S 5 AL 1182/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1182/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 354/11
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 31.07.2008 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 20.11.2008 wird abgewiesen
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld dem Grunde nach für die in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (beE) zusammengefassten 81 Arbeitnehmer, die vorher bei der Siemens Enterprise Communications GmbH & Co. KG (SEN) beschäftigt waren, § 216 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III.

Am 23.01.2005 wurde zwischen der Industriegewerkschaft (IG) Metall und den Metallar-beitgeberverbänden eine Tarifliche Sondervereinbarung für die Siemens AG selbst und ihre Service-Gesellschaften z.T. mit inhaltlichen Änderungen verlängert. Demnach gilt dieser Tarifvertrag u.a. für alle in diesem Unternehmen bzw. Organisationen oder Be-triebsratseinheiten dieser Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer sowie für die Auszu-bildenden, nicht jedoch u.a. für Vorstandsmitglieder und gesetzliche Vertreter von juristi-schen Personen und Personengesamtheiten, Geschäftsführer sowie leitende Angestellte, denen Prokura oder Handlungsvollmacht erteilt ist, und Arbeitnehmer, deren Jahreseinkommen auf außertariflicher Grundlage über dem Rahmen des zwölffachen höchsten monatlichen Tarifsatzes der höchsten Tarifentgeltgruppe um 12 % hinausgehend geregelt ist.

Gemäß § 2 der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung finden die zwischen der IG Metall (Bezirksleitung Bayern bzw. Vorstand) und dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektro-Industrie e.V. für die Bayerische Metallindustrie jeweils abgeschlossenen und gül-tigen Tarifverträge und Vereinbarungen vollinhaltlich Anwendung auf die Arbeitsverhält-nisse der unter den Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer, sofern nicht in diesen oder anderen Tarifverträgen Abweichungen vereinbart werden. Dabei gelten die Kündigungs-fristen und –termine der in den Bezug genommenen Tarifverträge sowie ausgesprochene Kündigungen auch zwischen den Parteien des Tarifvertrages. Für Betriebe außerhalb Bayerns gelten die in den jeweils regionalen Tarifverträgen zur Altersteilzeit und zur Be-schäftigungssicherung vorgesehenen Verfahren zur Konfliktlösung.

Unter § 10 wurde folgende Standard- und Beschäftigungssicherung vereinbart: "Ziel der Schaffung der Regionalorganisation Deutschland (RD) ist es, wettbewerbsfähige Strukturen zu schaffen, um der Marktsituation gerecht zu werden, die Arbeitsplätze zu sichern und ggf. neue zu schaffen. Ziel der Neuorganisation ist es weiterhin, die Aktivitäten der RD in der Siemens AG langfristig – mindestens vier Jahre – unter entsprechenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfolgreich weiterzuführen. Für die Dauer der Laufzeit dieses Tarifvertrages werden keine Niederlassungen geschlossen, verlagert oder die Beschäftigtenzahl in wesentlichem Umfang reduziert. Aus Anlass und im Zusammenhang mit der Neugründung der RD werden keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen. Sollte aufgrund des Wegfalls oder der Veränderung von Beschäftigungsinhalten dennoch eine Anpassung der Beschäftigung erforderlich sein, so besteht Einvernehmen, dass zu-nächst alle betrieblichen und tarifvertraglichen (TV zur Beschäftigungssicherung) Möglichkeiten der Beschäftigungssicherung ausgeschöpft werden. Es besteht darüber hinaus Einvernehmen, dass bei Wegfall oder Veränderung von Beschäftigungsinhalten den vom Personalabbau bedrohten Arbeitnehmern zusätzlich ange-messene Weiterqualifizierungsmöglichkeiten angeboten werden, um diesen eine Vermittlungschance auf andere vergleichbare oder ähnliche Arbeitsplätze im bisherigen oder in anderen Betrieben der Siemens AG zu geben. Kann trotz der oben genannten Maßnahmen eine wesentliche Reduzierung der Beschäf-tigtenzahl nicht vermieden werden, so werden die Siemens AG, der Gesamtbetriebsrat (GBR) der Siemens AG und die IG Metall auf Antrag einer der Beteiligten Gespräche auf-nehmen."

Dieser Tarifvertrag war mit dreimonatiger Frist zum Quartalsende erstmals zum 30.09.2009 kündbar. In der RD wurden anschließend Vertriebs- und Serviceeinheiten, die bisher den Bereichen zugeordnet waren, unter einer Leitung gebündelt. Nach Auskunft der Klägerin erfolgte die organisatorische Neugründung der RD zum 1.10.2005 und war zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen.

Im Oktober 2006 wurde die SEN durch Ausgliederung des Bereichs Communications der Siemens AG gegründet, nachdem im Rahmen des Interessenausgleichs / der Vereinba-rung "Restrukturierungsmaßnahmen bei Com Carrier und Com Enterprise" vom 21.6.2006 bei Com Enterprise ein Personalabbau von 380 Mitarbeitern nur durch das Angebot von Aufhebungsverträgen, ggf. mit Wechsel in eine betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit durchgeführt worden war.

Außerdem hatten die Siemens AG, der GBR der Siemens AG und die IG Metall am 18.6. 2006 ein "Gesprächsergebnis" zur Ausgliederung, d.h. zur rechtlichen Verselbständigung der Carrier- und Enterprise-Einheiten des Bereichs Communications (einschließlich der jeweils dazugehörenden Zentralfunktionen, Dienstleistungs- und RD-Einheiten) veröffent-licht. Hierin wird u.a. ausgeführt: "Die Gesprächsparteien stimmen darin überein, dass die Arbeitsplätze möglichst erhalten werden. Für beide Gesellschaften wird der für Carrier und Enterprise geltende Status Quo der tarifvertraglichen Vereinbarungen fortgeschrie-ben. Darüber hinaus besteht Übereinstimmung dahingehend, dass eventuell notwendige Per-sonalanpassungsmaßnahmen bis zum 30.9.2009 in der bisher von Siemens geübten Wei-se sozialverträglich – d.h. ohne betriebsbedingte Kündigungen – vorgenommen werden. Anlässlich der erforderlichen Betriebsaufspaltungen und der anschließenden Betriebsübergänge erfolgen keine Personalanpassungen.( ) Die Aktivitäten von Com EN (einschließlich der jeweils dazu gehörenden Zentralfunktio-nen, Dienstleistungs- und RD-Einheiten) werden ebenfalls in einer eigenen Gesellschaft zusammengefasst. Die aktuell geltenden Tarifverträge (Flächentarifverträge der M + E Industrie sowie Tarif-vertragliche Sondervereinbarung und Ergänzungstarifvertrag Bocholt für die NewCO Leipzig) kommen für die jeweils betroffenen Mitarbeiter unverändert zur Anwendung. Die Tarifvertragliche Sondervereinbarung vom 23.1.2005 und der Ergänzungstarifvertrag Bocholt werden für die übernehmende Gesellschaft inhaltsgleich sinngemäß abgeschlossen. Obgleich die Siemens AG die Sicherung der RD-Standorte zugesagt hat und alles daran setzen wird, die Niederlassungsstandorte aufrecht zu erhalten, kann für einzelne Standor-te von COM Enterprise eine solche Garantie jedoch nicht gegeben werden. In einem sol-chen Fall sind alternative Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten. Die Bedingungen zur Standort- und Beschäftigungssicherung der Tarifvertraglichen Son-dervereinbarung vom 23.1.2005 werden insoweit für die neue Gesellschaft angepasst, als bei Zusammenlegung von Standorten das CP-Rundschreiben 53/98 bis zum 30.9.2009 angewandt wird.( ) Für die übrigen unter den Geltungsbereich der Tariflichen Sondervereinbarung fallende Mitarbeiter gilt diese Vereinbarung weiter."

Gemäß dieser gemeinsamen Erklärung wurde am 27.7.2006 ein Interessenausgleich zwischen der Siemens AG und dem Gesamtbetriebsrat der Siemens AG über die Betriebsänderung zum 1.8.2006 geschlossen, demnach für Com Enterprise ab 1.8.2006 zur Vorbereitung der rechtlichen Abspaltung zehn Betriebsratseinheiten gebildet wurden. U.a. wurden BR-Einheiten Siemens AG Bielefeld NL, Dortmund NL, Essen NL, Kassel NL, Münster NL, Osnabrück NL, Paderborn und Witten zur BR-Einheit 8 zusammengefasst. Ebenfalls am 27.7.2006 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung zur Überlei-tung der Beschäftigungsbedingungen der von der Siemens AG, Com Enterprise Networks zur SEN übergehenden Mitarbeiter.

