Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KN 152/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid vom 5.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.6.2010 wird insoweit abgeändert, dass für die Zeit vom 1.11.2007 bis 30.11.2007 Rente für Bergleute in voller Höhe zu leisten ist und die Rückforderung der entstandenen Überzahlung für die Zeit vom 1.11.2007 bis 31.12.2007 auf 836,22 EUR reduziert wird.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 1/9 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Rückforderung wegen Überschrei-tens der Hinzuverdienstgrenzen im Jahr 2007.
Der 1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Sozialversicherungsfachangestellter in der Funktion als Leiter der Verfahrenstelle für das Widerspruchs- und Klageverfahren beschäftigt. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 14.10.1997 ab 1.10.1997 Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau und mit Bescheid vom 18.1.1999 ab 1.1.1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Mit Schreiben vom 11.3.2008 bat die Rentensachbearbeitung der Beklagten das personalbearbeitende Dezernat der Beklagten um Übermittlung einer Bescheinigung der Bruttoarbeitsentgelte des Klägers für das Jahr 2007. Die Bescheinigung ging am 26.3.2008 bei der zuständigen Rentensachbearbeitung der Beklagten ein. Danach erhielt der Kläger von Januar bis März, im Mai und Juni, sowie von August bis Oktober 2007 je-weils 1882,59 EUR. Im April und Juli 2007 erhielt er aufgrund zweier Einmalzahlungen resultierend aus der Umstellung von BAT auf TVöD 1949,51 EUR. Im November 2007 erhielt er 3388,66 EUR und im Dezember 2007 2108,50 EUR. Die Hinzuverdienstgrenzen bezüglich der Rente wegen Berufsunfähigkeit in voller Höhe betrugen ab 1.7.2003 1892,98 EUR und ab 1.7.2007 1903,12 EUR. Die Hinzuverdienstgrenzen für die Rente für Bergleute in voller Höhe betrugen ab 1.7.2003 2681,46 EUR und ab 1.7.2007 2695,83 EUR.
Mit Schreiben vom 7.5.2008 hörte die Beklagte den Kläger bezüglich einer beabsichtigten Aufhebung des Bescheides vom 18.1.1999 hinsichtlich der Rentenhöhe gemäß § 48 Abs. 1 SGB X und eines sich daraus ergebenden Erstattungsanspruches gemäß § 50 SGB X in Höhe von 836,22 EUR an. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 2.6.2008 Stellung und wehrte sich gegen die beabsichtigte Aufhebung. Er verwies auf die tariflichen Einmalzahlungen und das daraus folgende viermalige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze. Zu-dem fragte er an, ob ein Verzicht auf die tariflichen Einmalzahlungen möglich sei. Das personalbearbeitende Dezernat verneinte eine Verzichtsmöglichkeit.
Mit Schreiben vom 2.6.2009 führte die Beklagte eine berichtigte Anhörung zur Aufhebung des Bescheides vom 18.1.1999 durch. Im Unterschied zur ersten Anhörung führte die Be-klagte aus, dass im November 2007 nur ein Anspruch auf Rente für Bergleute in Höhe von 2/3 und nicht in voller Höhe bestehe.
Mit Bescheid vom 5.10.2009 hob die Beklagte den Bescheid vom 18.1.1999 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X bezüglich der Rentenhöhe wegen des Zusammentreffens von Rente und Hinzuverdienst für 2007 auf und machte einen Erstattungsanspruch gemäß § 50 SGB X in Höhe von 945,29 EUR geltend. Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren erklärte der Kläger den Verzicht auf die tariflichen Einmalzahlungen aufgrund der Umstellung auf den TVöD und überwies diese Beträge inklusive Zinsen an die Beklagte zurück. Das personalbear-beitende Dezernat antwortete dem Kläger erneut, dass ein Verzicht wegen § 4 Abs. 4 TVG nicht möglich sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.6.2010 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 30.7.2010 Klage zum Sozialgericht München erhoben. In der mündlichen Verhandlung vom 12.4.2011 hat die Kammer ausführlich auf die Sach- und Rechtslage und das bestehende Prozessrisiko hingewiesen und einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Beide Beteiligte haben diesen Vergleichsvorschlag nicht angenommen.
