S 13 (10) AL 70/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 13 (10) AL 70/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Beendigung der freiwilligen Arbeitslosenversicherung des Klägers.

Der im Jahre 1948 geborene Kläger ist selbständiger Autohändler und stellte im Dezember 2006 einen Antrag auf freiwillige Versicherung in der Arbeitslosenversicherung. Mit Bescheid vom 08.12.2006 wurde die freiwillige Weiterversicherung mit Wirkung vom 27.09.2006 bewilligt und festgestellt, dass Beiträge in Höhe von monatlich 39,81 EUR am 01.02.2007 für das Kalenderjahr 2006 in Höhe von 124,74 EUR fällig werden. Mit Bescheid vom 02.12.2006 wurde der monatliche Beitrag für 2007 auf 25,73 EUR festgestellt. Die Beiträge seien jeweils am 01. des Monats, erstmals am 01.01.2007 in Höhe von 25,73 EUR zu zahlen. Der Kläger zahlte für die Zeit vom 27.09. bis zum 31.12.2006 Beiträge in Höhe von 124,74 EUR und für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.03.2007 77,19 EUR an Beiträgen. Mit Bescheid vom 09.03.2007 wurde er darauf hingewiesen, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen nicht vollständig nachgekommen sei. Wenn keine weiteren Zahlungen erfolgten und er insgesamt länger als drei Monate keine Beiträge zahle, ende das Versicherungsverhältnis. Nach dem Vermerk in der Akte wurde dieser Hinweis der Beklagten am 09.03.2007 versandt. Für die Monate April, Mai, Juni und Juli 2007 gingen nachfolgend keine Beiträge ein. Mit Bescheid vom 11.07.2007 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger mit der Beitragszahlung mehr als drei Monate im Rückstand war und daher das Versicherungsverhältnis am 31.03.2007 nach § 28 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 3 SGB III endete.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, er sei an der Beitragszahlung durch den Gesundheitszustand der Ehefrau, der sich aufgrund einer unheilbaren Krankheit rapide verschlechtert habe, gehindert gewesen. Seine Ehefrau habe im Zeitraum vom Januar bis März 2007 im Sterben gelegen und sei am 00.00.2007 verstorben. Er habe sich in dieser Zeit intensiv und ausschließlich um seine Ehefrau gekümmert, indem er verschiedene Kliniken in ganz Deutschland aufgesucht habe, um ihr Leben zu retten bzw. ihre Leiden zu mindern. Nach dem Tod der Ehefrau habe er an Herzbeschwerden gelitten und habe zwei Wochen stationär im Krankenhaus H behandelt werden müssen. Er habe deshalb nicht überprüfen können, ob die Beitragszahlungen rechtzeitig überwiesen worden waren. Ein Erinnerungsschreiben habe er in dieser Zeit nicht erhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.09.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde dargelegt, dass die von dem Kläger dargestellte schwierige persönliche Situation nichts an dem Umstand ändere, dass von Anfang an etwa durch einen Bankdauerauftrag hätte gewährleistet werden können, dass regelmäßige Beitragszahlungen sichergestellt werden. Im Rahmen des § 28a Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB III komme es auf ein Verschulden nicht an. Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommen schon deshalb nicht in Betracht, weil dem Kläger zumindest ein Organisationsverschulden zu Last gelegt werden müsse. Das Vertrauen darin, dass die Ehefrau alles regele, sei nicht ausreichend. Er hätte persönlich Vorsorge dafür treffen müssen, dass der Bestand des Versicherungsverhältnisses durch pünktliche Beitragszahlungen gewährleistet ist.

Hiergegen richtet sich die am 16.10.2007 erhobene Klage mit der der Kläger vorträgt, es habe während der Erkrankung der Ehefrau keine Möglichkeit bestanden, zu überprüfen, ob die entsprechenden Beiträge abgeführt werden. Um diese Angelegenheiten habe sich seine verstorbene Ehefrau allein gekümmert. Sie sei für die kaufmännischen Belange im Unternehmen ganz allein verantwortlich gewesen. Danach sei er selbst erkrankt und zwei Wochen in einem Krankenhaus gewesen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 11.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und ist nach wie vor der Auffassung, dass das Versicherungsverhältnis durch den mehr als dreimonatigen Beitragsrückstand erloschen ist. Aus welchen Gründen die Beitragszahlung nicht erfolgt sei, sei nach dem Gesetz nicht von Bedeutung. Die schwierige persönliche Situation des Klägers, die die Beklagte nicht verkenne, könne leider nicht berücksichtigt werden.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten; dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), denn der Bescheid der Beklagten vom 11.07.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.09.2007 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass die freiwillige Weiterversicherung am 31.03.2007 endete.

