Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 175/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 SO 501/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 28.01.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2009 verurteilt, den Bescheid vom 26.05.2008 aufzuheben.
Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) und einer Pflegebeihilfe nach dem 7. Kapitel des SGB XII für die Monate Juni und Juli 2008.
Die im Jahr 19xx und 19xx geborenen Kläger sind türkische Staatsangehörige. Sie beziehen seit Jahren ergänzend zu ihren Altersrenten Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII vom Beklagten. Die Klägerin zu 2) bezieht zudem eine Pflegebeihilfe. Mit Bescheid vom 20.02.2008 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit von Oktober 2007 bis September 2008 in Höhe von 594,49 Euro (Grundsicherung) und 154,50 Euro (Pflegebeihilfe).
Am 13.05.2008 ging beim Beklagten die Kopie einer Buchungsbestätigung eines Reisebüros ein, aus der ersichtlich war, dass die Kläger für den 25.05.2008 einen Flug nach Istanbul und für den 24.08.2008 einen Rückflug nach Düsseldorf gebucht hatten.
Mit Bescheid vom 26.05.2008 hob der Beklagte den Grundsicherungsbewilligungsbescheid ab dem 01.06.2008 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) aufgrund einer wesentlichen Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen auf. Wie er bereits mit Schreiben vom 27.02.2008 mitgeteilt habe, bestehe auch während eines Urlaubs im Ausland Anspruch auf Grundsicherung. Vorausgesetzt sei, dass die Abwesenheit nicht die übliche Dauer eines Urlaubs überschreite. Er gehe davon aus, dass bei einem Auslandsaufenthalt von zwei Monaten oder länger der gewöhnliche Aufenthalt vorübergehend ins Ausland verlegt werde. Daher bestehe ab Juni 2008 kein Anspruch mehr auf Grundsicherung. Die Grundsicherung nach dem SGB XII sei keine Rente und könne daher nicht uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf die Dauer des Auslandsaufenthalts weiter gezahlt werden.
Am 26.08.2008 stellten die Kläger erneut einen Antrag auf Grundsicherung. Der Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom gleichen Tag für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.07.2009 wieder Leistungen der Grundsicherung und die Pflegebeihilfe.
Mit Schreiben vom 20.10.2008 forderten die Kläger den Beklagten durch ihren Prozessbevollmächtigten auf, die Leistungen für die Zeit von Juni bis August an sie auszuzahlen.
Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 23.10.2008 unter Hinweis auf den mit Bescheid vom 26.05.2008 aufgehobenen Bewilligungsbescheid ab.
Mit Schreiben vom 27.10.2008 erhoben die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.05.2008. Dieser liege ihnen gar nicht vor, weshalb um Übersendung einer Kopie gebeten werde. Hilfsweise werde ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt. Es bestehe Anspruch auf ununterbrochene Leistungen, da der gewöhnliche Aufenthalt im Inland sei. Der Aufenthalt bleibe gewöhnlich, auch wenn sie drei Monate im Ausland seien. Auch werde für die vergangenen Jahre eine Überprüfung beantragt.
Der Beklagte teilte per Bescheid vom 28.01.2009 mit, dass die Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis geführt habe und der Bescheid vom 26.05.2008 daher aufrecht erhalten werde.
Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 02.02.2009 Widerspruch unter Bezugnahme auf die bisher vorgebrachten Argumente.
Am 30.06.2009 erhoben die Kläger Untätigkeitsklage (Az.: S 2 SO 149/09), die nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 15.07.2009 für erledigt erklärt wurde. Der Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Schreiben vom 27.10.2008 habe er auch als Widerspruch gegen die ohne entsprechenden Bescheid ebenfalls ab Juni 2008 eingestellte Zahlung der Pflegebeihilfe gewertet. Voraussetzung für die Leistungen sei, dass der Empfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Ein Transfer von öffentlichen Leistungen ins Ausland solle verhindert werden. Während eines Urlaub bestünden die Ansprüche grundsätzlich fort, außer der Urlaub überschreite die übliche Dauer, was hier der Fall sei. Obwohl davon auszugehen sei, dass die Mehrzahl der Steuerzahler in der Bundesrepublik, aus deren Steueraufkommen die Sozialhilfe und die Grundsicherung finanziert werde, kaum Auslandsurlaube von mehr als 3 bis maximal 4 Wochen finanzieren könne, gehe er davon aus, dass erst bei einem Auslandsaufenthalt von zwei Monaten oder länger der gewöhnliche Aufenthalt vorübergehend ins Ausland verlagert werde. Mit dieser großzügigen Regelung werde berücksichtigt, dass Grundsicherungsemfänger beispielsweise nicht mehr für die Arbeitsverwaltung erreichbar sein müssten. Zudem sei es den Klägern möglich gewesen, den Bedarf in der Türkei mit Hilfe von Verwandten und Freunden sicherzustellen. Hinsichtlich der Pflegebeihilfe komme es gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII auf den tatsächlichen Aufenthalt an. Sozialhilfe im Ausland sei daher grundsätzlich ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sein eine Abwesenheit von einem Monat in diesen Fällen dennoch als unschädlich hingenommen worden. Die Kläger seien jedoch vorliegend drei Monate im Ausland gewesen. Die Aufhebung der Pflegebeihilfe sei daher auch rechtmäßig gewesen.
