S 7 (11) KR 13/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 (11) KR 13/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 548/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Die Klägerin stellte am 13.09.2006 einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bis zum 19.04.2007 bezog sie Krankengeld. Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15.05.2007 wurde ihr rückwirkend ab Juli 2006 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. Am 25.05.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie seit Rentenbeginn in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert ist, und wies auf das Beratungsblatt "Als Rentner TK-versichert" hin.

Mit Schreiben vom 29.09.2007 wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Sie habe erst kürzlich davon erfahren, dass sie über ihren Ehemann beihilfeberechtigt sei, wenn ihr Einkommen unter 18.000 Euro jährlich liege. Mit Bescheid der Rheinischen Versorgungskassen vom 11.09.2007 sei ihr die Höhe der betrieblichen Altersversorgung mitgeteilt worden, so dass nunmehr feststehe, dass sie diesen Grenzbetrag einhalte. Derzeit prüfe die private Krankenversicherung, bei der sie seit vielen Jahren zusatzversichert sei, ob und zu welchen Konditionen sie sich dort privat versichern könne. Nach Abschluss der dortigen Prüfung werde sie sich mit der Beklagten umgehend in Verbindung setzen. Am 17.10.2007 beantragte sie die Befreiung von der Versicherungspflicht.

Mit Bescheid vom 22.10.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil er nicht fristgerecht gestellt worden sei. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 25.05.2007 über die Versicherungspflicht informiert worden. Dem sei ein Merkblatt beigefügt gewesen, aus dem sich die Möglichkeit der Befreiung innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht ergeben habe.

Hiergegen erhob die Klägerin am 24.10.2007 Widerspruch. Sie sei ohne ihr Verschulden nicht in der Lage gewesen, die dreimonatige Frist einzuhalten. Sie habe erst durch einen Versicherungsvertreter von der Befreiungsmöglichkeit erfahren. Sie habe zwar das Schreiben vom 25.05.2007, nicht aber das Beratungsblatt erhalten. Es sei auch nicht erkennbar gewesen, dass das Merkblatt wichtige Hinweise für die Befreiungsmöglichkeit enthalten würde. Hilfsweise sei ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch stehe im Raum. Weder der Rentenversicherungsträger noch die Beklagte hätten sie darüber informiert, dass sie sich von der Versicherungspflicht befreien lassen könne. Es habe mit der Bewilligung der Erwerbsminderungsrente ein konkreter Anlass bestanden, die Klägerin hierüber zu beraten. Die Möglichkeit der privaten Krankenversicherung sei wichtig für sie, da sie von einem Arzt behandelt werde, der keine Kassenzulassung habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 zurück. Die Versicherungspflicht in der KVdR habe rückwirkend mit dem Rentenbeginn eingesetzt, sei aber zunächst durch die Vorrangversicherung im Rahmen der Krankengeldzahlung überlagert worden. Die fehlende Kenntnis der Klägerin sei unerheblich und könne nicht zur Wiedereinsetzung führen. Sie sei nicht mit einem Beratungsgesuch an die Beklagte herangetreten. Angesichts dessen, dass die Klägerin seit Beginn ihrer Mitgliedschaft über 30 Jahre als Arbeitnehmerin pflichtversichertes Mitglied war, habe keine Veranlassung bestanden, sie auf die Befreiungsmöglichkeit gezielt hinzuweisen. Die Beklagte habe keine Kenntnis darüber gehabt, ob die Klägerin eine Beihilfeberechtigung habe oder haben könnte. Insofern habe allenfalls ein Beratungsfehler der Beihilfestelle bestanden, der der Beklagten aber nicht zugerechnet werden könne. Das Beratungsblatt sei dem Schreiben vom 25.05.2007 maschinell beigefügt worden, daher sei es unwahrscheinlich, dass die Klägerin es nicht erhalten habe. Hinweise auf maschinelle Unregelmäßigkeiten in der betreffenden Zeit habe es nicht gegeben. Die Beklagte wies zudem auf das Urteil des BSG vom 09.02.1993 (12 RK 28/92) hin.

