Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 1750/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 963/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 30.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2010 und des Bescheides vom 10.02.2012 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status der Beigeladenen. Die klagende Gesellschaft beantragte am 05.06.2009 bei der Beklagten, den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten in der Buchhaltung und Lohnbuchhaltung für die Klägerin und für zwei weitere Firmen festzustellen. Laut ?Vertrag über freie Mitarbeit? vom 05.05.2009 hat die Beigeladene für mehrere Mandanten der Klägerin die monatliche Buchhaltung bzw. Gehaltsabrechnung zu erstel-len. Die Parteien waren sich laut Vertrag darüber einig, dass dadurch kein Arbeitsverhältnis entstehen sollte. Die freie Mitarbeiterin unterliege keinen Weisungen des Auftraggebers. Art und Umfang der übertragenen Aufgaben würden eine betriebliche Anwesenheit von ca. drei Tagen pro Woche erforderlich machen. Im übrigen unterliege die freie Mitarbeiterin in der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit keinen Einschränkungen. Pro geleistete und nachgewiesene Stunde sollte ein Stundenhonorar von EUR 23,00 gezahlt werden. Die Beklagte reagierte am 15.06.2009 mit 25 detaillierten Fragen zum Auftragsverhältnis. Die Beigeladene wies in ihrer Antwort darauf hin, dass ihre Tätigkeit für den Auftraggeber bereits zweimal Gegenstand einer Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung gewesen und nicht beanstandet worden sei. Im wesentlichen teilte sie mit: Sie sei seit Oktober 2004 für den Auftraggeber tätig. Bis April 2009 habe es im Vorfeld des bereits über-sandten Vertrages nur mündliche Vereinbarungen gegeben. Sie erstelle die Buchhaltung und Gehaltsabrechnung für verschiedene Unternehmen. Die Kontierung, d. h. die Beschriftung der Belege mit den Konten, werde in der Regel im eigenen Büro vorgenommen; die Eingabe der Daten in das EDV-System des Auftraggebers erfolge dort. Die Tätigkeiten im eigenen Büro und beim Auftraggeber stünden ungefähr im gleichen Verhältnis. Sie un-terhalte eigene Geschäftsräume und nutze eigene Betriebsmittel. Bei kurzfristiger Verhinderung und Krankheit müsse niemand informiert werden; letztendlich sei die termingerechte Erledigung der Aufträge entscheidend. Es gebe keine Vertretungsregelung und eine solche sei in den letzten vier Jahren auch nicht notwendig gewesen. Sie erhalte keine Weisungen vom Auftraggeber und arbeite nicht mit dessen Mitarbeitern zusammen. Die Tätigkeit habe einen Umfang von etwa 120 Stunden pro Monat. Am 02.10.2009 hörte die Beklagte die Klägerin und die Beigeladene zu ihrer Absicht an, für die Beigeladene das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses festzustellen. Als ein Merkmal für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wurde der feste Stundensatz angeführt. Eine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sei der Auftragnehmerin nur scheinbar eingeräumt. Der zeitliche Rahmen ihrer Tätigkeit sei zwar nicht exakt bestimmt, aber doch in der Art eingegrenzt, dass er als bestimmter zeitlicher Rahmen im Sinne der Rechtsprechung zur persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers zu qualifizieren sei. Der Ort der Verrichtung werde der Beigeladenen durch einseitiges Direktionsrecht zugewiesen. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit seien hingegen nicht ersichtlich. In ihren am 19.10.2009 vorgelegten Gegenvorstellungen wies die Klägerin auf ein eigen-ständiges Unternehmen der Beigeladenen mit Vorlage eines Jahresabschlusses zum 31.12.2007 und mit einem Eigenkapital von EUR 141.676,30 hin. Eine Termingebunden-heit aufgrund behördlicher Vorschriften z. B. für Steuern sei laut Rechtsprechung kein An-haltspunkt für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Beigeladene könne frei entscheiden, wann und wo sie ihre Tätigkeit ausübe. Dass sie einen Teil der Arbeiten in den Betriebsräumen der Klägerin erledige, hänge mit ihren Aufgaben zusammen. Die Situation sei mit der eines Rundfunkmitarbeiters vergleichbar. Auch er sei nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und damit persönlich abhängig, nur weil er zur Herstellung seiner Sendungen auf technische Einrichtungen und Mitarbeiter des Auftraggebers angewiesen sei. Das Fehlen eines Lohnfortzahlungs- und Urlaubsanspruchs und die Nichtzahlung von Feiertagsvergütungen seien ebenso wie das Tätigwerden für mehrere Auftraggeber weitere Indizien für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen. Mit Bescheiden vom 30.10.2009 an die Klägerin und die Beigeladene stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung ausübe. In der rechtlichen Würdigung des Anhörungsvorbringens wurde darauf hingewiesen, dass jedes einzelne Vertragsverhältnis zu beurteilen sei. Für das Vertragsverhältnis mit dem Auftrag-geber sei die Tätigkeit der Beigeladenen für mehrere Auftraggeber/Arbeitgeber nicht maßgeblich. Auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis könne durch Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit gekennzeichnet sein. Unternehmerische Risiken und Chancen für die Beigeladene seien bei ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht erkennbar. Die erfolgsunabhängige Pauschalvergütung nach Arbeitsstunden sei nicht mit einem Gewinn- oder Verlustrisiko verbunden. Ein Kapitaleinsatz der Beigeladenen liege nicht vor. Die Beigeladene arbeite nicht auf eigenen Namen und eigene Rechnung und rechne auch nicht selbst mit den Kunden ab, sondern die Arbeiten in den Bereichen Buchhaltung und Lohnbuchhaltung würden über den Auftraggeber zur Abrechnung gebracht. Regelungen über Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehörten nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein solches habe regelmäßig zur Folge, dass solche Ansprüche entstehen könnten. Hiergegen wurde Widerspruch erhoben. Die Beigeladene habe 1982 die Prüfung zur Steuerfachgehilfin abgelegt. Sie sei bis 1989 in verschiedenen Steuerkanzleien beschäf-tigt gewesen. Nach der Geburt ihres Sohnes habe sie sich 1991 selbstständig gemacht. Erneut wurde auf den unternehmerischen Jahresabschluss der Beigeladenen und ihr Betriebskapital hingewiesen. Weitere Ausführungen betrafen die grundsätzliche Position der steuerberatenden Berufe unter Beachtung des Art. 12 Grundgesetz im Lichte von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Die Widerspruchsbescheide vom 15.06.2010 bestätigten die Ausgangsbescheide. Die hiergegen erhobene Klage wurde erst nach einem Jahr begründet. Es wurde Beweis für die Ausübung des Berufes einer selbstständigen Buchhalterin durch die Beigeladene an-geboten. Sie habe seit 2004 mindestens fünf bis sechs verschiedene Auftraggeber. Nach Aktenlage sei nicht festzustellen, dass die Beklagte diesbezüglich Ermittlungen durchgeführt habe. Die Tätigkeiten erfolgten auch für verschiedene konkurrierende Steuerkanzleien. Die Beigeladene trage das Unternehmerrisiko, Auftraggeber wie die Klägerin von einem Tag auf den anderen verlieren zu können. Sie sei aufgrund ihrer eigenen Fachkompetenz in der Lage, fachlich weisungsfrei ohne Vorgaben