Hiergegen haben die Kläger am 23.07.2009 Klage erhoben. Die Grundsicherung sei eine rentenähnliche Dauerleistung. Da keine Änderung der Sach- und Rechtslage vorgelegen habe, habe man den Bewilligungsbescheid nicht aufheben dürfen. Hinsichtlich der Pflegebeihilfe sei der Bedarf bekannt gewesen, auch wenn dieser vorübergehend in der Türkei bestanden habe.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, unter Änderung des Bescheides vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2009, den Bescheid vom 26.05.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die Klage aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für unbegründet. Ein üblicher Urlaub führe nicht zum Verlust des Grundsicherungsanspruchs, eine längere Verlagerung des Lebensmittelpunktes, wie vorliegend, jedoch schon. Bei der Pflegebeihilfe sei zudem auf den tatsächlichen, nicht auf den gewöhnlichem Aufenthalt abzustellen, weshalb eine Leistung für Juni und Juli aufgrund des tatsächlichen Aufenthalts in der Türkei ausscheide. Es sei mit Sinn und Zweck einer Sozialleistung nicht vereinbar, wenn die Bedürftigen mehrere Monate im Ausland lebten und dabei Sozialleistungen bezögen.
Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass sie davon ausgehen, dass mit dem Bescheid vom 26.05.2008 nicht nur die Grundsicherung, sondern auch die Pflegebeihilfe aufgehoben worden ist. Die Vorsitzende hat den Beteiligten im Termin eine Kopie des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 03.02.2010, Az.: L 12 ( 20) SO 3/09 ausgehändigt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) ist ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Dies ist vorliegend der Fall.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Eine die Aufhebung des Bewilligungsbescheids nach § 48 Abs. 1 SGB X rechtfertigende wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegten haben, lag nicht vor. Durch den dreimonatigen Aufenthalt in der Türkei haben die Kläger im vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland aufgehoben und (vorübergehend) in der Türkei begründet (vgl. zu einem achtwöchigen Auslandsaufenthalt: LSG NRW, Urteil vom 03.02.2010, Az.: L 12 (20) SO 3/09). Ihr Lebensmittelpunkt lag in dieser Zeit weiterhin in Duisburg, der Aufenthalt in der Türkei war nicht zukunftsoffen.
Da die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass sich der Aufhebungsbescheid vom 26.05.2008 auch auf die Pflegebeihilfe bezogen hat, erübrigt sich ein weiteres Eingehen darauf, dass im Aufhebungsbescheid ausdrücklich nur die Grundsicherung erwähnt war.
Nach § 41 Abs. 1 SGB XII sind Ältere und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen können, leistungsberechtigt hinsichtlich der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel. Im SGB XII wird damit betreffend der Grundsicherung ausdrücklich an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft und nicht, wie im Bundessozialhilfegesetz, an den tatsächlichen (vgl. LSG NRW, Urteil v. 03.02.2010, aao). Die Kläger erfüllen diese Anspruchsvoraussetzungen. Sie gehören zu den älteren Personen in diesem Sinne, ihre Altersrenten in Höhe von zusammen 477,88 Euro monatlich reichten nicht aus, um den notwendigen Lebensunterhalt und die Unterkunfts- und Heizkosten zu decken. Allein für die Miete und die Heizkosten in Duisburg mussten sie während des Türkeiaufenthalts insgesamt 395,33 Euro monatlich aufbringen. Die verbleibenden 82,55 Euro monatlich reichen zur Deckung der laufenden Kosten nicht aus.
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Definition in Absatz 3 für alle Fälle gelten, in denen in besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt wird (s. BT-Drucks 7/3786 S 5).
Ob jemand sich gewöhnlich in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise entscheiden. Dabei sind alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung bei Beginn eines streitigen Zeitraums erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 22.03.1988, Az.: 8/5a Rkn 11/87). Es kommt demnach nicht nur auf den wirklichen Willen einer Person an, an einem Ort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen oder sich nicht nur vorübergehend dort aufzuhalten. Es kommt auch darauf an, dass tatsächliche Verhältnisse, also gewisse objektive Momente vorliegen, die auf einen Zustand längeren Verweilens schließen lassen, also dem Willen der Person nicht entgegenstehen (vgl BSG, Urteil vom 28.07.1967, Az.: 4 RJ 411/66).
Bei Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland beendet ein vorübergehender Aufenthalt im Ausland diesen nicht. Der gewöhnliche Aufenthalt ist nicht gleichbedeutend mit "nie abwesend sein” (BSG, Urteil vom 28.07.1967, aaO). Grundsätzlich hebt auch eine Abwesenheit von längerer Dauer den gewöhnlichen Aufenthalt nicht auf, wenn die Absicht oder Wahrscheinlichkeit besteht, an den früheren Aufenthaltsort zurückzukehren und gefestigte Beziehungen dorthin aufrecht erhalten bleiben (BSG, Urteil vom 22.03.1988, aaO).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Frage des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I anhand einer dreistufigen Prüfung zu klären. Im Urteil des BSG vom 25.06.1987, Az.: 11a REg 1/07 heißt es:
"Ausgangspunkt ist in Satz 2 ein Aufenthalt (in Satz 1: eine Wohnung); es sind dann die mit dem Aufenthalt (in Satz 1: der Wohnung) verbundenen "Umstände" festzustellen; sie sind schließlich daraufhin zu würdigen ob sie erkennen lassen (in Satz 1: darauf schließen lassen), daß der Betreffende am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet nicht nur vorübergehend verweilt (in Satz 1: die Wohnung behalten oder benutzen wird)."