In einer Protokollnotiz hierzu wurde ausdrücklich auf die im Spitzengespräch zwischen Firmenleitung, IG Metall und GBR (am 18.7.06) vereinbarten Eckpunkte Bezug genom-men und u.a. nochmals ausgeführt: " a) Die am o.g. Gespräch beteiligten Parteien stimmen darin überein, dass die Ar-beitsplätze möglichst erhalten werden. Darüber hinaus besteht Übereinstimmung dahingehend, dass eventuell notwendi-ge Personalanpassungsmaßnahmen bis zum 30.9.2009 in der bisher von Siemens geübten Weise sozialverträglich – d.h. ohne betriebsbedingte Kündigungen – vor-genommen werden b) Ergänzend zu Ziffer a) vereinbaren GBR und Firmenleitung zur Klarstellung: Wi-dersprüche gegen den Betriebsübergang sowie mit den Arbeitnehmervertretungen bereits vereinbarte Restrukturierungsmaßnahmen sind vom Gesprächsergebnis zwischen der Siemens AG, dem GBR der Siemens-AG und der IG Metall zum 18.7.2006 nicht erfasst. Dies bedeutet, dass – falls das Restrukturierungsziel ge-mäß der Vereinbarung vom 21.6.2006 nicht bis Ende Oktober erreicht werden kann – in der neuen Gesellschaft auch betriebsbedingte Kündigungen (maximale Anzahl: noch offene Restrukturierungsfälle) an den Standorten München-H., München-P., München-MA und Witten zulässig sind."

Im Juli 2006 veröffentlichte die IG Metall auf ihrer Homepage: "Nach intensiven Verhandlungen haben sich der Siemens-Gesamtbetriebsrat und die IG Metall am 18. Juli mit Siemens auf die Bedingungen bei der Ausgliederung von COM aus der Siemens AG geeinigt.( ) Damit sind der Erhalt der Tarifbindung und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum Herbst 2009 auch nach der Ausgliederung und dem Übergang in neue Unternehmen gewährleistet." " Die 2004 gemeinsam abgeschlossene Rahmenvereinbarung, in der Verfahren zur Beschäftigungssicherung festgelegt sind, bildete dafür die Grundlage." Am 3.8.2006 beschrieb sie das Verhandlungsergebnis folgendermaßen: "Mit der Vereinbarung vom 18.Juli 2006 ( ) werden die arbeitsrechtlichen Bedingungen für die Trennung von der Kommunikationssparte festgeschrieben. Diese Vereinbarung enthält mit der Übernahme der jeweils geltenden Tarifverträge, vor allem jedoch mit dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum Herbst 2009 eine Sicherheit für die Beschäftigten, die es in dieser Eindeutigkeit bei Siemens noch nie gegeben hat. So ist nicht nur wie schon früher beabsichtigt, dass "die Arbeitsplätze möglichst erhalten werden"; es ist klipp und klar vereinbart, dass eventuell dennoch notwendige Personalanpassungsmaßnahmen bis zum 30.9.2009 "ohne betriebsbedingte Kündigungen" vorgenommen werden. An dieser Zusage ist nicht zu rütteln, sie ist für Siemens beziehungsweise seine Rechtsnachfolger als Eigentümer der neuen Unternehmen bindend." Am 14.8.2006 beantwortete sie die Frage: " Wie sicher sind die Vereinbarungen, können die neuen Unternehmen nicht über kurz oder lang davon abweichen?" wie folgt: ".Die Vereinbarungen und Tarifverträge sind mit der Carrier GmbH und der Enterprise GmbH abgeschlossen und behalten ihre Gültigkeit, auch wenn die Eigentumsverhältnisse sich ändern." Diese Aussage bekräftigte sie im September 2006: "Bis Ende 2009 soll es im Zusammenhang mit der Ausgliederung von Siemens Com keine betriebsbedingten Kündigungen ge-ben. Bis dahin sind auch in den Regionalorganisationen Beschäftigung und alle Com-Standorte gesichert. Die bisherigen tariflichen Regelungen – einschließlich Ergänzungsverträge und Rahmenvereinbarung zwischen Siemens, Gesamtbetriebsrat und IG-Metall aus dem Jahre 2004 – sollen weiter gelten. Die volle paritätische Mitbestimmung bleibt erhalten. An den juristischen Verpflichtungen soll sich nichts ändern. Die ausgegliederten Bereiche sollen ihren Sitz in Deutschland nehmen und eine tarif- und mitbestimmungsfähige Unternehmensform wählen. Dies sind die wichtigsten Eckpunkte einer Vereinbarung, auf die sich Mitte Juli der Siemens-GBR und die IG Metall mit der Geschäftsleitung geeinigt haben. "Im Rahmen der Gegebenheiten können wir mit dem Ergebnis zufrieden sein", sagt der Vorsitzende des Siemens-GBR. Die nun erreichte Absicherung biete den Beschäftigten einen respektablen Schutz bis zum Herbst 2009. Das Ergebnis gehe weit über die üblichen gesetzlichen Regelungen hinaus und zum ersten Mal in seiner Geschichte habe Siemens bindend eine Arbeitsplatzsicherung zugesagt."

Ende Februar 2008 kündigte die Konzernmutter Siemens AG für SEN eine weitreichende Restrukturierung des Unternehmens an. Am 11.4.2008 wurde ein Interessenausgleich/Betriebsvereinbarung und Sozialplan zwischen SEN, der Siemens AG und dem Konzernbetriebsrat der Siemens AG für den GBR bei SEN vereinbart. Längerfristiges Ziel sei es, SEN in eine Partnerschaft einzubringen, da die Branche sich vom national geprägten Telekommunikationsgeschäft hin zum globalen Software- und Service-Business wandele. Deshalb sei ein Technologie-Wandel hin zu VoIP, im Großkundensegment ein Wandel vom Produkt- zum Lösungsgeschäft, ein rückläufiges Mietgeschäft und der Wandel vom klassischen Wartungsgeschäft hin zu höherwertigen Serviceleistungen erforderlich. Mit dem gesamten Maßnahmebündel aus Restrukturierung, TurnAround-Programm und Produktoffensive solle die Kostenposition von SEN global als auch regional verbessert, die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland gestärkt und die Fokussierung auf ertragreiche Zukunftsthemen ausgebaut werden. Dies führe zu einem Personalanpassungsbedarf in Höhe von 1.240 Mitarbeitern (rechnerisch). Durch die Berücksichtigung bereits vereinbar-ter bzw. erfolgter Austritte und unter der Bedingung, dass alle 262 Mitarbeiter, die alle Voraussetzungen einer Altersteilzeit erfüllen, diese auch abschließen und in die Siemens AG wechseln, ergebe sich ein noch offener Anpassungsbedarf von 822 Mitarbeitern (rechnerisch). Hiervon sollten 24 % aus dem Bereich Head-Quarter, 15 % aus Forschung und Entwicklung, 38 % aus Communications Large Businesses und 23 % aus Small und Medium Businesses kommen. Sofern bis zum 30.6.2008 nicht eine hinreichende Anzahl von Austritten aus der SEN vereinbart würde, werde weiteren Mitarbeitern ein Angebot nach dieser Regelung unterbreitet. Hierfür werde – bei unverändertem Ende der beE – eine zweite Eintrittsmöglichkeit zum 1.10.2008 eröffnet. Zusätzlich zur Errichtung einer beE wurden umfangreiche Abfindungsregelungen vereinbart. Bei Wechsel in eine beE gab es eine Abfindungsbeschränkung auf 175.000 EUR brutto und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag und ohne Wech-sel in die beE eine Abfindungsbeschränkung in Höhe von 250.000 EUR.

Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen, FAZ.NET, vom 23.2.2008 sei ein wesentlicher Nachteil nach Angaben des Konzerns die Arbeitskosten. "So verdienten die Mitarbeiter von SEN im Durchschnitt 80.000 EUR im Jahr, während in der Branche 60.000 EUR üblich seien. ( ) SEN beschäftigt dem Vernehmen nach immer noch relativ viele Spezialisten für Geräte und Anlagen (Hardware). Solche Abteilungen sollen samt Mitar-beitern abgegeben werden." Auch die Süddeutsche.de Wirtschaft berichtete in ihrem Arti-kel vom 24.2.2008, nach Angaben aus einem gemeinsamen Gremium von Arbeitgebern und Arbeitnehmern schließe der (damals) gegenwärtig gültige Tarifvertrag bei SEN be-triebsbedingte Kündigungen bis zum 30. September 2009 aus. Im März 2008 veröffentlichte die IG Metall in den "Siemens Nachrichten" u.a: "Schon jetzt profitieren alle Beschäftigen davon, dass auf Basis des "Gesprächsergebnisses zwischen Siemens AG, GBR der Siemens AG und der IG Metall" vom 18.7.2006 bis zum 30.9.2009 ein Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen besteht" und am 15.4.2008 u.a.: "Die Ver-einbarung sieht vor, den Personalabbau durch freiwillige Vereinbarung mit den Beschäf-tigten umzusetzen". Im April 2008 findet sich auf der IG Metall Homepage folgende Aus-sage: ""( )", mit diesen Worten kommentieren die IG Metall Bezirksleiter von Bayern und Nordrhein-Westfalen, W. N. und O. B., den Sozialplan. "Doch die von IG Metall und Sie-mens abgeschlossene tarifliche Sonderregelung, die betriebsbedingte Kündigungen bis September 2009 ausschließt, bot eine starke Verhandlungsposition, aus der heraus man eine vergleichweise günstige Regelung für die betroffenen Beschäftigten erreichen konnte.""