der Klägerin die notwendigen Verbuchungen vorzunehmen. Die Beklagte wies erneut darauf hin, dass das deutsche Recht den Typus eines universel-len Selbstständigen nicht kenne. Gerade im Sozialversicherungsrecht gebe es Haupt- und Nebenbeschäftigungen, so dass die Selbstständigkeit in einem Beruf und die Aufnahme einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit in abhängiger Beschäftigung nicht ausgeschlossen werden könnten. Jede Tätigkeit sei gesondert zu beurteilen und daraufhin zu untersuchen, ob unter den konkreten Arbeitsbedingungen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorherrschend sei. Die konkrete Tätigkeit für die Klägerin werde in abhängiger Beschäftigung erbracht. Der überwiegende Teil sei in den Räumlichkeiten der Klägerin auszuführen. Bei der Möglichkeit, einen Teil der auszuführenden Arbeiten im eigenen Büro zu erledigen, sei lediglich von einer Verlagerung des Arbeitsplatzes zu sprechen. Die Klägerin und die Beigeladene hätten keine gemeinsamen Mandanten. Die Klägerin sei allein verantwortliche Vertragspartnerin der Mandanten. Die Beigeladene sei im Namen und auf Rechnung der Klägerin tätig und erscheine nach au-ßen als deren Mitarbeiterin. Ergänzende Bescheide vom 10.02.2012 konkretisierten die Versicherungspflicht der Bei-geladenen in allen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförde-rung. In der mündlichen Verhandlung bezifferte die Klägerin das Umsatzvolumen der Beigeladenen bei ihr mit etwa 50 % der gesamten Berufsausübung. Auf Frage der Beklagten nach Unterscheidungsmerkmalen für die Tätigkeit der Beigeladenen von der einer fest angestellten Beschäftigten bezeichnete die Beigeladene die größere Flexibilität als Unterscheidungsmerkmal. Von Seiten der Klägerin wurde erläutert, die fest angestellten und weisungsgebundenen Kräfte in der Kanzlei seien höher qualifiziert als die Beigeladene.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 30.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin im Bereich Buchhaltung/Lohnbuchhaltung als selbstständige Tätigkeit festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Die Klage ist jedoch in der Sache nicht begründet. § 7 a Abs. 1 S. 1 SGB IV ermöglicht ein Anfrageverfahren über die Frage einer strittigen Beschäftigung in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Abs. 1 S. 3 der Vorschrift begründet eine bundesweite Sonderzuständigkeit der Beklagten für entsprechende Statusfeststellungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt. Die angefochtenen Bescheide halten der gerichtlichen Überprüfung stand. Von der Beklagten und vom Gericht zu beurteilen war lediglich die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin. Weitere berufliche Betätigungsfelder haben außer Betracht zu bleiben. In der modernen Arbeitswelt wird eine Diversifikation des Berufs- und Erwerbslebens immer all-täglicher. Klassische Selbstständige und Freiberufler wie Landwirte, Handwerksmeister, Rechtsanwälte oder Architekten setzen auf das ?zweite Standbein? einer Nebentätigkeit genauso wie Angestellte, Beamte oder Richter. Die zusätzlichen Erwerbsarbeiten werden je nach Umfang, Art und Wesen in versicherungspflichtiger Beschäftigung, auf der Basis einer Geringfügigkeit oder in selbstständiger Tätigkeit erbracht. Nebenberufliche Entfaltungen finden gleichermaßen statt in einer fachlichen Nähe zum Hauptberuf etwa bei der Lehr-, Vortrags- und Fachschriftstellertätigkeit des Juristen oder des Arztes oder aber auch fachfremd etwa beim sprichwörtlichen Taxijob des nicht ausgelasteten Rechtsanwalts, beim musikalischen Auftritt des Gymnasiallehrers