Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 429/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 verurteilt, dem Kläger im Zeitraum vom 06.04.2005 bis zum 22.01.2006 Krankengeld ohne Anrechnung der aus der Rente zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge zu bewilligen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtsfrage, ob die aus einer Rente zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge auf das Krankengeld anzurechnen sind.
Der Kläger bezog während des Bezuges von Krankengeld gleichzeitig eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung seitens der Landesversicherungsanstalt Oberbayern.
Durch Bescheide vom 04.05.2005 und vom 14.07.2005 kürzte die Beklagte das dem Kläger zuvor bewilligte Krankengeld für die Zeit ab dem 06.04.2005 um den Bruttobetrag seiner von der LVA Oberbayern bezogenen teilweisen Erwerbsminderungsrente, dass heißt um den Betrag inklusive der von der LVA Oberbayern abgeführten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Diese Bescheide wurden bestandskräftig.
Am 06.03.2006 beantragte der Kläger die Neufestsetzung seines Krankengeldes für die Zeit ab dem 06.04.2005. Mit Bescheid vom 21.03.2006 bestätigte die Beklagte die bisherige Berechnung und lehnte die Nachzahlung eines höheren Betrages ab. Den dagegen am 23.03.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 02.04.2007 als unbegründet zurück. Dagegen hat der Kläger am 03.05.2007 beim Sozialgericht München Klage erhoben.
Der Kläger macht geltend, die während der Dauer des Krankengeldes bezogene Rente dürfe nur in Höhe des Nettobetrages angerechnet werden, da bei Anrechnung des Bruttobetrages dem Kläger weniger Geld zur Verfügung stehe als wenn er keine Rente bezöge.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld für den Zeitraum vom 06.04.2005 bis zum 22.01.2006 ohne Anrechnung der aus der Rente zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich für ihre Rechtsauffassung zum einen darauf, dass der Begriff des "Zahlbetrags" in § 50 Abs. 2 SGB V genauso ausgelegt werden müsse wie in § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Für die zuletzt genannte Vorschrift sei jedoch anerkannt, dass dort der "Zahlbetrag der Rente" ohne Abzug der Sozialversicherungsbeiträge gemeint sein müsse. Zum anderen habe der Gesetzgeber gewollt, dass der Rentenberechtigte seine Sozialversicherungsbeiträge aus eigener Tasche bezahle; dies werde verhindert, wenn ihm diese Beiträge über das Krankengeld erstattet würden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Für die Entscheidung über die zulässige Klage war das Sozialgericht München örtlich (§ 57 Sozialgerichtsgesetz-SGG) und sachlich (§ 8 SGG) zuständig. Die Klage wurde gemäß §§ 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage war auch in vollem Umfang begründet. Der "Zahlbetrag" der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, um den gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V das Krankengeld zu kürzen ist, meint allein den an den Versicherten ausgezahlten Nettobetrag der Rente ohne Berücksichtigung der von der Rentenversicherung abgezogenen Sozialversicherungsbeiträge.
Der Gesetzgeber hat bereits durch die Verwendung des Begriffs "Zahlbetrag" deutlich gemacht, dass nicht die Brutto-Höhe des Rentenanspruches für die Kürzung maßgebend ist, sondern allein der vom Rentenversicherungsträger an den Versicherten tatsächlich ausgezahlte Betrag. Dass der Begriff des "Zahlbetrags" in § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V offensichtlich eine andere Bedeutung haben muss, weil ansonsten eine Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung logisch gar nicht möglich wäre, steht dieser - dem Wortlaut am ehesten entsprechenden - Auslegung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V nicht entgegen.
Die Kürzung des Krankengeldes um die aus der Rente abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge widerspräche auch dem Sinn und Zweck des § 50 Abs. 2 SGB V. Diese Vorschrift will nur eine Kumulierung verschiedener Sozialleistungen, die denselben Zweck verfolgen, vermeiden, sie will jedoch nicht den Versicherten, der neben dem Krankengeld noch eine Rente bezieht, finanziell schlechter stellen, als den Versicherten, der nur Krankengeld bezieht. Eine solche Schlechterstellung würde jedoch im Ergebnis erreicht, wenn das Krankengeld eines Rentenbeziehers auch um die aus der Rente abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, die nicht an den Versicherten, sondern an seine Sozialversicherungsträger ausbezahlt werden, gekürzt würde.