Hiergegen richtet sich die am 14.01.2008 erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin vor: Falls die Beifügung des Merkblattes von einem Mitarbeiter eingegeben werden müsse, habe dieser vielleicht einen Fehler gemacht; möglich seien auch unbemerkte Störungen des Gerätes, das die maschinelle Beifügung des Merkblattes steuert. Dass Technik nicht unfehlbar sei, zeige sich auch daran, dass sie trotz Kündigung der Mitgliedschaft im Januar 2009 im April 2009 von der Beklagten eine neue Mitgliedskarte erhalten habe. Der Versicherungsvertreter ihres Mannes habe ihr mitgeteilt, dass sie nach dem Tod ihres Mannes am 04.05.2009 noch einmal die Möglichkeit habe, sich privat versichern zu lassen. Die Entlassung aus der Pflichtmitgliedschaft sei aber von der Beigeladenen abgelehnt worden, da sie in der KVdR sei. In dem Schreiben vom 25.05.2007 sei sie über ihre Pflichtmitgliedschaft informiert worden, daher sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass es auch eine Befreiungsmöglichkeit geben könnte.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2007 zu verurteilen, sie gemäß ihrem Antrag von der Krankenversicherungspflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide weiterhin für zutreffend.

Seit dem 01.04.2009 ist die Klägerin Mitglied der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See, die mit Beschluss vom 09.07.2010 beigeladen worden ist.

Die Klägerin hat sich mit einer Eingabe vom 22.06.2009 an das Bundesversicherungsamt gewandt. Von dort ist ihr am 07.09.2009 mitgeteilt worden, dass die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis gegeben haben.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG, da sie nicht rechtswidrig sind. Die Klägerin ist pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V.

Der Befreiungstatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 4 SGB V greift nicht ein. Der Antrag wurde nicht fristgerecht gestellt.

Bereits die Rentenantragstellung hat gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V eine Versicherungspflicht ausgelöst, die allerdings bis einschließlich zum 19.04.2007 durch die Gewährung von Krankengeld und die dadurch bedingte Krankenversicherung verdrängt worden ist (§ 5 Abs. 8 Satz 1 SGB V). Erst nach dem Ende des Krankengeldbezugs lebte die Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner wieder auf. Die Antragsfrist begann damit am 20.04.2007. Der anschließende 3-Monats-Zeitraum verstrich ohne Antrag der Klägerin auf Befreiung.

Ob durch den Rentenbewilligungsbescheid vom 15.05.2007 eine erneute 3-Monats-Frist zu laufen begann, kann dahinstehen. Für die sog. Trennungslösung wird angeführt, dass § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sowohl die Rentenantragstellung als auch den Rentenbezug nenne (Peters, in: Kasseler Kommentar § 8 SGB V Rn. 15; im Ergebnis folgend: Hampel, in: jurisPK § 8 SGB V Rn. 73). Andererseits wird auf die Einheit von Rentenantrag und rückwirkender Rentengewährung hingewiesen, die durch den deckungsgleichen Beginn der Mitgliedschaft mit dem Rentenantrag deutlich werde (§ 186 Abs. 9 SGB V und § 189 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Auf dieser Basis wird eine neue Frist mit Rentenbewilligung verneint (Wirges, SGb 2005, 14, 19). Allerdings hat die Klägerin auch ausgehend vom Datum des Rentenbewilligungsbescheides die 3-Monats-Frist versäumt. Die Klägerin hat sich erstmals am 29.09.2007 an die Beklagte gewendet und am 17.10.2007 den Befreiungsantrag gestellt.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheidet aus. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass die Wiedereinsetzungsmöglichkeit auch im Falle der Frist des § 8 Abs. 2 SGB V gilt (Sommer, in: Peters, SGB V, § 8 Rn. 61; Peters, in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 8 Rn. 34; Baier, in: Krauskopf, SGB V, § 8 Rn. 15; Kruse, in: LPK, SGB V, § 8 Rn. 17; a.A. Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 8 Rn. 75; offen gelassen BSG, Urteil vom 09.02.1983, 12 RK 28/92 zu Art. 56 Abs. 4 GRG). Zum Teil wird der Wiedereinsetzungsanspruch im Hinblick auf die formelle Publizitätswirkung von Gesetzen in ähnlichen Fällen verneint (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 1 zu § 115 SGB V; LSG NRW, Urteil vom 29.05.2002, L 8 LW 1/02 zu § 84 Abs. 2 Satz 2 ALG).

Allerdings liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vor. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB X innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb dieser Frist ist die versäumte Handlung (hier: Befreiungsantrag) gemäß § 27 Abs. 2 Satz 3 SGB X nachzuholen.