Der Kläger macht geltend, dass er keine Einflussmöglichkeit auf die außerordentlichen tariflichen Einmalzahlungen im April und Juli 2007 gehabt habe. Nur aufgrund dieser Einmalzahlungen habe er im November und Dezember 2007 die geltenden Hinzuverdienst-grenzen ein drittes und viertes Mal überschritten. Er habe mit der Beklagten sein Arbeitsentgelt so vereinbart, dass er grundsätzlich unter der Hinzuverdienstgrenze liege. Die au-ßergewöhnlichen Einmalzahlungen aufgrund der Umstellung auf den TVöD waren bei Vertragsschluss nicht absehbar und dürften ihm auch nicht zum Nachteil gereichen. Zu-dem habe er den Verzicht auf die Einmalzahlungen erklärt. Ein solcher Verzicht sei durchaus rechtlich möglich.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 5.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.6.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der parallelen Klageakte S 4 KN 153/10 sowie der beigezogenen Akte der Beklagten ver-wiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 5.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2010, mit dem die Beklagte den Rentenbescheid vom 18.1.1999 hin-sichtlich der Rentenhöhe wegen des Zusammentreffens von Rente und Hinzuverdienst für das Jahr 2007 aufgehoben und einen Erstattungsanspruch in Höhe von 945,29 EUR geltend gemacht hat.
Die Bescheide sind im Hinblick auf die Rentengewährung im November 2007 und den Erstattungsbetrag rechtswidrig und verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten. Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig.
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung ein-tritt.
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Gem. § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde bei einer Rücknahme für die Vergangenheit dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X sind erfüllt. Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen liegt im viermaligen Überschreiten der für die Rente wegen Berufsunfähigkeit geltenden Hinzuverdienst-grenzen gem. §§ 313, 96a SGB VI, wobei nur die ersten beiden Überschreitungen rentenunschädlich sind. Die zwei tariflichen Einmalzahlungen im April und Juli 2007 resultieren aus der Umstellung vom BAT auf den TVöD. Zum Ausgleich von Nachteilen bei der Tarif-umstellung hatten die Tarifvertragsparteien eine Sonderzahlung in zwei Raten vereinbart.
Eine wesentliche Änderung läge nur dann nicht vor, wenn der Kläger auf die tariflichen Einmalzahlungen wirksam verzichtet hätte. Der Verzicht auf eine tarifliche Leistung ist a-ber entgegen der Ansicht des Klägers aufgrund von § 4 Abs. 4 TVG nicht möglich bzw. im vorliegenden Fall nicht wirksam. Die Vorschrift ist eindeutig und lautet wie folgt: "Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden."
Ein solcher von den Tarifvertragsparteien gebilligter Vergleich lag bei Bescheiderteilung und liegt bis heute nicht vor. Im Übrigen verweist das Gericht auf die bestehende Tarifautonomie. Es wäre den Tarifvertragsparteien jederzeit möglich gewesen, für solche Fälle wie den des Klägers, bei denen neben einem Rentenbezug ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst besteht, eine tarifliche Sonderregelung beziehungsweise einer Öff-nungsklausel im Tarifvertrag zu vereinbaren. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien aber keinen Gebrauch gemacht.
