S 2 SO 97/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 97/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Überleitungsanzeige.

Der Kläger ist der Enkelsohn der I L, geboren am 00.00.1919. Diese erhält seit dem 01.12.2011 laufende Leistungen nach dem SGB XII von der Beklagten in Form von Hilfe zur Pflege.

Durch notariellen Vertrag aus dem Jahre 1994 hat der Großvater des Klägers und Ehegatte der Hilfeempfängerin I L, Herr I1 L, das Hausgrundstück N-Weg 00 in C auf die Tochter K D übertragen. Gleichzeitig wurde ein unentgeltliches lebenslanges Nießbrauchsrecht zugunsten der Eheleute I1 und I L vereinbart und bestellt. Die Tochter K D ist inzwischen verstorben. Erbe und somit auch Eigentümer des Hausgrundstücks wurde der hiesige Kläger. Im Jahre 2011 erfolgten bauliche Maßnahmen an dem Objekt, die von Frau I L getragen wurden. Insbesondere wurden umfangreiche Elektroinstallationen durchgeführt. Für den Umfang der Arbeiten wird auf die Rechnung des Unternehmens P Haustechnik vom 16.12.2011 in der Akte der Beklagten Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 20.09.2012 leitete die Beklagte einen Schenkungsrückforderungsanspruch der Hilfeempfängerin I L gegenüber ihrem Enkel, dem hiesigen Kläger, auf sich über. Bisher seien Sozialhilfeaufwendungen von über 6100 Euro an die Großmutter erbracht worden. Der Kläger sei Eigentümer des Hausgrundstücks N-Weg 00 in C. Ausweislich des notariellen Vertrags vom 05.12.1994 habe die Großmutter ein unbefristetes Nießbrauchsrecht an dem Grundbesitz. Im letzten Jahr seien Umbaumaßnahmen erfolgt. Die Kosten in Höhe von 6100,26 Euro seien von der Großmutter getragen worden. Nach § 1041 BGB habe der Nießbraucher für die Erhaltung der Sache zu sorgen. Ausbesserungen und Erneuerungen habe der Nießbraucher nur zu tragen, soweit sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehörten. Für Aufwendungen, die über die gewöhnliche Unterhaltung hinausgingen, könne der Nießbraucher vom Eigentümer Ersatz verlangen. Bei den durchgeführten Umbaumaßnahmen handle es sich nicht um Ausgaben für die gewöhnliche Unterhaltung der Wohnung. Daher sei es Sache des Eigentümers, die Kosten dafür zu tragen.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Er sei nicht durch Schenkung aufgrund des notariellen Vertrags vom 05.12.1994 Eigentümer geworden. Er habe dieses Hausgrundstück vielmehr geerbt. Soweit 6100,26 Euro für Umbaumaßnahmen ausgegeben worden seien, handle es sich nicht um eine Schenkung zugunsten des Klägers. Nach § 516 BGB hätte diese Zuwendung unentgeltlich, also ohne Gegenleistung, erfolgen müssen. Als Gegenleistungen seien hier aber die Mieteinnahmen für die umgebaute Wohnung zu berücksichtigen. Der Kläger sei auch nicht in der Lage, den Betrag von 6100,26 Euro zu erstatten. Er habe vom 15.08.2011 bis zum 14.08.2012 den Bundesfreiwilligendienst abgeleistet. Er lebe nun vom Naturalunterhalt des Vaters. Durch die Herausgabe sei sein standesgemäßer Unterhalt gefährdet. Bei den Elektroinstallationsarbeiten habe es sich ohnehin um unbedingt notwendige Maßnahmen gehandelt. Die im Haus vorhandene Elektrik habe nicht nur nicht den Regeln der Kunst entsprochen, sondern sei sogar als gefährlich einzustufen gewesen. Ferner seien die Stromkreise der verschiedenen Wohnung zu trennen gewesen. Auch die Neuaufteilung der Zimmer sei wegen des ungünstigen Zuschnitts erforderlich gewesen, da es zwei kleine Zimmer mit unter 8 qm gegeben habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.02.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Erneuerung der Elektrik sei keine notwendige, wiederkehrende Erhaltungsmaßnahme im Sinne des § 1041 BGB. Es handle sich nicht um eine normale Verschleißreparatur. Dass die Großmutter die Kosten getragen habe, sei daher als Schenkung im Sinne des § 516 BGB zu werten. Daher bestehe ein Schenkungsrückforderungsanspruch. Die Überleitung dieses Anspruchs sei rechtmäßig.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter und wiederholt seine Argumentation.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 20.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auch sie wiederholt ihre bisherigen Ausführungen.

Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Verwaltungsverfahrens. Dieser war Inhalt der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger ist nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beschwert. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 20.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.02.2013 ist rechtmäßig und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Hat eine leistungsberechtigte Person oder haben bei Gewährung von Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel auch ihre Eltern, ihr nicht getrennt lebender Ehegatte oder ihr Lebenspartner für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des § 12 des Ersten Buches ist, kann der Träger der Sozialhilfe gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht. Er kann den Übergang dieses Anspruchs auch wegen seiner Aufwendungen für diejenigen Leistungen des Dritten und Vierten Kapitels bewirken, die er gleichzeitig mit den Leistungen für die in Satz 1 genannte leistungsberechtigte Person, deren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und deren minderjährige unverheiratete Kinder erbringt. Der Übergang des Anspruchs darf nur insoweit bewirkt werden, als bei rechtzeitiger Leistung des anderen entweder die Leistung nicht erbracht worden wäre oder in den Fällen des § 19 Abs. 5 und des § 92 Abs. 1 Aufwendungsersatz oder ein Kostenbeitrag zu leisten wäre. Der Übergang ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden kann. Die schriftliche Anzeige bewirkt gemäß § 93 Abs. 2 SGB XII den Übergang des Anspruchs für die Zeit, für die der leistungsberechtigten Person die Leistung ohne Unterbrechung erbracht wird. Als Unterbrechung gilt ein Zeitraum von mehr als zwei Monaten.

Die Überleitungsanzeige setzt nach ständiger Rechtsprechung lediglich einen möglichen Anspruch voraus, der als solcher bereits übergeleitet werden kann. Ob dieser Anspruch tatsächlich besteht, ist dann vor dem zuständigen Fachgericht, bei zivilrechtlichen Ansprüchen also vor den ordentlichen Gerichten, zu klären, indem die Behörde den übergeleiteten möglichen Anspruch dort einklagen muss. Dabei hat sie keine bessere oder weitergehende Rechtsposition als der ursprüngliche Gläubiger selbst. Über die Rechtmäßigkeit rechtswegfremder Forderungen hat das Sozialgericht nicht zu befinden (vgl. LSG NRW vom 18.07.2007 zu Az. L 20 B 16/07 SO). Das Sozialgericht nimmt nur eine sogenannte Negativevidenzprüfung hinsichtlich des überzuleitenden Anspruchs vor; die Überleitung ist nur ausgeschlossen, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht besteht (Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 93 Rdnr. 10 unter Hinweis auf BVerwG E 34, 219, E 92, 281 und andere).

Eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, ist gemäß § 516 Abs. 1 BGB Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Soweit der Schenker nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er gemäß § 528 BGB von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags abwenden. Auf die Verpflichtung des Beschenkten findet die Vorschrift des § 760 sowie die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltende Vorschrift des § 1613 und im Falle des Todes des Schenkers auch die Vorschrift des § 1615 entsprechende Anwendung. Der Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes ist gemäß § 529 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat oder wenn zur Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind. Das Gleiche gilt gemäß § 529 Abs. 2 BGB, soweit der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, das Geschenk herauszugeben, ohne dass sein standesmäßiger Unterhalt oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird.

Hiervon ausgehend ist im vorliegenden Fall ein Schenkungsrückforderungsanspruch möglich. Dieser mögliche Anspruch konnte übergeleitet werden. Ob er dann tatsächlich und in welcher Höhe besteht, muss gegebenenfalls vor dem Zivilgericht geklärt werden. Die zivilrechtlichen Bestimmungen über die Schenkung sehen die Möglichkeit einer Schenkungsrückforderung vor. Die Übernahme der Kosten der neuen Elektroinstallationen und der neuen Raumaufteilung im Haus sind jedenfalls nicht ganz offensichtlich bloße Erhaltungsmaßnahme. Vielmehr sprechen gewichtige Argumente dafür, dass es sich um substantielle Veränderungen des Gebäudes handelt, die nicht gemäß § 1041 BGB vom Nießbrauchsberechtigten zu tragen sind, der lediglich die vorhandene Sache zu erhalten, aber keine Substanzverbesserungen vorzunehmen hat. Was den Einwand im Verwaltungsverfahren betrifft, der Kläger habe das Gebäude geerbt und nicht durch den notariellen Vertrag vom 05.12.1994 erworben, mag der Kläger die Bestimmung des § 1922 BGB über die Universalsukzession des Erben im Wege des Vonselbsterwerbs beachten. Daher ist der Kläger in gleicher Weise aus dem damaligen Vertrag berechtigt und verpflichtet wie die Erblasserin selbst. An der Situation um die finanzielle Zuwendung im Jahre 2011 vermag der Einwand ohnehin nichts zu ändern.

Auch der Einwand, durch die Tragung der Umbaukosten könnten nun Mieteinnahmen generiert werden, vermag nichts an der Beurteilung zu ändern. Soweit die Mieteinnahmen der Hilfeempfängerin zufließen, sind sie dort als Einkommen zu beachten. Das Recht, diese Mieten zu vereinnahmen, resultiert dann aber aus dem Nießbrauchsrecht. Insoweit hat der Kläger seiner Großmutter dann aber keine Gegenleistung im Sinne einer zusätzlichen, neuen Rechtsposition gewährt. Dass die Großmutter die Kosten der baulichen Maßnahme getragen hat, war dann noch nicht synallagmatisch. Und jedenfalls ist hier eine Schenkung nicht schon evident ausgeschlossen. Doch nur darauf kommt es im Rahmen der Negativevidenzprüfung an. Ob und in welcher Höhe der mögliche Schenkungsrückforderungsanspruch besteht, prüft gegebenenfalls das Zivilgericht. Denn welche Rechte und Pflichten sich hinsichtlich des Erhalts oder der Pflege oder der Modernisierung des Hausgrundstücks im Detail aus den gesetzlichen Bestimmungen im Lichte des konkreten notariellen Grundstücksübertragungsvertrags ergeben, bedarf der individuellen Prüfung. Diese ist dem Zivilgericht vorbehalten.

Die Kostenentscheidung beruht hier auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO, da der Klägerin als Schuldner des übergeleiteten Anspruchs nicht unter das Privileg der Kostenfreiheit aus § 183 SGG fällt, da er nicht zu dem dort genannten Personenkreis der Versicherten, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderten Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I gehört, die in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagter beteiligt sind (siehe dazu auch Entscheidung des Bay. LSG, L 8 SO 136/10 vom 25.11.2010). Und auch die Beklagte gehört nicht zu dem dort genannten Personenkreis. Nach § 154 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Da Kosten nicht zu erstatten sind, verbleiben die anfallenden Gerichtskosten bei dem Kläger.
Rechtskraft
Aus
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