Das Argument, ohne die Kürzung des Krankengeldes um die aus der Rente abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge würden diese Beiträge entgegen dem Willen des Gesetzgebers nicht vom Versicherten, sondern über das Krankengeld von der Krankenversicherung getragen, trifft nicht zu: Dass die Beklagte nicht berechtigt ist, einen anderweitig bestehenden Anspruch - hier das Krankengeld -, den sie ohne den Rentenanspruch des Versicherten in weit größerer Höhe zu erfüllen hätte, um die aus der Rente abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge zu kürzen, kann nicht dem Fall gleich gestellt werden, dass die Beklagte dem Kläger, dem sie ansonsten nicht zur Leistung verpflichtet wäre, Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten hätte. Auch wenn das Krankengeld des Versicherten nicht um die aus der Rente abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge gekürzt werden darf, werden diese Sozialversicherungsbeiträge dennoch vom Rentenversicherungsträger - und gerade nicht von der Krankenkasse - real an die Sozialversicherungsträger, zu denen auch die Beklagte gehört, ausbezahlt. Wäre die Beklagte berechtigt, das Krankengeld um die aus der Rente zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge zu kürzen, so würde sie wirtschaftlich gesehen die Krankenversicherungsbeiträge sogar doppelt einnehmen: erstens als real vom Rentenversicherungsträger an die Krankenkasse abgeführte Beiträge und zweitens indirekt dadurch, dass sie um die von ihr selbst eingenommene Beitragsleistung zusätzlich auch noch das an den Versicherten ausbezahlte Krankengeld kürzt. Dass ein solches Ergebnis nicht hingenommen werden kann und geradezu absurd wäre, entspricht der einhelligen Meinung der Literatur (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, München 2008, § 50 SGB V RdNr. 30) und Rechtsprechung (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil vom 19.10.2005 Az.: L 5 KR 88/04 und LSG NRW Urteil vom 30.08.2007 Az.: L 2 KN 223/06 KR).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, insbesondere von der Beklagten ein Anerkenntnis deshalb verweigert wurde, weil ihre Auslegung einer von allen Krankenkassen abgeschlossenen Vereinbarung entspreche und eine entgegenstehende Entscheidung weder des Bundessozialgerichts noch des Bayerischen Landessozialgerichts bekannt sei.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Rechtsfrage, ob die aus einer Rente zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge auf das Krankengeld anzurechnen sind.
Der Kläger bezog während des Bezuges von Krankengeld gleichzeitig eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung seitens der Landesversicherungsanstalt Oberbayern.
Durch Bescheide vom 04.05.2005 und vom 14.07.2005 kürzte die Beklagte das dem Kläger zuvor bewilligte Krankengeld für die Zeit ab dem 06.04.2005 um den Bruttobetrag seiner von der LVA Oberbayern bezogenen teilweisen Erwerbsminderungsrente, dass heißt um den Betrag inklusive der von der LVA Oberbayern abgeführten Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Diese Bescheide wurden bestandskräftig.
Am 06.03.2006 beantragte der Kläger die Neufestsetzung seines Krankengeldes für die Zeit ab dem 06.04.2005. Mit Bescheid vom 21.03.2006 bestätigte die Beklagte die bisherige Berechnung und lehnte die Nachzahlung eines höheren Betrages ab. Den dagegen am 23.03.2006 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 02.04.2007 als unbegründet zurück. Dagegen hat der Kläger am 03.05.2007 beim Sozialgericht München Klage erhoben.
Der Kläger macht geltend, die während der Dauer des Krankengeldes bezogene Rente dürfe nur in Höhe des Nettobetrages angerechnet werden, da bei Anrechnung des Bruttobetrages dem Kläger weniger Geld zur Verfügung stehe als wenn er keine Rente bezöge.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2007 zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld für den Zeitraum vom 06.04.2005 bis zum 22.01.2006 ohne Anrechnung der aus der Rente zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich für ihre Rechtsauffassung zum einen darauf, dass der Begriff des "Zahlbetrags" in § 50 Abs. 2 SGB V genauso ausgelegt werden müsse wie in § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Für die zuletzt genannte Vorschrift sei jedoch anerkannt, dass dort der "Zahlbetrag der Rente" ohne Abzug der Sozialversicherungsbeiträge gemeint sein müsse. Zum anderen habe der Gesetzgeber gewollt, dass der Rentenberechtigte seine Sozialversicherungsbeiträge aus eigener Tasche bezahle; dies werde verhindert, wenn ihm diese Beiträge über das Krankengeld erstattet würden.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Für die Entscheidung über die zulässige Klage war das Sozialgericht München örtlich (§ 57 Sozialgerichtsgesetz-SGG) und sachlich (§ 8 SGG) zuständig. Die Klage wurde gemäß §§ 87, 90, 92 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Die Klage war auch in vollem Umfang begründet. Der "Zahlbetrag" der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, um den gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V das Krankengeld zu kürzen ist, meint allein den an den Versicherten ausgezahlten Nettobetrag der Rente ohne Berücksichtigung der von der Rentenversicherung abgezogenen Sozialversicherungsbeiträge.
