistung keine rentengleiche Dauerleistung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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