S 22 SF 596/11 E

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
22
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 22 SF 596/11 E
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Beschluss:

Die Erinnerung vom 27.6.2011 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.5.2011 (S. 22 AS 1006/10) wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Gegenstand des Erinnerungsverfahrens ist die zutreffende Höhe der von der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für eine Untätigkeitsklage.

Im Ausgangsverfahren (S 22 AS 1006/10) machten die damaligen Kläger und nunmehrigen Erinnerungsführer die Untätigkeit der Erinnerungsgegnerin hinsichtlich eines Antrags auf Leistungen nach dem SGB II vom 16.3.2009 geltend. Die Kläger hatten auf den Antrag hin keine endgültige Entscheidung sondern nur Vorschussleistungen erhalten.

In der Folge erinnerte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 21.1.2010 beziehungsweise 11.2.2010 an die Erledigung des Antrags vom 16.3.2009 und erhob schließlich am 14.4.2010 Untätigkeitsklage.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2010 verbeschied schließlich die Erinnerungsgegnerin den Antrag und gab mit Schreiben vom 20.7.2010 ein Kostenanerkenntnis für das Klageverfah-ren ab.

Mit Kostennote vom 14.7.2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte zunächst die Festsetzung der von der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden notwendigen außergerichtli-chen Kosten in Höhe von insgesamt 907,97 EUR. Diesen Kostenansatz korrigierte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 15.12.2010 auf einen Betrag in Höhe von 357,25 EUR, wobei er von folgendem Gebührenansatz ausging:

§§ 3,14 RVG, VV 3102, 3102, 1008 145 EUR
§§ 3,14 RVG, VV 3106 110 EUR
VV 7002 20 EUR
19% Mehrwertsteuer 7008 VV 52,25 EUR

Gesamt: 327,25 EUR

Die Urkundsbeamtin beim Sozialgericht München setzte auf Antrag der Erinnerungsgeg-nerin mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.5.2011 die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten wie folgt fest:

§§ 3,14 RVG, VV 3102 125 EUR
§§ 3 RVG, VV 1008 37,50 EUR
VV 7002 20 EUR
19% Mehrwertsteuer 34,68 EUR

Gesamt: 217,18 EUR

Es habe sich um eine Untätigkeitsklage einfachster Art gehandelt, bei der sich die anwaltliche Tätigkeit auf die Klageerhebung und die Erledigterklärung beschränkt habe. Die Verfahrensgebühr sei daher nur mit der halben Mittelgebühr zu bestimmen gewesen. Die geltend gemachte Erledigungsgebühr sei nicht angefallen und ebenso wenig die Terminsgebühr. Mit der am 27.6.2011 erhobenen Erinnerung verfolgen die Erinnerungsführer ihren ursprünglichen Kostenansatz, der auf Erstattung in Höhe von 327,25 EUR gerichtet ist, weiter.

II.

Die gemäß § 197 Absatz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung ist unbegründet.

1. Die streitige Verfahrensgebühr für die Untätigkeitsklage nach Nr. 3102 VV RVG, welche die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit 125,00 Euro veranschlagt hat, ist der Höhe nach zutreffend festgestellt worden. Daneben ist eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 bzw. 1006 i.V.m. Nr. 1002 VV RVG nicht angefallen.

a) Nach § 3 Absatz 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie vorliegend – das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Bei Rahmengebühren bestimmt nach § 14 Absatz 1 RVG der Rechtsanwalt die Gebühren im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor al-lem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Dabei ist auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Die von den Klägern beziehungsweise dem Prozessbevollmächtigten getroffene Bestimmung hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr entspricht nicht billigem Ermessen und ist daher nicht verbindlich.