Am 13.05.2008 reichte die SEN bei der Regionaldirektion Bayern eine Massenentlas-sungsanzeige ein. Die einzelnen Namen der Betroffenen wurden erst Monate später nachgereicht, als diese feststanden. Die Auswahl der Arbeitnehmer sei anhand des Turn-Around-Programms durch freiwillige Aufhebungsangebote erfolgt. Bezüglich des Standor-tes HStraße gehörten 141 der 640 Ingenieure, 89 der 401 Techniker und 66 der 300 Rechnungskaufleute bzw. Datenverarbeitungsfachleute und bezüglich der Richard-Strauss-Straße 14 der 64 Ingenieure, 72 der 326 Techniker und 18 der 83 Rechnungskaufleute/Datenverarbeitungsfachleute zu der Gruppe der 300 zu Entlassenden. Bezüg-lich der BR-Einheit 8 sind die einzelnen Berufsgruppen in den Akten nicht spezifiziert.

Am 15.7.2008 erstattete die Klägerin Anzeige über Arbeitsausfall einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit, KompTime beE SEN Essen für 81 Arbeitnehmer, die vor-her bei der SEN beschäftigt waren. Es läge eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG wegen grundlegender Änderungen der Betriebsorganisation und Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren vor. Urlaubsansprüche aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis seien nicht übertragen worden, denn bei Austritt aus der SEN zum 30.6.2008 sei eine Urlaubsabgeltung erfolgt. Des Weiteren wurden mit Schreiben vom 26.6.2008 weitere Ausführungen zur Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG gemacht.

Die in die KompTime beE SEN eingetretenen Arbeitnehmer hatten einen dreiseitigen Ver-trag mit SEN und KompTime abgeschlossen, demnach die Beendigung des Arbeitsver-hältnisses mit SEN zum 30.6.2008 und gleichzeitig ein bis zum 30.6.2010 befristeter Ver-mittlungs- und Qualifizierungsvertrag ab dem 1.7.2008 mit der Klägerin vereinbart wurde. In diesem Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis wurde Kurzarbeit Null angeordnet. Der Beschäftigungsanspruch sei entfallen. Die Arbeitnehmer erhielten 85 % ihres monatli-chen Bruttoeinkommens bei SEN und bei Erfüllung der Voraussetzungen der Qualifizie-rungsmöglichkeiten eine Qualifizierungsprämie. Die Gehaltszahlung wurde nicht von der Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld abhängig gemacht.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31.7.2008 legte die Beklagte dar, die Prüfung der Anzeige vom 15.7.2008 habe ergeben, dass die in § 216b SGB III genannten Voraus-setzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld nicht erfüllt seien. Der Anspruch auf Transfer-Kurzarbeitergeld bestehe u.a. nur dann, wenn die von einer Betriebs-änderung im Sinne von § 111 BetrVG betroffenen Arbeitnehmer infolge dieser Entwick-lung konkret von Arbeitslosigkeit bedroht (§ 216b Abs. 4 Nr. 1 SGB III – persönliche Vor-aussetzung) und diese zu Vermeidung von Entlassungen in einer beE zusammengefasst worden seien (§ 216b Abs. 3 Nr. 2 SGB III – betriebliche Voraussetzungen). Laut entsprechender Anzeige vom 15.7.2008 läge zwar eine grundlegende Änderung der Betriebsor-ganisation und damit eine Betriebsänderung im oben angeführten Sinne vor; die IG Metall habe jedoch mit den Verbänden der Metall- und Elektroindustrie eine Tarifvertragliche Sondervereinbarung geschlossen, deren Gültigkeit zuletzt am 23.1.2005 bis zum 30.9.2005 verlängert worden sei. In § 10 Abs. 3 dieser Vereinbarung sei festgeschrieben, dass für die Zeit der Geltungsdauer der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung keine be-triebsbedingten Kündigungen ausgesprochen würden. Bei dieser Regelung handle es sich um einen absoluten Ausschluss ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen. Gemäß ei-ner Vereinbarung zwischen der Siemens AG, dem GBR der Siemens AG sowie der IG Metall vom 18.7.2006 solle auch den betroffenen Beschäftigten der SEN der Schutz des § 10 der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung zuteil werden. Deshalb seien die Arbeit-nehmer der SEN bis zum 30.9.2009 vor betriebsbedingten Kündigungen tarifvertraglich geschützt. Es mangele daher an der von der Gesetzgebung geforderten Kausalität zwischen der Betriebsänderung und dem Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem produktiven Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis. Es lägen keine betrieblichen Gründe vor, die eine zulässige arbeitgeberseitige Kündigung ermöglichen würden.

Den am 28.8.2008 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass es auf die Frage des absoluten Ausschlusses betriebsbedingter Kündigungen nicht ankomme. Die betroffenen Arbeitnehmer müssten spätestens zum Zeitpunkt der Un-terzeichnung des Aufhebungsvertrages mit der Beendigung der Beschäftigung rechnen. Aufgrund fehlender Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen würden die Arbeit-nehmer mit Ende dieser Beschäftigungsmöglichkeit arbeitslos, unabhängig davon, ob sie einen Kündigungsschutz hätten oder nicht. Der Ausschluss der betriebsbedingten Kündigung in § 10 Abs. 3 der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung habe nur für die Neugründung der RD gegolten, die zum 1.10.2005 erfolgt sei und zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen sei. Der Großstandort in München habe auch zu Siemens AG – Zeiten nicht zu der RD-Organisation gehört, für den die Tarifliche Sondervereinbarung eben-so wie der Tarif für die Niederlassungen keine Anwendung gefunden habe. Der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, falls er denn bestehen würde, würde zum 30.9.2009 enden. Deshalb werde vorsorglich die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld ab dem 1.10.2009 beantragt.

