S 7 R 744/12 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 7 R 744/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 641/12 B ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.05.2012 wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Antragstellerin, die Firma Z GmbH aus M begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.05.2012. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.05.2012, mit dem die Antragsgegnerin Sozialversicherungsbeiträge nachforderte. Die Nachforderung betrafen u.a. den Zeitraum ab dem 01.12.2005. Als Unternehmen der Zeitarbeitsbranche schloss die Antragstellerin Tarifverträge mit der Tarifgemeinschaft " Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalagenturen (CGZP) " Die Antragstellerin wurde hierbei durch den Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) beim Tarifvertragsabschluss vertreten.

Mit Gerichtsbeschluss vom 14.12.2010( Az.: 1 ABA19/10) stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Tarifunfähigkeit der CGZP fest. Ausweislich des Gerichtsbeschlusses stellte das BAG die Tarifunfähigkeit der CGZP mit Wirkung ab 14.12.2010 fest, da dieses entsprechend von den Prozessbeteiligten zum Streitgegenstand gemacht worden war. Die Antragsgegnerin führte nach der BAG – Entscheidung vom 14.12.2010 eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durch. Hierbei wurde der Zeitraum ab dem 01.12.2005 Gegenstand der Betriebsprüfung gemacht. Mit dem mit Widerspruch angefochtenen Bescheid vom 30.05.2012 stellte die Antragsgegnerin einen Sozialversicherungsbeitrag von insgesamt 273.000,- EUR zuzüglich Forderungen der gesetzlichen Unfallversicherung, gegen die Antragstellerin fest. Den die Antragstellerin gegen den Bescheid Widerspruch am 14.06.2012 eingelegt hatte und zugleich die Aussetzung der Vollziehung beantragt hatte, wies die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 11.07.2012 die Möglichkeit einer Aussetzung der Vollziehung im Rahmen einer Stundung hin. Eine Aussetzung der Vollziehung könne nicht stattfinden. Am 10.07.2012 hat die Antragstellerin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim erkennenden Sozialgericht gestellt. Zur Begründung verweist sie darauf, sie bereits in ihrem umfangreichen Widerspruchsschreiben vom 14.06.2012 dargelegt habe, warum eine Aussetzung der Vollziehung geboten sei. Sei u.a.die Rechtswidrigkeit der angewandten Tarifverträge für die Antragstellerin nicht von vornherein erkennbar gewesen, insoweit habe Vertrauensschutz auf Seiten der Antragstellerin bestanden. Dürfe insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, dass staatliche Verwaltungsstellen auf der Anwendung von Tarifverträgen bestanden hätten und nicht selten die Anwendung der hier in Frage stehenden Tarifverträge der CGZP empfohlen hätten. Letztendlich hätte kein durchschnittlicher Zeitarbeitsunternehmer Zweifel an der Wirksamkeit der von ihnen angewendeten Tarifverträge haben müssen. Daneben sei auch zu berücksichtigen, dass das BAG der CGZP erst ab dem 14.12.2010 die Tariffähigkeit abgesprochen habe. Insoweit sei zumindest für den Zeitraum davor von einer Rechtmäßigkeit der angewandten Tarifverträge auszugehen.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den angefochtenen Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.05.2012 anzuordnen, soweit die Antragsgegnerin Nachforderungen für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 geltend mache.

Die Antragsgegnerin stellt keinen Antrag.

In den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Inhalt der Antragsschrift und die dieser beigefügten Anlagen verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Gem. § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr.2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch- und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gem. § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG. Bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beiträgs- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen oder sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Interesses des Antragstellers an einem Aufschub einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Bescheides andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist gem. § 86 a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (so LSG NRW im Beschluss vom 13.07.2011, L 8R 290/11 BER). Grundsätzlich verlagert § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden auf den Adressaten, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Pflicht zur Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen handelt. Es können daher nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Beitragsbescheides ein Interesse am Aufschub begründen, wenn ein Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich sein kann (LSG Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/11 BER). Wesentlich ist insoweit, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht.

Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der angefochtene Beitragsbescheid vom 30.05.2012 rechtswidrig ist und damit im Widerspruchsverfahren Rechtsbehelf der Antragsteller nachgegangen wird, ist nicht zu erkennen.

Nach § 28 p Abs, 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen, sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken- Pflege- und Rentenversicherung, sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern.

Den Beteiligten ist die Berechnung der Sozialversicherungspflicht auf der Grundlage der gewährten Arbeitsentgelte an die Arbeitnehmer nicht umstritten. Wesentlich wendet sich die Antragstellerin allein dagegen, inwieweit die arbeitsvertraglichen Regelungen der Tarifverträge, die mit der CGZP geschlossen worden sind, auch für den Zeitraum 01.12.2005 bis 31.12.2006 rechtswidrig aufgrund fehlender Tariffähigkeit der CGZP sind.

Die 7. Kammer des Sozialgerichts geht davon aus, dass mit Beschluss des BAG vom 14.12.2011 die Tarifunfähigkeit der CGZP allgemein gestellt worden ist. Soweit das BAG eine solche Tarifunfähigkeit allein für den Zeitraum ab 14.12.2010 ausdrücklich festgestellt hat, liegt diese Verbindung des Gerichts an die gestellten Anträge der Prozessbeteiligten. Aufgrund der in arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Dispositionsmaxime der Beteiligten bestimmen diese allein die mögliche Reichweite einer gerichtlichen Entscheidung. Das Gericht ist gehindert über diese Anträge hinaus zu gehen und insoweit Zeiträume zu erweitern. Lässt sich aber der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 entnehmen, mit welchen Argumenten der CGZP Tariffähigkeit zumindest für den streitigen Zeitraum ab 14.12.2010 abgesprochen worden ist. In der Folge ist damit auch der entsprechende Tarifvertrag rechtlich unwirksam gewesen und damit nicht bindend. Den Gründen der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 lassen sich aber grundsätzlichen Kriterien hinsichtlich der Tariffähigkeit von Tarifvertragsparteien, hier auch der CGZP, entnehmen, die ebenfalls für den Zeitraum vor dem 14.12.2010 zugrundegelegt werden können.

Demgemäß besteht nach Auffassung des erkennenden Gerichts keinerlei Veranlassung daran zu zweifeln, dass die CGZP ebenfalls in der Vergangenheit, also ab dem 01.12.2005 ebenfalls Tarifunfähigkeit gewesen ist, sodass die von ihr geschlossenen Tarifverträge unwirksam waren. Nach eigener Prüfung geht das Gericht davon aus, dass die CGZP auch bereits im Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 tarifunfähig war, so dass für die Bemessung der Beitragspflicht die Tarifverträge der CGZP nicht zur Anwendung gelangen konnten. Letztendlich ergibt sich daraus ein Vergütungsanspruch der einzelnen Arbeitnehmer aus § 10 Abs. 4 S. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), wonach den Leiharbeitnehmern vergleichbar hohes Entgelt zu zahlen ist wie anderen Arbeitnehmern im Betrieb des Entleihers. Diesem offensichtlich höheren Entgelt resultiert unstreitig die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin. Es sind bereits nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin keine Gründe vorgetragen worden, dass die Antragsgegnerin insoweit einen fehlerhaften Vergleichslohn für die Berechnung der Beitragsnachforderung zugrundegelegt haben soll. Da nach § 22 Abs. 1 S.1 SGB IV der Beitragsanspruch der Antragsgegnerin entsteht, soweit die gesetzlichen Bestimmungen vorliegen, ist dieser Beitragsanspruch unmittelbar durchsetzbar.

Soweit die Antragstellerin Vertrauensschutzargumente für sich beansprucht, vermag das Gericht dies nicht zu teilen. Nach § 22 SGB IV bedarf es für die entstandenen Beitragspflichten nicht einer Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt, sondern eine solche Beitragspflicht entsteht unmittelbar mit Eintreten der gesetzlichen Voraussetzungen. Dass die Bundesagentur für Arbeit auf den Abschluss von Tarifverträgen bestanden hat oder dass andere Arbeitgeber im öffentlichen Raum ebenfalls Tarifverträge der CGZP angewandt haben zeigt allenfalls ein fehlerhaftes rechtliches Verständnis, vermag aber einen Vertrauensschutz nicht begründen.

Nach Ansicht des Gerichts geht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Rechtsbehelf des Widerspruchs erfolgversprechend von der Antragstellerin verfolgt werden kann und soweit die aus Sicht berechtigte Beitragsforderung von der Antragstellerin unmittelbar befriedigt werden kann, ist sie auf die Frage der Stundung oder Ratenzahlung hinzuweisen, wie es die Antragsgegnerin zutreffend mit ihrem Schreiben vom 11.07.2012 getan hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V. m. 154 Abs. 1 VGO.
Rechtskraft
Aus
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