Der Befreiungsantrag ist am 17.10.2007 bei der Beklagten eingegangen. Ausgehend von diesem Datum ist die Frist verstrichen, da die Klägerin jedenfalls am 29.09.2007 Kenntnis von der Befreiungmöglichkeit hatte. Dies ergibt sich aus dem Schreiben vom gleichen Datum. Damit war der von ihr vorgetragene Hinderungsgrund für die versäumte Antragstellung weggefallen; der Befreiungsantrag erfolgte mehr als zwei Wochen später, so dass eine Wiedereinsetzung ausscheidet.

Aber auch wenn man das Schreiben vom 29.09.2007 in weiter Auslegung als Nachholung des Befreiungantrags ansehen wollte, so wäre eine Wiedereinsetzung nicht möglich. Denn hierfür müsste nachgewiesen sein, dass die Klägerin in einem Zeitraum von max. zwei Wochen vor dem 29.09.2007 von der Befreiungsmöglichkeit Kenntnis erhalten hat. Diese Voraussetzung liegt indes nicht vor. Die Klägerin hat erklärt, dass sie erstmals durch einen Versicherungsvertreter der privaten Krankenversicherung von der Befreiungsmöglichkeit erfahren habe. Ihr sei zudem mitgeteilt worden, dass sie über ihren Ehemann beihilfeberechtigt sei, wenn sie eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreite. In diesem Zusammenhang wartete sie offenbar zunächst den Bescheid der Rheinischen Versorgungskassen vom 11.09.2007 ab. Durch diesen habe dann festgestanden, dass sie die Einkommensgrenze einhalte und beihilfeberechtigt sei. Sie habe das private Krankenversicherungsunternehmen gebeten zu prüfen, ob und zu welchen Konditionen eine Aufnahme möglich sei. An welchem Datum das Gespräch mit dem Versicherungsvertreter stattfand, ist schriftlich nicht vorgetragen. Die Klägerin hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der gesamte bekannte Sachverhalt ausführlich dargelegt sei und sie auch mündlich keine weiteren Ergänzungen vornehmen könne. Dem Gericht sind damit keine weiteren Ermittlungen möglich. Da der Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Befreiungsmöglichkeit nicht ermittelt werden kann, kann auch nicht festgestellt werden, ob die 2-Wochen-Frist eingehalten ist. Dies geht zu Lasten der Klägerin, da sie aus § 27 SGB X eine für sich positive Rechtsfolge herleiten möchte.

Auch über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ist der Klägerin keine Befreiung von der Versicherungspflicht zu gewähren. Es besteht Einigkeit, dass das Institut neben der Frist des § 8 Abs. 2 SGB V anzuwenden ist (Sommer, in: Peters, SGB V, § 8 Rn. 61; Hampel, in: jurisPK, SGB V, § 8 Rn. 98; Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 8 Rn. 75; Kru¬se, in: LPK, SGB V, § 8 Rn. 17; Baier, in: Krauskopf, SGB V, § 8 Rn. 15; zu der einmonatigen Frist des § 173a RVO: BSG SozR 1200 § 14 Nr. 13).

Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Leistungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder des konkreten Sozialrechtsverhältnisses gegenüber dem Berechtigten obliegenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung (§§ 14, 15 SGB I), ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Er setzt demnach eine dem Sozialleistungsträger zurechenbare behördliche Pflichtverletzung voraus, die (als wesentliche Bedingung) kausal für einen sozialrechtlichen Nachteil des Berechtigten ist. Außerdem ist erforderlich, dass durch Vornahme einer zulässigen Amtshandlung der Zustand hergestellt werden kann, der bestehen würde, wenn die Behörde ihre Verpflichtungen gegenüber dem Berechtigten nicht verletzt hätte (st. Rspr. vgl. z.B.: BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 28/09 R m.w.N.).