oder bei der in Teilzeit tätigen Beamtin, die am Samstag Semmeln verkauft. Der skizzierten Vielfältigkeit beruflicher Tä-tigkeiten kommt eine gesellschaftliche Entwicklung entgegen, in der Werturteile über die Standesgemäßheit der einen oder anderen Arbeit an Bedeutung verlieren. Der Akademiker verliert nicht an Reputation, wenn er abends im Kino kassiert oder an der Bar einer Kneipe bedient. Eine selbstständige Tätigkeit kann genauso gut durch eine in Teilzeit ausgeübte abhängige Beschäftigung ergänzt werden wie umgekehrt eine abhängige Beschäftigung mit einer an arbeitsfreien Abenden und Wochenenden erbrachte selbstständige Tätigkeit kombiniert werden kann. In einer solcher Art geprägten Arbeitswelt lässt sich zwanglos und widerspruchsfrei er-kennen, dass die Beigeladene unbestritten und daher nicht beweispflichtig eine eigene steuerberatende Tätigkeit selbstständig, mit eigenen Geschäftsräumen und eigenem Kapitaleinsatz ausübt, jedoch daneben auch einer fachlich eng am Hauptberuf orientierten abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin nachgeht. Ihr Beschäftigungsverhältnis ist gekennzeichnet durch eine stets gleichbleibende und wiederkehrende sehr konkrete Aufga-benstellung, eine problemlose zeitliche Messbarkeit des Arbeitsvolumens und demgemäß ein an Arbeitsstunden orientiertes festes Entgelt. Gerade eine von der Klägerin als etwas weniger qualifiziert bezeichnete von großer Routine gekennzeichnete Zuarbeit kann besonders gut an eine nicht zum Stammpersonal gehörende und nicht ständig in den Betriebsräumen anwesende Arbeitnehmerin delegiert werden. Die Einräumung einer sehr flexiblen Arbeitszeit ist heute absolut üblich. Für Büroarbeiten ohne unmittelbaren Kundenkontakt wird oft nicht einmal mehr die Einhaltung einer Kernzeit verlangt. Gleichermaßen ist auch die Möglichkeit oder sogar die Erwartung der teilweisen Verlagerung der Arbeit nachhause keine Besonderheit selbstständiger Tätigkeiten. Etwa für junge Mütter und Beschäftigte mit langen Anfahrwegen ist der in die Wohnung verlagerte Bildschirmar-beitsplatz alltäglich geworden. Ein Vergleich mit dem Rundfunkmitarbeiter oder Filmproduzenten geht fehl. Solche publizistisch oder künstlerisch wirkenden Auftragnehmer betreuen in größter Souveränität ein Projekt oder ein Produkt und werden für das Endergebnis honoriert. Dabei spielt es keine Rolle, an welchen Arbeitsplätzen, mit welchen Hilfskräften, mit welchem Zeitaufwand und unter Heranziehung welcher sonstiger Ressourcen sie dieses Ergebnis zu Stande gebracht haben. Vertragliche Beziehungen bestehen ausschließlich zwischen der Klägerin und der Beige-ladenen, nicht jedoch zwischen der Beigeladenen und der Mandantschaft der Klägerin. Zutreffend hat die Beklagte auch erläutert, dass ein Ausschluss von Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsansprüchen kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist. Ganz im Gegenteil hat die Klägerin vorliegend ihrer Arbeitnehmerin rechtswidrig solche Ansprüche verweigert. An der für das abhängige Beschäftigungsverhältnis typischen persönlichen Abhän-gigkeit besteht vorliegend kein Zweifel, weil es die Hälfte der gesamten Berufstätigkeit der Beigeladenen ausmacht. Aber auch bei einem geringeren Umfang wäre eine bedeutsame Funktion für die Lebenshaltung der Beigeladenen anzuerkennen. Die Besonderheiten ei-ner nur punktuell geforderten Arbeit von insgesamt belanglosem Umfang etwa beim gelegentlichen Schneeräumen oder Rasenmähen durch den Sohn der Nachbarn sind vorliegend nicht zu erörtern. Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 193 und 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist der versicherungsrechtliche Status der Beigeladenen. Die klagende Gesellschaft beantragte am 05.06.2009 bei der Beklagten, den sozialversicherungsrechtlichen Status der Beigeladenen im Hinblick auf ihre Tätigkeiten in der Buchhaltung und Lohnbuchhaltung für die Klägerin und für zwei weitere Firmen festzustellen. Laut ?Vertrag über freie Mitarbeit? vom 05.05.2009 hat die Beigeladene für mehrere Mandanten der Klägerin die monatliche Buchhaltung bzw. Gehaltsabrechnung zu erstel-len. Die Parteien waren sich laut Vertrag darüber einig, dass dadurch kein Arbeitsverhältnis entstehen sollte. Die freie Mitarbeiterin unterliege keinen Weisungen des Auftraggebers. Art und Umfang der übertragenen Aufgaben würden eine betriebliche Anwesenheit von ca. drei Tagen pro Woche erforderlich machen. Im übrigen unterliege die freie Mitarbeiterin in der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeit keinen Einschränkungen. Pro geleistete und nachgewiesene Stunde sollte ein Stundenhonorar von EUR 23,00 gezahlt werden. Die Beklagte reagierte am 15.06.2009 mit 25 detaillierten Fragen zum Auftragsverhältnis. Die Beigeladene wies in ihrer Antwort darauf hin, dass ihre Tätigkeit für den Auftraggeber bereits zweimal Gegenstand einer Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung gewesen und nicht beanstandet worden sei. Im wesentlichen teilte sie mit: Sie sei seit Oktober 2004 für den Auftraggeber tätig. Bis April 2009 habe es im Vorfeld des bereits über-sandten Vertrages nur mündliche Vereinbarungen gegeben. Sie erstelle die Buchhaltung und Gehaltsabrechnung für verschiedene Unternehmen. Die Kontierung, d. h. die Beschriftung der Belege mit den Konten, werde in der Regel im eigenen Büro vorgenommen; die Eingabe der Daten in das EDV-System des Auftraggebers erfolge dort. Die Tätigkeiten im eigenen Büro und beim Auftraggeber stünden ungefähr im gleichen Verhältnis. Sie un-terhalte eigene Geschäftsräume und nutze eigene Betriebsmittel. Bei kurzfristiger Verhinderung und Krankheit müsse niemand informiert werden; letztendlich sei die termingerechte Erledigung der Aufträge entscheidend. Es gebe keine Vertretungsregelung und eine solche sei in den letzten vier Jahren auch nicht notwendig gewesen. Sie erhalte keine Weisungen vom Auftraggeber und arbeite nicht mit dessen Mitarbeitern zusammen. Die Tätigkeit habe einen Umfang von etwa 120 Stunden pro Monat. Am 02.10.2009 hörte die Beklagte die Klägerin und die Beigeladene zu ihrer Absicht an, für die Beigeladene das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses festzustellen. Als ein Merkmal für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis wurde der feste Stundensatz angeführt. Eine Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes sei der Auftragnehmerin nur scheinbar eingeräumt. Der zeitliche Rahmen ihrer Tätigkeit sei zwar nicht exakt bestimmt, aber doch in der Art eingegrenzt, dass er als bestimmter zeitlicher Rahmen im Sinne der Rechtsprechung zur persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers zu qualifizieren sei. Der Ort der Verrichtung werde der Beigeladenen durch einseitiges Direktionsrecht zugewiesen. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit seien hingegen nicht ersichtlich. In ihren am 19.10.2009 vorgelegten Gegenvorstellungen wies die Klägerin auf ein eigen-ständiges Unternehmen der Beigeladenen mit Vorlage eines Jahresabschlusses zum 31.12.2007 und mit einem Eigenkapital von EUR 141.676,30 hin. Eine Termingebunden-heit aufgrund behördlicher Vorschriften z. B. für Steuern sei laut Rechtsprechung kein An-haltspunkt für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Beigeladene könne frei entscheiden, wann und wo sie ihre Tätigkeit ausübe. Dass sie einen Teil der Arbeiten in den Betriebsräumen der Klägerin erledige, hänge mit ihren Aufgaben zusammen. Die Situation sei mit der eines Rundfunkmitarbeiters vergleichbar. Auch er sei nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und damit persönlich abhängig, nur weil er zur Herstellung seiner Sendungen auf technische Einrichtungen und Mitarbeiter des Auftraggebers angewiesen sei. Das Fehlen eines Lohnfortzahlungs- und Urlaubsanspruchs und die Nichtzahlung von Feiertagsvergütungen seien ebenso wie das Tätigwerden für mehrere Auftraggeber weitere Indizien für eine selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen. Mit Bescheiden vom 30.10.2009 an die Klägerin und die Beigeladene stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene ihre Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung ausübe. In der rechtlichen Würdigung des Anhörungsvorbringens wurde darauf hingewiesen, dass jedes einzelne Vertragsverhältnis zu beurteilen sei. Für das Vertragsverhältnis mit dem Auftrag-geber sei die Tätigkeit der Beigeladenen für mehrere Auftraggeber/Arbeitgeber nicht maßgeblich. Auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis könne durch Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit gekennzeichnet sein. Unternehmerische Risiken und Chancen für die Beigeladene seien bei ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht erkennbar. Die erfolgsunabhängige Pauschalvergütung nach Arbeitsstunden sei nicht mit einem Gewinn- oder Verlustrisiko verbunden. Ein Kapitaleinsatz der Beigeladenen liege nicht vor. Die Beigeladene arbeite nicht auf eigenen Namen und eigene Rechnung und rechne auch nicht selbst mit den Kunden ab, sondern die Arbeiten in den Bereichen Buchhaltung und Lohnbuchhaltung würden über den Auftraggeber zur Abrechnung gebracht. Regelungen über Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gehörten nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein solches habe regelmäßig zur Folge, dass solche Ansprüche entstehen könnten. Hiergegen wurde Widerspruch erhoben. Die Beigeladene habe 1982 die Prüfung zur Steuerfachgehilfin abgelegt. Sie sei bis 1989 in verschiedenen Steuerkanzleien beschäf-tigt gewesen. Nach der Geburt ihres Sohnes habe sie sich 1991 selbstständig gemacht. Erneut wurde auf den unternehmerischen Jahresabschluss der Beigeladenen und ihr Betriebskapital hingewiesen. Weitere Ausführungen betrafen die grundsätzliche Position der steuerberatenden Berufe unter Beachtung des Art. 12 Grundgesetz im Lichte von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Die Widerspruchsbescheide vom 15.06.2010 bestätigten die Ausgangsbescheide. Die hiergegen erhobene Klage wurde erst nach einem Jahr begründet. Es wurde Beweis für die Ausübung des Berufes einer selbstständigen Buchhalterin durch die Beigeladene an-geboten. Sie habe seit 2004 mindestens fünf bis sechs verschiedene Auftraggeber. Nach Aktenlage sei nicht festzustellen, dass die Beklagte diesbezüglich Ermittlungen durchgeführt habe. Die Tätigkeiten erfolgten auch für verschiedene konkurrierende Steuerkanzleien. Die Beigeladene trage das Unternehmerrisiko, Auftraggeber wie die Klägerin von einem Tag auf den anderen verlieren zu können. Sie sei aufgrund ihrer eigenen Fachkompetenz in der Lage, fachlich weisungsfrei ohne Vorgaben der Klägerin die notwendigen Verbuchungen vorzunehmen. Die Beklagte wies erneut darauf hin, dass das deutsche Recht den Typus