Die Beklagte lehnte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2008 als un-begründet ab. Mit der am 2.12.2008 zum Sozialgericht München eingelegten Klage ver-folgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht insbesondere geltend, dass mit dem In-halt des sog. Gesprächsergebnisses vom 18.7.2006 nicht beabsichtigt gewesen sei, die in der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung vereinbarte Einschränkung des Rechts zur or-dentlichen betriebsbedingten Beendigungskündigung im Zusammenhang mit der Neu-gründung der RD zum 1.10.2005 entsprechend auf die – in diesen Gesprächen im Übri-gen nicht beteiligten – Gesellschaften SEN und SN (Siemens Networks GmbH & Co. KG) zu übertragen. Auch in dem am 21.6.2006 geschlossenen Interessenausgleich seien zwar Beendigungskündigungen in Ziffer 3 nicht vorgesehen, jedoch auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen gewesen. Auch im am 27.7.2006 geschlossenen Interessenausgleich über die Abspaltung der Betriebsteile "Com Carrier" und "Com Enterprise" einschließlich der dazugehörigen Zentral- und Dienstleistungsfunktionen innerhalb der RD sei kein Son-derkündigungsschutz zu Gunsten der Arbeitnehmer, die in die SEN und SN im Wege des Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB wechseln würden, vorgesehen. Es seien vielmehr bereits Reglungen für den Fall getroffen worden, dass der Abbau von Ar-beitsplätzen unvermeidlich sei. Aufgrund des gravierenden Technologiewandels weg von Hardwareprodukten hin zu Softwarelösungen sei der Geräte- und der damit verbundene Wartungsbedarf stark rückläufig gewesen, wie auch die Umsätze der SEN in diesem Be-reich. Diese Entwicklung habe zusätzliche und verstärkte Investitionen im Bereich der Softwaretechnologie und eine Personalanpassung insbesondere im Bereich des War-tungsgeschäfts erforderlich gemacht. Auch in dem daraufhin am 11.4.2008 geschlosse-nen Interessenausgleich einschließlich seiner Präambel hätten die Betriebsparteien nicht festgestellt, dass ein angeblicher tariflicher oder durch Betriebsvereinbarung begründeter Sonderkündigungsschutz bzw. eine Regelung zum Ausschluss betriebsbedingter, ordentlicher Beendigungskündigungen von Arbeitsverhältnissen bestehen solle. Im Rahmen dieser betriebsändernden Personalanpassungsmaßnahmen seien 134 Arbeitnehmer durch dreiseitige "Aufhebungs-Verträge" zu KompTime beE SEN gewechselt. Die unternehmerischen Entscheidungen, die angesichts der vorbeschriebenen wirtschaftlichen und geschäftlichen Situation der SEN im Übrigen auch notwendig erscheinen würden, hätten zu einem unvermeidbaren Arbeitsausfall geführt. Die SEN habe keine alternativen Be-schäftigungsmöglichkeiten für die betroffenen Mitarbeiter (gehabt). Ihr gesamtes Geschäft sei rückläufig und ein Personalüberhang bestehe demnach in allen Unternehmensberei-chen. Die vorzeitige und dauerhafte Auflösung der Arbeitsverhältnisse mit den in der An-zeige der Klägerin vom 15.7.2008 genannten Arbeitnehmern hätte auch nicht durch ande-re Maßnahmen, z.B. eine Versetzung, Änderungskündigung, eine Altersteilzeit oder das Freiwerden anderweitiger Arbeitsplätze aufgrund Auslaufen eines befristeten Arbeitsver-hältnisses vermieden werden können, da diese Mittel bereits erschöpft gewesen seien. Die Com Enterprise Einheiten seien aus 46 Siemens-Betriebratseinheiten organisatorisch zu zehn neuen Betriebsratseinheiten zusammengefasst und anschließend zum 1.10.2006 in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert worden. Damit handle es sich um eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation. Da ein Installations- und Wartungsbedarf von Geräten sowie die damit verbundenen Abteilungen und Tätigkeiten weitestgehend nicht mehr erforderlich seien und auch das Mietgeschäft mit Telefonanlagen mit seinem Bedarf an Serviceleistungen rückläufig sei, müsse SEN zur Erreichung weiterer Kostensenkungen weltweit mit neuen, standardisierten Prozessen arbeiten. Die Konzentration auf den Softwarebereich und die verstärkte Investition in neue Softwaretechnologien würden höherwertige Serviceleistungen im Firmenkundengeschäft und somit die Anpassung der Arbeitsmethoden erforderlich machen. Bei der Klägerin seien die in der Anzeige vom 15.7.2008 genannten Arbeitnehmer zum Zwecke der Weiterbeschäftigung beEen – wenngleich bei Kurzarbeit Null - "zur Vermeidung einer Arbeitslosigkeit und Vermittlung sowie Qualifizierung" zugewiesen worden. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertra-ges seien die betroffenen Arbeitnehmer wegen ihres nur befristeten Wechsels in ein Be-schäftigungsverhältnis von Arbeitslosigkeit bedroht. Es reiche aus, dass nach dem Willen der Betriebsparteien und den Regelungen des Interessenausgleichs vom 11.4.2008 die Arbeitsverhältnisse vorzeitig durch Aufhebungsverträge aufgelöst werden sollten. Es komme nicht darauf an, warum eine Arbeitslosigkeit drohe bzw. bevorstehe. Auch bei einem bestehenden Sonderkündigungsschutz wäre es einem Arbeitnehmer nicht zumutbar, an einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis, in dem keine tatsächliche Beschäftigung statt-findet, festzuhalten. Ohnehin dürfte leistungs- bzw. beitragsrechtlich kein Beschäftigungsverhältnis mehr bestehen, wenn keine dauerhafte tatsächliche Beschäftigung mehr erfolge. Ein Übertritt in die beE sei nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag unterzeichne. Im Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Aufhebungsvertrages müsse der Arbeitnehmer daher mit der Beendigung der Beschäftigung rechnen. Mit dem Übertritt in die beE solle Arbeitslosigkeit vermieden werden. Im Übrigen könne das Erfordernis betrieblicher Restrukturierungsmaßnahmen und des Abbaus von Arbeitsplätzen auch und gerade dann bestehen, wenn ein Sonderkündi-gungsschutz bestehen sollte. Würde auch in solchen Fällen zumindest nicht die grund-sätzliche Möglichkeit einer Förderung durch Transfer-Kurzarbeitgeld gemäß § 216b SGB III bestehen, erhielte dieser Teil von Arbeitgebern ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Lage oder des Grundes für den Personalabbau keine Unterstützung. Es widerspräche dem Sinn der Regelung, nach Möglichkeit einen sozialverträglichen Personalabbau zu ermög-lichen. Sollte, wie von der Beklagten gefordert, im Einzelfall geprüft werden müssen, ob eine betriebsbedingte Kündigung grundsätzlich zulässig sei, würden sich Rechtsprobleme auch beim Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen gemäß § 85 SGB IX oder von Schwangeren gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ergeben. Auch in diesen Fällen könne ein Arbeitgeber trotz bestehenden Sonderkündigungsschutzes aufgrund Tarifver-trags außerordentlich mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Sozial-auslauffrist auch betriebsbedingt kündigen. Im Hinblick auf die strengen Anforderungen des zuständigen 2. Senats des BAG an die Darlegung von Kündigungsgründen und die den Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 KSchG treffenden Darlegungs- und Beweislast sei es ohnehin häufig schwer einzuschätzen, ob eine Kündigung wirksam sei oder nicht. Es komme allein darauf an, dass ein Beschäftigter von Arbeitslosigkeit bedroht sei und nicht, warum dies der Fall sei. Die von der Beklagten herangezogenen Regelungen wür-den aber auch Öffnungsklauseln enthalten, die nach deren eigenem Verständnis der Annahme eines auf Dauer angelegten, absoluten Sonderkündigungsschutzes entgegen-stünden. Spätestens seit 1.10.2009 seien auch wieder betriebsbedingte Entlassungen auf Basis ordentlicher Beendigungskündigungen zulässig gewesen. Die Laufzeit der Transfergesellschaft betrage jedoch zwei Jahre und ende erst am 30.6.2010. Hilfsweise werde daher die Anerkennung ab 1.10.2009 begehrt. Das Tatbestandsmerkmal "Vermeidung der Entlassung und Verbesserung der Eingliederungschancen" bedeute, dass es nicht etwa um die generelle Vermeidung einer Entlassung, sondern um die Verlängerung und soziale Abfederung des Entlassungsprozesses gehe. Durch den Wechsel zur Klägerin würden aber die Entlassungen ganz erheblich verzögert.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass der Anwendungsbereich der Tariflichen Sondervereinbarung vom 28.9.1998 (zuletzt verlängert am 23.1.2005), mit welcher unter Beteiligung der IG Metall ein Verzicht auf den Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen bis zum 30.9.2009 vereinbart wurde, uneingeschränkt für diese Restrukturierung und Neu-gründung der SEN gelte. Nach dem konkreten Wortlaut der Vereinbarung vom 18.7.2006 solle den betroffenen Beschäftigten der Schutz des § 10 Abs. 3 der Tariflichen Sonder-vereinbarung zuteil werden. Das gesetzliche Merkmal "zur Vermeidung von Entlassun-gen" nach § 216b SGB III sei dann nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer unkündbar sei. Zwar sei die Beendigungsfreiheit als negative Vertragsfreiheit Bestandteil der Privatautonomie im Arbeitvertragsrecht, doch gelte der Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht einschränkungslos. Er werde insbesondere durch öffentliche Interessen eingeschränkt, wie sie vorliegend bei der beanspruchten Gewährung von Leistungen betroffen seien. Es stelle sich die Frage, weshalb der Sondertarifvertrag und mit ihm die Verpflichtung, keine betriebsbedingten Kündigungen auszusprechen, über die Beendigung der mit der RD verbundenen Umstrukturierung hinaus mehrfach, zuletzt bis zum 30.9.2009, verlängert worden sei. Die Beantwortung dieser Frage ergebe sich daraus, dass der Sonder-TV zur Grundlage weiterer, von der RD unabhängiger Umstrukturierungen dienen sollte. Dies gehe auch aus dem Gesprächsergebnis vom 18.7.2006 hervor, das die gemeinsame Absicht der Siemens AG und der IG Metall zum Ausdruck bringe, den Sonder-TV vom 23.1.2005 nicht alleine auf die Umstrukturierung bezüglich der RD anzuwenden, sondern den darin enthaltenen Kündigungsschutz für weitere Umstrukturierungen fort gelten zu lassen. Auch die Anpassung hinsichtlich der Anwendung des CP-Rundschreibens Nr. 53/98 bedeute, dass zusätzlich zu den Inhalten des Sonder-TV zum Kündigungsschutz für die betroffenen Mitarbeiter auch die vom TV nicht enthaltenen Vergünstigungen des CP-Rundschreibens Nr. 53/98 gelten sollten, die eben gerade dann zum Tragen kämen, wenn statt einer betriebsbedingten Kündigung ein sozial verträglicherer Arbeitsplatzwechsel stattfände. Nach dem gemeinsam bekundeten Willen der Siemens AG und der IG Metall seien die betroffenen Mitarbeiter nicht aus betriebsbedingten Gründen kündbar gewesen.

