S 2 SO 163/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 163/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Rückforderung doppelt geleisteter Sozialhilfeleistungen unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes und eines lnsolvenzverfahrens.

Die Kläger sind miteinander verheiratet. Sie sind beide Ingenieure. Sie sind Eigentümer des Einfamilienhauses K Straße 00 in C. Sie erhielten für sich und ihre beiden Kinder im Zeitraum Februar 2002 bis Juni 2002 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Die Zahlungen erfolgten für die einzelnen Monate jeweils durch Einzelanweisungen. Durch einen Eingabefehler bei der Beklagten wurde ihnen mit Bescheid vom 24.05.2002 eine Zahlung in Höhe von insgesamt 15.271,20 Euro als Sozialhilfeleistung für die Monate Februar 2002 bis Juni 2002 überwiesen.

Mit Schreiben vom 12.06.2002 wies die Beklagte die Kläger darauf hin, dass die Bewilligung im Bescheid vom 24.05.2002 fehlerhaft erfolgt sei und der Betrag von 15.271,20 Euro zurückgefordert werde. Mit Bescheid vom 21.08.2002 nahm die Beklagte den Bescheid vom 24.05.2002 nach § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X zurück und forderte die versehentlich doppelt gezahlte Sozialhilfe gemäß § 50 SGB X von den Klägern zurück. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids vom 21.08.2002 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 03.09.2002 erhoben die Kläger Widerspruch. Gleichzeitig baten sie um einen Besprechungstermin. Mit Schriftsatz vom 18.09.2002 verwies die Beklagte auf die allgemeinen Öffnungszeiten. Wenn das Schreiben vom 03.09.2002 als Widerspruch behandelt werden solle, so werde um Mitteilung gebeten. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 änderte die Beklagte den Bescheid vom 24.05.2002 dahin ab, dass nur noch von der Klägerin N T 4.315,70 Euro und von dem Kläger I T ein Betrag von 4.601,90 Euro zu erstatten seien. Falsche oder unrichtige Angaben lägen zweifelsfrei nicht vor. Trotzdem könnten die Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da aus dem Bescheid vom 24.05.2002 erkennbar gewesen sei, dass es sich um Leistungen für Februar 2002 bis Juni 2002 gehandelt habe, die Kläger für diesen Zeitraum aber schon entsprechende Zahlungen erhalten hätten. Die in Bezug auf die Kinder geleisteten Beträge würden nicht zurückgefordert, da die Kläger als Eltern die Leistung an die Kinder nicht durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hätten. Für die Aufschlüsselung der Rückforderungsbeträge für die Kläger nach Personen und Monaten wird auf die tabellarische Darstellung im Widerspruchsbescheid vom 17.11.2009 Bezug genommen.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Anliegen weiter. Sie hätten weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt. Auch sei nicht erkennbar gewesen, dass die bisherigen Leistungen abschließend gewesen seien. Die monatlichen Bewilligungen hätten zwischen anfänglich 2.010,97 Euro im Januar 2002 und 3.054,24 Euro im Juni 2002 für die vierköpfige Familie geschwankt. Die Kläger seien mit den Hilfeleistungen ab Anfang 2002 vorn und hinten nicht zurecht gekommen, insbesondere die hohen Schuldverpflichtungen im Zusammenhang mit der Kredittilgung des Hausgrundstücks habe nicht bewerkstelligt werden können. Die Klägerin N T habe sich zudem auf ihren Ehemann verlassen. Sie habe ihre Sorgfaltspflicht schon gar nicht verletzt. Ferner sei die Rückforderung verjährt. Und schließlich sei über das Vermögen des Klägers I T unter dem Aktenzeichen 43 IK 939/05 beim Amtsgericht Bielefeld am 02.02.2006 ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 21.08.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.11.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre bisherigen Ausführungen. Die doppelte Leistung hätte den Klägern auffallen müssen. Sie könnten sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Im laufenden Gerichtsverfahren hat der Insolvenzverwalter und Treuhänder im Verfahren über die Restschuldbefreiung mitgeteilt, dass die Forderung der Stadt C in Höhe von 15.531,31 Euro uneingeschränkt im Insolvenzverfahren festgestellt worden sei. Ferner wurde dem Kläger I T mit Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 06.03.2012 zum Aktenzeichen 43 IK 939/05 Restschuldbefreiung erteilt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage des Klägers 2) I T war zu jedem Zeitpunkt unzulässig. Für die Dauer des Insolvenzverfahrens stand das Verbot, selbst Passivprozesse gegen eigene Verbindlichkeiten zu führen, entgegen. Ab dem Zeitpunkt der Titulierung der Rückforderung in der Insolvenztabelle bestand zudem die entgegenstehende Rechtskraft aus der Feststellung zur Insolvenztabelle der Prozessführung gegen seine Rückforderungsverpflichtung entgegen und ab dem Zeitpunkt der Restschuldbefreiung bestand kein Rechtschutzbedürfnis des Klägers 2) mehr, weil die titulierte Forderung gegen Herrn T durch den Hoheitsakt der Restschuldbefreiung untergegangen ist. Denn gemäß § 80 Abs.1 Insolvenzordnung (InsO) geht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Der Gemeinschuldner verliert dadurch auch das Recht, Rechtsstreitigkeiten, die die Insolvenzmasse betreffen, zu führen. (Wimmer, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 80 Rdnr.5, zitiert aus 3. Auflage). Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass es sich bei der sozialgerichtlichen Anfechtungsklage gleichsam um ein Klageverfahren mit "umgekehrten Vorzeichen" handelt, indem der (mögliche) Zahlungsverpflichtete die Rolle des Klägers und der (mögliche) Forderungsgläubiger die Rolle des Beklagten hat. Dies ergibt sich aus dem Wesen des Insolvenzverfahrens und der Tatsache, dass die Normen der Insolvenzordnung darauf abstellen, ob es inhaltlich um eine Forderung zugunsten des Vermögens, über das das Insolvenzverfahren stattfindet oder zulasten desselbigen geht. Das Insolvenzverfahren ist als Gesamtvollstreckungsverfahren seinem Wesen nach ein Verteilungsverfahren über das aktuell vorhandene Vermögen an alle aktuellen Gläubiger regelmäßig unter Bildung von Zahlungsquoten, da das Vermögen im Insolvenzverfahren in der Regel nicht zur Tilgung aller Verbindlichkeiten genügt. Die Forderungen gegen das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen werden dabei grundsätzlich nicht mehr in einzelnen Gerichtsverfahren tituliert, sondern die Titulierung erfolgt durch Anmeldung und Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle. Ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon laufendes Einzelklageverfahren wird gemäß § 240 ZPO unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften, also nach Maßgabe der §§ 85, 86 InsO, aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Und die Insolvenzgläubiger selbst können ihre Forderungen gemäß § 87 InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Ein neuer Passivprozesse kann (abgesehen um Streitigkeiten über die Aussonderung oder Absonderung einzelner, konkreter Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse) grundsätzlich von einem Insolvenzgläubiger nur nach Maßgabe des § 179 InsO angestrengt werden, wenn eine Forderung gegen das Vermögen des Gemeinschuldners nicht zur Insolvenztabelle festgestellt, also abschließend bestritten wird; ansonsten ersetzt die Insolvenztabelle alle Einzeltitulierungen. Denn die Eintragung in die Tabelle wirkt gemäß § 178 Abs.3 InsO für die Forderungen ihrem Betrag und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern. Von der Bestimmung des § 80 InsO und den weiteren, oben dargelegten Grundsätzen des Insolvenzverfahrens ausgehend, handelt sich bei der sozialgerichtlichen Anfechtungsklage gegen eine Rückforderung zugunsten einer Behörde, die sich gegen das Vermögen richtet, über das ein Insolvenzverfahren anhängig ist, im insolvenzrechtlichen Sinne um einen Passivprozess und nicht um einen Aktivprozess, auch wenn in der Konstellation der Anfechtungsklage der Bürger, von dem die Zahlung begehrt wird, in