S 33 EG 81/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
33
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 33 EG 81/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I.Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 2.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.3.2009 verurteilt, der Klägerin Elterngeld für den 6. Lebensmonat in Höhe von 1.671,43 EUR und für den 7. bis 12. Lebensmonat in Höhe von je 1800.- EUR monatlich zu gewähren.

II.Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits der Klägerin.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Elterngeld für ihre 2008 geborene Tochter, wobei sie im Hinblick auf noch bis in den 6. Lebensmonat der Tochter hineinreichende Zahlungen von Dienstbezügen im Zusammenhang mit Mutterschaftsurlaub und Abgeltung von Jahresurlaub für den 6. Lebensmonat einen anteiligen Betrag und für den 7. bis 12. Lebensmonat die Gewährung des monatlichen Höchstbetrags von 1800,- EUR geltend macht. Die Klägerin ist Bedienstete des Europäischen Patentamts in M., sie wurde im Jahre 2006 zur Beamtin auf Lebenszeit des Europäischen Patentamts ernannt. Sie hat ihren Wohnsitz in F.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2.2.2009 die Gewährung von Elterngeld mit der Begründung ab, dass für Bedienstete des Europäischen Patentamts grundsätzlich kein Anspruch auf Elterngeld bestehe, da dieser Personenkreis einem eigenständigen Sozialsystem angehöre und somit von der Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit und damit auch von der Anwendung des Bundeselterngeldgesetzes ausgenommen sei.

Mit hiergegen erhobenem Widerspruch verwies die Klägerin darauf, dass die Anwendung des Gesetzes zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeseltengeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) für Bedienstete des Europäischen Patentamts nicht gemäß § 30 Sozialgesetzbuch Eins (SGB I) ausgeschlossen sei. Die Begründung, wonach Bedienstete des Europäischen Patentamts einem eigenständigen Sozialsystem angehörten und deshalb ihnen kein Elterngeld zustünde, beruhe auf keiner Vorschrift des Sozialgesetzbuches der Bundesrepublik Deutschland. Auch sehe das Europäische Patentamt keine dem Elterngeld vergleichbaren sozialen Leistungen für seine Bediensteten vor.

Mit gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 13.3.2009 erhobener Klage begehrt die Klägerin weiter Gewährung von Elterngeld. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2010 weist sie darauf hin, dass ihrerseits die Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 BEEG erfüllt seien. Der Anspruch sei auch nicht ausgeschlossen. Dies sei nur dann der Fall, wenn dies spezialgesetzlich oder durch zwischen- oder überstaatliches Recht angeordnet sei. Denn nach dem in § 31 SGB I niedergelegten Gesetzesvorbehalt dürften u.a. Ansprüche auf Elterngeld nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes (oder durch vorrangiges Recht im Sinne von § 30 Abs. 2 SGB I) aufgehoben oder eingeschränkt werden. Sie verweist hierzu auf Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 30.9.2009, Az.: S 22 EG 6/09, nicht rechtskräftig. Allgemeine Erwägungen über die Zugehörigkeit der Beamten des Europäischen Patentamts zu einem anderen (zwischen- oder überstaatlichen) Sicherungssystem reichten hierfür nicht aus. Eine Spezialvorschrift oder eine Regelung des über- oder zwischenstaatlichen Rechts im Sinne von § 30 Abs. 2 SGB I, welche zu einer Unanwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes auf Beamte des Europäischen Patentamts führen könnte, existiere jedoch nicht. Im Übrigen sei auch der seit 1. Dezember 2009 geltende Artikel 14 des Immunitätenprotokolls der Europäischen Union auf Beamte des Europäischen Patentamts nicht anwendbar, da das Europäische Patentamt kein Organ der Europäischen Union sei, sondern vielmehr ein Organ der Europäischen Patentorganisation, einer eigenständigen zwischenstaatlichen Organisation, die durch das 1977 in Kraft getretene Europäische Patentübereinkommen gegründet worden sei. Sie verweist weiter darauf, dass für Beamte des Europäischen Patentamts das Protokoll über Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation (BGBl. II 1976, S. 985 ff.) gelte. In Art. 18 dieses Protokolls sei eine Befreiung der Bediensteten des Europäischen Patentamts von Pflichtbeiträgen an staatliche Sozialversicherungsträger genannt, sofern die Organisation ein eigenes Sozialversicherungssystem errichte. Diese Vorschrift beziehe sich ausdrücklich nur auf die Sozialversicherung. Auch aus einem Umkehrschluss zu § 3 Abs. 3 BEEG ergebe sich eine Anwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes auf Beamte des Europäischen Patentamts. Hierbei würden dem Elterngeld vergleichbare Leistungen, auf die eine nach § 1 berechtigte Person außerhalb Deutschlands oder gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung Anspruch habe, auf das Elterngeld angerechnet, soweit sie für denselben Zeitraum zustünden und die auf der Grundlage des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Verordnungen nicht anzuwenden seien. Wäre im Falle von Ansprüchen gegen eine zwischenstaatliche Organisation die Anwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes ausgeschlossen, so wäre § 3 Abs. 3 2. Alternative überflüssig. Im Übrigen sehe Art. 45 des Status der Beamten des Europäischen Patentamts (im folgenden: Statut) unbezahlten Urlaub aus persönlichen Gründen – etwa wegen Betreuung eines minderjährigen unterhaltsberechtigten Kindes – für höchstens ein Jahr vor. In diesem Zeitraum erhalte der Beamte keine Zahlungen durch das Europäische Patentamt. Ferner sehe das Statut in Art. 45 a Elternurlaub vor. Danach habe ein Beamter für jedes unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf bis zu 120 Arbeitstage Elternurlaub, die vor dem 12. Geburtstag des Kindes zu nehmen seien. Es bestehe in dieser Zeit kein Anspruch auf Dienstbezüge, sondern auf eine monatliche Vergütung in Höhe von etwa 900,- EUR. Der Elternurlaub und die monatliche Vergütung nach Art. 45 a des Statuts seien daher mit der Elternzeit und dem Elterngeld nach dem deutschen Bundeselterngeldgesetz nicht vergleichbar.

