S 3 KR 182/15

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 KR 182/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Sprungrevision gegen das Urteil vom 31.03.2016 wird zugelassen.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision ist zulässig. Dem Antrag der Beklagten, der innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils gestellt wurde, lag die Zustimmungserklärung der Klägerin zur Beantragung der Sprungrevision bei.

Der Antrag ist auch begründet.

Das Gericht ist zur Entscheidungsfindung in ordnungsgemäßer Besetzung gelangt. Über einen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Sprungrevision muss das Gericht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in voller Kammerbesetzung entscheiden (vgl. BSG, Beschluss vom 18.11.1980, GS 3/79; SozR 1500 § 42 Nr. 7). Höchstrichterlich nicht geklärt ist dagegen, ob bei dieser Entscheidung die am Urteil beteiligten ehrenamtlichen Richter oder die für die nächste Kammersitzung nach der Heranziehungsliste zuständigen Richter mit einzubeziehen sind. Es wird vertreten, dass für die nachträgliche Zulassung zwingend die an der Ausgangsentscheidung beteiligten Richter mitzuwirken haben (vgl. Sozialgericht Hamburg, Beschluss vom 01.03.2012, S 3 AS 3143/11; zitiert nach www.juris.de). Dies solle sich daraus ergeben, dass bereits im Rahmen der Urteilsfindung konkludent über die Nichtzulassung der Sprungrevision mit entschieden wird. Jedenfalls könne nicht ausgeschlossen werden, dass eine solche Entscheidung Gegenstand der Beratungen war und der Vorsitzende dabei überstimmt wurde. Das Ergebnis der konkreten Urteilsberatung würde dagegen nur die damals beteiligten ehrenamtlichen Richter kennen, so dass deren (erneute) Beteiligung einer eigenmächtigen Änderung des ursprünglichen Beratungsergebnisses durch den Vorsitzenden vorbeuge. Diese Erwägungen können jedoch im Ergebnis nicht überzeugen. Das Gericht darf die Sprungrevision nur nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben des § 161 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulassen. Dabei darf eine Zulassung zwar auch dann erfolgen, wenn die Zustimmung des Gegners noch nicht vorliegt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 161 Rz. 6). Letztlich hat das Gericht jedoch seine Entscheidung über die Zulassung der Sprungrevision nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen zu treffen. Ist im Rahmen der mündlichen Verhandlung bzw. im Rahmen der Vorbereitung dieser jedoch weder die Bereitschaft einer Partei zur Durchführung eines Revisionsverfahrens noch die Erteilung einer Zustimmungserklärung ersichtlich, so besteht auch von Amts wegen keine Notwendigkeit zu einer Entscheidung im Rahmen des Urteils. Gleiches gilt, wenn die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG erfolgt. In einer solchen Konstellation die Entscheidungsfindung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 161 SGG zu unterstellen, widerspräche der tatsächlichen (erstinstanzlichen) Gerichtspraxis. Zudem würde die Unterstellung zu einer konkludenten (ablehnenden) Entscheidung im Rahmen der Urteilsfindung auch die Zulässigkeit einer nachträglichen Zulassung im Beschlusswege ernsthaft in Frage stellen. Einem Urteil ohne Ausführungen zu den Voraussetzungen des § 161 SGG kann keine konkludente Ablehnungsentscheidung entnommen werden. Ebenfalls ist keine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) festzustellen. Die Beteiligten haben erstmals nach Urteilsverkündung und Abfassung der Urteilsgründe ihr Begehren auf Durchführung der Sprungrevision gegenüber dem Gericht geäußert. Zum Zeitpunkt der Urteilsfindung sah das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen keine Veranlassung über die Zulassung der Sprungrevision zu entscheiden. Wird ein Antrag auf nachträgliche Zulassung der Sprungrevision gestellt, so richtet sich die Besetzung des Spruchkörpers, wie im vorliegenden Fall, nach den allgemeinen Regelungen. Etwas anderes mag dann gelten, wenn sich bereits im Rahmen der Urteilsfindung aufgrund der konkreten Umstände eine Entscheidung über die Zulassung der Sprungrevision aufgedrängt hat und dem Urteil über eine solche Entscheidung keine Aussage abzugewinnen ist (vgl. Sozialgericht Hannover, Beschluss vom 16.07.2013, S 53 AY 50/11; Beschluss vom 26.09.2013, S 53 AY 50/11, zitiert nach www.juris.de). Eine solche Situation lag hier jedoch nicht vor.

Die Sprungrevision war hier gemäß §§ 161 Abs. 2 S. 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil vom 31.03.2016 in streitentscheidender Weise von der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 01.07.2014, B 1 KR 29/13 R, SozR 4-2500 § 301 Nr. 4; Urteil vom 14.10.2014, B 1 KR 25/13 R, KHE 2014/65; Urteil vom 10.03.2015, B 1 KR 4/15 R, NZS 2015 422-425; Urteile vom 23.06.2015, B 1 KR 23/14 R, B 1 KR 17/14 R, B 1 KR 13/14 R, B 1 KR 20/14 R, zitiert nach www.juris.de) abweicht.
Rechtskraft
Aus
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