S 1 U 14/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 1 U 14/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 08.03.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20.12.2012 verurteilt, den Klägern Hinterbliebenenleistungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 - 3 SGB VII nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger Anspruch auf die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung haben.

Die Klägerin zu 1.) ist die Tochter, der Kläger zu 2.) der Sohn des am 00.00.1980 geborenen und am 00.00.2011 verstorbenen K C.

Der Arbeitgeber von Herrn K C, die Firma P J, L, teilte der Beklagten am 28.11.2011 mit, der bei ihr als Pressesprecher beschäftigte K C sei am 25.11.2011 in B/Ghana tödlich verunglückt. Herr C habe sich zusammen mit einer Redakteurin des Deutschlandfunks in Ghana befunden. Es sei um eine Reportage des Deutschlandfunks über Projekte der P J gegangen. Am 25.11.2011 sei Herr C zusammen mit der Redakteurin wohl im Meer schwimmen gewesen und durch die Strömung ertrunken. Die Mitarbeiterin des Deutschlandfunks - Frau H L1 - habe gerettet werden können. Herr C sei ledig gewesen und habe zwei Kinder im Alter von unter 18 Jahren.

In einer Unfallanzeige vom 09.01.2012 teilte Herr T L2, Vorstand der Firma P J, der Beklagten ergänzend mit, im Rahmen seiner Position als Pressesprecher habe es zu Herrn Cs Aufgaben gehört, Journalisten auf Auslandsreisen zu begleiten, um die Arbeit der Stiftung bekannt zu machen. Während einer solchen Journalistenreise nach Ghana sei Herr C im Rahmen der Betreuung der Journalistin H L1 mit dieser sowie einem ghanaischen Mitarbeiter an den C1-Beach gegangen. Herr C und Frau H L1 seien ins Meer schwimmen gegangen. Im Meer sei Herr C von der starken Strömung erfasst worden und ertrunken, während Frau H L1 gerettet werden konnte. Der Unfall habe sich während der Arbeitszeit im Rahmen der Betreuung der Journalistin Frau L1 ereignet.

Die Beklagte zog die Ermittlungsakte von der Staatsanwaltschaft Bielefeld 446 UJs 385/11 bei und erteilte am 08.03.2012 Bescheide, mit denen sie die Anerkennung des Ereignisses vom 25.11.2011 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen nach den § 63 ff. SGB VII ablehnte. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Herr K C sei Pressesprecher der P J Deutschland gewesen und in dieser Eigenschaft in Ghana unter anderem mit einer Reporterin unterwegs gewesen. Am 25.11.2011 seien Herr C und die Reporterin bereits gegen 13.00 Uhr mit der Arbeit fertig gewesen und hätten beschlossen, noch schwimmen zu gehen. Mit einem Boot seien sie vom B1 Beach S zum C1-Beach gefahren. Als Herr C dort mit der Reporterin schwimmen gewesen sei, sei Herr C vermutlich aufgrund von Wasserströmungen ertrunken. Rettungsversuche durch dortige Personen seien ohne Erfolg geblieben. Hierbei handele es sich um einen Unfall im Rahmen der persönlichen Freizeitgestaltung, welcher grundsätzlich nicht vom Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt werde. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nach § 63 ff. SGB VII bestehe aus Anlass des Ereignisses vom 25.11.2011 nicht.