Weiter führt das BSG aus:
"Eine Definition darüber, wann ein Verweilen "vorübergehend" ist, bringt § 30 Abs. 3 SGB I nicht. Vom Wortverständnis ist der Begriff im Gegensatz zu "dauernd" zu verstehen. Sonach kommt es darauf an, ob ein Ende des Aufenthalts zu erwarten ist."
...
"§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB 1 verbindet die Begriffe "vorübergehendes Verweilen" und "gewöhnlicher Aufenthalt" mit keinen bestimmten Zeitabschnitten, weder iS fester Regeln noch auch nur iS bloßer Vermutungen. Daß der Gesetzgeber keine Höchst- oder - 8 - Mindestzeiten zugrunde legen wollte, bestätigt die Entstehungsgeschichte. Die gewählte Definition sollte mit den entsprechenden Vorschriften im Steuerrecht übereinstimmen (BT-Drucks VII/3786 S 5). Dabei wurde aber nicht die dortige Regelung mitübertragen, daß die durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründete Steuerpflicht stets bei einem länger als sechs Monate dauernden Inlandsaufenthalt eintrete (BSGE 45, 95, 98; 49, 254, 255), wobei jeder Anhalt für ein Versehen des Gesetzgebers fehlt. Das SG durfte deshalb nicht auf einen Sechsmonatszeitraum abstellen."
Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen nach eigener umfassender Prüfung vollumfänglich an. Danach kann bei der Frage, ob durch einen Auslandsaufenthalt dort ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, bzw. der gewöhnliche Aufenthalt im Inland aufgehoben wird, nicht pauschal - wie es der Beklagte im vorliegenden Fall getan hat - auf eine bestimmte Dauer des Auslandsaufenthalts abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, die zu würdigen sind.
Danach bestand vorliegend der gewöhnliche Aufenthalt der Kläger im Inland trotz ihres dreimonatigen Türkeiurlaubs im Sommer 2008 fort. Die Kläger haben in Duisburg eine Wohnung angemietet, die sie den überwiegenden Teil des Jahres nutzten und für die sie auch während des Türkeiaufenthalts weiter Miete bezahlen mussten. Das Mietverhältnis besteht bereits seit dem 01.03.1984. In der Türkei wohnen sie nach eigener Auskunft bei ihrem dort lebenden Sohn, bzw. bei anderen Verwandten. Ihre Tochter und ein weiterer Sohn wohnen in Deutschland, so dass gefestigte Beziehungen in Deutschland vorhanden sind.
Diese Umstände können für sich genommen schon Indiz für einen durchgehenden gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sein. Hinzu kommt vorliegend noch, dass der Aufenthalt der Kläger in der Türkei nicht zukunftsoffen war.
Die Kläger haben dem Beklagten unter dem 13.05.2008, also vor Reisebeginn, mitgeteilt, dass sie vom 25.05.2008 bis zum 24.08.2008 Urlaub in der Türkei machen würden. Schon zu diesem Zeitpunkt war anhand des feststehenden Rückflugdatums klar, dass der Türkeiaufenthalt nicht "mit offenem Ende", also zukunftsoffen geplant war. Dass und wann zurückgekehrt wird, stand von vornherein fest und wurde so auch eingehalten, denn schon am 26.08.2008 sprachen die Kläger wieder beim Beklagten vor. Auch in den Jahren zuvor haben die Kläger dem Beklagten stets angezeigt dass und für wie lang sie in die Türkei reisen. Der Beklagte hat die Leistungen an die Kläger stets für die Dauer des Auslandsaufenthalts eingestellt. Nach Auffassung des Gericht deuten jedoch auch die regelmäßigen Anzeigen der Abwesenheitszeiten auf einen Rückkehrwillen hin. Diesem Umstand - dem Rückkehrwillen - kommt nach Auffassung des Gerichts maßgebliche Bedeutung zu. So wurde in der Rechtsprechung ein (vorübergehender) gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland nämlich dann angenommen, wenn die Rückkehr nach Deutschland unvorhersehbar war (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 04.04.2006, Az.: L 7 SO 12/06 R), war hier gerade nicht der Fall ist. Die Kläger hatten schon vor Antritt der Reise dem Beklagten ihren Rückkehrwillen offenbart, der durch den Buchungsnachweis Bestätigung fand. Der Lebensmittelpunkt der Kläger blieb trotz des Türkeiaufenthalts in Deutschland.
Andererseits sind nach Auffassung des Gerichts durchaus Fälle denkbar, in denen auch bei einem weniger als drei Monate dauernden Auslandsaufenthalt von einer Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland auszugehen ist. Dies kann grundsätzlich dann der Fall sein, wenn der Aufenthalt zukunftsoffen und zunächst keine Rückkehr geplant oder diese nicht absehbar war. Bestätigung muss dies in objektiven Momenten finden, beispielsweise ist hier an die Aufgabe der Wohnung zu denken. Im Gegenzug kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass es ausschließlich auf den z.B. sich in einer den Rückflug betreffenden Buchungsbestätigung manifestierenden Rückkehrwillen ankommt. Dies würde dazu führen, dass zeitlich noch deutlich über den im vorliegenden Fall im Ausland verbrachten drei Monaten liegende Auslandsaufenthalte nicht zu einer Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts führen würden. Abzustellen ist vielmehr stets auf die (Gesamt)Umstände des Einzelfalles, also auch auf die objektiven Momente.
Bei den Klägern ist, soweit sich diese bis zu drei Monate im Jahr in der Türkei aufhalten, nach Auffassung des Gerichts auch nicht von einem neben dem im Inland bestehenden weiteren gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei auszugehen.
Im Sozialrecht kann sich aus dem Zweck der jeweiligen Regelung und der Funktion, die der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im jeweiligen Regelungszusammenhang hat, die Möglichkeit mehrerer gewöhnlicher Aufenthalte ergeben. Für deren Begründung und Beendigung gilt das Gleiche wie für einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 65. Lfg., § 30 Rn. 27 m.w.N.). Voraussetzung für einen doppelten gewöhnlichen Aufenthalt ist, dass jemand in zwei Gebieten Wohnungen unterhält und abwechselnd hier und dort lebt. Es darf kein wesentlicher Unterschied betreffend der Intensität der wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zu den beiden Aufenthalten bestehen (in diesem Sinne: BSG, Urteil vom 28.07.1967, aaO). Andernfalls liegt nur ein einziger tatsächlich und rechtlich maßgeblicher gewöhnlicher Aufenthalt vor.
Die Kläger unterhalten in der Türkei keine Wohnung und verbringen dreiviertel des Jahres im Inland. Der Unterschied zwischen den wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zu den beiden Aufenthaltsorten ist wesentlich.
Nach Auffassung des Gerichts spricht bei Grundsicherungsempfängern nach dem SGB XII, die aufgrund von Alter oder Erwerbsminderung dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen und sich ihm auch nicht zur Verfügung stellen müssen grundsätzlich nichts dagegen, dass diese u.U. auch längere Verwandtenbesuche vornehmen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 03.02.2010, aaO).
Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass grundsätzlich nur ein im Inland entstehender Bedarf zu decken ist. Vielmehr soll ein Export von Grundsicherungsleistungen ins Ausland regelmäßig nur in den Fällen verhindert werden, in denen die betreffende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat (LSG NRW, Urteil vom 03.02.2010, aaO).
Mangels wesentlicher Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen war die Grundsicherung nicht für die Monate Juni und Juli 2008 aufzuheben. Der Bescheid vom 26.05.2008 war daher nach der gemäß § 44 SGB X erfolgten Überprüfung zurückzunehmen gewesen.
Gleiches gilt für die der Klägerin zu 2) vom Beklagten bewilligte Pflegebeihilfe nach §§ 65 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1 SGB XII. Der Beklagte hat die Pflegebehilfe vorliegend per Dauerverwaltungsakt bewilligt. Eine dem § 44 SGB XII betreffend der Grundsicherung, die in der Regel für zwölf Monate bewilligt wird, entsprechende Regelung existiert für das 7. Kapitel des SGB XII nicht.
Anders als in § 41 SGB XII hinsichtlich der Grundsicherung enthalten die die Hilfe zur Pflege regelnden Vorschriften des 7. Kapitels des SGB XII auch nicht den Verweis auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland als Anspruchsvoraussetzung. Nach Auffassung des Gerichts ist daher unter Rückgriff auf die grundsätzlich für alle Sozialgesetzbücher anwendbare Vorschrift des § 30 SGB I der gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich (vgl. - 11 - ebenso: SG Hamburg, Urteil vom 12.10.2007, Az.: S 56 SO 350/06). Dem SGB XII lässt sich nicht entnehmen, dass im vorliegenden Fall der tatsächliche Aufenthalt materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegebeihilfe sein soll.
Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin zu 2) im Inland ist nicht durch den dreimonatigen Türkeiurlaub aufgegeben worden.
Einem Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt steht vorliegend auch nicht § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII entgegen. Nach dem die örtliche Zuständigkeit regelnden § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist für die Leistungen der Sozialhilfe, anders als nach Satz 2 für die Grundsicherung, nicht der gewöhnliche, sondern der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich. Allerdings regelt diese Vorschrift nur, welcher von mehreren in Betracht kommenden Sozialhilfeträgern für eine Leistung zuständig ist. Für die Frage des Bestehens eines Leistungsanspruchs trifft sie unmittelbar keine Regelungen (vgl. zu der entsprechenden Vorschrift im BSHG: OVG Hamburg, Urteil vom 04.07.1991, Az.: Bf IV 45/90; SG Hamburg, Urteil vom 12.10.2007, aaO).
Nach Auffassung des Gerichts lag daher auch betreffend der vorliegend per Dauerverwaltungsakt bewilligten Pflegebeihilfe keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, die eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids hätte begründen können.
Der Pflegebedarf der Klägerin zu 2) liegt seit längerer Zeit vor und war dem Beklagten auch bekannt. Der Bedarf bestand auch, während die Klägerin zu 2) sich in der Türkei aufhielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 (SGG).
Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) und einer Pflegebeihilfe nach dem 7. Kapitel des SGB XII für die Monate Juni und Juli 2008.
Die im Jahr 19xx und 19xx geborenen Kläger sind türkische Staatsangehörige. Sie beziehen seit Jahren ergänzend zu ihren Altersrenten Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII vom Beklagten. Die Klägerin zu 2) bezieht zudem eine Pflegebeihilfe. Mit Bescheid vom 20.02.2008 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen für die Zeit von Oktober 2007 bis September 2008 in Höhe von 594,49 Euro (Grundsicherung) und 154,50 Euro (Pflegebeihilfe).
Am 13.05.2008 ging beim Beklagten die Kopie einer Buchungsbestätigung eines Reisebüros ein, aus der ersichtlich war, dass die Kläger für den 25.05.2008 einen Flug nach Istanbul und für den 24.08.2008 einen Rückflug nach Düsseldorf gebucht hatten.
Mit Bescheid vom 26.05.2008 hob der Beklagte den Grundsicherungsbewilligungsbescheid ab dem 01.06.2008 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) aufgrund einer wesentlichen Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen auf. Wie er bereits mit Schreiben vom 27.02.2008 mitgeteilt habe, bestehe auch während eines Urlaubs im Ausland Anspruch auf Grundsicherung. Vorausgesetzt sei, dass die Abwesenheit nicht die übliche Dauer eines Urlaubs überschreite. Er gehe davon aus, dass bei einem Auslandsaufenthalt von zwei Monaten oder länger der gewöhnliche Aufenthalt vorübergehend ins Ausland verlegt werde. Daher bestehe ab Juni 2008 kein Anspruch mehr auf Grundsicherung. Die Grundsicherung nach dem SGB XII sei keine Rente und könne daher nicht uneingeschränkt und ohne Rücksicht auf die Dauer des Auslandsaufenthalts weiter gezahlt werden.
Am 26.08.2008 stellten die Kläger erneut einen Antrag auf Grundsicherung. Der Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom gleichen Tag für die Zeit vom 01.08.2008 bis 31.07.2009 wieder Leistungen der Grundsicherung und die Pflegebeihilfe.
Mit Schreiben vom 20.10.2008 forderten die Kläger den Beklagten durch ihren Prozessbevollmächtigten auf, die Leistungen für die Zeit von Juni bis August an sie auszuzahlen.
Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 23.10.2008 unter Hinweis auf den mit Bescheid vom 26.05.2008 aufgehobenen Bewilligungsbescheid ab.
Mit Schreiben vom 27.10.2008 erhoben die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.05.2008. Dieser liege ihnen gar nicht vor, weshalb um Übersendung einer Kopie gebeten werde. Hilfsweise werde ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X gestellt. Es bestehe Anspruch auf ununterbrochene Leistungen, da der gewöhnliche Aufenthalt im Inland sei. Der Aufenthalt bleibe gewöhnlich, auch wenn sie drei Monate im Ausland seien. Auch werde für die vergangenen Jahre eine Überprüfung beantragt.
Der Beklagte teilte per Bescheid vom 28.01.2009 mit, dass die Überprüfung zu keinem anderen Ergebnis geführt habe und der Bescheid vom 26.05.2008 daher aufrecht erhalten werde.
Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 02.02.2009 Widerspruch unter Bezugnahme auf die bisher vorgebrachten Argumente.
Am 30.06.2009 erhoben die Kläger Untätigkeitsklage (Az.: S 2 SO 149/09), die nach Erlass des Widerspruchsbescheids am 15.07.2009 für erledigt erklärt wurde. Der Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Schreiben vom 27.10.2008 habe er auch als Widerspruch gegen die ohne entsprechenden Bescheid ebenfalls ab Juni 2008 eingestellte Zahlung der Pflegebeihilfe gewertet. Voraussetzung für die Leistungen sei, dass der Empfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Ein Transfer von öffentlichen Leistungen ins Ausland solle verhindert werden. Während eines Urlaub bestünden die Ansprüche grundsätzlich fort, außer der Urlaub überschreite die übliche Dauer, was hier der Fall sei. Obwohl davon auszugehen sei, dass die Mehrzahl der Steuerzahler in der Bundesrepublik, aus deren Steueraufkommen die Sozialhilfe und die Grundsicherung finanziert werde, kaum Auslandsurlaube von mehr als 3 bis maximal 4 Wochen finanzieren könne, gehe er davon aus, dass erst bei einem Auslandsaufenthalt von zwei Monaten oder länger der gewöhnliche Aufenthalt vorübergehend ins Ausland verlagert werde. Mit dieser großzügigen Regelung werde berücksichtigt, dass Grundsicherungsemfänger beispielsweise nicht mehr für die Arbeitsverwaltung erreichbar sein müssten. Zudem sei es den Klägern möglich gewesen, den Bedarf in der Türkei mit Hilfe von Verwandten und Freunden sicherzustellen. Hinsichtlich der Pflegebeihilfe komme es gemäß § 98 Abs. 1 SGB XII auf den tatsächlichen Aufenthalt an. Sozialhilfe im Ausland sei daher grundsätzlich ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sein eine Abwesenheit von einem Monat in diesen Fällen dennoch als unschädlich hingenommen worden. Die Kläger seien jedoch vorliegend drei Monate im Ausland gewesen. Die Aufhebung der Pflegebeihilfe sei daher auch rechtmäßig gewesen.
