S 27 AS 189/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 27 AS 189/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 201/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die Klägerin steht seit dem Jahr 2005 bei der Beklagten im Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie lebte bis Januar 2009 mit ihren drei Kindern N., geboren am 19.05.19xx, M., geboren am 05.05.19xx, und R., geboren am 08.03.19, in einer Bedarfsgemeinschaft. Seit Februar 2009 besteht die Bedarfsgemeinschaft nur noch aus der Klägerin und den Kindern M. und R ...

Ab 01.11.2008 stand die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis als Aushilfskraft bei der Stadt D. im Kongress- und Beratungszentrum "Der kleine Prinz". Mit Schreiben vom 09.03.2009 kündigte die Klägerin ihren Arbeitsvertrag fristlos.

Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 09.03.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin (und deren Kindern M. und R.) mit Bescheid vom 11.03.2009 aufgrund des zu erwartenden Einkommens aus ihrer Beschäftigung vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 30.09.2009. Dabei legte sie für die Berechnung der Leistungen ein Netto-Erwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von monatlich 270,00 EUR zu Grunde. Davon brachte sie 30,00 EUR im Rahmen der Einkommensbereinigung in Abzug und rechnete 240,00 EUR als Erwerbseinkommen auf die Leistungen der Klägerin und ihrer zwei in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder an.

Mit Änderungsbescheid vom 31.03.2009 berechnete die Beklagte die Leistungen aufgrund einer Änderung der Unterkunftskosten im Monat April 2009 und des Wegfalls des Erwerbseinkommens der Klägerin ab 01.05.2009 neu.

Nach Vorlage der Lohnabrechnung der Klägerin für den Monat März 2009, aus dem ein Bruttolohn und gleichzeitig Nettolohn in Höhe von 61,12 EUR hervorgeht, berechnete die Beklagte die an die Klägerin und ihre beiden Kinder für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 30.04.2009 zu zahlenden Leistungen mit Änderungsbescheid vom 15.04.2009 neu. Sie bewilligte der Klägerin damit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 677,48 EUR. Vom Einkommen der Klägerin in Höhe von 61,12 EUR berücksichtigte die Beklagte 31,12 EUR, da sie eine Einkommensbereinigung in Höhe von 30,00 EUR vornahm.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, dass ihr ein Freibetrag auf ihr Erwerbseinkommen in Höhe von 100,00 EUR zustehe. Mit Wider-spruchsbescheid vom 19.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass ein Freibetrag im Sinne des § 30 S. 1 und 2 SGB II nicht zu gewähren gewesen sei, da dieser Freibetrag nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zustehe. Die Klägerin sei jedoch nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II. Der Wortlaut des § 30 S. 1 SGB II sei eindeutig.

Mit der am 29.05.2009 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Ziel unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren weiter.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Freibetrages nach § 30 SGB II zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 15.04.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2009 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) be-schwert. Denn dieser Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hat damit der Klägerin Leistungen für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 30.04.2009 in zutreffender Höhe bewilligt. Dabei hat sie insbesondere das Erwerbseinkommen der Klägerin zu Recht in Höhe von 31,12 EUR leistungsmindernd berücksichtigt.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie ist grundsätzlich anspruchsberechtigt gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 SGB II. Danach erhalten Leistungen nach dem SGB II (auch) Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Sie lebte im streitbefangenen Zeitraum mit ihrer Tochter M., die zu diesem Zeitpunkt das 15. Lebensjahr vollendet hatte, erwerbsfähig und hilfebedürftig war und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte, in einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift. Denn zur Bedarfsgemeinschaft gehört gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Tochter der Klägerin war in der Zeit vom 01.04.2009 bis zum 30.04.2009 unverheiratet und erwerbsfähig und hatte außerdem das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Zudem lebte sie mit der Klägerin in einem Haushalt. Darüber hinaus gehörte auch der im streitbefangenen Zeitraum noch nicht 15jährige Sohn R. gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zur Bedarfsgemeinschaft. Denn er war das dem Haushalt der Klägerin angehörende unverheiratete Kind einer der in den Nrn. 1-3 der Vorschrift genannten Personen. Und er hatte das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet. Außerdem konnte er die Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen.

Der Bedarf der Klägerin im April 2009 betrug 693,34 EUR. Die der Klägerin zustehende Regelleistung betrug gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Juli 2008 351,00 EUR. Außerdem hatte die Klägerin einen Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II in Höhe von 126,00 EUR. Sie war nämlich allein für die Pflege und die Erziehung ihrer beiden minderjährigen, unter 16jährigen Kinder, mit denen sie zusammenlebte, verantwortlich. Zusätzlich hatte die Bedarfsgemeinschaft im April 2009 tatsächliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 649,03 EUR zu tragen. Daraus ergibt sich für die Klägerin ein Bedarf nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe von 216,34 EUR. Zu Recht hat die Beklagte zur Berechnung des Leistungsanspruchs der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft im Monat April 2009 sodann - neben dem den Kindern der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II zuzurechnenden Kindergeld in Höhe von jeweils 164,00 EUR - Erwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von 31,12 EUR nach den Regeln des § 11 SGB II leistungsmindernd berücksichtigt.

Nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit den dort genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen als Einkommen zu berücksichtigen. Die Klägerin hatte im Monat April 2009 einen Einkommenszufluss in Höhe von 61,12 EUR in Form Ihres Arbeitslohnes zu verzeichnen. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – AlgII-V) sind laufende Einnahmen in dem Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Da es sich bei der Lohnzahlung für den Monat März 2009 in Höhe von 61,12 EUR um eine laufende Einnahme in diesem Sinne handelte, ist sie im Zuflussmonat, also im April 2009, als Einkommen zu berücksichtigen. Sodann sind die Absetzungen nach § 11 Abs. 2 SGB II vorzunehmen. Abzüge gemäß § 11 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB II kommen nicht in Betracht, da die Klägerin weder auf das Einkommen Steuern entrichten musste, noch Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung abgeführt worden sind. Auch die Zahlung von Beiträgen zu Versicherungen im Sinne der Nr. 3 dieser Vorschrift erfolgte nicht. Die Klägerin hat auch nicht Zahlungen im Sinne der Nr. 4 der Vorschrift oder notwendige Ausgaben zur Erzielung des Einkommens geltend gemacht. Ebenso wenig hatte sie gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen (§ 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II) oder ein Kind mit einem Anspruch auf BAföG-Leistungen (§ 11 Abs. 2 Nr. 8 SGB II).

Der Klägerin steht auch kein Absetzungsbetrag nach § 30 SGB II gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 6 SGB II zu, da § 30 SGB II Freibeträge bei Erwerbstätigkeit ohnehin erst für den Teil des monatlichen Einkommens gewährt, der 100,00 EUR übersteigt. Das Einkommen der Klägerin im Monat April 2009 überstieg jedoch 100,00 EUR nicht.

In zutreffender Weise hat die Beklagte jedoch gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgIIV einen Pauschalbetrag in Höhe von 30,00 EUR vom Einkommen der Klägerin abgesetzt. Zu Recht hat die Beklagte stattdessen nicht den in § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II vorgesehenen Betrag von insgesamt 100,00 EUR abgesetzt. Nach dieser Vorschrift ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, anstelle der Beträge nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3-5 SGB II ein Betrag von insgesamt 100,00 EUR monatlich abzusetzen. Die Klägerin erfüllt die für eine solche Absetzung erforderlichen Voraussetzungen nicht. Sie ist nämlich nicht erwerbsfähig. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Klägerin ist aber außer Stande, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies geht aus den Gutachten der Dr. Ropers-Henning vom ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit Duisburg vom 14.01.2009 und 30.10.2009 hervor. Danach leidet die Klägerin an einer Erkrankung des psychiatrischen Fachgebietes mit Angst und Panikattacken. Es bestehe keine Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Für das Gericht besteht kein Anlass an diesen Feststellungen zu zweifeln, zumal sich auch die Klägerin ihnen anschließt.

Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II auch auf nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige kommt aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Vorschrift nicht in Betracht.

§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz (GG). Insbesondere ein Verstoß gegen Art. 3 GG liegt nicht vor. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht gegeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Dabei soll der Begriff "wesentlich" zum Ausdruck bringen, was Inhalt der anzustellenden Rechtfertigungsprüfung sein soll. Eine Ungleichheit des Vergleichspaares ist nämlich dann wesentlich, wenn sie die unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen vermag (Kischel in: Beck´scher Online-Kommentar, Stand 15.07.2009, Art. 3 Rn. 17). In der früheren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 3 GG wurde im Rahmen einer Willkürprüfung nur von einem Grundrechtsverstoß ausgegangen, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachdienlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt (so schon BVerfGE 1,14 ,52 = NJW 1951, 877, 878 f). Später ist das BVerfG dazu übergegangen, seine Prüfungen (darüber hinaus) an Verhältnismäßigkeitserfordernissen zu orientieren (BVerfGE 88,87 96f = NJW 1993,1517, 1517). Diese beiden Prüfungsmaßstäbe verschmelzen zu einem einheitlichen Rechtfertigungsmaßstab. Die Kontrolldichte steigt je nach Schwere der Ungleichbehandlung von einer bloßen Willkürkontrolle bis zur strengen Prüfung, die der Verhältnismäßigkeit zumindest ähnelt (BVerfG a.a.O.). Dabei unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung. Diese Bindung ist umso enger je mehr sich die personenbezogenen Merkmale den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten annähern und je größer deshalb die Gefahr ist, dass eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt. Dabei ist eine Abwägung vorzunehmen, bei der zu fragen ist, ob die Beeinträchtigung in ihrem Gewicht durch entsprechende sachliche Gründe aufgewogen wird, ob also sachliche Gründe die Ungleichbehandlung im Hinblick auf die gleichen und ungleichen Eigenschaften aufwiegen können.