Die Kläger legten gegen diese Bescheide Widerspruch ein. Zur Begründung vertraten sie im Wesentlichen die Auffassung, Herr C sei bei einem Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII ums Leben gekommen. Entgegen der Begründung des Ablehnungsbescheides vom 08.03.2012 habe die Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallereignisses, das zum Tod von Herrn C geführt habe, namentlich der Aufenthalt im Meer, in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden. Es habe sich nicht um einen Unfall im Rahmen der persönlichen Freizeitgestaltung gehandelt. Herr C habe als Pressesprecher von P J Deutschland die Reporterin H L1 auf ihrer Auslandsreise nach Ghana/Afrika begleitet. Ob es sich bei dem Schwimmen im Meer um eine persönliche Freizeitgestaltung gehandelt habe, sei somit für die Reporterin H L1 einerseits, und für Herrn C andererseits differenziert zu betrachten. Herr C habe von der Unternehmensleitung, nämlich von dem Vorstand von P J Deutschland, Herrn T L2, selbst ausdrücklich die Anweisung erhalten, Frau L1 "auf Schritt und Tritt" zu begleiten. Hiervon seien ausdrücklich auch Freizeitgestaltungen von Frau L1 betroffen gewesen, wie etwa Restaurantbesuche, Besuche auf dem Markt oder sportliche Aktivitäten. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass es sich bei P J Deutschland um ein Fundraising-Unternehmen handele, welches aus der Natur der Sache folgend von einem möglichst positiven Bild in der Öffentlichkeit lebe. Dementsprechend habe Herr C von der Unternehmensleitung von P J Deutschland ausdrücklich den Auftrag erhalten, für eben dieses positive Bild in der Öffentlichkeit zu sorgen, dass er Frau L1 rund um die Uhr begleite und dabei insbesondere auch Frau L1 in ihrer Freizeit begleite, um auf diese Weise auch im Rahmen der Freizeitgestaltung von Frau L1 durch das Schaffen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses dafür zu sorgen, dass Frau L1 bei ihren späteren Berichten im Radio das so durch das Verhalten von Herrn C geschaffene positive Bild von P J Deutschland in die Öffentlichkeit trage. Auf der Grundlage dieses Auftrags habe Herr C Frau L1 auch beim Schwimmen im Meer begleitet. Vor diesem Hintergrund habe auch das Schwimmen im Meer in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Pressesprecher von P J Deutschland gestanden, und zwar unabhängig davon, ob das Schwimmen im Meer für Frau L1 selber als persönliche Freizeitgestaltung anzusehen sei. Herr C habe dabei in Ausübung des ihm durch den Vorstand von P J Deutschland ausdrücklich übertragenen Auftrags gehandelt, Frau L1 rund um die Uhr, insbesondere auch bei der Freizeitgestaltung zu begleiten, um so ein möglichst positives Bild von P J Deutschland an Frau L1 in ihrer Eigenschaft als Radioreporterin zu vermitteln. Die Dienstreise von Herrn C habe unstreitig im Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit als Pressesprecher der P J Deutschland gestanden. Im sachlichen Zusammenhang stünden sämtliche Tätigkeiten, die rechtlich wesentlich mit dem Beschäftigungsverhältnis zusammenhingen, diese seien daher unfallversicherungsrechtlich geschützt. Der wesentliche Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis ergebe sich aus dem Umstand, dass Herr C aufgrund der dienstlichen Anweisungen seines Arbeitgebers verpflichtet gewesen sei, die Journalistin H L1 umfassend zu betreuen und zu allen Terminen zu begleiten. Er sei zuständig gewesen für das gesamte Programm, einschließlich etwaiger Erholungs- und Freizeitaktivitäten. Auf dem Rückweg von dem Besuch der S1 J School seien die Temperaturen am 25.11.2011 in der Mittagszeit stark angestiegen auf über 30 Grad Celsius. Das tropische feuchtheiße Klima sei so unerträglich gewesen, dass sich die Beteiligten zu einer Abkühlung im Atlantik entschlossen hätten, um ihre Arbeitskraft im Hinblick auf das weitere bevorstehende Interview zu erhalten. Der auf dem Rückweg zum Hotel eingeschlagene Umweg zum C1 Beach sei also wesentlich durch dienstliche Belange veranlasst gewesen. Während des Schwimmens sei es für Herrn C zu dem tragischen Arbeitsunfall gekommen, der für ihn tödlich geendet habe. Insoweit handele es sich um eine geringfügige Unterbrechung des Arbeitstages. Entscheidend sei, dass der Unfall nicht eingetreten wäre, wenn die versicherte Tätigkeit in Form der Dienstreise und der damit verbundenen Entsendung nach Ghana den Versicherten K C nicht in die Gefahrensituation gebracht hätte. Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid sei es nicht so gewesen, dass Herr C und die Journalistin am 25.11.2011 schon um 13.00 Uhr "mit der Arbeit fertig" gewesen seien und dann beschlossen hätten "noch schwimmen zu gehen". Es sei auch nicht so gewesen, dass sie mit einem Boot vom B1 Beach S zum C1 Beach gefahren seien.