Der Kläger hat den Erhalt der zweimaligen tariflichen Sonderzahlungen im April und Juli 2007 und damit das Überschreiten der maßgebenden Hinzuverdienstgrenze nicht von sich aus an die Rentensachbearbeitung gemeldet. Diese hat sich die Bruttoentgeltbe-scheinigung bei der personalbearbeitenden Stelle selbst beschafft. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Meldepflicht und die Konsequenzen einer Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen dem Kläger bekannt waren. Wenn nicht, liegt zur vollen Überzeugung des Gerichts zumindest grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X vor. Schließlich war der Kläger zum Zeitpunkt der Erzielung des Hinzuverdienstes Leiter der Verfahrenstelle für das Widerspruchs- und Klageverfahren bei der Beklagten und damit sehr gut mit den gesetzlichen Regelungen vertraut. Davon konnte sich das Gericht mehrfach bei der Wahrnehmung von Sitzungsvertretungen durch den Kläger selbst überzeugen. Im Übrigen war sich der Kläger sehr wohl bewusst darüber, dass zwischen seinem Arbeitsentgelt und der geltenden Hinzuverdienstgrenze nur ein sehr kleiner Spielraum besteht und er musste hinsichtlich der Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen sensibilisiert sein. Denn seit März 2006 lief ein Rückforderungsverfahren gegen den Klä-ger aufgrund des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze von 2003 bis 2006 (siehe Parallelverfahren S 4 KN 153/10). Zudem hatte der Kläger zuletzt mit der Beklagten zum 1.9.2006 eine Änderungsvereinbarung bzgl. einer reduzierten Arbeitszeit und reduzierten Verdienstes, der sich an der geltenden Hinzuverdienstgrenze orientiert, geschlossen.
Im Hinblick auf die im Rücknahmebescheid vom 5.10.2009 vorgenommene Neufeststellung der Rentenleistungen und den errechneten Erstattungsbetrag liegt aber nach Ansicht der Kammer betreffend den Monat November 2007 eine fehlerhafte Rechtsanwendung vor. Zum einen hat die Beklagte ausweislich des Bescheides und des Widerspruchsbescheides nur den Bescheid vom 18.1.1999 über die Bewilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben. Nicht aufgehoben wurde der Be-scheid vom 14.10.1997 über die Bewilligung der Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Und dennoch hat die Beklagte im Bescheid vom 5.10.2009 die an sich gemäß § 89 SGB VI wieder voll zur Auszahlung kommende Rente für Bergleu-te nur in Höhe von 2/3 festgestellt.
Zum anderen handelt es sich bei der Rente für Bergleute und der Rente wegen Berufsun-fähigkeit um zwei selbstständige Ansprüche, auf die § 89 SGB VI anwendbar ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rente für Bergleute nicht Teil der Rente wegen Berufsunfähigkeit, auch wenn gegebenenfalls der Leistungsfall identisch ist. Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut von § 33 SGB VI, in dem beide Rentenarten unab-hängig voneinander aufgeführt sind. Auch in § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI werden die bei-den Rentenarten selbstständig bezeichnet. Diese Ansicht der Kammer deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welches diese von der erkennenden Kammer und des zuständigen Senats des Bayerischen Landessozialgerichts bereits früher vertretene Auffassung mit Urteil vom 7.9.2010 (Az. B 5 KN 4/08 R) bestätigt hat. Die Entscheidungsgründe dieses Urteils lauten auszugsweise wie folgt:
"Bei dem Anspruch auf Rente für Bergleute und dem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit handelt es sich um verschiedene selbstständige Ansprüche (ua mit unterschiedlichen Versicherungsfällen und Versicherungszielen) und nicht etwa um ein einziges Recht auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; ein solches gibt es nicht. Beide Rechte dienen vor allem der Sicherung verschiedener Schutzgüter gegen das Risiko gesundheitsbedingter Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. [ ] Als selbstständige, unabhängig voneinander bestehende Ansprüche begründen sie selbstständige Leistungsverhältnisse."
Wenn aber zwei völlig selbstständige Rentenansprüche bestehen, sind die Hinzuverdienstgrenzen gem. §§ 313, 96a SGB VI auch für jede Rentenart eigenständig zu prüfen. Ein Versicherter hat das Recht auf zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze im Hinblick auf jede einzelne ihm zustehende Rente. Der Kläger hat die für die Rente für Bergleute 2007 geltende Hinzuverdienstgrenze im November erstmals überschritten. Folglich hat er im November 2007 Anspruch auf Rente für Bergleute in voller Höhe. In der ersten Anhörung vom 7.5.2008 war dies auch so berechnet. Folglich ergibt sich nur ein Erstattungsbetrag in Höhe von 836,22 EUR.
Sonstige Fehler, auch im Hinblick auf die Ermessensentscheidung, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG und berücksichtigt, dass die Klage zu einem geringen Teil erfolgreich war.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 1/9 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Rückforderung wegen Überschrei-tens der Hinzuverdienstgrenzen im Jahr 2007.
