S 6 R 8/12 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 6 R 8/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 03.01.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.12.2011 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sowie die Gerichtskosten in voller Höhe. Der Streitwert wird auf 24.410,10 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Anfechtungsrechtsbehelfs gegen einen auf § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) gestützten Bescheid, mit dem die Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert und Säumniszuschläge erhoben hat.

Die Antragstellerin ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig und war in dem og. Betriebsprüfungszeitraum im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).

In dem Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 wandte die Antragstellerin bei der Arbeitsentgeltberechnung für die beschäftigen Leiharbeitnehmer die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit (CGZP) vereinbarten Tarifverträge an und führte auf Grundlage der hiernach ermittelten Arbeitsentgelte Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab.

Aufgrund einer im September 2009 durchgeführten Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin nach erfolgter Anhörung durch Schreiben vom 30.09.2011 mit Bescheid vom 05.12.2011 für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen gem. § 24 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Höhe von insgesamt 97.640,38 EUR nach. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, seit dem 01.01.2004 habe der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Grundsatz "equal pay" (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) und das Gebot "equal treatment" (gleiche Arbeitsbedingungen) im Gesetz verankert (§ 10 Abs. 4 AÜG). Das AÜG sehe jedoch einen Ausnahmefall für das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor. Existiere ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, könne gem. § 9 Nr. 2 AÜG vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Dies gelte nicht nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden seien, sondern auch, wenn in Arbeitsverträgen die Geltung von Tarifverträgen vereinbart werde. Im Oktober 2008 sei von der Gewerkschaft Ver.di und dem Land Berlin ein Verfahren nach § 97 Abs. 1, 2 a Abs. 1 Nr. 4 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) zur Feststellung der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) vor dem Arbeitsgericht Berlin eingeleitet worden. Mit Beschluss vom 01.04.2009 habe das Arbeitsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 35 BV 17008/08 die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt. Dieser Beschluss sei auf die Beschwerde der dortigen Beklagten vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 07.12.2009 bestätigt worden. Die zum Bundesarbeitsgericht (BAG) erhobene Rechtsbeschwerde sei am 14.12.2010 (1 ABR 19/10) als unbegründet zurückgewiesen worden. Zur Begründung sei im Wesentlichen ausgeführt worden, dass die Mitgliedsgewerkschaften der CGZP nach ihrem satzungsgemäßigen Geltungsbereich nicht die Tariffähigkeit für die gesamte Zeitarbeitsbranche vermitteln würde. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das Bundesarbeitsgericht habe die Unwirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 AÜG und der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines CGZP-Tarifvertrages beschäftig sei oder gewesen sei, könne von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge sei damit der Arbeitsentgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb nach § 10 Abs. 4 AÜG.

Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.01.2012 Widerspruch, über den bislang nicht entschieden wurde. Zur Begründung dieses Anfechtungsrechtsbehelfes machte sie geltend, die Antragsgegnerin verkenne in ihrem Bescheid, dass nach derzeit überwiegender Auffassung der Landesarbeitsgerichte für die Zeiten vor dem 14.12.2010 eine nicht gegebene Tarifabschlussfähigkeit der CGZP nicht festgestellt sei. Sie nahm insoweit auch auf den Beschluss des SG Hamburg vom 18.11.2011, Az.: S 51 R 1149/11 ER, Bezug.

Am 04.01.2012 hat die Antragstellerin darüber hinaus ein Antragsverfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei dem Sozialgericht Detmold eingeleitet. Zur Begründung nimmt sie im wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und verweist nochmals auf die bereits oben genannte Entscheidung des SG Hamburg vom 18.11.2011, Az.: S 51 R 1149/11 ER.

Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 03.01.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.12.2011 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie verweist zur Begründung auf den Inhalt der Ablehnungsentscheidung über den von der Antragstellerin zwischenzeitlich gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 23.01.2012. Sie ist der Ansicht, dass BAG habe mit Beschluss vom 14.12.2010 (Az.: 1 ABR 19/10) die fehlende Tariffähigkeit der CGZP festgestellt. Zwischenzeitlich habe zudem das LAG Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 07.12.2009 (Az.: 23 TaBV 1016/09) festgestellt, dass die CGZP auch in den Zeiträumen, die von der Feststellung des Bundesarbeitsgerichtes in dem zuvor genannten Beschluss nicht umfasst waren, beispielsweise am 29.11.2004, 19.06.2006 und am 09.07.2008 nicht tariffähig gewesen sei. Eine Rechtsbeschwerde dagegen habe das LAG nicht zugelassen. Selbst wenn das BAG die Rechtsbeschwerde nachträglich zulassen würde, sei nicht anzunehmen, dass es die Tariffähigkeit der CGZP für die Vergangenheit feststellen würde. Der Gegenwartsbezug des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 habe ausschließlich prozessrechtliche Gründe. Nach den Ausführungen des BAG zur historischen Entwicklung der CGZP sei auszuschließen, dass es in einem späteren Beschluss die Tariffähigkeit der CGZP für die Vergangenheit feststellen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, der vorgelegen hat und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

II.