§ 11 Abs. 2 S. 2 SGB II nimmt eine Ungleichbehandlung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen vor, indem er im Falle der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine pauschale Anerkennung von Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3-5 SGB II in Höhe von 100,00 EUR vornimmt, ohne dass derartige Aufwendungen vom Hilfebedürftigen nachzuweisen sind, also unabhängig davon, ob der Hilfebedürftige derartige Aufwendungen tatsächlich hat. Andererseits kommt für diese Personengruppe die Anerkennung höherer Aufwendungen in Verbindung mit § 11 Abs. 2 S. 3 SGB II nur dann in Betracht, wenn ihr Einkommen oberhalb von 400 EUR liegt. Die Anerkennung von Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3-5 SGB II ist damit für geringfügig Beschäftigte nach oben hin begrenzt. Diese beiden Regelungen sind darüber hinaus im Gesamtzusammenhang der vom SGB II vorgesehenen Anrechnungsregelungen über das Erwerbseinkommen, also insbesondere in Verbindung mit § 30 SGB II, zu betrachten. In Anknüpfung an die pauschal anzuerkennenden Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3-5 SGB II in Höhe von 100,00 EUR gewährt § 30 Abs. 1 S. 2 SGB II einen Freibetrag bei Erwerbstätigkeit erst für den Teil des Einkommens, der 100,00 EUR übersteigt. Dadurch wird gewährleistet, dass auf den Teil des Einkommens, der gemäß § 11 Abs. 2 SGB II ohnehin anrechnungsfrei bleibt nicht zusätzlich noch ein Freibetrag gewährt wird. Grundsätzliches Ziel dieser Regelung ist es, Hilfebedürftigen Anreize zur Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bieten, damit diese mittelfristig aus eigenen Kräften und möglichst ohne Unterstützung der Grundsicherung für Arbeitsuchende ihren Lebensunterhalt bestreiten können (BT-Drucks. 15/5446 (neu), S. 1). Dieses Ziel ist verfassungsrechtlich zulässig.

Als Unterscheidungskriterium zur Ermittlung, auf welche der vom SGB II erfassten Hilfbedürftigen der hier streitige § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II Anwendung findet, hat der Gesetzgeber die Erwerbsfähigkeit der Einkommen erzielenden Personen gewählt. Grundsätzlich handelt es sich dabei nicht um ein Differenzierungskriterium, das nach Art. 3 Abs. 2 und 3 GG grundsätzlich vom Differenzierungsverbot erfasst ist. Die so vorgenommene Differenzierung ist im Falle des § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II als sachgerecht anzusehen. Denn zum einen ist die Benachteiligung der nicht Erwerbsfähigen nur von geringem Gewicht. Die Benachteiligung besteht lediglich darin, dass Angehörige dieser Personengruppe die entstehenden Aufwendungen gemäß § 11 Abs. 2 Nrn. 3-5 SGB II nachweisen müssen, dies auch noch mit der Einschränkung, dass für die Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB II gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgIIV auch für sie für Beiträge zu privaten Versicherungen eine Pauschale in Höhe von 30,00 EUR berücksichtigt wird, ohne dass Nachweise zu erbringen sind. Dadurch ist jedenfalls gewährleistet, dass die dem nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen tatsächlich im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit entstehenden Aufwendungen bei der Einkommensanrechnung unberücksichtigt bleiben. Im Gegensatz zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen kann der nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige sogar bei einem Einkommen von unter 400,00 EUR Aufwendungen im Sinne der Beträge nach § 11 Abs. 2 S. 1 Nrn. 3-5 SGB II von über 100,00 EUR geltend machen, was ein Erwerbsfähiger nicht kann. Dagegen kann das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, den Hilfebedürftigen mittelfristig in den allgemeinen Arbeitsmarkt so einzugliedern, dass dieser bedarfsdeckendes Einkommen erzielt, bei der Personengruppe der nicht erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in der Regel von vornherein nicht erreicht werden, so dass die Entscheidung des Gesetzgebers für diese Personengruppe das Ineinandergreifen der Anreizsystem der §§ 11 Abs. 2, 30 SGB II nicht zur Anwendung zu bringen, legitim ist.

Insoweit konsequent beschränken sich die Sanktionsmöglichkeiten des § 31 SGB II bei Pflichtverletzungen hinsichtlich der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt ebenso auf die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Dies ist die Kehrseite der exklusiven Begünstigungen der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen durch die Freibetragsregelungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer hat die Revision gemäß § 161 Abs. 1 S. 1 SGG zugelassen. Die Rechtsfrage, ob § 11 Abs. 2 S. 2 SGB II auch Anwendung auf Bezieher von Sozialgeld findet bzw ob die Nichtanwendbarkeit der Vorschrift auf diese Personengrupppe verfassungswidrig ist, hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved