Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
34
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 34 R 1554/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.11.2011 wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Zeitarbeit und gehörte dem Arbeitgeberverband AMP an. Sie wandte im hier streitigen Zeitraum den CGZP-Tarifvertrag an. Die Antragsstellerin forderte im Hinblick auf den Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28.11.2011 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.818,40 Euro für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 nach. In dem Verfahren vor dem BAG war über die Tariffähigkeit der CGZP gestritten worden. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte zuvor festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist (23 TaBV 1016/09). Das BAG wies die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde zurück. Die Antragsgegnerin schätzte in dem angefochtenen Bescheid die Differenz des Arbeitsentgelts der Leiharbeitnehmer zum Arbeitsentgelt der Stammbelegschaft und legte den sich ergebenden Betrag der Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu Grunde. Die Antragsstellerin erhob am 05.12.2011 Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Antragsgegnerin lehnte die Aussetzung ab und leitete den Antrag als Antrag auf Stundung an die zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen weiter.
Am 24.12.2011 hat sich die Antragstellerin an das Gericht mit dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gewandt. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der im Bescheid genannten Zahlungsfrist (drittletzter Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folgt). Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Der Beschluss des BAG gelte nicht für die Vergangenheit. Es seien weitere Verfahren hierzu vor den Arbeitsgerichten anhängig. Die Antragsgegnerin dürfe den arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht vorgreifen. Das BAG könne die Wirkung seines Beschlusses auf die Zeit ab dem 14.12.2010 beschränken. Falls die Arbeitsgerichte von einer Tarifunfähigkeit der CGZP auch vor dem 14.12.2010 ausgingen, stelle dies eine echte Rückwirkung dar, die sich an den Maßstäben messen lassen müsse, die für rückwirkende Gesetzesänderungen gelten. Die Antragstellerin beruft sich auf Vertrauensschutz. Es habe keine Hinweise des Gesetzgebers, der Gerichte oder der Verwaltungen auf eine Rechtswidrigkeit der angewandten Tarifverträge gegeben. Zudem sei das Arbeitsentgelt für vergangene Zeiträume frühestens ab dem 14.12.2010 geschuldet. Zuvor hätten Arbeitsgerichte die Wirksamkeit des Tarifvertrages nicht überprüfen dürfen. Die Antragstellerin habe nicht wissen können, dass sie möglicherweise mehr Arbeitsentgelt schulde. Ein equal pay/equal treatment-Anspruch entstehe nicht mit der Arbeitsleistung, sondern erst mit der Wahlentscheidung des Zeitarbeitnehmers. Wenn sich ein Zahlungsanspruch von Arbeitnehmern ergebe, so handele es sich nicht um laufendes Arbeitsentgelt. Zu prüfen sei, ob nicht vielmehr von Einmalzahlungen auszugehen sei. Beitragsansprüche für das Jahr 2006 seien verjährt. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der vierjährigen Verjährungsfrist lägen nicht vor. Auch nach dem ersten Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.12.2010 habe die Antragstellerin eine Beitragszahlung für die Vergangenheit nicht für möglich gehalten. Es sei zudem fraglich, ob nicht eine Verwirkung vorliege, da die Antragsgegnerin seit vielen Jahren von der Wirksamkeit der Tarifverträge ausgegangen sei. Viele Zeitarbeitsunternehmen seien von ihr darauf hingewiesen worden, dass es vorteilhaft sei, den Tarifvertrag der CGZP anzuwenden. Zudem habe es im streitigen Zeitraum Betriebsprüfungen gegeben. Eine erneute Prüfung bereits geprüfter Zeiträume sei unzulässig. Im Hinblick auf §§ 3, 9 AÜG sei konkret zu ermitteln, welche Arbeitnehmer der Stammbelegschaft mit den entliehenen Arbeitnehmern vergleichbar seien. Es seien Verpflegungsmehraufwand und Fahrtkosten im Rahmen des gezahlten Arbeitsentgeltes anzuerkennen. Die Antragsgegnerin habe ihrer Amtsermittlungspflicht nicht Genüge getan. Ihre Prüfpraxis rücke in die Nähe des Erlasses von Summenbeitragsbescheiden.
Die Antragsstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.11.2011 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die CGZP zu irgendeinem Zeitpunkt tariffähig gewesen sei. Die Tarifunfähigkeit der CGZP werde durch die Entscheidung des BAG nicht bewirkt, sondern nur deklaratorisch festgestellt. Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung sei nicht geschützt. Die Tariffähigkeit der CGZP sei auch bereits seit vielen Jahren umstritten gewesen. Bereits seit dem Jahr 2003 habe es eine Vielzahl von Verfahren gegeben. Der Umstand, dass Arbeitgeber Vertrauen in eine höchstrichterlich nicht entschiedene Rechtsfrage gesetzt hätten, gehe zu ihren Lasten. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei das geschuldete Entgelt. Unerheblich sei demgegenüber, ob der einzelne Arbeitnehmer den ihm zustehenden höheren Arbeitsentgeltanspruch auch gegenüber dem Arbeitgeber geltend mache. Das den Leiharbeitnehmern zustehende Arbeitsentgelt sei laufendes Arbeitsentgelt. Die Beitragsansprüche seien nicht verjährt. Ab der Entscheidung des BAG sei zumindest von bedingtem Vorsatz auszugehen. Soweit bereits bei Unternehmen Betriebsprüfungen durchgeführt worden seien, die die streitigen Zeiträume erfassen, komme diesen keine Entlastungsfunktion zu. Die Schätzung des Arbeitsentgeltes sei bei den Arbeitnehmern, bei denen keine weiteren Informationen vorlagen, zulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
Gründe:
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags-, und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 13.07.2011, L 8 R 290/11 B ER). Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich sein lassen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/11 B ER). Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (aaO).
Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und damit im Widerspruchsverfahren aufzuheben sein wird, konnte die Kammer nach summarischer Prüfung nicht feststellen.
Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitge-bern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsge-mäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Die Antragstellerin hat für die Höhe des Arbeitsentgeltes ihrer Arbeitnehmer die Regelungen des CGZP-Tarifvertrags zu Grunde gelegt. Gemäß §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG ist der Arbeitgeber (Verleiher) grundsätzlich verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet (§ 9 Nr. 2 2. Hs AÜG). Die Rechtmäßigkeit der streitigen Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen hängt damit in erster Linie davon ab, ob der CGZP-Tarifvertrag in der streitigen Zeit wirksam ist. Hinsichtlich der Tarifgemeinschaft CGZP hat das BAG mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) die Tarifunfähigkeit festgestellt. Es hat dabei die gegenwartsbezogenen Anträge der dort Beteiligten zugrunde gelegt (aaO, Juris Randnr. 33). Für die Vergangenheit hat das BAG keine Entscheidung getroffen. Es ist indes nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die CGZP im streitigen Zeitpunkt tariffähig gewesen ist und die von ihr geschlossenen Tarifverträge wirksam gewesen sind. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat unterdessen festgestellt, dass die CGZP auch am 29.11.2004, 19.06.2006 und 09.07.2008 nicht tariffähig war und zu diesem Zeitpunkt auch keine Tarifverträge schließen konnte (vgl. Pressemitteilung zu dem Beschluss vom 09.01.2012, 24 TaBV 1285/11). Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen worden. Auch wenn in diesem Verfahren noch eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann, so ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Eilentscheidung eine Entscheidung des BAG, die für den hier streitigen Zeitraum von der bisherigen Entscheidung abweicht, möglich, nicht jedoch überwiegend wahrscheinlich (vgl. auch SG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2012, S 11 R 1354/11 ER mit Hinweis auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20.09.2011, 7 SA 1318/11, und das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 02.11.2011, 4 Ta 130/11). Als Folge der Tarifunfähigkeit der CGZP sind die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam, die Regelungen im Sinne von § 9 Nr. 2 2. Hs AÜG vorsehen. Es verbleibt bei dem Anspruch des Arbeitnehmers aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG auf ein höheres Arbeitsentgelt. Hieraus resultiert die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin.
Der Beitragsanspruch ist auch entstanden. Beitragsansprüche entstehen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, sobald die im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Das ist der Fall, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist (vgl. Segebrecht, in jurisPK, § 22 SGB IV Randnr. 37). Der höhere Arbeitsentgeltanspruch folgt unmittelbar aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG. Seine Entstehung ist insbesondere nicht aufschiebend bedingt durch eine Wahlentscheidung des Leiharbeitnehmers; ob der Arbeitnehmer ihn gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, ist für den Beitragsanspruch nicht von Bedeutung. Die Beiträge werden auf das geschuldete, nicht auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt erhoben (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R). Auch darauf, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der An-spruchsentstehung wusste oder wissen konnte, dass er ein höheres Entgelt und in der Folge auch höhere Sozialversicherungsbeiträge schuldet, kommt es nicht an.
Eine Ausnahme vom Entstehungsprinzip bildet die Beitragserhebung für einmalig gezahltes Entgelt; die Beitragsansprüche hierfür entstehen erst mit der Auszahlung (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Da aber das geschuldete Arbeitsentgelt jedem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum zugeordnet werden kann, handelt es sich um Ansprüche auf laufendes Arbeitsentgelt. Es ist nicht erheblich, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das für die einzelnen Abrechnungszeiträume geschuldete Arbeitsentgelt in einer Summe nachzahlt.
Die Antragstellerin kann sich gegenüber der Antragsgegnerin auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. § 22 SGB IV bietet hierfür nach Ansicht der Kammer keinen Raum. Das Gleiche gilt für die aufgeworfene Rückwirkungsproblematik. Ob der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer, der auf ein höheres Arbeitsentgelt für die Vergangenheit klagt, Vertrauensschutz geltend machen kann, kann offen bleiben (Vertrauensschutz ableh-nend: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.09.2011, 7 Sa 1318/11, Juris Randnr. 36). Es handelt sich dabei nach Auffassung der Kammer um eine Frage der arbeitsrechtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Arbeitnehmers auf ein höheres Arbeitsentgelt, die den Beitragsanspruch nicht berührt (vgl. BSG, Urteil vom 30.08.1994, 12 RK 59/92, Juris Randnr. 22).
Insoweit die Antragstellerin vorträgt, dass die Antragsgegnerin ihre Amtsermittlungspflicht verletzt habe, da sie nicht konkret in jedem Einzelfall die Lohnhöhe vergleichbarer Arbeitnehmer der Stammbelegschaft ermittelt habe, führt dies nicht dazu, dass die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides überwiegend wahrscheinlich ist. Dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, ist nicht ausreichend für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung (LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/10 B ER).
Insoweit die Antragstellerin geltend macht, dass bereits Betriebsprüfungen für die streitigen Zeiträume durchgeführt worden sind und sich hierdurch ein Verbot einer erneuten Prüfung ergebe, führt dies ebenfalls nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Hat es bei früheren Prüfungen zunächst keine Beanstandungen gegeben, sich jedoch später herausgestellt, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten vom geprüften Arbeitgeber im Prüfzeitraum unzutreffend beurteilt wurde, können Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 20.10.2005, L 4 KR 181/02, Juris Randnr. 33). Insbesondere kann ein Unternehmen daraus keine "Entlastung" herleiten (BSG, Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, Juris Randnr. 44).
Es ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Verjährung keine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist. Ansprüche auf Beiträge verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalendermonats, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren demgegenüber in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ausreichend für die lange Verjährung ist bedingter Vorsatz, wenn also der Beitragspflichtige seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung aber billigend in Kauf nimmt (vgl. Segebrecht, in jurisPK, § 25 SGB IV Randnr. 28 mwN). Vorsatz muss nicht schon im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge vorliegen; wenn noch während des Laufs der vierjährigen Verjährungsfrist Vorsatz eintritt, genügt das zur Anwendung der langen Verjährung aus (aaO, Randnr. 29). Ab der Entscheidung des BAG am 14.12.2010 stand die Tarifunfähigkeit der CGZP fest. Aus der Verwaltungsakte ergibt sich, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zeitnah über die mögliche Folge der Beitragsnachforderung für die Vergangenheit konkret in Kenntnis gesetzt hat. Die Antragstellerin beruft sich zur Entkräftung des bedingten Vorsatzes darauf, dass sie die Rechtsansicht der Antragsgegnerin als nicht haltbar angesehen habe. Dieser Umstand zeigt, dass die Antragstellerin sich mit der Rechtsansicht der Antragsgegnerin und damit auch mit der Frage der Beitragserhebung für die Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Das ist nach Auffassung der Kammer ausreichend, um von einem bedingten Vorsatz auszugehen, auch wenn die Antragstellerin zu einer anderen rechtlichen Einschätzung als die Antragsgegnerin gelangt ist.
Es spricht auch nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beitragsan-sprüche verwirkt sind. Bei der Prüfung, ob ein Beitragsanspruch verwirkt ist, sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die kurze Verjährungsfrist hinreichend Rechnung getragen wird (BSG, Urteil vom 30.11.1978, 12 RK 6/76, Juris Randnr. 15). Daher reicht das bloße "Nichtstun" als Verwirkungsverhalten regelmäßig nicht aus, es muss darüber hinaus ein konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde (aaO). An einem solchen konkreten Verwirkungsverhalten der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin fehlt es hier. Ein Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber anderen Unternehmen der Zeitarbeit reicht hierfür nicht aus.
Eine Anrechnung von neben dem Bruttostundenlohn gezahlten Sonderleistungen wie Fahrtkosten oder Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand erfolgt im Rahmen von § 10 Abs. 4 AÜG nicht (vgl. Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 09.06.2011, 3 Ca 422/11, Juris Randnr. 86ff.).
Die Antragstellerin hat keine Umstände vorgetragen und es sind auch keine Umstände ersichtlich, die eine unbillige Härte im Falle eines Vollzugs des angefochtenen Bescheides darstellen könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Zeitarbeit und gehörte dem Arbeitgeberverband AMP an. Sie wandte im hier streitigen Zeitraum den CGZP-Tarifvertrag an. Die Antragsstellerin forderte im Hinblick auf den Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 28.11.2011 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.818,40 Euro für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 nach. In dem Verfahren vor dem BAG war über die Tariffähigkeit der CGZP gestritten worden. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte zuvor festgestellt, dass die CGZP nicht tariffähig ist (23 TaBV 1016/09). Das BAG wies die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde zurück. Die Antragsgegnerin schätzte in dem angefochtenen Bescheid die Differenz des Arbeitsentgelts der Leiharbeitnehmer zum Arbeitsentgelt der Stammbelegschaft und legte den sich ergebenden Betrag der Berechnung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu Grunde. Die Antragsstellerin erhob am 05.12.2011 Widerspruch und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Die Antragsgegnerin lehnte die Aussetzung ab und leitete den Antrag als Antrag auf Stundung an die zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen weiter.
Am 24.12.2011 hat sich die Antragstellerin an das Gericht mit dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gewandt. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der im Bescheid genannten Zahlungsfrist (drittletzter Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folgt). Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Der Beschluss des BAG gelte nicht für die Vergangenheit. Es seien weitere Verfahren hierzu vor den Arbeitsgerichten anhängig. Die Antragsgegnerin dürfe den arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht vorgreifen. Das BAG könne die Wirkung seines Beschlusses auf die Zeit ab dem 14.12.2010 beschränken. Falls die Arbeitsgerichte von einer Tarifunfähigkeit der CGZP auch vor dem 14.12.2010 ausgingen, stelle dies eine echte Rückwirkung dar, die sich an den Maßstäben messen lassen müsse, die für rückwirkende Gesetzesänderungen gelten. Die Antragstellerin beruft sich auf Vertrauensschutz. Es habe keine Hinweise des Gesetzgebers, der Gerichte oder der Verwaltungen auf eine Rechtswidrigkeit der angewandten Tarifverträge gegeben. Zudem sei das Arbeitsentgelt für vergangene Zeiträume frühestens ab dem 14.12.2010 geschuldet. Zuvor