der Klägerposition ist (vgl. hierzu auch Frankfurter Kommentar zur InsO, § 155 Rdnr.195 für das Steuerrecht). Denn wirtschaftlich geht es bei der Anfechtung der Rückforderung betreffend Herrn T um eine Forderung gegen das Vermögen des Herrn T und nicht um einen Anspruch zugunsten des Herrn T. Es geht also darum, dass Vermögen aus der Masse abfließen sollte, also nicht darum dass Vermögen dieser zufließen sollte. Da das Insolvenzverfahren bereits am 02.02.2006, also vor Klageerhebung eröffnet wurde, ergibt sich die mangelnde Prozessführungsbefugnis des Gemeinschuldners hier schon aus dem oben genannten allgemeinen Verwaltungsverbot des § 80 InsO. Hiervon bestimmt § 85 InsO nur eine Ausnahme für schon zuvor schon begonnene Aktivprozesse. Rechtsstreitigkeiten über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Schuldner anhängig sind, können in der Lage, in der sie sich befinden, vom Insolvenzverwalter gemäß § 85 Abs.1 Satz 1 InsO aufgenommen werden. Lehnt der Verwalter die Aufnahme des Rechtsstreits ab, so können sowohl der Schuldner als auch der Gläubiger den Rechtsstreit gemäß § 85 Abs.2 InsO aufnehmen. Wie oben dargelegt handelt es sich bei der hiesigen Anfechtungsklage jedoch um einen Passivprozess im Sinne des Insolvenzrechts und dieser wurde auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens angestrengt. Für Passivprozesse bleibt es grundsätzlich bei der Bestimmung des § 87 InsO, wonach die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen können, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle. Eine Ausnahme hierfür bestimmt § 86 InsO nur für die hier nicht einschlägigen Fallkonstellationen der Aussonderung eines Gegenstandes aus der Insolvenzmasse, einer abgesonderten Befriedigung oder einer Geltendmachung einer Masseverbindlichkeit. Das Insolvenzverfahren entfaltet durch die inzidente Funktion als Gesamttitulierungsverfahren vor dem eigentlichen Akt der Gesamtverteilung eine Sperrwirkung für Maßnahmen der Einzeltitulierung auch für hoheitliche Forderungen (vgl. Frankfurter Kommentar zur InsO § 155 Rdnr.178). Die hoheitliche Forderung nimmt keine Sonderposition ein (Frankfurter Kommentar, a.a.O. Rdnr. 179). Demgegenüber können gegen den Ehegatten im laufenden Insolvenzverfahren weiterhin Bescheide erlassen werden (Frankfurter Kommentar, a.a.O., Rdnr.185 für das Steuerrecht). Die Klage des Klägers 2) ist auch mit Abschluss des (eigentlichen) Insolvenzverfahrens, insbesondere während der Durchführung des Restschuldbefreiungsverfahrens nicht zulässig geworden. Denn die streitgegenständliche Forderung der Stadt C wurde zwischenzeitlich in Höhe von 15.531,31 Euro zur Insolvenztabelle angemeldet und in voller Höhe festgestellt. Sie ist somit gemäß § 178 Abs.3 InsO wie durch ein Urteil tituliert. Ab dem Zeitpunkt der Feststellung zur Insolvenztabelle ist die Klage des Klägers 2) unter dem Aspekt der entgegenstehenden Rechtskraft unzulässig. Soweit durch den Widerspruchsbescheid der geforderte Betrag von über 15.000 Euro auf 4.601,90 Euro später reduziert wurde, erfolgte dies lediglich zugunsten des Klägers I T und nicht zu seinen Lasten. Insoweit fehlt es an einer zusätzlichen, neuen Beschwer. Eine solche Forderungsreduktion durch Verwaltungsakt nach Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle ist jedenfalls für den Bereich des Steuerrechts allgemein anerkannt (dazu Frankfurter Kommentar zur InsO, § 155 Rdnr. 221). Und die Klage des Klägers 2) ist auch mit der Erteilung der Restschuldbefreiung am 06.03.2012 nicht zulässig geworden. Denn durch diesen Hoheitsakt ist die Forderung gegenüber dem Kläger 2) untergegangen. Ist der Schuldner eine natürliche Person, so wird er gemäß § 286 InsO nach Maßgabe der §§ 287-303 InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit. Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gemäß § 301 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger. Ist die Forderung untergegangen, so fehlt es dem Kläger 2) am Rechtschutzbedürfnis.