Die Beklagte holte anschließend ergänzende Stellungnahmen von der Firma P J Deutschland und von Frau H L1 ein. Die Firma P J teilte der Beklagten mit, einen großen Teil von Herrn Cs Arbeit als Pressesprecher bilde das Knüpfen und Pflegen von Pressekontakten und die Betreuung von Journalisten, um die Arbeit von P J durch die Medien bekannter zu machen. Wenn sich ein guter Kontakt zu einem Journalisten entwickelt habe, habe Herr C diesen eng bei den Veranstaltungen im Inland aber auch bei Journalistenreisen in die Projektländer begleitet. Während dieser Reisen habe Herr C die Funktion des Reiseleiters übernommen und sei dafür verantwortlich gewesen, dass es insgesamt eine erfolgreiche Reise werde. Das heiße, er habe sich zum einen darum gekümmert, dass die Journalisten, die für ihre Berichterstattung passenden Orte und Personen kennenlernten und entsprechendes Bildmaterial beschaffen konnten. Zum anderen sei er während dieser Reisen für das Freizeitprogramm der Journalisten zuständig gewesen und habe diesen Journalisten zum Beispiel bei Markt- und Strandbesuchen oder während kultureller Aktivitäten begleitet. Dies sei ebenso der Fall gewesen bei Herrn Cs Reise nach Ghana mit der Journalistin H L1. Im Sinne einer positiven Außendarstellung und Repräsentation von P J sei es seine Aufgabe gewesen, H L1 während der Reise permanent zu begleiten und zu betreuen. Neben seiner Aufgabe, H L1 zu den Projekten zu begleiten und sie bei der Beschaffung von Bildmaterial und Geschichten zu unterstützen, sei er daher auch für ihre Freizeitgestaltung während der Reise verantwortlich gewesen. Am Unfalltag sei Herr C zusammen mit Frau L1 unter anderem zu einer Schule gefahren, um dort das Projekt zu besichtigen sowie Fotomaterial und Geschichten zu sammeln. Im Anschluss daran seien sie zurück zur L3 T1 B2 C2 gefahren, um den Mitarbeitern dort für ihre Unterstützung zu danken. Dann seien sie direkt zum C1 Beach gefahren, wo sich der Unfall ereignet habe. Herr C und Frau L1 seien um 13.50 Uhr im Meer schwimmen gewesen. Sie seien ca. zwischen 12.45 Uhr und 13.20 Uhr am Strand angekommen. Die Weiterfahrt ins Hotel sei um 15.30 Uhr geplant gewesen. Sie hätten auf keinen Fall nach 16.00 Uhr den Strand verlassen wollen, um noch genügend Zeit für das im Hotel geplante Interview zu haben. Nach dem Strandbesuch hätten Herr C, Frau L1 und der Mitarbeiter Herr H1 zurück zum B1 Beach Hotel fahren wollen. Im Hotel sei ein Interview von Herrn C und H L1 mit Herrn H1 über dessen Arbeit und sein persönliches Leben geplant gewesen.