Der 1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Sozialversicherungsfachangestellter in der Funktion als Leiter der Verfahrenstelle für das Widerspruchs- und Klageverfahren beschäftigt. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 14.10.1997 ab 1.10.1997 Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau und mit Bescheid vom 18.1.1999 ab 1.1.1999 Rente wegen Berufsunfähigkeit.
Mit Schreiben vom 11.3.2008 bat die Rentensachbearbeitung der Beklagten das personalbearbeitende Dezernat der Beklagten um Übermittlung einer Bescheinigung der Bruttoarbeitsentgelte des Klägers für das Jahr 2007. Die Bescheinigung ging am 26.3.2008 bei der zuständigen Rentensachbearbeitung der Beklagten ein. Danach erhielt der Kläger von Januar bis März, im Mai und Juni, sowie von August bis Oktober 2007 je-weils 1882,59 EUR. Im April und Juli 2007 erhielt er aufgrund zweier Einmalzahlungen resultierend aus der Umstellung von BAT auf TVöD 1949,51 EUR. Im November 2007 erhielt er 3388,66 EUR und im Dezember 2007 2108,50 EUR. Die Hinzuverdienstgrenzen bezüglich der Rente wegen Berufsunfähigkeit in voller Höhe betrugen ab 1.7.2003 1892,98 EUR und ab 1.7.2007 1903,12 EUR. Die Hinzuverdienstgrenzen für die Rente für Bergleute in voller Höhe betrugen ab 1.7.2003 2681,46 EUR und ab 1.7.2007 2695,83 EUR.
Mit Schreiben vom 7.5.2008 hörte die Beklagte den Kläger bezüglich einer beabsichtigten Aufhebung des Bescheides vom 18.1.1999 hinsichtlich der Rentenhöhe gemäß § 48 Abs. 1 SGB X und eines sich daraus ergebenden Erstattungsanspruches gemäß § 50 SGB X in Höhe von 836,22 EUR an. Der Kläger nahm mit Schreiben vom 2.6.2008 Stellung und wehrte sich gegen die beabsichtigte Aufhebung. Er verwies auf die tariflichen Einmalzahlungen und das daraus folgende viermalige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze. Zu-dem fragte er an, ob ein Verzicht auf die tariflichen Einmalzahlungen möglich sei. Das personalbearbeitende Dezernat verneinte eine Verzichtsmöglichkeit.
Mit Schreiben vom 2.6.2009 führte die Beklagte eine berichtigte Anhörung zur Aufhebung des Bescheides vom 18.1.1999 durch. Im Unterschied zur ersten Anhörung führte die Be-klagte aus, dass im November 2007 nur ein Anspruch auf Rente für Bergleute in Höhe von 2/3 und nicht in voller Höhe bestehe.
Mit Bescheid vom 5.10.2009 hob die Beklagte den Bescheid vom 18.1.1999 gemäß § 48 Abs. 1 SGB X bezüglich der Rentenhöhe wegen des Zusammentreffens von Rente und Hinzuverdienst für 2007 auf und machte einen Erstattungsanspruch gemäß § 50 SGB X in Höhe von 945,29 EUR geltend. Im nachfolgenden Widerspruchsverfahren erklärte der Kläger den Verzicht auf die tariflichen Einmalzahlungen aufgrund der Umstellung auf den TVöD und überwies diese Beträge inklusive Zinsen an die Beklagte zurück. Das personalbear-beitende Dezernat antwortete dem Kläger erneut, dass ein Verzicht wegen § 4 Abs. 4 TVG nicht möglich sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.6.2010 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 30.7.2010 Klage zum Sozialgericht München erhoben. In der mündlichen Verhandlung vom 12.4.2011 hat die Kammer ausführlich auf die Sach- und Rechtslage und das bestehende Prozessrisiko hingewiesen und einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet. Beide Beteiligte haben diesen Vergleichsvorschlag nicht angenommen.