hätten Arbeitsgerichte die Wirksamkeit des Tarifvertrages nicht überprüfen dürfen. Die Antragstellerin habe nicht wissen können, dass sie möglicherweise mehr Arbeitsentgelt schulde. Ein equal pay/equal treatment-Anspruch entstehe nicht mit der Arbeitsleistung, sondern erst mit der Wahlentscheidung des Zeitarbeitnehmers. Wenn sich ein Zahlungsanspruch von Arbeitnehmern ergebe, so handele es sich nicht um laufendes Arbeitsentgelt. Zu prüfen sei, ob nicht vielmehr von Einmalzahlungen auszugehen sei. Beitragsansprüche für das Jahr 2006 seien verjährt. Die Voraussetzungen für eine Verlängerung der vierjährigen Verjährungsfrist lägen nicht vor. Auch nach dem ersten Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.12.2010 habe die Antragstellerin eine Beitragszahlung für die Vergangenheit nicht für möglich gehalten. Es sei zudem fraglich, ob nicht eine Verwirkung vorliege, da die Antragsgegnerin seit vielen Jahren von der Wirksamkeit der Tarifverträge ausgegangen sei. Viele Zeitarbeitsunternehmen seien von ihr darauf hingewiesen worden, dass es vorteilhaft sei, den Tarifvertrag der CGZP anzuwenden. Zudem habe es im streitigen Zeitraum Betriebsprüfungen gegeben. Eine erneute Prüfung bereits geprüfter Zeiträume sei unzulässig. Im Hinblick auf §§ 3, 9 AÜG sei konkret zu ermitteln, welche Arbeitnehmer der Stammbelegschaft mit den entliehenen Arbeitnehmern vergleichbar seien. Es seien Verpflegungsmehraufwand und Fahrtkosten im Rahmen des gezahlten Arbeitsentgeltes anzuerkennen. Die Antragsgegnerin habe ihrer Amtsermittlungspflicht nicht Genüge getan. Ihre Prüfpraxis rücke in die Nähe des Erlasses von Summenbeitragsbescheiden.
Die Antragsstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.11.2011 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie trägt vor, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die CGZP zu irgendeinem Zeitpunkt tariffähig gewesen sei. Die Tarifunfähigkeit der CGZP werde durch die Entscheidung des BAG nicht bewirkt, sondern nur deklaratorisch festgestellt. Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung sei nicht geschützt. Die Tariffähigkeit der CGZP sei auch bereits seit vielen Jahren umstritten gewesen. Bereits seit dem Jahr 2003 habe es eine Vielzahl von Verfahren gegeben. Der Umstand, dass Arbeitgeber Vertrauen in eine höchstrichterlich nicht entschiedene Rechtsfrage gesetzt hätten, gehe zu ihren Lasten. Bemessungsgrundlage für den Beitragsanspruch sei das geschuldete Entgelt. Unerheblich sei demgegenüber, ob der einzelne Arbeitnehmer den ihm zustehenden höheren Arbeitsentgeltanspruch auch gegenüber dem Arbeitgeber geltend mache. Das den Leiharbeitnehmern zustehende Arbeitsentgelt sei laufendes Arbeitsentgelt. Die Beitragsansprüche seien nicht verjährt. Ab der Entscheidung des BAG sei zumindest von bedingtem Vorsatz auszugehen. Soweit bereits bei Unternehmen Betriebsprüfungen durchgeführt worden seien, die die streitigen Zeiträume erfassen, komme diesen keine Entlastungsfunktion zu. Die Schätzung des Arbeitsentgeltes sei bei den Arbeitnehmern, bei denen keine weiteren Informationen vorlagen, zulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.
Gründe:
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags-, und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 13.07.2011, L 8 R 290/11 B ER). Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich sein lassen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/11 B ER). Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (aaO).
Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und damit im Widerspruchsverfahren aufzuheben sein wird, konnte die Kammer nach summarischer Prüfung nicht feststellen.
Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitge-bern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsge-mäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Die Antragstellerin hat für die Höhe des Arbeitsentgeltes ihrer Arbeitnehmer die Regelungen des CGZP-Tarifvertrags zu Grunde gelegt. Gemäß §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG ist der Arbeitgeber (Verleiher) grundsätzlich verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet (§ 9 Nr. 2 2. Hs AÜG). Die Rechtmäßigkeit der streitigen Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen hängt damit in erster Linie davon ab, ob der CGZP-Tarifvertrag in der streitigen Zeit wirksam ist. Hinsichtlich der Tarifgemeinschaft CGZP hat das BAG mit Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) die Tarifunfähigkeit festgestellt. Es hat dabei die gegenwartsbezogenen Anträge der dort Beteiligten zugrunde gelegt (aaO, Juris Randnr. 33). Für die Vergangenheit hat das BAG keine Entscheidung getroffen. Es ist indes nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die CGZP im streitigen Zeitpunkt tariffähig gewesen ist und die von ihr geschlossenen Tarifverträge wirksam gewesen sind. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat unterdessen festgestellt, dass die CGZP auch am 29.11.2004, 19.06.2006 und 09.07.2008 nicht tariffähig war und zu diesem Zeitpunkt auch keine Tarifverträge schließen konnte (vgl. Pressemitteilung zu dem Beschluss vom 09.01.2012, 24 TaBV 1285/11). Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen worden. Auch wenn in diesem Verfahren noch eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann, so ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Eilentscheidung eine Entscheidung des BAG, die für den hier streitigen Zeitraum von der bisherigen Entscheidung abweicht, möglich, nicht jedoch überwiegend wahrscheinlich (vgl. auch SG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2012, S 11 R 1354/11 ER mit Hinweis auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20.09.2011, 7 SA 1318/11, und das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 02.11.2011, 4 Ta 130/11). Als Folge der Tarifunfähigkeit der CGZP sind die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam, die Regelungen im Sinne von § 9 Nr. 2 2. Hs AÜG vorsehen. Es verbleibt bei dem Anspruch des Arbeitnehmers aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG auf ein höheres Arbeitsentgelt. Hieraus resultiert die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin.
Der Beitragsanspruch ist auch entstanden. Beitragsansprüche entstehen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, sobald die im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Das ist der Fall, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist (vgl. Segebrecht, in jurisPK, § 22 SGB IV Randnr. 37). Der höhere Arbeitsentgeltanspruch folgt unmittelbar aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG. Seine Entstehung ist insbesondere nicht aufschiebend bedingt durch eine Wahlentscheidung des Leiharbeitnehmers; ob der Arbeitnehmer ihn gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, ist für den Beitragsanspruch nicht von Bedeutung. Die Beiträge werden auf das geschuldete, nicht auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt erhoben (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R). Auch darauf, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der An-spruchsentstehung wusste oder wissen konnte, dass er ein höheres Entgelt und in der Folge auch höhere Sozialversicherungsbeiträge schuldet, kommt es nicht an.
Eine Ausnahme vom Entstehungsprinzip bildet die Beitragserhebung für einmalig gezahltes Entgelt; die Beitragsansprüche hierfür entstehen erst mit der Auszahlung (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Da aber das geschuldete Arbeitsentgelt jedem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum zugeordnet werden kann, handelt es sich um Ansprüche auf laufendes Arbeitsentgelt. Es ist nicht erheblich, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das für die einzelnen Abrechnungszeiträume geschuldete Arbeitsentgelt in einer Summe nachzahlt.
Die Antragstellerin kann sich gegenüber der Antragsgegnerin auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. § 22 SGB IV bietet hierfür nach Ansicht der Kammer keinen Raum. Das Gleiche gilt für die aufgeworfene Rückwirkungsproblematik. Ob der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer, der auf ein höheres Arbeitsentgelt für die Vergangenheit klagt, Vertrauensschutz geltend machen kann, kann offen bleiben (Vertrauensschutz ableh-nend: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.09.2011, 7 Sa 1318/11, Juris Randnr. 36). Es handelt sich dabei nach Auffassung der Kammer um eine Frage der arbeitsrechtlichen Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Arbeitnehmers auf ein höheres Arbeitsentgelt, die den Beitragsanspruch nicht berührt (vgl. BSG, Urteil vom 30.08.1994, 12 RK 59/92, Juris Randnr. 22).