Frau L1 teilte der Beklagten mit, am 25.11.2011 sei der Besuch von zwei Schulen in der Umgebung von B geplant gewesen sowie ein abschließendes Interview sowohl mit Herrn C als auch mit Herrn Q H1 von der Hilfsorganisation T1. Der Rückflug von Herrn C sei für Samstag, den 26.11.2011, geplant gewesen. Am 25.11.2011 hätten sie zunächst eine Schule besucht. In dieser Schule habe sie Interviews und Hintergrundgespräche sowohl mit der Direktorin und ihrem Stellvertreter als auch mit Lehrern und Schülern geführt. Sie hätten etwa 1 1/2 Stunden an der Schule verbracht. Da die Gespräche so ergiebig gewesen seien, habe sie entschieden, dass der ursprünglich geplante Besuch einer zweiten Schule nicht erforderlich sei. Sie seien daraufhin noch einmal zum Büro von T1 in L3 gefahren, um sich für die Unterstützung zu bedanken. Von dort seien sie zum C1 Beach S gefahren. Sie seien gegen 13.00 Uhr auf dem Parkplatz der Ferienanlage C1 Beach S angekommen. Am Strand seien sie mit einem Ruderboot des Ss wenige Meter bei einer Lagune zum Strand auf der Atlantikseite übergesetzt worden. Auf dieser Landzunge habe sich auf der Atlantikseite der Unfall ereignet. Die Weiterfahrt sei gegen 16.00 Uhr nach einem gemeinsamen Mittagessen geplant gewesen. Es sei geplant gewesen, zum B1 Beach Hotel in B zurückzukehren. Dort seien abschließende Interviews mit Herrn C und Q H1 geplant gewesen.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 20.12.2012 wurden die Widersprüche gegen die Bescheide vom 08.03.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, auch ein regulär Dienstreisender stehe nicht während der gesamten Dauer einer Reise schlechthin bei jeder Betätigung unter Versicherungsschutz. Vielmehr sei auch hier zu unterscheiden zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis in einem rechtlich wesentlichen - inneren - Zusammenhang stünden und deshalb versichert seien und solchen Verrichtungen, die der privaten und somit unversicherten Sphäre des Dienstreisenden zuzurechnen sei. Ein solcher Zusammenhang entfalle, wenn und soweit sich der Reisende unterwegs rein persönlichen, von seinen betrieblichen Aufgaben nicht mehr beeinflussten Belange widme. Die Rechtsprechung habe diesem Umstand Rechnung getragen, und das Vorliegen einer versicherten Tätigkeit nach einem strengen Maßstab bezüglich des inneren ursächlichen Zusammenhangs für die Tätigkeit bewertet. Demnach seien nur die Tätigkeiten versichert, die für das Unternehmen unmittelbare konkrete Bedeutung hätten. Allgemeine Überlegungen, ein Verhalten könne auch geschäftsnützlich bzw. Ausfluss der eigentlichen versicherten Tätigkeit sein, genügten daher nicht. Aus dem Arbeitsleben abgeleitete gesellschaftliche Erwartungshaltungen begründeten einen Unfallversicherungsschutz allein nicht, da dies zu einer systemfremden Ausdehnung auf einen weiten Teil der privaten Lebenssphäre führen würde. Stünden Freizeit, Unterhaltung oder Erholung im Vordergrund, so fehle es an einem wesentlichen betrieblichen Zusammenhang. Am 25.11.2011 sei der Verstorbene Herr C mit der Journalistin Frau L1 gegen 8.30 Uhr vom Hotel B1 W mit einem Fahrer aufgebrochen, um verschiedene Besuche durchzuführen, so die Organisation "T1" und eine Schule in L3. Der ursprünglich geplante Besuch einer weiteren Schule sei nicht mehr notwendig gewesen, die Fahrt sei noch vormittags zurück zur Organisation "T1" in L3 gegangen und dann zum "C1 Beach S". Ca. gegen 13.00 Uhr hätten Herr C und Frau L1 diese Anlage erreicht. Sie hätten sich dort mit einem Ruderboot des Ss über eine Lagune zu einem an der Atlantikküste gelegenen Strand übersetzen lassen. An diesem Strandabschnitt seien beide gemeinsam schwimmen gegangen. Eine Weiterfahrt sei nach Aussage von Frau L1 erst gegen 16.00 Uhr nach einem gemeinsamen Mittagessen vorgesehen gewesen. Frau L1 habe später gegenüber der ermittelnden Staatsanwaltschaft Bielefeld am 08.12.2011 zu Protokoll gegeben, sie und Herr C seien an diesem letzten, gemeinsamen Tag bereits gegen 13.00 Uhr mit der Arbeit fertig gewesen und hätten somit beschlossen, noch schwimmen zu gehen. Sie habe wörtlich berichtet: K und sie hätten rumgealbert, sie seien nicht weit vom Strand entfernt gewesen, konnten aber nicht mehr stehen, da der Strand dort stark abfällt. Der Ablauf dieser Handlungen, insbesondere die dafür von vornherein geplante Zeit von ca. 3 Stunden, einschließlich eines vorgesehenen Mittagsessens, lasse unter objektiven Gesichtspunkten keine wesentlichen betriebsdienlichen Tätigkeitspunkte erkennen. Bei objektiver und lebensnaher Betrachtung sei die Handlungstendenz von Herrn C, mit Frau L1 schwimmen zu gehen, von eigenwirtschaftlichen Motiven geprägt gewesen. So möge es durchaus sein, dass Herr C beruflich bestrebt gewesen sei, Frau L1 an vielen Orten zu begleiten und im Rahmen seiner Tätigkeit als Pressesprecher der P J Deutschland seine Organisation gut darzustellen, nur sei hierfür sicherlich nicht erforderlich gewesen, mit Frau L1 an einem unbelebten und nicht unbedingt dafür geeigneten Ort schwimmen zu gehen. Die Annahme, dass das Schwimmen speziell an diesem Tag vorgenommen werden sollte, um die Arbeitskraft wieder herzustellen, sei spekulativ und werde objektiv, insbesondere durch die Aussagen von Frau L1, nicht gestützt.