Der Antrag ist zulässig und begründet.

Das Rechtsschutzgesuch ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Hiernach kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen anordnen, in denen einem Anfechtungsrechtsbehelf - wie vorliegend aufgrund der im Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.12.2011 getroffenen Regelung der Beitragspflicht und Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG der Fall - keine aufschiebende Wirkung zukommt.

Für den Antrag besteht auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da der am 03.01.2012 erhobene Widerspruch als statthafter Anfechtungsrechtsbehelf in der Hauptsache (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.12.2011 nicht offensichtlich unzulässig ist, insbesondere fristgerecht erhoben wurde (§§ 84 Abs. 1, 64 Abs. 1, Abs. 2 SGG). Die Antragsgegnerin hat unter dem 23.01.2012 zudem den von der Antragstellerin auf die Aussetzung der sofortigen Vollziehung gerichteten Antrag nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 SGG abgelehnt.

Der Antrag ist auch begründet.

Das Gericht entscheidet über den Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei sind die widerstreitenden Interessen der Beteiligten, namentlich das Aussetzungsinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Vollzugsinteresse an der Vollziehung des Bescheides vom 26.09.2011 andererseits, gegeneinander abzuwägen. Ausgehend von der in § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG normierten sofortigen Vollziehbarkeit der Erhebung von Beitragsforderungen überwiegt das Aussetzungsinteresse regelmäßig (nur) dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder die Vollziehung für den Leistungspflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat (zu § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO etwa Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage 2008, Rdnr. 980 m.w.N.).

Hiernach überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Antragsgegnerin vom 05.12.2011 bestehen. Nach der zu treffenden Prognoseentscheidung ist davon auszugehen, dass der Hauptsacherechtsbehelf Erfolg haben wird.

Gemäß § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Hierbei prüfen sie insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern (§ 28p Abs. 1 Satz 5 Halbs. 1 SGB IV).

Die Antragsgegnerin hat mit Bescheid vom 05.12.2011 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die von der Antragstellerin beschäftigten Leiharbeitnehmer in der Krankenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)), in der Rentenversicherung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI)), in der Sozial- und Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, 1. Halbsatz des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI)) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs. 1 Satz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III)) festgestellt. Bemessungsgrundlage für die Beitragsfestsetzung ist bei abhängig Beschäftigten in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III).

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus der Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Gemäß § 22 Abs. 1 SGB IV entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes benannten Voraussetzungen erfüllt sind.

Gemäß § 10 Abs. 4 AÜG kann der Leiharbeitnehmer im Fall einer Unwirksamkeit einer Vereinbarung mit dem Verleiher nach § 9 Nr. 2 AÜG von diesem die Gewährung der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen. Unwirksam sind nach § 9 Nr. 2 Halbs. 1 AÜG Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen. Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen.

Es unterliegt ernstlichen Zweifeln, ob die Antragsgegnerin berechtigt ist, zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein auf Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 14.12.2010 im Hinblick auf einen etwaigen equal-pay-Anspruch nach §§ 10 Abs. 4, 9 Nr. 2 AÜG Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 in der in dem Bescheid vom 05.12.2011 festgestellten Höhe nachzuerheben und Säumnis-zuschläge festzusetzen.

Ein solcher vergangenheitsbezogener Anspruch würde mindestens voraussetzen, dass zum jetzigen Zeitpunkt die von der Antragsgegnerin bejahte Tarifunfähigkeit der CGZP auch für den Betriebsprüfungszeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 angenommen werden kann.

Eine gerichtliche Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP für den streitigen Zeitraum liegt derzeit nicht vor. Die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) hat die Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft CGZP vielmehr nur gegenwartsbezogen festgestellt. Das BAG hat in der vg. Entscheidung lediglich festgestellt, dass die CGZP im Zeitpunkt der letzten Verhandlung in der Rechtsbeschwerdeinstanz tarifunfähig ist (so auch Zeppenfeld/Faust, NJW 2011, 1643 (1643)). Hierbei hat sich das BAG - wie auch das SG Hamburg in der Entscheidung vom 18.11.2011 (S 51 R 1149/11 ER) ausgeführt hat - an der Antragstellung der die Feststellung begehrenden Beteiligten orientiert und den Gegenwartsbezug auch ausdrücklich betont (BAG, a.a.O., Rn. 33). Der Streitgegenstand der CGZP-Entscheidung vom 14.12.2010 umfasste nur den gegenwartsbezogenen Antrag (auf Feststellung, dass die CGZP "tarifunfähig ist"), nicht hingegen die Vergangenheit. Andernfalls wäre der Antrag nämlich wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig gewesen (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