Insoweit die Antragstellerin vorträgt, dass die Antragsgegnerin ihre Amtsermittlungspflicht verletzt habe, da sie nicht konkret in jedem Einzelfall die Lohnhöhe vergleichbarer Arbeitnehmer der Stammbelegschaft ermittelt habe, führt dies nicht dazu, dass die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides überwiegend wahrscheinlich ist. Dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind, ist nicht ausreichend für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung (LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/10 B ER).
Insoweit die Antragstellerin geltend macht, dass bereits Betriebsprüfungen für die streitigen Zeiträume durchgeführt worden sind und sich hierdurch ein Verbot einer erneuten Prüfung ergebe, führt dies ebenfalls nicht zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Hat es bei früheren Prüfungen zunächst keine Beanstandungen gegeben, sich jedoch später herausgestellt, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht von Beschäftigten vom geprüften Arbeitgeber im Prüfzeitraum unzutreffend beurteilt wurde, können Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus solchen Betriebsprüfungen keine weitergehenden Rechte herleiten (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 20.10.2005, L 4 KR 181/02, Juris Randnr. 33). Insbesondere kann ein Unternehmen daraus keine "Entlastung" herleiten (BSG, Urteil vom 14.07.2004, B 12 KR 1/04 R, Juris Randnr. 44).
Es ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Verjährung keine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist. Ansprüche auf Beiträge verjähren in 4 Jahren nach Ablauf des Kalendermonats, in dem sie fällig geworden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren demgegenüber in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ausreichend für die lange Verjährung ist bedingter Vorsatz, wenn also der Beitragspflichtige seine Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung aber billigend in Kauf nimmt (vgl. Segebrecht, in jurisPK, § 25 SGB IV Randnr. 28 mwN). Vorsatz muss nicht schon im Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge vorliegen; wenn noch während des Laufs der vierjährigen Verjährungsfrist Vorsatz eintritt, genügt das zur Anwendung der langen Verjährung aus (aaO, Randnr. 29). Ab der Entscheidung des BAG am 14.12.2010 stand die Tarifunfähigkeit der CGZP fest. Aus der Verwaltungsakte ergibt sich, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin zeitnah über die mögliche Folge der Beitragsnachforderung für die Vergangenheit konkret in Kenntnis gesetzt hat. Die Antragstellerin beruft sich zur Entkräftung des bedingten Vorsatzes darauf, dass sie die Rechtsansicht der Antragsgegnerin als nicht haltbar angesehen habe. Dieser Umstand zeigt, dass die Antragstellerin sich mit der Rechtsansicht der Antragsgegnerin und damit auch mit der Frage der Beitragserhebung für die Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Das ist nach Auffassung der Kammer ausreichend, um von einem bedingten Vorsatz auszugehen, auch wenn die Antragstellerin zu einer anderen rechtlichen Einschätzung als die Antragsgegnerin gelangt ist.
Es spricht auch nicht eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Beitragsan-sprüche verwirkt sind. Bei der Prüfung, ob ein Beitragsanspruch verwirkt ist, sind grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsnachforderungen in angemessenen Grenzen zu halten, bereits durch die kurze Verjährungsfrist hinreichend Rechnung getragen wird (BSG, Urteil vom 30.11.1978, 12 RK 6/76, Juris Randnr. 15). Daher reicht das bloße "Nichtstun" als Verwirkungsverhalten regelmäßig nicht aus, es muss darüber hinaus ein konkretes Verhalten des Gläubigers hinzukommen, welches bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Beitragsforderung nicht bestehe oder nicht geltend gemacht werde (aaO). An einem solchen konkreten Verwirkungsverhalten der Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin fehlt es hier. Ein Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber anderen Unternehmen der Zeitarbeit reicht hierfür nicht aus.
Eine Anrechnung von neben dem Bruttostundenlohn gezahlten Sonderleistungen wie Fahrtkosten oder Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand erfolgt im Rahmen von § 10 Abs. 4 AÜG nicht (vgl. Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 09.06.2011, 3 Ca 422/11, Juris Randnr. 86ff.).
Die Antragstellerin hat keine Umstände vorgetragen und es sind auch keine Umstände ersichtlich, die eine unbillige Härte im Falle eines Vollzugs des angefochtenen Bescheides darstellen könnten.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.
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