Hiergegen haben die Kläger am 16.01.2013 Klage erhoben. Zur Begründung haben sie im Wesentlichen vorgetragen, als es am 25.11.2011 zu dem tödlichen Unfall gekommen sei, hätten sich Herr C, Herr Q H1 und Frau H L1 mit dem Dienstwagen gerade auf dem Rückweg von einem Besuch der S1 J School befunden. Am Abend habe es im Hotel, das während des Aufenthalts durchgehend als Unterkunft diente, ein abschließendes Interview in Form einer Tonaufzeichnung mit Herrn C geben sollen. Die Aufnahme habe zur Wiedergabe im Deutschlandfunk aufgenommen werden sollen. Während der Rückfahrt mit dem Dienstwagen zum Hotel hätten sich die drei aufgrund unerträglicher Hitze entschieden, spontan am C1 Beach eine Pause einzulegen. Bei dem C1 Beach handele es sich um einen normalen "Bezahlstrand", der nicht für Risiken, insbesondere nicht für stärkere Strömungen bekannt sei. Der C1 Beach werde von einem separaten Turm bewacht, in dem das Aufsichtspersonal sitze. Das sei auch der Fall gewesen, als Herr C, Herr H1 und Frau L1 am frühen Nachmittag zwischen 12.45 Uhr und 13.20 Uhr zum Strand kamen. Die Rückfahrt in das Hotel sei für spätestens 15.30 Uhr geplant gewesen, damit genügend Zeit für das Abschlussinterview zur Verfügung stand. Die Journalistin Frau L1 und mit ihr der für die Begleitung zuständige Herr C seien ins Meer zum Schwimmen gegangen. Auch diese Freizeitaktivität habe zur "Rundum-Begleitung" außerhalb der offiziellen dienstlichen Termine gehört. Dabei sei es zu dem für Herrn C tragischen Arbeitsunfall gekommen, der für ihn tödlich geendet sei. Das Aufsichtspersonal des C1 Beach habe Herrn C aus dem Wasser gezogen. Die Arbeit sei am 25.11.2011 zum Zeitpunkt des Unfalles noch nicht beendet gewesen. Es habe sich lediglich um eine vorübergehende Unterbrechung gehandelt. Auf dem Rückweg von dem Besuch der S1 J School seien die Temperaturen in der Mittagszeit am 25.11.2011 auf über 30 Grad Celsius angestiegen. Das tropische feuchtmäßige Klima sei so unerträglich gewesen, dass die Beteiligten sich zu einer Abkühlung im Atlantik entschieden hätten, um ihre Arbeitskraft im Hinblick auf das weitere bevorstehende Interview zu erhalten. Der auf dem Rückweg zum Hotel eingeschlagene Umweg zum C1 Beach sei wesentlich durch dienstliche Belange veranlasst gewesen. Der wesentliche Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis ergebe sich aus dem Umstand, dass Herr C aufgrund der dienstlichen Anweisungen seines Arbeitsgebers verpflichtet gewesen sei, die Journalistin H L1 umfassend zu betreuen und zu allen Terminen zu begleiten. Er sei für das gesamte Programm zuständig gewesen, einschließlich etwaiger Erholungs- und Freizeitaktivitäten. Entscheidend sei, dass der Unfall nicht eingetreten wäre, wenn die versicherte Tätigkeit in Form der Dienstreise und der damit verbundenen Entsendung nach Ghana Herrn C nicht in die Gefahrensituation gebracht hätte. Während der Dienstreise habe Herr C die dienstlichen Anweisungen der P J zu beachten gehabt.

Die Kläger beantragen nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 08.03.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20.12.2012 zu verurteilen, ihnen Hinterbliebenenleistungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 - 3 SGB VII nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klagen abzuweisen.

Sie ist bei ihrer Auffassung geblieben, die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen entsprächen der Sach- und Rechtslage und seien nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen B3 L1 und T L2. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 27.11.2013 bzw. vom 11.03.2014 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft Bielefeld 446 UJs 385/11 sowie der den verstorbenen Herrn C betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte vorliegend durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässigen Klagen sind begründet.

Die Kläger sind durch die angefochtenen Bescheide vom 08.03.2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 20.12.2012 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn diese Bescheide sind rechtswidrig.

Die Beklagte hat die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu Unrecht abgelehnt. Nach § 63 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Hinterbliebene Anspruch auf 1.) Sterbegeld, 2.) Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung, 3.) Hinterbliebenenrente, 4.) Beihilfe. Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Tod von Herrn C infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zählen zu dem kraft Gesetzes versicherten Personenkreis insbesondere die Beschäftigten.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da Herr C zum Zeitpunkt des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat. Herr C war kraft Ausstrahlung (vgl. § 4 Abs. 1 SGB IV) während der Reise nach Ghana grundsätzlich nach deutschem Recht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert und er stand auch bei der konkreten Verrichtung am 25.11.2011, bei der er tödlich verunglückt ist, unter dem Schutz der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung, sodass das Ereignis vom 25.11.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen ist.