Auch die gesetzliche Definition des § 17 SGB III weise erhebliche Spielräume auf und könne nur im Zusammenhang mit der jeweiligen Leistungsbestimmung ausgelegt werden. Die Zielsetzung des Transfer-Kurzarbeitergeldes nach § 216b SGB III (Abfederungsfunk-tion, Stabilisierungsfunktion, Anpassungsfunktion und Brückenfunktion) solle gegenüber der Vorgängerregelung des Struktur-Kurzarbeitergeldes einer Instrumentalisierung für Strategien des Personalabbaus Grenzen setzen. So wolle der Gesetzgeber "Fehlanreize zum Missbrauch des Instruments" zum reinen Arbeitsplatzabbau auf Kosten der Beitrags-zahler beseitigen. Ließe man bei der Auslegung des Merkmals "von Arbeitslosigkeit be-droht" unbeachtet, ob ein Kündigungsschutz für die Arbeitnehmer dazu führe, dass ihnen allenfalls bei rechtswidriger Kündigung die Arbeitslosigkeit drohen könne, so hieße dies, den reinen Arbeitsplatzabbau mit Beitragsmittel zu fördern, ohne Rücksicht darauf, ob die Strategie des Arbeitgebers rechtlich zulässig sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 11.10.2011 stellte die Klägerin den Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.7.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2008 zu verurteilen, den in der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit (GStraße, MStadt, Betriebs-Nr. XXXXXXXX) zusammengefassten Arbeitnehmern dem Grunde nach Transfer-Kurzarbeitergeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sowie der Beratung waren die Akten der Beklagten. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird hierauf sowie auf die Ge-richtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage erweist sich als nicht begründet. Zu Recht hat die Beklagte die Ge-währung von Transfer-Kurzarbeitergeld abgelehnt. Das Sozialgericht München ist örtlich zuständig, da die Klägerin ihren Sitz in München hat.

Gegenstand des Verfahrens, das die Klägerin als Prozessstandschafterin der in der KompTime GmbH beE SEN Essen zusammengefassten 81 Arbeitnehmer führt, ohne dass deren Beiladung nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig gewesen wäre, vgl. BSG-Urteil vom 29.1.2008, Az.: B 7/7a AL 20/06 R, ist der Bescheid vom 23.7.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2008. Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Das Verwaltungsverfahren für die Gewährung von Kurzarbeitergeld ist in der Regel zwei-stufig ausgestaltet. Mit der Anzeige des Arbeitsausfalls wird eine verselbständigte Ent-scheidung (Anerkennungsbescheid) der Beklagten darüber herbeigeführt, ob einzelne Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen. Dem Anerken-nungsverfahren schließt sich üblicherweise erst das Leistungsverfahren an, in dem in der zweiten Stufe jeweils für Zeiträume, die durch den Leistungsantrag bestimmt werden, das den Arbeitnehmern zustehende Kurzarbeitergeld und die dem Arbeitgeber zustehenden Zuschüsse bewilligt werden. Da im vorliegenden Fall sowohl das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen wie auch der persönlichen Voraussetzungen bezüglich jedes Arbeitnehmers abgelehnt wurde, sind die zwei Stufen des Verwaltungsverfahrens in einem Bescheid zusammengefasst, vgl. auch BSG, a.a.O.

Gemäß § 216b SGB III in der Fassung durch die Änderungen des 4. SGB III - Änderungs-gesetzes haben Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Vermittlungsaussichten Anspruch auf Kurzarbeitergeld zur Förderung der Eingliede-rung bei betrieblichen Restrukturierungen (Transfer-Kurzarbeitergeld), wenn 1. und solange sie von einem dauerhaften unvermeidbaren Arbeitsausfall mit Ent-geltausfall betroffen sind, 2. die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind, 3. die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und 4. der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist. Ein dauerhafter Arbeitsausfall liegt vor, wenn infolge einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG unabhängig von der Unternehmensgröße und der Anwendbarkeit des Be-triebsverfassungsgesetzes im jeweiligen Betrieb die Beschäftigungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend entfallen (i.V.m § 216a SGB III). Die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld sind erfüllt, wenn 1. in einem Betrieb Personalanpassungsmaßnahmen aufgrund einer Betriebsände-rung durchgeführt und 2. die von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassun-gen und zur Verbesserung ihrer Eingliederungschancen in einer betriebsorganisa-torisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden: Die persönlichen Voraussetzungen sind u.a. erfüllt, wenn der Arbeitnehmer 1. von Arbeitslosigkeit bedroht ist, 2. nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung a) fortsetzt oder b) im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhält-nisse aufnimmt, nicht von Kurzabeitergeldbezug ausgeschlossen ist und vor der Überleitung in die betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit aus Anlass der Betriebsänderungen an einer arbeitsmarktlich zweckmäßigen Maßnahme zur Feststellung der Eingliederungsaussichten teilgenommen hat.

Die Arbeitnehmer, für die die Klägerin das Transferkurzarbeitergeld geltend macht, sind in einer externen betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst. Streitig ist zwischen den Beteiligten insbesondere, ob der Wechsel in die KompTime GmbH beE SEN "zur Vermeidung von Entlassungen" erfolgt ist und ob die Arbeitnehmer "von Arbeits-losigkeit bedroht" waren.

Gemäß § 216b SGB III muss jeder Arbeitnehmer – im Gegensatz zur Vorgängerregelung des § 175 SGB III (Struktur-Kurzarbeitergeld) - selbst von Arbeitslosigkeit bedroht sein, § 216b Abs. 4 Nr. 1 SGB III, BSG Urteil vom 29.1.2008, B 7/7a AL 20/06 R. In § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III a.F. wurde noch gefordert, dass die von dem Arbeitsausfall betroffe-nen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen einer erheblichen Anzahl von Ar-beitnehmern des Betriebes (§ 17 Abs. 1 KSchG) in einer betriebsorganisatorisch eigen-ständigen Einheit zusammengefasst sind, während § 216b SGB III in Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 2 nur noch von "zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Vermittlungsaussichten" spricht. Im Gegensatz zur früheren Regelung ist somit nicht mehr eindeutig, ob es sich um die Vermeidung der Entlassung des jeweiligen Arbeitnehmers oder allgemein um Vermeidung von Entlassungen, ggf. auch der so im Betrieb verblei-benden Arbeitnehmer, handeln soll.

Seit den Urteilen des EuGH vom 27.1.2005, C – 188/03, und des BAG vom 23.3.2006, 2 AZR 343/05, steht fest, dass im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG die Kündigungser-klärung des Arbeitgebers das Ereignis ist, das als Entlassung gilt. Die tatsächliche Been-digung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ablauf der Kündigungsfrist stellt im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nur die Wirkung der Entlassungsentscheidung dar. Durch den Wechsel in eine beE kann daher eine Entlassung im Sinne des § 17 KSchG nicht hinaus-gezögert werden. Aus § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG, der andere Beendigungen des Arbeits-verhältnisses, die vom Arbeitgeber veranlasst werden, einer Entlassung gleichstellt, ergibt sich, dass mit Entlassung nur der Ausspruch einer Kündigung gemeint sein kann. Eine Gleichstellung wäre nicht erforderlich, wenn z.B. ein Aufhebungsvertrag bereits selbst ei-ne Entlassung darstellen würde.

Andererseits definiert § 143a SGB III den Begriff "Entlassungsentschädigung" als eine Ab-findung, Entschädigung oder ähnliche Leistung, die der Arbeitslose wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat. Die Entlassungsentschädi-gung in diesem Sinne umfasst somit auch z.B. Abfindungen, die sich aus einem Aufhe-bungsvertrag ergeben. Nach Auffassung des Gerichts verwendet § 216b SGB III den Begriff Entlassung jedoch im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Der Begriff "zur Vermeidung von Entlassungen" ist direkt aus § 175 SGB III a.F. übernommen worden, der noch auf Personalanpas-sungsmaßnahmen in erheblichem Umfang und damit auf Massenentlassungen im Sinne des § 17 KSchG abstellte.

Im vorliegenden Fall muss nicht entschieden werden, ob § 216b SGB III auf die Entlas-sung des jeweils einzelnen Arbeitnehmers oder allgemein auf Entlassungen im Betrieb abstellt, denn nach Auffassung des Gerichts drohte keinem der betroffenen Arbeitnehmer die Entlassung, d.h. die Kündigung. Zwar bezieht sich die Tarifvertragliche Sonderverein-barung vom 25.1.2005 bezüglich des absoluten Ausschlusses betriebsbedingter Kündi-gungen ausdrücklich nur auf die Neugründung der RD. Mit der Gemeinsamen Erklärung vom 18.7.2006 sicherte die Siemens AG jedoch verbindlich einen Schutz vor betriebsbe-dingten Kündigungen bis zum 30.9.2009 zu.

Nach Rechtsprechung des BAG, vgl. z.B. Urt. vom 28.7.1988, Az.: 6 AZR 349/87, können Tarifvertragsparteien im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 GG im Zusammenhang oder aus An-lass des Tarifabschlusses Abreden verschiedenster Art treffen, aus denen sich Verpflich-tungen und Ansprüche ergeben können. Laut dem auch von den nordrhein-westfälischen Tarifparteien 2004 übernommenen Pforzheimer Abkommen können mit Zustimmung des Betriebsrats im Rahmen der Öffnungsklausel Eckpunkte ausgehandelt werden, wenn zur Sicherung von Arbeitsplätzen abweichende Tarifregelungen erforderlich sind, vgl. auch § 10 letzter Absatz der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung.

Regelmäßig wird ein sog. Eckpunktepapier verfasst, wenn sich die Tarifparteien nach Verhandlungen geeinigt haben. Im vorliegenden Fall ist dem Gericht kein weiterer Tarif-vertrag bekannt, der die Beschäftigungsgarantie der Gemeinsamen Erklärung vom 18.7.2008 in einen Tarifvertrag überführte. Erwähnt wird diese nur in einer Protokollnotiz zu einer "Betriebsvereinbarung zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der Siemens AG, Com Enterprise Networks zur Siemens Enterprise Communications GmbH & Co. KG übergehenden Mitarbeiter". Trotzdem vertritt die IG Metall in sämtlichen Veröffentlichungen und in der Kommunikation mit den Arbeitnehmern der SEN unzweifel-haft den Standpunkt, es bestehe ein Sonderkündigungsschutz für alle SEN-Beschäftigten, nicht nur für die Tarifgebundenen. Alleine durch die Vereinbarung vom 18.7.2006 würden die arbeitsrechtlichen Bedingungen, die Übernahme der jeweils geltenden Tarifverträge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigung bis 30.9.2009 feststehen. Diese Zusage der Siemens AG sei auch für die Rechtsnachfolger als Eigentümer der neuen Unterneh-men bindend. Des Weiteren hielt sie die Vereinbarungen und Tarifverträge für bindend. Da der besondere Kündigungsschutz eine Abweichung vom gültigen EMTV zu Gunsten aller Arbeitnehmer darstellt und an keinerlei Kriterien wie Beschäftigungsdauer oder Alter anknüpft, ist eine entsprechende Einigung zulässig (kollektiver Günstigkeitsvergleich) und im Rahmen der Öffnungsklausel.

Wie das BAG in seinem Urteil vom 28.7.1988, aaO., ausführt, ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass auch an einem Vertrag nicht unmittelbar beteiligte Personen in dessen Schutzbereich miteinbezogen werden können. Die Einbeziehung Dritter muss sich dabei aus Sinn und Zweck des jeweiligen Vertrages und einer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben erfolgenden Auslegung ableiten lassen.

Das Gesprächsergebnis vom 18.7.2006 wurde von den Beteiligten unterschrieben und veröffentlicht. Unzweifelhaft sollten alle Arbeitnehmer der Siemens Com Enterprise Net-works wie auch der späteren SEN bis zum 30.9.2009 einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen haben. Der Satz "Die Tarifvertragliche Sondervereinbarung vom 23.1.2005 und der Ergänzungstarifvertrag Bocholt werden für die übernehmende Gesellschaft in-haltsgleich sinngemäß abgeschlossen", ist dahingehend auszulegen, dass auch der dort vereinbarte Kündigungsschutz gelten soll. Diese Tarifliche Sondervereinbarung galt be-reits direkt für einen beachtlichen Teil der Arbeitnehmer, da auch die zur RD gehörenden Einheiten mit auf SEN übergegangen sind. Die Beschäftigungs- und Standortsicherung sollte nun für alle gelten und darüber hinausgehend ein absoluter Schutz vor betriebsbe-dingten Kündigungen bis zum 30.9.2009. Die Randbedingungen (Abspaltung und Aus-gliederung) waren bei der RD mit der jetzigen Situation vergleichbar. Entsprechend sollte auch der besondere Kündigungsschutz bis zum 30.9.2009 für die Arbeitnehmer in der späteren SEN bestehen. Die allgemeine Beschäftigungs- und Standortgarantie aus § 10 Abs. 3 der Tarifvertraglichen Sondervereinbarung würde bereits gemäß § 613a BGB wei-ter gelten. Insoweit wäre eine besondere Verweisung hierauf oder Vereinbarung hierüber sinnentleert. Außerdem werden betriebsbedingte Kündigungen wegen eventuell notwen-diger Personalanpassungsmaßnahmen in der Vereinbarung vom 18.7.06 selbst bis zum 30.9.09 ausdrücklich ausgeschlossen. Diese Auslegung wird auch durch lit. b) der Proto-kollnotiz zur Betriebsvereinbarung vom 27.7.2006 unterstützt, demnach die ausdrückliche Zulassung von betriebsbedingten Kündigungen für bestimmte Umstände (2006) erforder-lich war.

Unabhängig von der Qualifizierung des Gesprächsergebnisses vom 18.7.2006, mit dem diese Eckpunkte festgelegt wurden, entweder selbst als Tarifvertrag, als Vertrag zu Guns-ten Dritter, (Gesamt-)Betriebsvereinbarung oder auch nur als verbindliche Zusage der Siemens AG an alle Arbeitnehmer, (vgl. zu dieser Problematik auch BAG, Urt. v. 18.3.2010, 2 AZR 337/08, LAG Niedersachsen v. 18.5.2011, 17 SaGa 1939/10), hatte kein Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung zu befürchten. Dies wussten auch alle Arbeitnehmer aufgrund der umfangreichen Aufklärung durch Betriebsräte und Be-richterstattung in den Medien. Entlassungen im Sinne des Ausspruchs von Kündigungen standen nicht bevor und konnten somit auch nicht durch den Abschluss eines dreiseitigen Aufhebungsvertrags mit Eintritt in eine beE vermieden werden, vgl. auch Hess. LAG v. 28.4.2011, 11 Sa 1454/10 (28,31). Deshalb sieht der Sozialplan auch nur freiwillige Ver-einbarungen und keine Sozialauswahl vor. Es ist daher auch nicht entscheidungserheb-lich, ob die Gemeinsame Erklärung vom 18.7.2006 arbeitsrechtliche Gültigkeit besitzt, obwohl die Rechtqualität der Regelung eventuell nicht hinreichend eindeutig ist, vgl. BAG v. 15.4.2008, 1 AZR 86/07.

An diesem Ergebnis ändert auch die abstrakte Möglichkeit einer außerordentlichen Kün-digung mit sozialer Auslauffrist, z.B. BAG v. 5.2.1998, 2 AZR 227/97, nichts. Demnach kann eine außerordentliche Kündigung gegenüber einem tariflich unkündbaren Arbeit-nehmer aus betriebsbedingten Gründen ausnahmsweise unter Einhaltung der ordentli-chen Kündigungsfrist möglich sein, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbaren Mittel, ggf. durch Umorganisation des Betriebes nicht weiterbeschäftigen kann. In seinem Urteil vom 27.11.2008, 2 AZR 757/07, zu außerordentlichen Änderungskündi-gungen, die bereits einen wesentlich geringeren Eingriff als Beendigungskündigungen darstellen, führt das BAG bereits aus, entscheidender Gesichtspunkt sei, ob das geänder-te unternehmerische Konzept die vorgeschlagenen Änderungen erzwingt, ob diese unab-weisbar notwendig sind, oder ob es im Wesentlichen auch ohne oder mit weniger ein-schneidenden Änderungen durchsetzbar ist. Auch in seinem Urteil vom 29.3.2007, 8 AZR 538/06, stellt das BAG klar, dass außerordentliche Beendigungskündigungen bei ordent-lich unkündbaren Arbeitnehmern nur zulässig sind, wenn der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dem Arbeitgeber Unmögliches oder evident Unzumutbares aufbürdet. "Dabei ist ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen. Der Arbeitgeber muss darlegen, dass er oh-ne eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit gezwungen wäre, ein sinnentleertes Ar-beitsverhältnis über viele Jahre hinweg allein durch Gehaltszahlungen, denen keine ent-sprechende Arbeitsleistung gegenübersteht, aufrechtzuerhalten. Es darf auch keine ande-re Möglichkeit bestehen, die Fortsetzung des (sinnentleerten) Arbeitsverhältnisses etwa durch eine anderweitige Beschäftigung, ggf. auch erst nach entsprechender Umschulung, zu vermeiden. Anders als bei der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber darlegt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht mehr möglich. Bei einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gehört des Fehlen jeglicher, also auch anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten schon zum wichtigen Grund i.S.d. § 626 BGB. Auch wenn der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber widersprochen hat, muss der Arbeitgeber vor einer außerordentli-chen Kündigung alle zumutbaren, eine Weiterbeschäftigung ermöglichenden Mittel aus-geschöpft haben." Gemäß Urteil des BAG vom 14.10.1982, 2 AZR 568/80, ist eine ordentliche Kündigung bereits dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeits-platz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbe-schäftigt werden kann. Auch in seiner Entscheidung vom 18.3.2010, 2 AZR 337/08, hat das BAG nochmals deutlich ausgeführt, welche Anforderungen an die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung gestellt werden.

Hieraus folgt zum einen, dass die Siemens AG im Falle eines Widerspruchs eines Arbeit-nehmers gegen den Betriebsübergang anlässlich der Ausgliederung des Bereichs Com-munications aus der Siemens AG im Oktober 2006 hätte nachweisen müssen, dass kein geeigneter Arbeitsplatz in der Siemens AG zur Verfügung stand. Dies erklärt die Zusiche-rung, dass keine betriebsbedingten Kündigungen bis zum 30.9.2009 erfolgen sollten und im Fall, dass einzelne Standorte von COM Enterprise trotz der vorherigen Zusicherung durch die Siemens AG (Tarifliche Sondervereinbarung) nicht erhalten werden können, al-ternative Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten seien. Diese alternativen Beschäfti-gungsmöglichkeiten beziehen sich auf Beschäftigungen innerhalb der Siemens AG, d.h. in diesem Fall im Konzern, auch nach Betriebsübergang, denn in diesem Umfang war die Zusicherung vom 18.7.06 erteilt. Auch über die Fälle hinaus, in denen ein anderes Kon-zernunternehmen sich bereit erklärt hat, einen Arbeitnehmer zu übernehmen oder sich eine Verpflichtung zur Übernahme im Unternehmens- bzw. Konzernbereich bereits aus dem Arbeitsvertrag ergibt, ist eine anderweitige Unterbringung im Konzern auch aufgrund einer formlosen Zusage oder aufgrund einer wegen eines vorangegangenen Verhaltens erzeugten Selbstbindung zu versuchen, BAG Urt. v. 14.10.1982, 2 AZR 568/80. Die Re-strukturierung der SEN erfolgte im Übrigen auf Veranlassung und unter der Kontrolle der Siemens AG. Der Interessenausgleich vom 11.4.2008, der auch von der Siemens AG mit abgeschlossen wurde, sieht daher auch folgerichtig grundsätzlich die Versetzung von Mit-arbeitern auf Unternehmens- und Konzernebene vor.

Aus obigen Ausführungen folgt zum anderen auch, dass die konzernweite Suche nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten unter den erschwerten Erfordernissen bei au-ßerordentlichen Kündigungen mit sozialer Auslauffrist vor dem Ausspruch von Kündigun-gen für jeden einzelnen Arbeitnehmer hätte erfolgen müssen. Hierzu gehört nach std. Rechtsprechung, vgl. zuletzt LAG Hamm, Urt. v. 22.12.2010, 2 Sa 630/10, auch ggf. die Kündigung von vergleichbaren Mitarbeitern ohne Sonderkündigungsschutz, vgl. hierzu LAG München v. 15.11.2007, 3 Sa 303/07, und eine zumutbare Anlernzeit ...

Die Qualifizierungsangebote im Interessenausgleich galten nur bei einem Wechsel in die beE. Tatsächlich hätte aber vorweg geprüft werden müssen, mit welchen (Nach-)-Qualifizierungen die Mitarbeiter für eine andere Beschäftigung im Konzern geeignet ge-wesen wären. Das Gericht kann im Hinblick auf die Vielfalt der Beschäftigungsmöglichkei-ten nicht nachvollziehen, weshalb eine Fortbildung/Schulung zu einer Tätigkeit in einem Unternehmen außerhalb des Siemens Konzerns, nicht aber innerhalb des Siemens Kon-zerns befähigen sollte. Unter den Arbeitnehmern der Standorte HStraße und R.S.Straße in MStadt, die in die beE der Klägerin wechselten, waren 165 Ingenieure, deren Ausbil-dung grundsätzlich zu den verschiedenartigsten Tätigkeiten befähigt. Auch hinsichtlich der 84 Rechnungskaufleute/Datenverarbeitungskaufleute ist derzeit nicht nachzuvollziehen, weshalb sie nicht an anderer Stelle im Konzern hätten beschäftigt werden können. Bezüg-lich der 161 Techniker war ebenfalls bei jedem Einzelnen die bestehende Qualifikation und ein eventuell bestehender Anlernbedarf zu prüfen gewesen. Gemäß dem Tarifvertrag zur Qualifizierung vom 28.4.2006 hätte bereits eine Erhaltungs- , Anpassungs-, Um-, oder Entwicklungsqualifizierung stattfinden müssen, damit die Arbeitnehmer auch bei Ände-rung der Arbeitsverfahren bzw. der durch den technischen Fortschritt erforderlichen neuen Arbeitsabläufe weiterhin sinnvoll beschäftigt werden können. Der gravierende Technolo-giewandel weg von Hardware-Produkten hin zu Softwarelösungen fand nicht erst 2008 statt. Gleichzeitig meldete Siemens ca. 3000 freie Stellen im Konzern. Die o.g. Verpflichtungen wurden nach Auffassung des Gerichts nicht durch die im Interes-senausgleich vereinbarte "Personaldrehscheibe" oder die erfolgten Vermittlungsbemü-hungen erfüllt, da hier eine Übernahme eines Arbeitnehmers von SEN von der Bereit-schaft des aufnehmenden Betriebs abhing. Im Rahmen der Prüfung der Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung kommt es dagegen neben einer Sozialauswahl nur darauf an, ob geeignete Stellen überhaupt vorhanden gewesen wären. Aus dem Jahresbericht 2008 der Siemens AG ergibt sich, dass hoch qualifizierte Fach-kräfte benötigt werden: "Unser künftiger Erfolg hängt teilweise davon ab, inwiefern es uns dauerhaft gelingt, Ingenieure und anderes Fachpersonal einzustellen, zu integrieren und dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Wir können nicht garantieren, dass wir auch in Zukunft erfolgreich hoch qualifizierte Mitarbeiter und Kompetenzträger gewinnen oder be-halten werden. Sollte uns dies nicht gelingen, könnte das erhebliche negative Auswirkun-gen auf unser Geschäft haben." Die Gestaltung des Anforderungsprofils für den jeweiligen Arbeitsplatz unterliegt der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit. Diese Entscheidung kann nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden, BAG v. 18.3.2010, 2 AZR 337/08: "Der Arbeitgeber kann sich nicht lediglich auf seine Entschei-dungsfreiheit berufen. Er muss vielmehr konkret darlegen, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in wel-chem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist. ( ) Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf die Umgestal-tung des Arbeitsplatzes und eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen.Im Falle einer außeror-dentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist i.S.v. § 626 BGB geht die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers noch darüber hinaus.( ...) Er hat zudem von sich aus dar-zulegen, dass und weshalb es an jeglicher Möglichkeit einer sinnvollen Beschäftigung fehlt." Von der Klägerin wurde bisher nicht dargelegt, weshalb der jeweils konkrete Ar-beitsplatz zu diesem Zeitpunkt weggefallen sein sollte, welche alternativen Arbeitsplätze (ggf. nach Kündigung von Mitarbeitern ohne besonderen Kündigungsschutz) konzernweit zur Verfügung standen und weshalb die betroffenen Arbeitnehmer auch mit zumutbarer Nachqualifizierung nicht umsetzbar waren. Dabei beschränkt sich die Obliegenheit zur Weiterbeschäftigung nicht auf die Suche nach solchen Stellen, für die der Arbeitnehmer die beste Besetzung gewesen wäre. Es reicht nicht, die Frage, ob im Konzern ausge-schriebene Stellen mit den betroffenen Arbeitnehmern besetzt werden können, der jeweils ausschreibenden Organisationseinheit zu überlassen, die ein Interesse daran hat, den besten Bewerber zu erhalten, vgl. LAG München v. 27.7.2006, 2 Sa 255/06. Auch außer-ordentliche Kündigungen mit sozialer Auslauffrist wären im vorliegenden Fall nach den gegebenen Umständen nicht erfolgreich gewesen.