Das Versicherungsverhältnis endet nach § 28a Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB III, wenn der Versicherungsberechtigte mit der Beitragszahlung länger als drei Monate in Verzug ist. Nach der auch im Bereich des Beitragsrechts der Sozial- und Arbeitslosenversicherung entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 286 Abs. 2 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) tritt Verzug ohne eine Mahnung ein, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (Schlegel, SGB III, Stand November 2006, § 28a Rn. 79). Diese Voraussetzungen für eine Beendigung des Versicherungsverhältnisses sind hier erfüllt, denn der Kläger war zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides mit der Zahlung der Beiträge für vier Monate in Verzug. Er hatte für die Monate April bis Juli 2007 trotz Fälligkeit keine Beiträge gezahlt. Die Fälligkeit der Beiträge war nach dem Kalender bestimmt, da sie jeweils zum 01. eines Kalendermonats eintrat. Der Verzug ist unabhängig davon eingetreten, ob der Hinweis auf den Beitragsrückstand dem Kläger zugegangen ist. Die Beklagte war nach dem Gesetzeswortlaut nicht zu Hinweisen verpflichtet. Der Versicherte verliert nach § 28a Abs. 2 Nr. 3 SGB III seinen Versicherungsschutz bei Zahlungsverzug ohne auf die Rechtsfolgen des Zahlungsverzuges vorab aufmerksam gemacht werden zu müssen. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus dem Fehlen einer Hinweispflicht in dieser Norm. Eine solche war z.B. in § 191 Nr. 3 SGB V ausdrücklich vorgesehen und aus dem Fehlen einer gesetzlichen Hinweispflicht kann daher nur geschlossen werden, dass eine solche nicht besteht (vgl. Gagel, SGB III, Stand 2008, § 28a Rn 14). Angesichts der unterschiedlichen sozialen Bedeutung von Kranken- und Arbeitslosenversicherung ist diese Unterscheidung nachvollziehbar, da andernfalls der Versicherungsschutz auch ohne Beiträge weiterlaufen könnte (vgl. Ulmer, Beck, OK, SGB III § 28a Rn 9). Ein schlüssiger Vortrag, aus welchen Gründen der Hinweis vom 09.03.2007 nicht zugegangen sein sollte, ist weiterhin nicht ersichtlich. Nach § 37 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch (SGB X) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt bei Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Bei Zweifeln, ob der Bescheid zugegangen ist, trägt zwar die Behörde die Beweislast. Ein berechtigter Zweifel liegt allerdings nur vor, wenn Tatsachen substantiiert dargelegt werden, aus denen schlüssig die nicht fern liegende Möglichkeit hervorgeht, dass ein Zugang des Bescheides erst nach dem von § 37 Abs. 2 SGB X vermuteten Zeitpunkt erfolgte (Engelmann in von Wulfen, SGB X, 5. Auflage § 37 Rn 13 m.w.N.). Das - hier vorliegende - reine Bestreiten des Zugangs reicht daher nicht aus. Ein Verschulden ist nach § 28 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB III nicht erforderlich. Nach der Gesetzesbegründung hat § 28a Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB III den Sinn, eine Risikobegrenzung herbeizuführen. Im Gegensatz zum Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses für Beschäftigte und sonstige Versicherungspflichtige soll das Bestehen eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag an die tatsächliche Entrichtung von Beiträgen geknüpft sein (vgl. BT-Drucksache 15/1515 Seite 78). Es kommt daher lediglich auf die tatsächliche Nichtzahlung der Beiträge an. Selbst wenn unter entsprechender Anwendung des § 286 Abs. 4 BGB in Verbindung mit § 276 BGB ein Verzug nur bei Verschulden in Betracht käme, wären die Voraussetzungen hier nach Auffassung der Kammer gegeben. Nach § 276 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB hat der Schuldner, hier der Versicherte, der Beiträge entrichten will, sofern nichts anderes bestimmt ist, Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (Satz 2). Wenn das maßgebende Gesetz keine Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit vornimmt, ist auch im Beitragszahlungsrecht leichte Fahrlässigkeit schädlich (BSG, Urteil vom 19.06.2001 - B 12 RA 8/00 R). Ein solches Verschulden liegt z.B. auch dann vor, wenn die Kontoauszüge nicht rechtzeitig überprüft werden und deshalb bis zum Fristablauf nicht bemerkt wird, dass Beiträge nicht abgebucht worden sind (vgl. BSG a.a.O.). Der Kläger hat hier zumindest leicht fahrlässig in einem Zeitraum von über drei Monaten die Beitragsentrichtung versäumt. Abzustellen ist dabei auf den Zeitraum ab April 2007, da bis März 2007 die Beiträge entrichtet wurden. In dieser Zeit war die Frau des Klägers bereits verstorben. Der Krankenhausaufenthalt des Klägers im April 2007 dauerte zum Einen nur zwei Wochen. Zum Anderen war der Kläger nicht handlungsunfähig. Er hätte daher einen Dritten beauftragen können, die zuvor von seiner Ehefrau bearbeiteten Vorgänge daraufhin zu überprüfen, ob fristgebundene Vorgänge - wie vorliegend - ein Tätigwerden erforderten. Dem Kläger war klar, dass seine verstorbene Ehefrau diese Angelegenheiten allein bearbeitet hatte. Er hätte daher dafür Sorge tragen müssen, dass er selbst nach Beendigung des Krankenhausaufenthaltes oder geeignete Dritte (z.B. Steuerberater oder Buchhalter) die Vorgänge prüfen und das notwendige rechtzeitig veranlassen. Hierzu war der Kläger auch unter Berücksichtigung der sicherlich nicht zu verkennenden schwierigen Umstände und der bei ihm vorliegenden Erkrankung unter Zugrundelegung der üblichen geschäftlichen Kenntnis eines selbständigen Autohändlers auch in der Lage.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 SGG scheidet aus den oben genannten Gründen ebenfalls aus, da der Kläger nicht ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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