Im Verwaltungsverfahren hatte die Klägerin Gehaltsmitteilungen vorgelegt, die ein Grundgehalt und davon vorzunehmende Abzüge für Beitrag zum Versorgungssystem, Krankenversicherung, Todesfallversicherung, Invaliditätsversicherung und Pflegeversicherung vorsahen und für die Monate September 2007 bis August 2008 monatliche Auszahlungsbeträge in Höhe von 3.153,28 EUR bis 4.406,71 EUR enthielten.

Das Gericht hat ergänzend hierzu von dem Europäischen Patentamt Angaben bezüglich von im Zeitraum September 2007 bis August 2008 an die Organisation abgeführte Steuern sowie über die Höhe der Leistungen, die die Klägerin im Zeitraum 15.9.2008 bis 14.9.2009 erhalten hat, angefordert. Mit Bescheinigung vom 20.1.2010 bestätigte das Europäische Patentamt Nettobezüge im Zeitraum September 2007 bis August 2008 in Höhe von 40.619,23 EUR sowie interne Steuern für diesen Zeitraum in Höhe von 13.223,- EUR. Weiter seien für den Zeitraum vom 15.9.2008 bis zum 16.2.2009 Nettobezüge in Höhe von 23.861,29 EUR geleistet worden, die internen Steuern für diesen Zeitraum hätten 4.938,- EUR betragen. Vom 17.2.2009 bis zum 30.9.2009 habe sich die Klägerin in unbezahltem Urlaub befunden.

Von der Klägerin wurden ihre Jahresgehaltsmitteilungen für die Jahre 2007 bis 2009 vorgelegt. Auf den Jahresgehaltsmitteilungen für das Jahr 2007 und 2008 war jeweils ein Grundgehalt ausgewiesen, es waren Abzugsbeträge für Versorgungssystem, Kranken-, Todesfall-, Invaliditäts- und Pflegeversicherung aufgeführt und ein entsprechend sich ergebender Auszahlungsbetrag genannt. Sodann waren die vom Europäischen Patentamt geleisteten Beiträge zum Versorgungssystem, Kranken-, Todesfall-, Invaliditäts- und Pflegeversicherung genannt sowie ein Betrag für interne Steuer. Auf der Jahresgehaltsmitteilung für das Jahr 2009 ist ein Bruttogehalt ausgewiesen, zuzüglich Haushalts-, Unterhaltsberechtigten- und Geburtenzulage. Als Abzugsbeträge sind genannt: Interne Steuer, Beitrag Versorgungssystem, Kranken-, Todesfall-, Invaliditäts- und Pflegeversicherung. Sodann ist unter Berücksichtigung dieser Abzüge ein Gesamtbetrag ermittelt. Des Weiteren sind die Beiträge des Europäischen Patentamts zu dem genannten Versorgungssystem sowie den genannten Versicherungen aufgeführt.

Mit Schriftsatz vom 15.3.2010 verwies der Beklagte auf seine Rechtsauffassung, wonach für Mitarbeiter des Europäischen Patentamts kein Anspruch auf Elterngeld bestehe. Im Übrigen seien jedenfalls während des Mutterschaftsurlaubs geleistete Dienstbezüge gem. § 3 Abs. 1 BEEG auf etwaig zustehendes Elterngeld anzurechnen. Mit gerichtlichem Schreiben vom 23.3.2010 wurde auf den Umstand hingewiesen, dass bezüglich der Gehaltszahlungen in den Jahren 2007, 2008 die interne Steuer nicht als Abzugsbetrag sondern als sonstiger weiterer Posten aufgeführt war.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.4.2010 legte die Klägerin dar, dass sie Elterngeld für den Zeitraum nach Beendigung der Auszahlung von Dienstbezügen, mithin anteilig für den 6. Lebensmonat und sodann für den 7. bis 12. Lebensmonat beanspruche.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 02.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2009 Elterngeld für den 6. Lebensmonat in Höhe von 1671,43 Euro und für den 7. bis 12. Lebensmonat in Höhe von je 1800 Euro zu gewähren.

Die Beklagtenvertreterin beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage erweist sich als begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Elterngeld, wobei ihr für den 7. bis 12. Lebensmonat Elterngeld in Höhe von 1800,- EUR monatlich zu gewähren ist sowie für den 6. Lebensmonat in Höhe von 1.671,43 EUR.

Ein Anspruch auf Elterngeld ist für die Klägerin als Bedienstete des Europäischen Patentamts nicht ausgeschlossen, sie erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG in den Lebensmonaten, für die sie Elterngeld begehrt.

Gemäß § 68 Nr. 15 a SGB I stellt der erste Abschnitt des BEEG materielles Sozialrecht dar. Die betreffenden Vorschriften gelten gemäß § 30 Abs. 1 SGB I für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im entsprechenden Geltungsbereich haben. Die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt, § 30 Abs. 2 SGB I. Gemäß § 31 SGB I dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Wie im Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 30.9.2009, Az.: S 22 EG 6/09, bezüglich der dort zu entscheidenden Frage eines Elterngeldanspruchs für Bedienstete der Europäischen Zentralbank (EZB) zutreffend ausgeführt, dehnt § 31 SGB I den Vorbehalt des Gesetzes auch auf den Leistungsbereich aus ("Rechte"). Das Gericht stimmt weiter mit dem Sozialgericht Frankfurt dahingehend überein, dass der persönliche Anwendungsbereich des BEEG durch § 1 BEEG grundsätzlich abschließend geregelt ist und deshalb nur dann keine Anwendung finden könnte, wenn dies in einer dem Gesetzesvorbehalt genügenden Spezialregelung vorgeschrieben wäre oder sich aus über- oder zwischenstaatlichem Recht ergeben würde. Vorliegend schließen jedoch weder Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts, vgl. § 30 Abs. 2 SGB I, noch eine spezialgesetzliche Regelung, vgl. § 31 SGB I, einen Anspruch der Klägerin auf Elterngeld aus. Das Bundessozialgericht führte im Urteil vom 29.8.1991, Az.: 4 REg 5/91, bezüglich des Anspruchs auf Bundeserziehungsgeld aus, dass bezüglich des über- und zwischenstaatlichen Rechts Art. 18 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation, BGBl. II 1976, S. 985 ff., die einzige Vorschrift darstelle, die sozialrechtlichen Inhalt habe und deshalb im vorliegenden Zusammenhang in Betracht kommen könne. Wie auch die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, sind nach diesem unverändert auch heute noch geltenden Art. 18 des o. g. Protokolls Bedienstete des Europäischen Patentamts von sämtlichen Pflichtbeiträgen an staatliche Sozialversicherungsträger befreit, sofern die Organisation ein eigenes Sozialversicherungssystem errichtet. Wie auch vom Bundessozialgericht betont, sind jedoch damit – unabhängig davon, welche Rechtswirkungen dieses Protokoll entfalten kann – Bedienstete des Europäischen Patentamts lediglich hinsichtlich derjenigen Systeme der sozialen Sicherheit von der Anwendung (hier: deutschen) staatlichen Rechts ausgenommen, die durch Pflichtbeiträge finanziert werden. Das Bundessozialgericht stellte weiter klar, dass zu diesen Systemen das Bundeserziehungsgeldgesetz nicht gehöre. Gleiches gilt zur Überzeugung des Gerichts für das Bundeselterngeldgesetz, nach dem die Leistungen dieses Gesetzes ebenfalls nicht durch Pflichtbeiträge finanziert werden, sondern aus Steuermitteln.

Weitere Normen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts, die eine Anwendung des Bundeselterngeldgesetzes vorliegend ausschließen könnten, sind nach Auffassung des Gerichts auch nach heutigem Rechtsstand nicht ersichtlich.

Vorschriften betreffend Beamte von EU-Organisationen sind nicht einschlägig. Die Europäische Patentorganisation ist eine zwischenstaatliche Einrichtung, die auf der Basis des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl. II 1976, 826 ff., gegründet wurde. Das Europäische Patentamt und der Verwaltungsrat, der die Tätigkeit des Amts überwacht, stellen die beiden Organe dieser Patentorganisation dar. Auf die Klägerin als Beamtin des Europäischen Patentamts ist damit das Statut der Beamten des Europäischen Patentamts anzuwenden. Ob das Statut der Beamten des Europäischen Patentamts, das vom Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation gestützt auf das Europäische Patentübereinkommen, insbesondere auf Art. 33 Abs. 2 Buchst. b, erlassen worden ist, eine die Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des BEEG ausschließende Rechtswirkung entfalten könnte, kann offen bleiben, da jedenfalls in diesem Statut kein Ausschluss der Anwendbarkeit von Normen des materiellen (deutschen) Sozialrechts enthalten ist. Wie vom Beklagten zutreffend angesprochen, enthält dieses Statut zwar eine Reihe von Regelungen bezüglich Leistungen im Zusammenhang mit der sozialen Lage von Bediensteten des Europäischen Patentamts wie insbesondere auch die Regelung von Elternurlaub in Art. 45 a des Statuts und Urlaub aus familiären Gründen in Art. 45 b des Statuts. Nach Art. 45 a des Statuts haben Beamte des Europäischen Patentamts Anspruch auf Elternurlaub, der bis zu 120 Arbeitstage, für Alleinerziehende im doppelten Umfang, zusteht und vor dem 12. Geburtstag des Kindes zu nehmen ist. Als Vergütung für diesen Elternurlaub ergeben sich unter Berücksichtigung der Gehaltstabellen Beträge von ca. 900,- EUR bis 1200,- EUR. Art 45 a des Statuts enthält keinerlei Regelung in Bezug auf einen nach nationalem Recht zustehenden Anspruch auf Elterngeld oder ähnliche Leistungen. Die Regelung stellt erkennbar eine eigenständige (Sozial-)Leistung des Europäischen Patentamts für Bedienstete bezüglich der Gewährung von ggf. auch abschnittsweise in Anspruch zu nehmendem Elternurlaub bis zum 12. Geburtstag des Kindes dar. Eine Regelung in Bezug auf nationale Sozialleistungen im Zusammenhang mit Elterngeldgewährung ist darin nicht zu erkennen.

Auch besteht keine sonstige spezialgesetzliche Regelung, die gemäß § 31 SGB I zum Ausschluss des Elterngeldanspruches führen würde.

Wie dargelegt, könnte sich aber ausschließlich aus über- oder zwischenstaatlichem Recht bzw. einer spezialgesetzlichen Norm die Nichtanwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes für die Klägerin ergeben. Eine vom Beklagten vorgetragene Zugehörigkeit der Klägerin zu einem eigenen sozialen Sicherungssystem kann dies hingegen nicht bewirken.

Der dem Grunde nach bestehende Anspruch auf Elterngeld ist nach Überzeugung des Gerichts gem. § 2 Abs. 1, Abs. 7 BEEG in seiner konkreten Höhe unter Heranziehung der in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt der Tochter der Klägerin erhaltenen Nettobezüge der Klägerin zu ermitteln.

Gemäß § 2 Abs. 1 BEEG ist Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800,- EUR monatlich für volle Monate zu zahlen, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der positiven Einkünfte u.a. aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.

Zwar unterliegen die Einkünfte der Klägerin nicht der Besteuerung nach dem deutschen Einkommensteuergesetz, sie sind aber nach Auffassung des Gerichts gleichwohl gem. § 2 Abs. 1 BEEG zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation, BGBl. II 1976, S. 985 ff., ist die Klägerin von der staatlichen Einkommensteuer befreit. Sie ist zu Gunsten der Organisation steuerpflichtig. Damit sind ihre Bezüge aufgrund eines zwischenstaatlichen Übereinkommens nicht nach dem deutschen Einkommensteuergesetz zu versteuern. Es kommt lediglich die Berücksichtigung dieser Bezüge im Rahmen des Progressionsvorbehalts, § 32 b Abs. 1 Nr. 4 EStG, bei Festlegung des Einkommensteuertarifs, § 32 a EStG, für im Übrigen zu versteuerndes Einkommen in Betracht, vgl. auch Art. 16 Abs. 1, S. 3 des o.g. Protokolls.

Gemäß den Ausführungen im Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.6.2009, Az.: B 10 EG 9/08 R, verweist § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG mit der Wortwahl "Summe der Einkünfte" nicht nur auf die dort genannten Einkunftsarten, sondern auf die nach steuerrechtlichen Bestimmungen ermittelten Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (Rz 20). Das Bundessozialgericht führt weiter aus, dass nach § 3 EStG steuerfreie Positionen damit nicht umfasst seien. Nachdem die Bezüge der Klägerin von der staatlichen Einkommensteuer aufgrund der vorgenannten Bestimmung des zwischenstaatlichen Rechts befreit sind, stellt sich die Frage, ob es sich bei den Einkünften um nach steuerrechtlichen Bestimmungen ermittelte Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG handelt. Zwar zeigen die Gehaltsmitteilungen der Jahre 2007 und 2008, dass es sich bei der dort genannten internen Steuer zumindest bis zu diesem Zeitpunkt lediglich um einen Verrechnungsposten gehandelt hat, der das gegenüber der Klägerin genannte Grundgehalt offensichtlich nicht beeinflusste und nicht davon in Abzug gebracht wurde. Erst ab der Jahresgehaltsmitteilung für das Jahr 2009 wird ein Bruttogehalt ausgewiesen. Solche Umstände, auf die die Klägerin im Übrigen keinen Einfluss hat, vermögen jedoch nicht die grundsätzlich zu Gunsten der Organisation bestehende Steuerpflicht in Frage zu stellen. Das Gericht ist damit der Auffassung, dass die Dienstbezüge der Klägerin zu den nach steuerrechtlichen Bestimmungen ermittelten Einkünften gehören, da sie zumindest nicht außerhalb jeder Besteuerung stehen und damit nicht als gänzlich steuerfrei anzusehen sind.

Die weitere Einkommensermittlung richtet sich nach § 2 Abs. 7 BEEG. Nachdem die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Satz 5 und 6 BEEG vorliegend nicht erfüllt sind, ist zur Einkommensermittlung vor Geburt der Zeitraum September 2007 bis August 2008 heranzuziehen. Wie sich aus den auf den Gehaltsmitteilungen ausgewiesenen Auszahlungsbeträgen, die bereits Abzüge für Versorgungsbeiträge und die o.g. Versicherungen berücksichtigen und von denen keine Steuern mehr in Abzug zu bringen sind, ergibt, erreicht die Klägerin jedenfalls einen Einkommensbetrag, aus dem sich ein grundsätzlicher Elterngeldanspruch in Höhe des Höchstbetrags von 1800,- EUR monatlich errechnet.

Der Klageantrag richtet sich nicht auf die Gewährung von Elterngeld für den 1. bis 5. Lebensmonat. Die Klägerin hatte in diesem Zeitraum noch Dienstbezüge im Zusammenhang mit Mutterschaftsurlaub und Abgeltung von Jahresurlaub erhalten. Es sei lediglich angemerkt, dass nach Ansicht des Gerichts in diesem Zeitraum auch kein Elterngeld zustehen würde, da die Anrechnung der Vergütung von Mutterschaftsurlaub für 14 Wochen nach Geburt, Art. 61 des Statuts, für die Zeit des Beschäftigungsverbots gemäß §§ 14, 6 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz erwerbstätiger Mütter (MuSchuG) sich gemäß § 3 Abs. 1, S. 3 BEEG und bezüglich der Zeit außerhalb von einem Beschäftigungsverbot als vergleichbare Leistung gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 BEEG ergibt. Im 5. Lebensmonat ist außerdem aufgrund Gewährung von Jahresurlaub die Voraussetzung des § 1 Abs. 6 BEEG nicht erfüllt, da eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in diesem Lebensmonat von über 30 Wochenstunden anzunehmen ist.

Im 6. Lebensmonat, der 2009 beginnt, wurden noch für den 15.2. und 16.2.2009 Dienstbezüge für die Abgeltung von Jahresurlaub gezahlt. Diese Zahlungen sind als Erwerbseinkommen anzurechnen, § 2 Abs. 3 BEEG. Weitere Leistungen des Arbeitgebers hatte die Klägerin ausweislich der Bestätigung vom 20.1.2010 im Zeitraum bis zum Ende des 12. Lebensmonats ihrer Tochter nicht erhalten. Für den 6. Lebensmonat errechnet sich damit ein Betrag von 1.671,43 EUR. Für den 7. bis 12. Lebensmonat steht Elterngeld in Höhe von 1800,- EUR monatlich zu.

Ein Ruhen dieses Elterngeldanspruchs gem. § 3 Abs. 3 S. 2 BEEG tritt nach Ansicht des Gerichts nicht ein. Diese Regelung sieht ein solches Ruhen bis zur möglichen Höhe einer vergleichbaren Leistung, auf die außerhalb Deutschlands oder gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung Anspruch besteht, § 3 Abs. 3 S. 1 BEEG, für den Fall vor, dass eine solche Leistung nicht beantragt wird. Damit soll sichergestellt werden, dass Berechtigte zunächst eine solche vergleichbare Leistung in Anspruch nehmen, vgl. BT-Drucksache vom 20.6.2006, 16/1889, S. 23. Die Klägerin hatte im Bezugszeitraum des Elterngelds, hier 6. bis 12. Lebensmonat, keinen Antrag gem. Art. 45 a des Statuts auf Elternurlaub gestellt und demzufolge auch keine dementsprechende Vergütung für Zeiten von Elternurlaub erhalten. Wie oben dargelegt steht mit der Leistung nach Art. 45 a des Statuts den Beamten des Europäischen Patentamts ein flexibles Instrument zur Inanspruchnahme von Elternurlaub bis zum 12. Geburtstag des Kindes zu. Dieser Elternurlaub wird für bis zu 120 Arbeitstage bzw. bis zu 240 Arbeitstage gewährt und kann auch abschnittsweise bzw. wie in Art. 45 a Abs. 2, S. 3 des Statuts geregelt auf Halbzeitbasis in Anspruch genommen werden. Die Zugehörigkeit zum System der sozialen Sicherheit (u.a. Kranken- und Invaliditätsversicherung) bleibt dabei unter Beitragstragung durch das Europäische Patentamt erhalten, Art. 45 a Abs. 3 des Statuts. Die monatliche Vergütung beträgt ca. 900 bis 1200 EUR, bei Elternurlaub auf Halbzeitbasis verringert sie sich entsprechend. Insbesondere mit der Variabilität bis zum 12. Geburtstag des Kindes unterscheidet sich die Leistung gem. Art. 45 a des Statuts wesentlich von dem maximal in den ersten 14 Lebensmonaten bestehenden Elterngeldanspruch. Die Zielrichtung des Elternurlaubs nach Art. 45 a des Statuts bezieht sich auf die Ermöglichung flexibler, gegebenenfalls auch mehrerer Arbeitspausen im Umfang von insgesamt bis zu 120 bzw. 240 Arbeitstagen in den ersten 12 Lebensjahren des Kindes, um so nach individuellen Bedürfnissen das Kind betreuen zu können. Dagegen ist mit dem Elterngeld explizit eine Unterstützung von Eltern in der Frühphase der Elternschaft beabsichtigt, um ihnen so einen Schonraum des Hineinfindens in das Familienleben zu eröffnen, vgl. BT-Drs. 16/1889, S. 2. Ein gegebenenfalls teilweises Ruhen des Elterngeldanspruchs gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 BEEG im Zusammenhang mit einer unterbliebenen Antragstellung auf Elternurlaub nach Art. 45 a des Statuts kommt deshalb angesichts dieses erheblich voneinander abweichenden Anspruchszeitraums nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht.

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Rechtskraft
Aus
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