Für einen Unfall nach § 8 Abs. 1 SGB VII ist es erforderlich, dass dieser infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit eingetreten ist. Dies erfordert eine sachliche Verbindung des zum Unfall führenden Verhaltens mit der Betriebstätigkeit, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Nachweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte und zu deren Beurteilung ist neben den Angaben des Versicherten auf die objektiven Umstände abzustellen. Ein solcher innerer Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis ist am Ort einer auswärtigen Beschäftigung in der Regel eher anzunehmen als am inländischen Wohnort oder am Ort des Entsendeunternehmens (vgl. zum Vorstehenden: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.05.2008 - L 14 U 45/06 -; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.10.2011 - L 3 U 52/11 - jeweils unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)). Handelt der Beschäftigte zur Erfüllung einer sich aus seinem Arbeitsvertrag ergebenden Verpflichtung, ist der sachliche Zusammenhang unmittelbar zu bejahen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14.05.2013 - L 9 U 2557/10 - sowie Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.08.2011 - L 3 U 145/09 - jeweils unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 12/07 R -). Im Rahmen des arbeitsvertraglich geschuldeten kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund seines Direktionsrechts Arbeiten zuweisen. Diese Arbeiten und Dienste sind versicherte Tätigkeiten (vgl. Landesozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.05.2011 - L 3 U 87/09 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 07.12.2004 - B 2 U 47/03 R - und mit weiteren zahlreichen Hinweisen). Eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet. Insoweit ist nicht auf Vermutungen über hypothetische Geschehensabläufe außerhalb der konkreten Verrichtung und der objektivierten Handlungstendenz, sondern nur auf die konkrete Verrichtung selbst abzustellen. Es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.2013 - B 2 U 7/12 R -).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist hier nach Auffassung der Kammer der volle Nachweis erbracht, dass die Handlungstendenz von Herrn C zum Zeitpunkt des Unfalles darauf gerichtet war, eine seinem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben zu wollen. Aufgrund des Todes von Herrn C kann dieser zu seiner Handlungstendenz keine Angaben mehr machen. Es ist dementsprechend ausschließlich auf die objektiven Umstände abzustellen. Diese erlauben es nach Auffassung der Kammer, mit hinreichender Sicherheit auf eine betriebsbezogene Tätigkeit schließen zu können, als Herr C zusammen mit der Zeugin L1 schwimmen gegangen ist. Aufgrund der schriftlichen Angaben und der glaubhaften Bekundungen des Arbeitgebers von Herrn C, des Zeugen L2, bei seiner Vernehmung am 11.03.2014 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Zeuge L2 Herrn C vor der Reise nach Ghana die Anweisung erteilt hat, er solle die Zeugin L1 eng begleiten, auch um sie vor möglichen Gefahren zu beschützen, und in "Manndeckung" nehmen. Herr C habe auch die Aufgabe gehabt, die Zeugin L1 zu Restaurantbesuchen, Marktbesuchen und sonstigen Freizeitaktivitäten zu begleiten. Auch wenn nach den Angaben des Zeugen L2 nicht direkt über eine Begleitung beim Schwimmengehen gesprochen wurde, hat es sich dabei um eine Freizeitaktivität gehandelt, sodass es sich aufgrund der Anweisung seines Arbeitgebers um eine arbeitsvertragliche Verpflichtung von Herrn C im Rahmen seiner Tätigkeit als "Reiseleiter" der Zeugin L1 handelte, diese zum Schwimmen zu begleiten, als die Zeugin L1 den Wunsch äußerte, im Meer schwimmen zu gehen. Die Zeugin L1 hat insoweit bei Ihrer Vernehmung am 27.11.2013 bekundet, als für sie klar gewesen sei, dass sie am Strand essen, sei für sie auch klar gewesen, dass sie im Meer schwimmen gehen werde. Sie sei eine leidenschaftliche Schwimmerin und Tiefseetaucherin, wenn sie die Möglichkeit habe zu schwimmen, dann schwimme sie auch. Auch wenn Baden, zum Beispiel in einem Swimmingpool oder einem See, in der Regel zum privaten, unversicherten Bereich gehört (vgl. dazu z. B. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 30.05.2008 - L 14 U 45/06 -), ist von diesem Grundsatz hier eine Ausnahme zu machen, da die Kammer der Auffassung ist, dass Herr C die Zeugin L1 beim Schwimmengehen begleitete, weil er zur Erfüllung der Anweisung seines Arbeitgebers handelte und er eine seinem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass Herr C auch aus Gründen privater Freizeitgestaltung zum Schwimmen ins Meer gegangen ist, hat es sich um eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz gehandelt, die in Anbetracht der Weisungen des Arbeitgebers objektiv eine versicherungsbezogene Handlungstendenz hat erkennen lassen. Insoweit ist hier auch darauf hinzuweisen, dass die Arbeit von Herrn C am Unfalltag noch nicht beendet war, als er mit der Zeugin L1 schwimmen gegangen ist. Zum einen gehörte es zu den Aufgaben von Herrn C, die Zeugin L1 zurück in das Hotel in B zu begleiten, zum anderen standen nach den Bekundungen der Zeugin L1 am Abend des 25.11.2011 in dem Hotel noch Abschlussinterviews an.

Die Frage, ob Herr C auch deshalb unter Versicherungsschutz stand, weil er bei seiner Arbeit starker Hitze ausgesetzt war, und sich beim Baden im Meer erfrischen wollte, um einer erheblichen Schwächung seiner Arbeitskraft entgegen zu wirken (vgl. dazu BSG, Urteil vom 08.07.1980 - 2 RU 25/80 - ), braucht nicht mehr entschieden zu werden, da Herr C - wie dargelegt - schon aus anderen Gründen unter Versicherungsschutz stand.

Aus dem gleichen Grund muss auch nicht mehr entschieden werden, ob Herr C unter dem Gesichtspunkt des Wirksamwerdens besonderer Gefahrenmomente bei auswärtigen Aufenthalten an einem fremden Ort bei Dienstreisen unter Versicherungsschutz stand (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 13/07 R - m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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