Die Klage der Klägerin 1) ist hingegen zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, gemäß § 45 Abs.1 SGB X nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf gemäß § 45 Abs.2 SGB X nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind gemäß § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Hiervon ausgehend muss der Klägerin 1) ebenso wie dem Kläger 2) schon bei einer einfachsten Hochrechnung auffallen, dass die Sozialhilfe als Grundsicherungsleistung für eine vierköpfige Familie nicht in einer Höhe geleistet werden kann, die einem Nettoeinkommen von über 4.000 Euro monatlich entspricht. Die Kläger haben auf das Konto der Klägerin 1) einen Betrag von 15.271,20 Euro zusätzlich zu den laufend erfolgten monatlichen Zahlungen erhalten. Ferner gibt der Eingang eines Einzelbetrags von 15.271,20 Euro dem einfachen, nicht allzu reichen Bürger Anlass genug, über den Grund und die Richtigkeit des Zahlungseingangs nachzudenken, weil es jedenfalls für den einfachen Bürger kein alltäglicher Zahlbetrag ist. Wenn die Eheleute bereits monatlich über 2000 Euro überwiesen bekommen haben und im Rahmen einer Nachbewilligung dann nochmals umgerechnet selbigen Betrag bewilligt bekommen und noch dazu mit einer Einzelüberweisung von über 15.000 Euro erhalten haben, so muss jedem Hilfeempfänger der halbwegs rechnen kann, auffallen, dass das einem Nettoeinkommen von über 4000 Euro entspricht. Die Eheleute T sind beide Ingenieure und daher des Rechnens mächtig und in der Lage Sachverhalte zu durchdenken. Irgendein vernünftiger Grund, warum die Klägerin 1) ebenso wie der Kläger 2) den Sachverhalt nicht erkannt haben könnte, ist nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin 1) ihren Ehemann für sich hat handeln lassen, ohne die Zahlungseingänge und Bescheide selbst zu prüfen, so muss sie sich das Wissen und Fehlverhalten des Klägers 2) zurechnen lassen.

Die Beklagte trifft allerdings ein erhebliches Mitverschulden. Die fehlerhafte Doppelbewilligung beruht ausschließlich auf einem Fehler der Beklagten. Nebenbei weist das Vorgehen der Beklagten auch in der Abwicklung des erkannten Fehlers deutliche Schwächen auf. So hat der Kläger 2) im September 2002 um einen Besprechungstermin gebeten. Anstatt einen konkreten Termin zu vereinbaren, hat man zur Klärung einer Überzahlung von über 15.000 Euro (!) lediglich auf die allgemeinen Öffnungszeiten hingewiesen, anstatt sofort einen individuellen Termin zu vereinbaren. Und anschließend hat man das Schreiben vom 03.09.2002 nicht zeitnah als Widerspruch behandelt, sondern lediglich um Mitteilung gebeten, ob es sich um einen Widerspruch handeln solle. Diese Anfrage ist dann zunächst nicht weiterverfolgt worden, obwohl es sich bei dem Schreiben vom 03.09.2002 inhaltlich eindeutig um einen Widerspruch handelt, da der Kläger I T namens der Eheleute ("wir, uns ") deutlich zum Ausdruck bringt, dass er mit der Entscheidung nicht einverstanden ist. Dem Aspekt des Mitverschuldens hat die Beklagte jedoch bereits Rechnung getragen, indem sie die Rückforderungsbeträge bereits erheblich reduziert hat.

Was den Einwand anbelangt, aufgrund der Restschuldbefreiung des Klägers 2) könne auch die Klägerin 1) nicht mehr in Anspruch genommen werden, weil es sich um eine gestörte Gesamtschuld handle, trägt dieses Argument nicht. Zum einen liegt keine Gesamtschuld vor, sondern von Herrn und Frau T werden getrennt die für ihre jeweilige Person doppelt bewilligten Beträge zurückgefordert, dies geschieht lediglich äußerlich in einem Bescheid. Zum anderen bringt auch die Bestimmung des § 301 Abs.2 InsO über die Wirkung der Restschuldbefreiung klar zum Ausdruck, dass die Schuldbefreiung im Außenverhältnis nicht zugunsten anderer Schuldner wirkt. Denn die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden gemäß § 301 Abs.2 Satz 1 InsO durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. § 301 Abs.2 Satz 2 InsO bestimmt lediglich, dass der Schuldner gegenüber den Mitschuldnern im Innenverhältnis befreit wird.

Und schließlich ist die Forderung auch nicht verjährt, da der Ausgangsbescheid betreffend die Überzahlung im Mai 2002 bereits vom 21.08.2002 datiert, also bereits die Jahresfrist des § 45 Abs.4 Satz 2 SGB X offensichtlich gewahrt ist, selbst wenn sie mit dem Tag der Doppelüberweisung beginnen würde (die überwiegende Rechtsprechung sieht den Fristbeginn ohnehin erst mit Ende der Anhörung).
Rechtskraft
Aus
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