Demzufolge erstreckt sich die materielle Rechtskraftwirkung des CGZP-Beschlusses nicht auf die Zeit vor dem 14.12.2010 (Lembke, NZA 2011, 1062 (1066); a.A. Segebrecht, jurisPK-ArbR 33/2011 Anm. 1). Auch die Landesarbeitsgerichte (LAG) gehen derzeit überwiegend davon aus, dass eine vergangenheitsbezogene Feststellung von der Entscheidung des BAG nicht streitbefangen war und haben arbeitsgerichtliche Verfahren, in denen im Rahmen von Lohnklagen die Vergangenheitsbezogenheit der festgestellten Tarifunfähigkeit fraglich ist, nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ausgesetzt (etwa LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 15.06.2011 - 6 Ta 99/11, LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.06.2011 - 11 Ta 10/11, LAG Hamm, Beschl. v. 28.09.2011 - 1 Ta 500/11, LAG Köln, Beschl. v. 14.10.2011 - 13 Ta 284/11, LAG Nürnberg, Beschl. v. 19.09.2011 - 2 Ta 128/11; so auch Neef, NZA 2011, 615 (616), Friemel, NZS 2011, 851).

Die Tarifunfähigkeit der CGZP im streitbefangenen Zeitraum steht damit derzeit jedenfalls nicht materiell rechtskräftig fest. Die Kammer hält es auch nicht für sachgerecht, "durchzuentscheiden", weil man die streitige Frage des Vergangenheitsbezugs etwa bereits durch die Entscheidungsgründe des BAG vom 14.12.2010 für beantwortet hält (so aus der Sicht der Deutschen Rentenversicherung Diepenbrock, jurisPK-ArbR 1/2012 Anm. 7). Ein solches "Durchentscheiden" hätte zur Folge, dass sozialgerichtlich über die primär ar-beitsrechtliche Frage der "Unwirksamkeit der (Tarif-) Vereinbarung" i. S. d. § 10 Abs. 4 AÜG einschließlich der inzident zu beantwortenden Frage des Vergangenheitsbezugs der Tarifunfähigkeit der CGZP zu entscheiden wäre. Eine solche sozialgerichtliche Entscheidung ließe sich mit dem gegliederten Rechtsschutzsystem nicht vereinbaren, zumal arbeitsgerichtlich diese Fragestellung noch nicht beantwortet ist. Ein solches "Durchentscheiden" hätte zudem trotz des grds. geltenden Entstehungsprinzips (§ 22 Abs. 1 SGB IV) das wenig sachgerechte Ergebnis zur Folge, dass Sozialversicherungsträger zeitnah Beitragsansprüche realisieren könnten, während entsprechende Lohnklagen der Leiharbeitnehmer selbst, gem. § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG ausgesetzt wären.

Eine Aussetzung gem. § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG kommt in dem vorliegenden Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gleichfalls nicht in Betracht.

Auch in der Literatur wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass für die Vergangenheit die Tarifunfähigkeit weder festgestellt worden ist, noch aus den Entscheidungsgründen der Entscheidung vom 14.12.2010 abgeleitet werden kann (so Zeppenfeld/Faust, NJW 2011, 1643 (1643); Lembke, NZA 2011, 1062 (1067); Friemel, NZS 2011, 851 (851); a.A. Schlegel, NZA 2011, 380 (381)).

Das Vorbringen der Antragsgegnerin, aus den Ausführungen des BAG ergebe sich ohne Weiteres, dass die CGZP auch vor dem 14.12.2010 tarifunfähig gewesen sei, weil nicht erkennbar sei, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse wesentlich geändert hätten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Würde man eine solche Feststellung in die Entscheidung des BAG hineinlesen wollen, wäre nicht plausibel, weshalb das BAG umfassend herausgearbeitet hat, dass und aus welchen Gründen sich der Feststellungsausspruch nur auf die Gegenwart bezieht. Hätte das BAG die Feststellungen auch auf die Vergangenheit ausdehnen wollen, wäre die vorgenommene Differenzierung zwischen vergangenheitsbezogener Feststellung einerseits und gegenwartsbezogener Feststellung andererseits entbehrlich gewesen (vgl. zum Ganzen: Beschluss der 16. Kammer des Sozialgerichts Detmold vom 02.01.2012, Az.: S 16 R 1435/11 ER; im Ergebnis ebenso SG Hamburg 51. Kammer, Beschluss vom 18.11.2011, Az.: S 51 R 1149/11 ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwO).

Das Gericht hat den gem. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 und Abs. 2, 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) festzusetzenden Streitwert in Höhe von einem Viertel des Hauptsachestreitwertes einschließlich Säumniszuschläge zugrunde gelegt und sich hierbei - auch im Interesse an einer einheitlichen Rechtsanwendung - an der Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen orientiert (LSG NRW, Beschl. v. 27.07.2009 - L 8 B 5/09 R ER; LSG NRW, Beschl. v. 31.08.2009 - L 8 B 11/09 R, Beschl. v. 03.09.2009 - L 8 B 12/09 R (juris)).
Rechtskraft
Aus
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