Die arbeitsrechtlichen Vorgaben sind somit nach Auffassung des Gerichts durchaus bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 216b SGB III zu beachten. In seinem Urteil vom 29.01.2008, B 7/7a AL 20/06 R, führt das BSG aus, dass ein Anspruch auf das damalige Strukturkurzarbeitergeld nicht voraussetze, dass der von der Kurzarbeit betrof-fene Arbeitnehmer selbst von der Arbeitslosigkeit bedroht sei. Anders verhalte es sich je-doch bei der Nachfolgeregelung des § 216b SGB III. Da § 17 SBG III eine Legaldefinition für den Personenkreis der von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer enthalte, seien diese Personen, die versicherungspflichtig beschäftigt sind, alsbald mit der Beendigung der Beschäftigung rechnen müssen und voraussichtlich nach Beendigung der Beschäfti-gung arbeitslos werden. Abzustellen sei dabei auf eine "durch konkrete objektive Anhalts-punkte gerechtfertigte Annahme (Prognose)", dass die Beschäftigung in absehbarer Zeit beendet sein wird. Weiterhin führt das BSG unter Hinweis auf eine Kommentierung des § 17 SGB III aus, dass auch eine zu erwartende rechtswidrige Kündigung, ein Aufhebungs-vertrag oder die Eigenkündigung den Schluss auf eine drohende Arbeitslosigkeit rechtfer-tigen könne. Entscheidend ist daher die ernsthafte Absicht des Arbeitgebers, die betroffenen Arbeit-nehmer zu entlassen, die im vom BSG entschiedenen Rechtsstreit anders als im vorlie-genden Fall durch die in der Anzeige über den Arbeitsausfall beigefügten Übersicht über die zu kündigenden Arbeitnehmer dokumentiert war, nachdem MTV-Unkündbarkeits-klauseln durch einen Haustarifvertrag aufgehoben worden waren. Im vorliegenden Fall war jedoch allen Beteiligten bekannt, dass keine Entlassungen, son-dern nur freiwillige Aufhebungsverträge vorgesehen waren. Betriebsbedingte Kündigun-gen standen nicht im Raum, vgl. zur Bedrohung durch Arbeitslosigkeit auch LSG Schl.-Holstein v. 14.1.2005, L 3 AL 59/04. Alleine die Möglichkeit, einen Aufhebungsvertrag ab-schließen zu können, stellt noch keine Bedrohung i.S.d. § 17 SGB III dar.

Eine mögliche Bedrohung durch Arbeitslosigkeit ist nach Auffassung des Gerichts auch nicht in der abstrakten Möglichkeit zu sehen, dass die ehemalige Arbeitgeberin entgegen ihrer tarifvertraglichen Verpflichtung und entgegen ihrer öffentlichen Zusicherung Kündi-gungen aussprechen hätte können, denn diese wären schon alleine mangels Sozialaus-wahl und aus o.g. Gründen offensichtlich rechtswidrig und daher entsprechend std. Recht-sprechung des BSG, z.B. Urt. v. 9.11.1995, 11 RAr 27/95, als verdeckte Aufhebungsver-träge zu werten gewesen, vgl. auch z.B. Krodel in Niesel, SGB III § 216b Rdnr. 17, und Peters-Lange, SGb 2009, 378 ff ... Zwar können auch rein betrieblich veranlasste Umstruk-turierungen durch Transfer-Kurzarbeitergeld begleitet werden. Es soll jedoch nicht dazu dienen, arbeitsrechtlich nicht durchsetzbare Kündigungen ohne Sozialauswahl auf Kosten der Beitragszahler durch Aufhebungsverträge verbunden mit dem Eintritt in eine beE und hohen Abfindungen zu ersetzen. Ein sog. sozialverträglicher Arbeitsplatzabbau ist auch im Interesse des Arbeitgebers.

Alle in der Transfergesellschaft zusammengefassten Arbeitnehmer waren weder bei Ab-schluss des Aufhebungsvertrages noch danach von Arbeitslosigkeit bedroht, denn mit Abschluss des dreiseitigen Vertrages stand nahtlos ein zweijähriger Aufenthalt in der Transfergesellschaft fest, vgl. Bayer. LSG v. 29.11.2007, L 10 AL 57/07 zu Überbrü-ckungsgeld bei Eigenkündigung und nahtloser Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Ei-ne Arbeitslosigkeit bestand nach Auffassung des Gerichts auch nicht für eine logische Sekunde vor Übertritt in die beE, a.A. SG Mannheim v. 19.11.2011, S 14 AL 1523/09. Zum einen wird Arbeitslosigkeit nicht nach Sekunden, sondern nach Tagen beurteilt, Bay-er. LSG v. 29.11.2007, L 10 AL 57/07. Zum anderen wäre die Tatbestandsvoraussetzung des § 216b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB III nicht erforderlich, wenn sie alleine durch den drei-seitigen Vertrag erfüllt wäre. Die drohende Arbeitslosigkeit durch Kündigung muss viel-mehr durch Abschluss dieses Vertrages vermieden werden.

Die Vereinbarung von "Kurzarbeit Null" und damit ggf. das Vorliegen von Arbeitslosigkeit i.S.d. § 119 Abs. 1 SGB III ändert nichts an dem Endergebnis. In diesem Fall läge nämlich keine Bedrohung von Arbeitslosigkeit, sondern bereits eingetretene Arbeitslosigkeit vor. Außerdem würde es an der fortgesetzten versicherungspflichtigen Beschäftigung man-geln, § 216b Abs. IV SGB III, vgl. auch BSG v. 14.09.2010, B 7 AL 29/09 R. Intention des Gesetzes ist jedoch die Schaffung zusätzlicher Beschäftigung, BT-Drs. 15/1515, Allg. Teil, statt Abfindungen.

In diesem Rahmen ist auch die Tatbestandsvoraussetzung "dauerhafter unvermeidbarer Arbeitsausfall", § 216b Abs. 1 Nr. 1 SGB III zu beurteilen. Die beE wurde mit sog. "Kurz-arbeit Null" vereinbart. Hieraus ergibt sich jedoch nicht ohne weiteres ein "dauerhafter un-vermeidbarer Arbeitsausfall", denn sonst könnte dieser durch einen Beschluss des betrof-fenen Unternehmens bzw. der von ihm beauftragten Transfergesellschaft vorweg festge-legt werden. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung "wenn und solange" ist der Arbeitsausfall während des gesamten Bezugs von Kurzarbeitergeld zu überprüfen. Die Unvermeidbarkeit bezieht sich im vorliegenden Fall aus o.g. Gründen auf den Konzern und müsste für jeden Arbeitnehmer durchgehend gemäß den o.g. Anforderungen an eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist glaubhaft gemacht werden, § 216b Abs 5 i.V.m. § 173 Abs. 1 Satz 4 SGB III. In seiner Entscheidung vom 14.9.2010, B 7 AL 21/09 R, hat das BSG des Weiteren dar-gelegt, dass Kurzarbeit die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen regelmäßi-gen Arbeitszeit ist. Sofern jedoch eine "Nicht-Arbeit" vereinbart wurde, könne insoweit auch kein Arbeitsausfall stattfinden. Die Beklagte hat das Vorliegen eines unvermeidbaren dauerhaften Arbeitsausfalls auch nicht rechtskräftig anerkannt, da der Bescheid, in dem sie diese Auffassung vertrat, angefochten ist.

Gegen einen unvermeidbaren Arbeitsausfall spricht auch die Tatsache, dass Urlaubsan-sprüche aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis nicht übertragen, sondern Urlaubsabgel-tungen beim Übergang in die Transfergesellschaft gezahlt worden waren.

Nicht ohne weiteres nachvollzogen werden kann auch die geltend gemachte Betriebsän-derung i.S.d. § 111 BetrVG wegen grundlegender Änderung der Betriebsorganisation und Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren. Der angege-bene Technologiewandel geht bereits seit längerem vonstatten. Es ist nicht genauer dar-gelegt, inwieweit zeitnah tatsächlich neue Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren ein-geführt wurden. Eine neue Betriebsorganisation erfolgte 2006. Inwieweit 2008 entspre-chendes vor dem Teilverkauf stattfand, ist nicht dargelegt. Andere Formen einer mögli-chen Betriebsänderung bei SEN hat die Klägerin nicht vorgetragen und glaubhaft ge-macht. Damit liegen auch die betrieblichen Voraussetzungen nicht vor, § 216b Abs. 3 Nr. 1 SGB III. Nach der Gesetzessystematik ist aber nur im Falle einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die erleichterte Kündigungsmöglichkeit nach § 1 Abs. 5 KSchG gege-ben, zur Darlegungs- und Nachweispflicht vgl. zuletzt LAG Hamm v. 01.06.2011, 4 Sa 1772/10, und LAG Düsseldorf v. 28.5.2008, 7 Sa 318/08.

Da die Voraussetzungen des § 216b SGB III nicht erfüllt sind, ist die Klage in vollem Um-fang abzuweisen. Ein Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld besteht auch nicht ab 1.10.2009, da u.a. die Bedrohung durch Arbeitslosigkeit vor Abschluss des dreiseitigen Aufhebungsvertrags ver-bunden mit dem Eintritt in die Transfergesellschaft hätte vorliegen müssen.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 183 SGG.

Gerichtskosten nach § 197a Sozialgerichtsgesetz sind nach allgemeiner Meinung nicht angefallen, obwohl die Klägerin dem Wortlaut des § 183 SGG nach nicht zum privilegier-ten Personenkreis gehört. Zu den Leistungsempfängern wird aber auch der Arbeitgeber gerechnet, der im Wege der Prozessstandschaft Leistungsansprüche der Arbeitnehmer geltend macht, Bayer. LSG v. 1.7.2009, L 9 AL 109/09 B ER.
Rechtskraft
Aus
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