Der Kläger macht geltend, dass er keine Einflussmöglichkeit auf die außerordentlichen tariflichen Einmalzahlungen im April und Juli 2007 gehabt habe. Nur aufgrund dieser Einmalzahlungen habe er im November und Dezember 2007 die geltenden Hinzuverdienst-grenzen ein drittes und viertes Mal überschritten. Er habe mit der Beklagten sein Arbeitsentgelt so vereinbart, dass er grundsätzlich unter der Hinzuverdienstgrenze liege. Die au-ßergewöhnlichen Einmalzahlungen aufgrund der Umstellung auf den TVöD waren bei Vertragsschluss nicht absehbar und dürften ihm auch nicht zum Nachteil gereichen. Zu-dem habe er den Verzicht auf die Einmalzahlungen erklärt. Ein solcher Verzicht sei durchaus rechtlich möglich.
Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 5.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.6.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der parallelen Klageakte S 4 KN 153/10 sowie der beigezogenen Akte der Beklagten ver-wiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Gegenstand der Klage ist der Bescheid vom 5.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2010, mit dem die Beklagte den Rentenbescheid vom 18.1.1999 hin-sichtlich der Rentenhöhe wegen des Zusammentreffens von Rente und Hinzuverdienst für das Jahr 2007 aufgehoben und einen Erstattungsanspruch in Höhe von 945,29 EUR geltend gemacht hat.
Die Bescheide sind im Hinblick auf die Rentengewährung im November 2007 und den Erstattungsbetrag rechtswidrig und verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten. Im Übrigen sind die Bescheide rechtmäßig.
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung ein-tritt.
Gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit 1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Gem. § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde bei einer Rücknahme für die Vergangenheit dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme für die Vergangenheit rechtfertigen.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X sind erfüllt. Die wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen liegt im viermaligen Überschreiten der für die Rente wegen Berufsunfähigkeit geltenden Hinzuverdienst-grenzen gem. §§ 313, 96a SGB VI, wobei nur die ersten beiden Überschreitungen rentenunschädlich sind. Die zwei tariflichen Einmalzahlungen im April und Juli 2007 resultieren aus der Umstellung vom BAT auf den TVöD. Zum Ausgleich von Nachteilen bei der Tarif-umstellung hatten die Tarifvertragsparteien eine Sonderzahlung in zwei Raten vereinbart.
Eine wesentliche Änderung läge nur dann nicht vor, wenn der Kläger auf die tariflichen Einmalzahlungen wirksam verzichtet hätte. Der Verzicht auf eine tarifliche Leistung ist a-ber entgegen der Ansicht des Klägers aufgrund von § 4 Abs. 4 TVG nicht möglich bzw. im vorliegenden Fall nicht wirksam. Die Vorschrift ist eindeutig und lautet wie folgt: "Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden."
Ein solcher von den Tarifvertragsparteien gebilligter Vergleich lag bei Bescheiderteilung und liegt bis heute nicht vor. Im Übrigen verweist das Gericht auf die bestehende Tarifautonomie. Es wäre den Tarifvertragsparteien jederzeit möglich gewesen, für solche Fälle wie den des Klägers, bei denen neben einem Rentenbezug ein Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst besteht, eine tarifliche Sonderregelung beziehungsweise einer Öff-nungsklausel im Tarifvertrag zu vereinbaren. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien aber keinen Gebrauch gemacht.
Der Kläger hat den Erhalt der zweimaligen tariflichen Sonderzahlungen im April und Juli 2007 und damit das Überschreiten der maßgebenden Hinzuverdienstgrenze nicht von sich aus an die Rentensachbearbeitung gemeldet. Diese hat sich die Bruttoentgeltbe-scheinigung bei der personalbearbeitenden Stelle selbst beschafft. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Meldepflicht und die Konsequenzen einer Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen dem Kläger bekannt waren. Wenn nicht, liegt zur vollen Überzeugung des Gerichts zumindest grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X vor. Schließlich war der Kläger zum Zeitpunkt der Erzielung des Hinzuverdienstes Leiter der Verfahrenstelle für das Widerspruchs- und Klageverfahren bei der Beklagten und damit sehr gut mit den gesetzlichen Regelungen vertraut. Davon konnte sich das Gericht mehrfach bei der Wahrnehmung von Sitzungsvertretungen durch den Kläger selbst überzeugen. Im Übrigen war sich der Kläger sehr wohl bewusst darüber, dass zwischen seinem Arbeitsentgelt und der geltenden Hinzuverdienstgrenze nur ein sehr kleiner Spielraum besteht und er musste hinsichtlich der Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen sensibilisiert sein. Denn seit März 2006 lief ein Rückforderungsverfahren gegen den Klä-ger aufgrund des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze von 2003 bis 2006 (siehe Parallelverfahren S 4 KN 153/10). Zudem hatte der Kläger zuletzt mit der Beklagten zum 1.9.2006 eine Änderungsvereinbarung bzgl. einer reduzierten Arbeitszeit und reduzierten Verdienstes, der sich an der geltenden Hinzuverdienstgrenze orientiert, geschlossen.
Im Hinblick auf die im Rücknahmebescheid vom 5.10.2009 vorgenommene Neufeststellung der Rentenleistungen und den errechneten Erstattungsbetrag liegt aber nach Ansicht der Kammer betreffend den Monat November 2007 eine fehlerhafte Rechtsanwendung vor. Zum einen hat die Beklagte ausweislich des Bescheides und des Widerspruchsbescheides nur den Bescheid vom 18.1.1999 über die Bewilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben. Nicht aufgehoben wurde der Be-scheid vom 14.10.1997 über die Bewilligung der Rente für Bergleute wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Und dennoch hat die Beklagte im Bescheid vom 5.10.2009 die an sich gemäß § 89 SGB VI wieder voll zur Auszahlung kommende Rente für Bergleu-te nur in Höhe von 2/3 festgestellt.
Zum anderen handelt es sich bei der Rente für Bergleute und der Rente wegen Berufsun-fähigkeit um zwei selbstständige Ansprüche, auf die § 89 SGB VI anwendbar ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Rente für Bergleute nicht Teil der Rente wegen Berufsunfähigkeit, auch wenn gegebenenfalls der Leistungsfall identisch ist. Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut von § 33 SGB VI, in dem beide Rentenarten unab-hängig voneinander aufgeführt sind. Auch in § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB VI werden die bei-den Rentenarten selbstständig bezeichnet. Diese Ansicht der Kammer deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, welches diese von der erkennenden Kammer und des zuständigen Senats des Bayerischen Landessozialgerichts bereits früher vertretene Auffassung mit Urteil vom 7.9.2010 (Az. B 5 KN 4/08 R) bestätigt hat. Die Entscheidungsgründe dieses Urteils lauten auszugsweise wie folgt:
"Bei dem Anspruch auf Rente für Bergleute und dem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit handelt es sich um verschiedene selbstständige Ansprüche (ua mit unterschiedlichen Versicherungsfällen und Versicherungszielen) und nicht etwa um ein einziges Recht auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; ein solches gibt es nicht. Beide Rechte dienen vor allem der Sicherung verschiedener Schutzgüter gegen das Risiko gesundheitsbedingter Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. [ ] Als selbstständige, unabhängig voneinander bestehende Ansprüche begründen sie selbstständige Leistungsverhältnisse."
Wenn aber zwei völlig selbstständige Rentenansprüche bestehen, sind die Hinzuverdienstgrenzen gem. §§ 313, 96a SGB VI auch für jede Rentenart eigenständig zu prüfen. Ein Versicherter hat das Recht auf zweimaliges Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze im Hinblick auf jede einzelne ihm zustehende Rente. Der Kläger hat die für die Rente für Bergleute 2007 geltende Hinzuverdienstgrenze im November erstmals überschritten. Folglich hat er im November 2007 Anspruch auf Rente für Bergleute in voller Höhe. In der ersten Anhörung vom 7.5.2008 war dies auch so berechnet. Folglich ergibt sich nur ein Erstattungsbetrag in Höhe von 836,22 EUR.
Sonstige Fehler, auch im Hinblick auf die Ermessensentscheidung, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG und berücksichtigt, dass die Klage zu einem geringen Teil erfolgreich war.
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