Der Gesetzgeber hat bereits durch die Verwendung des Begriffs "Zahlbetrag" deutlich gemacht, dass nicht die Brutto-Höhe des Rentenanspruches für die Kürzung maßgebend ist, sondern allein der vom Rentenversicherungsträger an den Versicherten tatsächlich ausgezahlte Betrag. Dass der Begriff des "Zahlbetrags" in § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V offensichtlich eine andere Bedeutung haben muss, weil ansonsten eine Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung logisch gar nicht möglich wäre, steht dieser - dem Wortlaut am ehesten entsprechenden - Auslegung des § 50 Abs. 2 Nr. 2 SGB V nicht entgegen.
Die Kürzung des Krankengeldes um die aus der Rente abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge widerspräche auch dem Sinn und Zweck des § 50 Abs. 2 SGB V. Diese Vorschrift will nur eine Kumulierung verschiedener Sozialleistungen, die denselben Zweck verfolgen, vermeiden, sie will jedoch nicht den Versicherten, der neben dem Krankengeld noch eine Rente bezieht, finanziell schlechter stellen, als den Versicherten, der nur Krankengeld bezieht. Eine solche Schlechterstellung würde jedoch im Ergebnis erreicht, wenn das Krankengeld eines Rentenbeziehers auch um die aus der Rente abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, die nicht an den Versicherten, sondern an seine Sozialversicherungsträger ausbezahlt werden, gekürzt würde.
Das Argument, ohne die Kürzung des Krankengeldes um die aus der Rente abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge würden diese Beiträge entgegen dem Willen des Gesetzgebers nicht vom Versicherten, sondern über das Krankengeld von der Krankenversicherung getragen, trifft nicht zu: Dass die Beklagte nicht berechtigt ist, einen anderweitig bestehenden Anspruch - hier das Krankengeld -, den sie ohne den Rentenanspruch des Versicherten in weit größerer Höhe zu erfüllen hätte, um die aus der Rente abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge zu kürzen, kann nicht dem Fall gleich gestellt werden, dass die Beklagte dem Kläger, dem sie ansonsten nicht zur Leistung verpflichtet wäre, Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten hätte. Auch wenn das Krankengeld des Versicherten nicht um die aus der Rente abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge gekürzt werden darf, werden diese Sozialversicherungsbeiträge dennoch vom Rentenversicherungsträger - und gerade nicht von der Krankenkasse - real an die Sozialversicherungsträger, zu denen auch die Beklagte gehört, ausbezahlt. Wäre die Beklagte berechtigt, das Krankengeld um die aus der Rente zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge zu kürzen, so würde sie wirtschaftlich gesehen die Krankenversicherungsbeiträge sogar doppelt einnehmen: erstens als real vom Rentenversicherungsträger an die Krankenkasse abgeführte Beiträge und zweitens indirekt dadurch, dass sie um die von ihr selbst eingenommene Beitragsleistung zusätzlich auch noch das an den Versicherten ausbezahlte Krankengeld kürzt. Dass ein solches Ergebnis nicht hingenommen werden kann und geradezu absurd wäre, entspricht der einhelligen Meinung der Literatur (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, München 2008, § 50 SGB V RdNr. 30) und Rechtsprechung (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil vom 19.10.2005 Az.: L 5 KR 88/04 und LSG NRW Urteil vom 30.08.2007 Az.: L 2 KN 223/06 KR).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, insbesondere von der Beklagten ein Anerkenntnis deshalb verweigert wurde, weil ihre Auslegung einer von allen Krankenkassen abgeschlossenen Vereinbarung entspreche und eine entgegenstehende Entscheidung weder des Bundessozialgerichts noch des Bayerischen Landessozialgerichts bekannt sei.
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