eines universel-len Selbstständigen nicht kenne. Gerade im Sozialversicherungsrecht gebe es Haupt- und Nebenbeschäftigungen, so dass die Selbstständigkeit in einem Beruf und die Aufnahme einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit in abhängiger Beschäftigung nicht ausgeschlossen werden könnten. Jede Tätigkeit sei gesondert zu beurteilen und daraufhin zu untersuchen, ob unter den konkreten Arbeitsbedingungen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorherrschend sei. Die konkrete Tätigkeit für die Klägerin werde in abhängiger Beschäftigung erbracht. Der überwiegende Teil sei in den Räumlichkeiten der Klägerin auszuführen. Bei der Möglichkeit, einen Teil der auszuführenden Arbeiten im eigenen Büro zu erledigen, sei lediglich von einer Verlagerung des Arbeitsplatzes zu sprechen. Die Klägerin und die Beigeladene hätten keine gemeinsamen Mandanten. Die Klägerin sei allein verantwortliche Vertragspartnerin der Mandanten. Die Beigeladene sei im Namen und auf Rechnung der Klägerin tätig und erscheine nach au-ßen als deren Mitarbeiterin. Ergänzende Bescheide vom 10.02.2012 konkretisierten die Versicherungspflicht der Bei-geladenen in allen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförde-rung. In der mündlichen Verhandlung bezifferte die Klägerin das Umsatzvolumen der Beigeladenen bei ihr mit etwa 50 % der gesamten Berufsausübung. Auf Frage der Beklagten nach Unterscheidungsmerkmalen für die Tätigkeit der Beigeladenen von der einer fest angestellten Beschäftigten bezeichnete die Beigeladene die größere Flexibilität als Unterscheidungsmerkmal. Von Seiten der Klägerin wurde erläutert, die fest angestellten und weisungsgebundenen Kräfte in der Kanzlei seien höher qualifiziert als die Beigeladene.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 30.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin im Bereich Buchhaltung/Lohnbuchhaltung als selbstständige Tätigkeit festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Die Klage ist jedoch in der Sache nicht begründet. § 7 a Abs. 1 S. 1 SGB IV ermöglicht ein Anfrageverfahren über die Frage einer strittigen Beschäftigung in Abgrenzung zu einer selbstständigen Tätigkeit. Abs. 1 S. 3 der Vorschrift begründet eine bundesweite Sonderzuständigkeit der Beklagten für entsprechende Statusfeststellungen. Nach Abs. 2 der Vorschrift entscheidet die Beklagte aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung vorliegt. Die angefochtenen Bescheide halten der gerichtlichen Überprüfung stand. Von der Beklagten und vom Gericht zu beurteilen war lediglich die Tätigkeit der Beigeladenen für die Klägerin. Weitere berufliche Betätigungsfelder haben außer Betracht zu bleiben. In der modernen Arbeitswelt wird eine Diversifikation des Berufs- und Erwerbslebens immer all-täglicher. Klassische Selbstständige und Freiberufler wie Landwirte, Handwerksmeister, Rechtsanwälte oder Architekten setzen auf das ?zweite Standbein? einer Nebentätigkeit genauso wie Angestellte, Beamte oder Richter. Die zusätzlichen Erwerbsarbeiten werden je nach Umfang, Art und Wesen in versicherungspflichtiger Beschäftigung, auf der Basis einer Geringfügigkeit oder in selbstständiger Tätigkeit erbracht. Nebenberufliche Entfaltungen finden gleichermaßen statt in einer fachlichen Nähe zum Hauptberuf etwa bei der Lehr-, Vortrags- und Fachschriftstellertätigkeit des Juristen oder des Arztes oder aber auch fachfremd etwa beim sprichwörtlichen Taxijob des nicht ausgelasteten Rechtsanwalts, beim musikalischen Auftritt des Gymnasiallehrers oder bei der in Teilzeit tätigen Beamtin, die am Samstag Semmeln