Hiergegen haben die Kläger am 23.07.2009 Klage erhoben. Die Grundsicherung sei eine rentenähnliche Dauerleistung. Da keine Änderung der Sach- und Rechtslage vorgelegen habe, habe man den Bewilligungsbescheid nicht aufheben dürfen. Hinsichtlich der Pflegebeihilfe sei der Bedarf bekannt gewesen, auch wenn dieser vorübergehend in der Türkei bestanden habe.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, unter Änderung des Bescheides vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2009, den Bescheid vom 26.05.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält die Klage aus den im Widerspruchsbescheid genannten Gründen für unbegründet. Ein üblicher Urlaub führe nicht zum Verlust des Grundsicherungsanspruchs, eine längere Verlagerung des Lebensmittelpunktes, wie vorliegend, jedoch schon. Bei der Pflegebeihilfe sei zudem auf den tatsächlichen, nicht auf den gewöhnlichem Aufenthalt abzustellen, weshalb eine Leistung für Juni und Juli aufgrund des tatsächlichen Aufenthalts in der Türkei ausscheide. Es sei mit Sinn und Zweck einer Sozialleistung nicht vereinbar, wenn die Bedürftigen mehrere Monate im Ausland lebten und dabei Sozialleistungen bezögen.
Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärt, dass sie davon ausgehen, dass mit dem Bescheid vom 26.05.2008 nicht nur die Grundsicherung, sondern auch die Pflegebeihilfe aufgehoben worden ist. Die Vorsitzende hat den Beteiligten im Termin eine Kopie des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 03.02.2010, Az.: L 12 ( 20) SO 3/09 ausgehändigt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) ist ein unanfechtbar gewordener Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Dies ist vorliegend der Fall.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Eine die Aufhebung des Bewilligungsbescheids nach § 48 Abs. 1 SGB X rechtfertigende wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegten haben, lag nicht vor. Durch den dreimonatigen Aufenthalt in der Türkei haben die Kläger im vorliegenden Fall nach Auffassung des Gerichts nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland aufgehoben und (vorübergehend) in der Türkei begründet (vgl. zu einem achtwöchigen Auslandsaufenthalt: LSG NRW, Urteil vom 03.02.2010, Az.: L 12 (20) SO 3/09). Ihr Lebensmittelpunkt lag in dieser Zeit weiterhin in Duisburg, der Aufenthalt in der Türkei war nicht zukunftsoffen.
Da die Beteiligten übereinstimmend davon ausgehen, dass sich der Aufhebungsbescheid vom 26.05.2008 auch auf die Pflegebeihilfe bezogen hat, erübrigt sich ein weiteres Eingehen darauf, dass im Aufhebungsbescheid ausdrücklich nur die Grundsicherung erwähnt war.
Nach § 41 Abs. 1 SGB XII sind Ältere und dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und Vermögen beschaffen können, leistungsberechtigt hinsichtlich der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel. Im SGB XII wird damit betreffend der Grundsicherung ausdrücklich an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft und nicht, wie im Bundessozialhilfegesetz, an den tatsächlichen (vgl. LSG NRW, Urteil v. 03.02.2010, aao). Die Kläger erfüllen diese Anspruchsvoraussetzungen. Sie gehören zu den älteren Personen in diesem Sinne, ihre Altersrenten in Höhe von zusammen 477,88 Euro monatlich reichten nicht aus, um den notwendigen Lebensunterhalt und die Unterkunfts- und Heizkosten zu decken. Allein für die Miete und die Heizkosten in Duisburg mussten sie während des Türkeiaufenthalts insgesamt 395,33 Euro monatlich aufbringen. Die verbleibenden 82,55 Euro monatlich reichen zur Deckung der laufenden Kosten nicht aus.
Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Definition in Absatz 3 für alle Fälle gelten, in denen in besonderen Teilen des Sozialgesetzbuchs auf den gewöhnlichen Aufenthalt abgestellt wird (s. BT-Drucks 7/3786 S 5).
Ob jemand sich gewöhnlich in einem Gebiet aufhält oder nur vorübergehend dort verweilt, lässt sich nur im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise entscheiden. Dabei sind alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung bei Beginn eines streitigen Zeitraums erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 22.03.1988, Az.: 8/5a Rkn 11/87). Es kommt demnach nicht nur auf den wirklichen Willen einer Person an, an einem Ort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen oder sich nicht nur vorübergehend dort aufzuhalten. Es kommt auch darauf an, dass tatsächliche Verhältnisse, also gewisse objektive Momente vorliegen, die auf einen Zustand längeren Verweilens schließen lassen, also dem Willen der Person nicht entgegenstehen (vgl BSG, Urteil vom 28.07.1967, Az.: 4 RJ 411/66).
Bei Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland beendet ein vorübergehender Aufenthalt im Ausland diesen nicht. Der gewöhnliche Aufenthalt ist nicht gleichbedeutend mit "nie abwesend sein” (BSG, Urteil vom 28.07.1967, aaO). Grundsätzlich hebt auch eine Abwesenheit von längerer Dauer den gewöhnlichen Aufenthalt nicht auf, wenn die Absicht oder Wahrscheinlichkeit besteht, an den früheren Aufenthaltsort zurückzukehren und gefestigte Beziehungen dorthin aufrecht erhalten bleiben (BSG, Urteil vom 22.03.1988, aaO).
Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Frage des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I anhand einer dreistufigen Prüfung zu klären. Im Urteil des BSG vom 25.06.1987, Az.: 11a REg 1/07 heißt es:
"Ausgangspunkt ist in Satz 2 ein Aufenthalt (in Satz 1: eine Wohnung); es sind dann die mit dem Aufenthalt (in Satz 1: der Wohnung) verbundenen "Umstände" festzustellen; sie sind schließlich daraufhin zu würdigen ob sie erkennen lassen (in Satz 1: darauf schließen lassen), daß der Betreffende am Aufenthaltsort oder im Aufenthaltsgebiet nicht nur vorübergehend verweilt (in Satz 1: die Wohnung behalten oder benutzen wird)."
Weiter führt das BSG aus:
"Eine Definition darüber, wann ein Verweilen "vorübergehend" ist, bringt § 30 Abs. 3 SGB I nicht. Vom Wortverständnis ist der Begriff im Gegensatz zu "dauernd" zu verstehen. Sonach kommt es darauf an, ob ein Ende des Aufenthalts zu erwarten ist."
...
"§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB 1 verbindet die Begriffe "vorübergehendes Verweilen" und "gewöhnlicher Aufenthalt" mit keinen bestimmten Zeitabschnitten, weder iS fester Regeln noch auch nur iS bloßer Vermutungen. Daß der Gesetzgeber keine Höchst- oder - 8 - Mindestzeiten zugrunde legen wollte, bestätigt die Entstehungsgeschichte. Die gewählte Definition sollte mit den entsprechenden Vorschriften im Steuerrecht übereinstimmen (BT-Drucks VII/3786 S 5). Dabei wurde aber nicht die dortige Regelung mitübertragen, daß die durch den gewöhnlichen Aufenthalt begründete Steuerpflicht stets bei einem länger als sechs Monate dauernden Inlandsaufenthalt eintrete (BSGE 45, 95, 98; 49, 254, 255), wobei jeder Anhalt für ein Versehen des Gesetzgebers fehlt. Das SG durfte deshalb nicht auf einen Sechsmonatszeitraum abstellen."
Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen nach eigener umfassender Prüfung vollumfänglich an. Danach kann bei der Frage, ob durch einen Auslandsaufenthalt dort ein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, bzw. der gewöhnliche Aufenthalt im Inland aufgehoben wird, nicht pauschal - wie es der Beklagte im vorliegenden Fall getan hat - auf eine bestimmte Dauer des Auslandsaufenthalts abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an, die zu würdigen sind.
Danach bestand vorliegend der gewöhnliche Aufenthalt der Kläger im Inland trotz ihres dreimonatigen Türkeiurlaubs im Sommer 2008 fort. Die Kläger haben in Duisburg eine Wohnung angemietet, die sie den überwiegenden Teil des Jahres nutzten und für die sie auch während des Türkeiaufenthalts weiter Miete bezahlen mussten. Das Mietverhältnis besteht bereits seit dem 01.03.1984. In der Türkei wohnen sie nach eigener Auskunft bei ihrem dort lebenden Sohn, bzw. bei anderen Verwandten. Ihre Tochter und ein weiterer Sohn wohnen in Deutschland, so dass gefestigte Beziehungen in Deutschland vorhanden sind.
Diese Umstände können für sich genommen schon Indiz für einen durchgehenden gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sein. Hinzu kommt vorliegend noch, dass der Aufenthalt der Kläger in der Türkei nicht zukunftsoffen war.
Die Kläger haben dem Beklagten unter dem 13.05.2008, also vor Reisebeginn, mitgeteilt, dass sie vom 25.05.2008 bis zum 24.08.2008 Urlaub in der Türkei machen würden. Schon zu diesem Zeitpunkt war anhand des feststehenden Rückflugdatums klar, dass der Türkeiaufenthalt nicht "mit offenem Ende", also zukunftsoffen geplant war. Dass und wann zurückgekehrt wird, stand von vornherein fest und wurde so auch eingehalten, denn schon am 26.08.2008 sprachen die Kläger wieder beim Beklagten vor. Auch in den Jahren zuvor haben die Kläger dem Beklagten stets angezeigt dass und für wie lang sie in die Türkei reisen. Der Beklagte hat die Leistungen an die Kläger stets für die Dauer des Auslandsaufenthalts eingestellt. Nach Auffassung des Gericht deuten jedoch auch die regelmäßigen Anzeigen der Abwesenheitszeiten auf einen Rückkehrwillen hin. Diesem Umstand - dem Rückkehrwillen - kommt nach Auffassung des Gerichts maßgebliche Bedeutung zu. So wurde in der Rechtsprechung ein (vorübergehender) gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland nämlich dann angenommen, wenn die Rückkehr nach Deutschland unvorhersehbar war (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 04.04.2006, Az.: L 7 SO 12/06 R), war hier gerade nicht der Fall ist. Die Kläger hatten schon vor Antritt der Reise dem Beklagten ihren Rückkehrwillen offenbart, der durch den Buchungsnachweis Bestätigung fand. Der Lebensmittelpunkt der Kläger blieb trotz des Türkeiaufenthalts in Deutschland.
Andererseits sind nach Auffassung des Gerichts durchaus Fälle denkbar, in denen auch bei einem weniger als drei Monate dauernden Auslandsaufenthalt von einer Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland auszugehen ist. Dies kann grundsätzlich dann der Fall sein, wenn der Aufenthalt zukunftsoffen und zunächst keine Rückkehr geplant oder diese nicht absehbar war. Bestätigung muss dies in objektiven Momenten finden, beispielsweise ist hier an die Aufgabe der Wohnung zu denken. Im Gegenzug kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass es ausschließlich auf den z.B. sich in einer den Rückflug betreffenden Buchungsbestätigung manifestierenden Rückkehrwillen ankommt. Dies würde dazu führen, dass zeitlich noch deutlich über den im vorliegenden Fall im Ausland verbrachten drei Monaten liegende Auslandsaufenthalte nicht zu einer Aufhebung des gewöhnlichen Aufenthalts führen würden. Abzustellen ist vielmehr stets auf die (Gesamt)Umstände des Einzelfalles, also auch auf die objektiven Momente.
Bei den Klägern ist, soweit sich diese bis zu drei Monate im Jahr in der Türkei aufhalten, nach Auffassung des Gerichts auch nicht von einem neben dem im Inland bestehenden weiteren gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei auszugehen.
Im Sozialrecht kann sich aus dem Zweck der jeweiligen Regelung und der Funktion, die der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im jeweiligen Regelungszusammenhang hat, die Möglichkeit mehrerer gewöhnlicher Aufenthalte ergeben. Für deren Begründung und Beendigung gilt das Gleiche wie für einen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 65. Lfg., § 30 Rn. 27 m.w.N.). Voraussetzung für einen doppelten gewöhnlichen Aufenthalt ist, dass jemand in zwei Gebieten Wohnungen unterhält und abwechselnd hier und dort lebt. Es darf kein wesentlicher Unterschied betreffend der Intensität der wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zu den beiden Aufenthalten bestehen (in diesem Sinne: BSG, Urteil vom 28.07.1967, aaO). Andernfalls liegt nur ein einziger tatsächlich und rechtlich maßgeblicher gewöhnlicher Aufenthalt vor.
Die Kläger unterhalten in der Türkei keine Wohnung und verbringen dreiviertel des Jahres im Inland. Der Unterschied zwischen den wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen zu den beiden Aufenthaltsorten ist wesentlich.
Nach Auffassung des Gerichts spricht bei Grundsicherungsempfängern nach dem SGB XII, die aufgrund von Alter oder Erwerbsminderung dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen und sich ihm auch nicht zur Verfügung stellen müssen grundsätzlich nichts dagegen, dass diese u.U. auch längere Verwandtenbesuche vornehmen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 03.02.2010, aaO).
Das Gericht geht auch nicht davon aus, dass grundsätzlich nur ein im Inland entstehender Bedarf zu decken ist. Vielmehr soll ein Export von Grundsicherungsleistungen ins Ausland regelmäßig nur in den Fällen verhindert werden, in denen die betreffende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland hat (LSG NRW, Urteil vom 03.02.2010, aaO).
Mangels wesentlicher Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen war die Grundsicherung nicht für die Monate Juni und Juli 2008 aufzuheben. Der Bescheid vom 26.05.2008 war daher nach der gemäß § 44 SGB X erfolgten Überprüfung zurückzunehmen gewesen.
Gleiches gilt für die der Klägerin zu 2) vom Beklagten bewilligte Pflegebeihilfe nach §§ 65 Abs. 1 Satz 1, 61 Abs. 1 SGB XII. Der Beklagte hat die Pflegebehilfe vorliegend per Dauerverwaltungsakt bewilligt. Eine dem § 44 SGB XII betreffend der Grundsicherung, die in der Regel für zwölf Monate bewilligt wird, entsprechende Regelung existiert für das 7. Kapitel des SGB XII nicht.
Anders als in § 41 SGB XII hinsichtlich der Grundsicherung enthalten die die Hilfe zur Pflege regelnden Vorschriften des 7. Kapitels des SGB XII auch nicht den Verweis auf den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland als Anspruchsvoraussetzung. Nach Auffassung des Gerichts ist daher unter Rückgriff auf die grundsätzlich für alle Sozialgesetzbücher anwendbare Vorschrift des § 30 SGB I der gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich (vgl. - 11 - ebenso: SG Hamburg, Urteil vom 12.10.2007, Az.: S 56 SO 350/06). Dem SGB XII lässt sich nicht entnehmen, dass im vorliegenden Fall der tatsächliche Aufenthalt materiell-rechtliche Voraussetzung für den Anspruch auf Pflegebeihilfe sein soll.
Der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin zu 2) im Inland ist nicht durch den dreimonatigen Türkeiurlaub aufgegeben worden.
Einem Abstellen auf den gewöhnlichen Aufenthalt steht vorliegend auch nicht § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII entgegen. Nach dem die örtliche Zuständigkeit regelnden § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist für die Leistungen der Sozialhilfe, anders als nach Satz 2 für die Grundsicherung, nicht der gewöhnliche, sondern der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich. Allerdings regelt diese Vorschrift nur, welcher von mehreren in Betracht kommenden Sozialhilfeträgern für eine Leistung zuständig ist. Für die Frage des Bestehens eines Leistungsanspruchs trifft sie unmittelbar keine Regelungen (vgl. zu der entsprechenden Vorschrift im BSHG: OVG Hamburg, Urteil vom 04.07.1991, Az.: Bf IV 45/90; SG Hamburg, Urteil vom 12.10.2007, aaO).
Nach Auffassung des Gerichts lag daher auch betreffend der vorliegend per Dauerverwaltungsakt bewilligten Pflegebeihilfe keine wesentliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vor, die eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids hätte begründen können.
Der Pflegebedarf der Klägerin zu 2) liegt seit längerer Zeit vor und war dem Beklagten auch bekannt. Der Bedarf bestand auch, während die Klägerin zu 2) sich in der Türkei aufhielt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 (SGG).
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