b) Es ist ständige Rechtsprechung der Kostenrichter des Sozialgerichts München (vergleiche grundlegend: Beschluss vom 20.11.2007 S 51 SF 74/07 F), dass bei einer Untätigkeitsklage – von ganz besonderen Ausnahmefällen abgesehen - aufgrund des eingeschränkten Streitgegenstandes und des mit ihr verbundenen unterdurchschnittlichen anwaltlichen Arbeitsaufwands nur die Hälfte der Mittelgebühr angemessen ist. Eine weitere Erhöhung im Rahmen der Billigkeit kommt nicht in Betracht. Die anwaltliche Bestimmung der Verfahrensgebühr in Höhe von 145 EUR ist daher unbillig und nicht verbindlich. Gegenstand einer Untätigkeitsklage ist nämlich nicht die materiell-rechtliche Prüfung des zugrunde liegenden Verwaltungsaktes, es handelt sich vielmehr um eine bloße Bescheidungsklage, gerichtet auf die Bescheidung eines Antrags oder Widerspruchs. Ziel der Kla-ge ist die Erzwingung des Fortgangs des Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren, die begehrte Sachentscheidung kann mit diesem prozessrechtlichen Instrument grundsätzlich nicht erreicht werden. Davon zu trennen sind die sonstigen Klage- oder Antragsverfahren, welche auf ein konkretes Ziel gerichtet sind, wobei dann aber bereits schon vor Erhebung der Klage von anwaltlicher Seite eine Prüfung des materiellen Rechts erforderlich ist. Dementsprechend beschränkt sich die anwaltliche Tätigkeit bei einer Untätigkeitsklage ausschließlich auf die Prüfung, wann der Antrag gestellt bzw. der Widerspruch eingelegt wurde und ob die Beklagte eine Entscheidung hierüber schon getroffen hat. Insofern be-schränkt sich die anwaltliche Tätigkeit im Fall einer Untätigkeitsklage auf die Fristüberwa-chung, die Fertigung der Klageschrift und die Erledigungsanzeige. Eine darüber hinaus gehende Tätigkeit vermag das Gericht nicht zu erkennen.

2. Daneben ist auch eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 bzw. Nr. 1006 i.V.m. Nr. 1002 VV zum RVG nicht angefallen. Diese Gebühr entsteht, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Voraussetzung ist damit das Vorliegen eines mit einem Rechtsbehelf angefochtenen oder einen abgelehnten Verwaltungsakts. Nach § 88 SGG ist allerdings Gegenstand einer Untätigkeitsklage nicht ein solcher Verwaltungsakt, sondern die Bescheidung eines Antrags oder eines Widerspruchs. Darüber hinaus reicht für die notwendige anwaltliche Mitwirkung in diesem Sinne die Erhebung und Begründung der Klage als solche oder die bloße Erledigungserklärung nicht aus, da diese Tätigkeiten bereits durch die Verfahrensgebühr abgegolten werden. Erforderlich ist ein qualifiziertes Tätigwerden, welches darauf abzielt, die Streitsache auf-grund der besonderen Mitwirkung ohne gerichtliche Entscheidung zu erledigen. Entsprechende Handlungen haben die Kläger allerdings nicht getätigt.

3. Schließlich ist auch keine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 S. 2 Nr. 3 VV angefallen. Nach dieser Vorschrift fällt eine sogenannte "fiktive Terminsgebühr" bei Beendigung eines erstinstanzlichen Verfahrens durch ein angenommenes Anerkenntnis an. Der Rechtsbeg-riff "angenommenes Anerkenntnis" bezeichnet die Erledigung nach § 101 Abs. 2 SGG. Die Beendigung einer Untätigkeitsklage nach § 88 SGG durch den Erlass des begehrten Verwaltungsaktes und der darauf folgenden (einseitigen) Erledigungserklärung des Klägers ist nicht als angenommenes Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG zu werten. Die Erledigung eines Verfahrens durch ein angenommenes Anerkenntnis im Sinne des § 101 Abs. 2 SGG setzt nämlich voraus, dass ein Beteiligter einen prozessualen An-spruch durch eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht anerkennt (BSG, Beschluss vom 21.06.2000, B 12 RJ 3/00 B; Urteil vom 22.06.1989, 4 RA 44/88) und der andere Beteiligte das Anerkenntnis durch eine Prozesserklärung gegenüber dem Gericht annimmt. Bei einer Untätigkeitsklage tritt die Erledigung demgegenüber bereits durch den Erlass des begehrten Bescheides und der Abgabe einer Erledigungserklärung nach § 88 Abs. 1 Satz 3 SGG ein. Durch die außergerichtliche Handlung eines Beteiligten (Erlass des begehrten Verwaltungsaktes) wird die Erledigung der Hauptsache bewirkt und damit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis der Klage (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 88 Rdnr. 10 f). Die Klage wird nach dem Entfallen des Rechtsschutz-bedürfnisses durch die (einseitige) Erledigungserklärung des Klägers beendet. Vorliegend hat die Erinnerungsgegnerin den begehrten Bescheid am 10.6.2010 erlassen und der Bevollmächtigte daraufhin den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Diese Erledigungsart steht folglich einem angenommenen Anerkenntnis nicht gleich.

Im Ergebnis war daher die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen.

4. Der Beschluss ist gemäß § 197 Absatz 2 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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