verkauft. Der skizzierten Vielfältigkeit beruflicher Tä-tigkeiten kommt eine gesellschaftliche Entwicklung entgegen, in der Werturteile über die Standesgemäßheit der einen oder anderen Arbeit an Bedeutung verlieren. Der Akademiker verliert nicht an Reputation, wenn er abends im Kino kassiert oder an der Bar einer Kneipe bedient. Eine selbstständige Tätigkeit kann genauso gut durch eine in Teilzeit ausgeübte abhängige Beschäftigung ergänzt werden wie umgekehrt eine abhängige Beschäftigung mit einer an arbeitsfreien Abenden und Wochenenden erbrachte selbstständige Tätigkeit kombiniert werden kann. In einer solcher Art geprägten Arbeitswelt lässt sich zwanglos und widerspruchsfrei er-kennen, dass die Beigeladene unbestritten und daher nicht beweispflichtig eine eigene steuerberatende Tätigkeit selbstständig, mit eigenen Geschäftsräumen und eigenem Kapitaleinsatz ausübt, jedoch daneben auch einer fachlich eng am Hauptberuf orientierten abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin nachgeht. Ihr Beschäftigungsverhältnis ist gekennzeichnet durch eine stets gleichbleibende und wiederkehrende sehr konkrete Aufga-benstellung, eine problemlose zeitliche Messbarkeit des Arbeitsvolumens und demgemäß ein an Arbeitsstunden orientiertes festes Entgelt. Gerade eine von der Klägerin als etwas weniger qualifiziert bezeichnete von großer Routine gekennzeichnete Zuarbeit kann besonders gut an eine nicht zum Stammpersonal gehörende und nicht ständig in den Betriebsräumen anwesende Arbeitnehmerin delegiert werden. Die Einräumung einer sehr flexiblen Arbeitszeit ist heute absolut üblich. Für Büroarbeiten ohne unmittelbaren Kundenkontakt wird oft nicht einmal mehr die Einhaltung einer Kernzeit verlangt. Gleichermaßen ist auch die Möglichkeit oder sogar die Erwartung der teilweisen Verlagerung der Arbeit nachhause keine Besonderheit selbstständiger Tätigkeiten. Etwa für junge Mütter und Beschäftigte mit langen Anfahrwegen ist der in die Wohnung verlagerte Bildschirmar-beitsplatz alltäglich geworden. Ein Vergleich mit dem Rundfunkmitarbeiter oder Filmproduzenten geht fehl. Solche publizistisch oder künstlerisch wirkenden Auftragnehmer betreuen in größter Souveränität ein Projekt oder ein Produkt und werden für das Endergebnis honoriert. Dabei spielt es keine Rolle, an welchen Arbeitsplätzen, mit welchen Hilfskräften, mit welchem Zeitaufwand und unter Heranziehung welcher sonstiger Ressourcen sie dieses Ergebnis zu Stande gebracht haben. Vertragliche Beziehungen bestehen ausschließlich zwischen der Klägerin und der Beige-ladenen, nicht jedoch zwischen der Beigeladenen und der Mandantschaft der Klägerin. Zutreffend hat die Beklagte auch erläutert, dass ein Ausschluss von Urlaubs- und Entgeltfortzahlungsansprüchen kein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit ist. Ganz im Gegenteil hat die Klägerin vorliegend ihrer Arbeitnehmerin rechtswidrig solche Ansprüche verweigert. An der für das abhängige Beschäftigungsverhältnis typischen persönlichen Abhän-gigkeit besteht vorliegend kein Zweifel, weil es die Hälfte der gesamten Berufstätigkeit der Beigeladenen ausmacht. Aber auch bei einem geringeren Umfang wäre eine bedeutsame Funktion für die Lebenshaltung der Beigeladenen anzuerkennen. Die Besonderheiten ei-ner nur punktuell geforderten Arbeit von insgesamt belanglosem Umfang etwa beim gelegentlichen Schneeräumen oder Rasenmähen durch den Sohn der Nachbarn sind vorliegend nicht zu erörtern. Die Kostenentscheidungen beruhen auf §§ 193 und 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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