Ob eine Aufklärungspflicht der Beklagten im Hinblick auf das befristete Antragsrecht besteht, kann offen bleiben. Die Rechtsprechung ist insoweit uneinheitlich. Zum Teil wird davon ausgegangen, dass die unterlassene individuelle Aufklärung über ein befristetes Recht einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösen kann (BSG, Urteil vom 17.12.1980, 12 RK 34/80; BSG, Urteil vom 26.10.1982, 12 RK 37/81; BSG, Urteil vom 22.10.1995, 13 RJ 23/95), andererseits wird im Hinblick auf den Grundsatz der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen eine allgemeine Aufklärungspflicht verneint (BSG, Urteil vom 09.02.1993, 12 RK 28/92; BSG, Urteil vom 21.06.1990, 12 RK 27/88; LSG NRW, Urteil vom 29.05.2002, L 8 LW 1/02), wenn nicht eine unrichtige oder unvollständige Information vom Versicherungsträger gegeben wurde. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Aufklärungspflichten des Versicherungsträgers gerade im Hinblick auf den Befreiungsantrag mit der nur einmonatigen Dauer der Antragsfrist begründet wurden (früher: § 173a RVO; BSG, Urteil vom 26.10.1982, 12 RK 37/81). Der Zeitraum, in dem ein Befreiungsantrag gestellt werden kann, ist unterdessen in § 8 Abs. 2 SGB V auf drei Monate ausgeweitet worden.

Ungeachtet dessen hat die Beklagte jedenfalls tatsächlich einen Anlass zur Aufklärung nach Bewilligung der Rente gesehen und dies durch das Schreiben vom 25.05.2007 verdeutlicht. Dem Schreiben war nach dem Vortrag der Beklagten maschinell ein Merkblatt beigefügt, aus dem sich das befristete Recht zur Befreiung ergibt. Die Klägerin hat das Merkblatt nach ihren Angaben nicht erhalten. Für einen Zugang spricht zwar, dass die Beklagte keine Störungen im maschinellen Ablauf im fraglichen Zeitraum festgestellt hat und die Klägerin darüber hinaus den Erhalt der zweiten maschinell beigefügten Anlage (Fragebogen) nicht bestritten hat, letztlich trägt die Beklagte aber die objektive Beweislast für den Zugang des Merkblattes (vgl. BSG, Urteil vom 26.07.2007, B 13 R 4/06 R).

Auch wenn man aber davon ausgeht, dass die Klägerin das Merkblatt nicht erhalten hat und die Beklagte damit nicht den Nachweis der Erfüllung einer Aufklärungspflicht führen könnte, wäre dies nicht kausal für die fehlende Antragstellung. Die Pflichtverletzung muss zwar nicht die alleinige, aber die allein wesentliche Ursache des sozialrechtlichen Schadens sein (Seewald, in: Kasseler Kommentar, SGB I, Vor §§ 38 - 47 Rn. 38 m.w.N). Grundsätzlich darf sich der Versicherte auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von einem Leistungsträger gegebenen Auskünfte verlassen (BSG, Urteil vom 23.03.1972, 5 RJ 63/70). Dieser Vertrauensschutz findet aber dort ein Ende, wo der Versicherte erkennen kann und muss, dass die Auskunft nicht vollständig ist. Wer erkennt oder grob fahrlässig nicht erkennt, dass die Auskunft unvollständig ist, kann sich auf ein Vertrauen nicht berufen (BSG aaO, Leitsatz Nr. 4). Der Versicherte muss dann die fehlende Information erfragen. Unterlässt er die Nachfrage, besteht kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der unvollständigen Information des Versicherungsträgers und dem Schaden (vgl. LSG Bay¬ern, Urteil vom 25.03.2009, L 20 R 179/07).

Die Klägerin hat eingeräumt, dass sie das Schreiben der Beklagten vom 25.05.2007 erhalten hat. Darin wird ausdrücklich auf das beiliegende Beratungsblatt "Als Rentner TK-versichert" hingewiesen. Wenn das Merkblatt nicht beigefügt war, so war für die Klägerin klar erkennbar, dass die Auskunft der Beklagten nicht vollständig war. Es hätte sich für sie aufdrängen müssen, die Beklagte um Nachsendung zu bitten. Dadurch dass sie das nicht getan hat, hat sie auf die im Merkblatt enthaltenen Informationen verzichtet. Sie hat das Risiko auf sich genommen, dass in dem Merkblatt auf ihr unbekannte Gestaltungsrechte hingewiesen wird.

Insofern die Klägerin vorgetragen hat, dass der Titel des Merkblattes nicht erkennen lasse, dass ein Befreiungsrecht bestehen könne, sondern sogar nahe lege, dass die Pflichtversicherung in keinem Fall beendet werden könne, teilt die Kammer diese Ansicht nicht. Die grobe Fahrlässigkeit liegt dann in der eigenen Schlussfolgerung über den Inhalt des Beratungsblattes allein anhand des Titels.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved