Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 351/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 R 1122/12
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.
III. Gegen dieses Urteil wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung einer nach dem Tod der Berechtigten weiter gezahlten Rente. Die bei der Klägerin versichert gewesene Frau B. war geboren 1924 und starb am XX.08.2010. Die Klägerin zahlte ihre Rente in Höhe von netto EUR 675,47 auch für den Kalendermonat September 2010 auf das bisherige Konto, weil sie vom Tod der Berechtigten noch keine Kenntnis hatte bzw. in der Kürze der Zeit die Rentenzahlung noch nicht einstellen konnte. Am 29.09.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, das Konto der verstorbenen Rentnerin sei am 21.09.2010 von der Schwester der Rentnerin Frau E. E. mit einem letzten Kontostand von EUR 673,05 aufgelöst worden. Ein Kontoauszug belegte den Zufluss der Septemberrente am 31.08.2010. Mit Schreiben vom 23.09. (Eingang bei der Beklagten) und 12.11.2010 forderten die Deutsche Post – Rentenservice – bzw. die Klägerin von der Beklagten die Rücküberweisung von EUR 675,47. Das letztgenannte Schreiben räumte ein, dass das Rückforderungsschreiben vom 23.09.2010 der Beklagten am 21.09.2010 bei Kontoauflösung noch nicht vorgelegen habe. Jedoch habe die Beklagte durch Vorlegung der Sterbeurkunde erkennen müssen, dass die am 31.08.2010 für den Monat September 2010 gezahlte Rente der Versicherten bzw. dem Rechtsnachfolger als nach dem Tod gezahlt nicht mehr zu-gestanden habe. Die Beklagte berief sich demgegenüber auf § 118 Abs. 3 S. 3 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI), wonach es für einen Rückzahlungsanspruch aufgrund von Verfügungen über das Guthaben allein auf den Zeitpunkt "bei Eingang der Rückforderung" ankomme. Die Klägerin erwiderte, eine den Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut mindernde Verfügung liege nicht vor, wenn das Geldinstitut zum Zeitpunkt der Ausführung der Verfügung Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hatte oder grob fahrlässig nicht hatte. Zur Prüfung der Rechtslage wurde um Mitteilung gebeten, wann die Beklagte Kenntnis vom Tod der Versicherten erhalten habe und ob bei der Kontoauflösung die Sterbeurkunde vorgelegt worden sei. Die Beklagte wiederholte die Information einer Kontoauflösung am 21.09.2010 unter Vorlage der Sterbeurkunde, nannte aber zugleich als Datum der Kenntnisnahme vom Tod ihrer Kundin den 23.09.2010. Die Klägerin stützt ihre Klage auf das Urteil des Bundessozialgerichts mit dem Aktenzeichen BSG 5a/4R 79/06 vom 22.04.2008, wonach eine den Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut mindernde Verfügung nicht vorliege, wenn das Geldinstitut zum Zeitpunkt der Ausführung der Verfügung Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hatte oder grob fahrlässig nicht hatte. Die Beklagte verwies neuerlich auf den Eingang des Rückforderungsschreibens erst am 23.09.2010 und mithin erst zwei Tage nach dem Kontoschluss und den letzten Buchungen. Die Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers sei für den geltend gemachten Anspruch unerheblich. In der Entscheidung des BSG vom 03.06.2009 B 5 R 120/07 R werde ausgeführt, dass es allein auf die Kenntnis des Rückforderungsverlangens durch den Rentenversicherungsträger und nicht auf die bloße Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers ankommen könne. Im Hinblick auf den automatisierten bargeldlosen Zahlungsverkehr habe der Gesetzgeber den Geldinstituten keine übermäßige Prüfungspflicht aufbürden wollen. Es könne dem Geldinstitut nicht auferlegt werden, nur aufgrund der Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers jegliche Verfügung dahingehend zu überprüfen, ob diese nicht gegebenenfalls in einen möglicherweise bestehenden Schutzbetrag gemäß § 118 SGB VI eingreift; dies würde den Rahmen der Nebenpflichten der Geldinstitute sprengen. Der Wortlaut des § 118 Abs. 3 SGB VI korres-pondiere auch mit der Regelung des § 675 o Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wo-nach das Geldinstitut als Zahlungsdienstleister zur Ablehnung eines autorisierten Zahlungsauftrags nur berechtigt sei, wenn dessen Ausführung gegen Rechtsvorschriften verstößt. § 118 Abs. 3 SGB VI verbiete aber eine Verfügung vor Anzeige des Rückforderungsverlangens gerade nicht.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, EUR 675,47 an sie zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu-lässig, weil in der Angelegenheit kein Verwaltungsakt zu ergehen hatte und kein Vorverfahren stattzufinden hatte. Die Geltendmachung von Rückforderungen wegen einer nach dem Tode des Berechtigten erbrachten Rentenzahlung muss nach § 118 Abs. 4 SGB VI nur gegenüber den über einen solchen Betrag verfügenden Personen mittels Verwaltungsakt geltend gemacht werden. In § 118 Abs. 3 SGB VI ist die Vorgehensweise mittels Verwaltungsaktes nicht vorgeschrieben. § 118 SGB VI lautet auszugsweise: Abs. 3: Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden. Abs. 4: Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht er-bracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Emp-fang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorge-nommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung auf Verlangen Name und Anschrift des Empfängers oder Verfügenden und etwaiger neuer Kontoinhaber zu benennen. Ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 des Zehnten Buches bleibt unberührt.
Der Gesetzgeber hat mit den zitierten Vorschriften eine übersichtliche Regelung für ein Problem geschaffen, das trotz eines millionenfachen Auftretens zuvor immer wieder praktische und rechtsdogmatische Schwierigkeiten aufgeworfen hatte. Die Häufigkeit der rege-ungsbedürftigen Fälle liegt auf der Hand. Noch gegenwärtig sind und auch noch in einem langen Zeitraum der Zukunft werden viele Bezieher von Renten das Privileg des § 272 a SGB VI genießen, wonach die Monatsbeträge einer vor dem 01.04.2004 beginnenden Rente zu Beginn des jeweiligen Bezugsmonats fällig werden und demgemäß im Voraus geleistet werden. Auch eine moderne hoch entwickelte Zahlungstechnik kann nicht verhindern, dass es nach dem Tod eines Rentenbeziehers insbesondere in der zweiten Hälfte eines Kalendermonats noch zur Auszahlung der Rente für den jeweils nächsten Kalendermonat kommt. § 118 Abs. 3 SGB VI beschreibt und begrenzt für einen solchen Fall sehr eindeutig die Pflichten des Geldinstituts. Das Geldinstitut hat nach S. 2 der Vorschrift die Rente zurückzuüberweisen, wenn sie als zu Unrecht erbracht zurückgefordert wird. Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber nicht etwa eine automatische Rücküberweisungspflicht sofort ab Kenntnisnahme vom Tod des Berechtigten vor Beginn des Bezugsmonats angeordnet. Vielmehr musste er der Möglichkeit Raum geben, dass die um eine korrekte Abwicklung bemühten Angehörigen oder Hinterbliebenen der Rentnerin oder des Rentners von sich aus den fehlerbrachten Betrag aus einem Konto ihrer Wahl zurücküberweisen oder die Angelegenheit in einer von ihnen selbst gewählten oder mit dem Geldinstitut vereinbarten Weise im Zusammenhang der eigenen laufenden geschäftlichen Beziehungen mit dem Geldinstitut regeln. Erst eine ausdrückliche Rückforderung ist vom Geldinstitut zu beachten. Die Rückzahlungspflicht entfällt jedoch nach S. 3 der Vorschrift, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits verfügt wurde und ein für die Rückzahlung ausreichendes Gutachten nicht mehr vorhanden ist. Das Geldinstitut ist nicht nur nicht verpflichtet, sondern nicht einmal dazu berechtigt, bereits wegen der in welcher Weise auch immer erlangten Kenntnis vom Tod des Rentenbeziehers beispielsweise eine Abhebung am Geldautomaten technisch zu sperren oder eine am Bankschalter vorgenommene Auflösung des Kontos und Auszahlung des restli-chen Guthabens zu verweigern. Die Beklagte hat insoweit zutreffend auf § 675 o Abs. 2 BGB hingewiesen. Das Gesetz gibt keine Handhabe dazu, den Geldinstituten eine Prüfungspflicht über den genauen Todeszeitpunkt, die Höhe von gegebenenfalls mehreren Renten etwa gar aus dem In- und Ausland, den Saldo von Giro- und Sparkonten und die wie oben ausgeführt jederzeit in Rechnung zu stellende bereits erfolgte Tilgung des Rentendefizits durch Dritte aufzuerlegen. Das Gesetz bietet für die zweifellos häufige Variante einer durch Abhebungen oder Kontoauflösung unmöglich gemachten Rücküberweisung fehlerhaft erbrachter Rentenbeträge mit § 118 Abs. 4 SGB VI eine mit dem Abs. 3 unmittelbar korrespondierende ebenfalls praktikable Vorgehensweise an. Gegenüber den am Geldautomaten oder am Bankschalter oder am häuslichen PC verfügenden Personen entsteht nämlich ein privilegierter öf-fentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch. Der Rentenversicherungsträger darf ihn mit einem Verwaltungsakt geltend machen, so dass die Kosten und Risiken eines Rechtsbehelfsverfahrens auf die Seite der verfügenden Personen verlagert werden. Der Renten-versicherungsträger muss also nicht mehr wie vor Inkraftsetzung der zitierten Vorschriften teilweise vertreten wurde, mit eigenem Kostenaufwand und eigenem Prozessrisiko den Zivilrechtsweg beschreiten. Die Chance, möglichst häufig den einfacheren Weg nach § 118 Abs. 3 SGB VI beschrei-ten zu können und möglichst selten auf dem Wege über § 118 Abs. 4 SGB VI die Uneintreibbarkeit ihrer Forderung zu riskieren, kann der Rentenversicherungsträger nur dadurch erhöhen, dass er durch organisatorische Maßnahmen die Zeit zwischen der eigenen Kenntnisnahme vom Tod des Rentners und der Erhebung des Rückforderungsbegehrens gegenüber dem Geldinstitut so kurz wie möglich hält. Weil sich aus der von der Klägerin zur Stützung ihres Standpunktes zitierten Entschei-dung des BSG auch eine Prüfungspflicht der Geldinstitute über den Gesetzeswortlaut hinaus entnehmen lässt, hatte das Gericht dem Vorschlag der Beteiligten zu folgen und unabhängig vom Streitwert die Berufung gegen dieses Urteil nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG zuzulassen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 und 197 a SGG sowie § 154 Abs. 1 VwGO.
II. Die Klägerin hat der Beklagten ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.
III. Gegen dieses Urteil wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache die Berufung zugelassen.
Tatbestand:
Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung einer nach dem Tod der Berechtigten weiter gezahlten Rente. Die bei der Klägerin versichert gewesene Frau B. war geboren 1924 und starb am XX.08.2010. Die Klägerin zahlte ihre Rente in Höhe von netto EUR 675,47 auch für den Kalendermonat September 2010 auf das bisherige Konto, weil sie vom Tod der Berechtigten noch keine Kenntnis hatte bzw. in der Kürze der Zeit die Rentenzahlung noch nicht einstellen konnte. Am 29.09.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, das Konto der verstorbenen Rentnerin sei am 21.09.2010 von der Schwester der Rentnerin Frau E. E. mit einem letzten Kontostand von EUR 673,05 aufgelöst worden. Ein Kontoauszug belegte den Zufluss der Septemberrente am 31.08.2010. Mit Schreiben vom 23.09. (Eingang bei der Beklagten) und 12.11.2010 forderten die Deutsche Post – Rentenservice – bzw. die Klägerin von der Beklagten die Rücküberweisung von EUR 675,47. Das letztgenannte Schreiben räumte ein, dass das Rückforderungsschreiben vom 23.09.2010 der Beklagten am 21.09.2010 bei Kontoauflösung noch nicht vorgelegen habe. Jedoch habe die Beklagte durch Vorlegung der Sterbeurkunde erkennen müssen, dass die am 31.08.2010 für den Monat September 2010 gezahlte Rente der Versicherten bzw. dem Rechtsnachfolger als nach dem Tod gezahlt nicht mehr zu-gestanden habe. Die Beklagte berief sich demgegenüber auf § 118 Abs. 3 S. 3 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI), wonach es für einen Rückzahlungsanspruch aufgrund von Verfügungen über das Guthaben allein auf den Zeitpunkt "bei Eingang der Rückforderung" ankomme. Die Klägerin erwiderte, eine den Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut mindernde Verfügung liege nicht vor, wenn das Geldinstitut zum Zeitpunkt der Ausführung der Verfügung Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hatte oder grob fahrlässig nicht hatte. Zur Prüfung der Rechtslage wurde um Mitteilung gebeten, wann die Beklagte Kenntnis vom Tod der Versicherten erhalten habe und ob bei der Kontoauflösung die Sterbeurkunde vorgelegt worden sei. Die Beklagte wiederholte die Information einer Kontoauflösung am 21.09.2010 unter Vorlage der Sterbeurkunde, nannte aber zugleich als Datum der Kenntnisnahme vom Tod ihrer Kundin den 23.09.2010. Die Klägerin stützt ihre Klage auf das Urteil des Bundessozialgerichts mit dem Aktenzeichen BSG 5a/4R 79/06 vom 22.04.2008, wonach eine den Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut mindernde Verfügung nicht vorliege, wenn das Geldinstitut zum Zeitpunkt der Ausführung der Verfügung Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers hatte oder grob fahrlässig nicht hatte. Die Beklagte verwies neuerlich auf den Eingang des Rückforderungsschreibens erst am 23.09.2010 und mithin erst zwei Tage nach dem Kontoschluss und den letzten Buchungen. Die Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers sei für den geltend gemachten Anspruch unerheblich. In der Entscheidung des BSG vom 03.06.2009 B 5 R 120/07 R werde ausgeführt, dass es allein auf die Kenntnis des Rückforderungsverlangens durch den Rentenversicherungsträger und nicht auf die bloße Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers ankommen könne. Im Hinblick auf den automatisierten bargeldlosen Zahlungsverkehr habe der Gesetzgeber den Geldinstituten keine übermäßige Prüfungspflicht aufbürden wollen. Es könne dem Geldinstitut nicht auferlegt werden, nur aufgrund der Kenntnis vom Tod des Kontoinhabers jegliche Verfügung dahingehend zu überprüfen, ob diese nicht gegebenenfalls in einen möglicherweise bestehenden Schutzbetrag gemäß § 118 SGB VI eingreift; dies würde den Rahmen der Nebenpflichten der Geldinstitute sprengen. Der Wortlaut des § 118 Abs. 3 SGB VI korres-pondiere auch mit der Regelung des § 675 o Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wo-nach das Geldinstitut als Zahlungsdienstleister zur Ablehnung eines autorisierten Zahlungsauftrags nur berechtigt sei, wenn dessen Ausführung gegen Rechtsvorschriften verstößt. § 118 Abs. 3 SGB VI verbiete aber eine Verfügung vor Anzeige des Rückforderungsverlangens gerade nicht.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, EUR 675,47 an sie zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu-lässig, weil in der Angelegenheit kein Verwaltungsakt zu ergehen hatte und kein Vorverfahren stattzufinden hatte. Die Geltendmachung von Rückforderungen wegen einer nach dem Tode des Berechtigten erbrachten Rentenzahlung muss nach § 118 Abs. 4 SGB VI nur gegenüber den über einen solchen Betrag verfügenden Personen mittels Verwaltungsakt geltend gemacht werden. In § 118 Abs. 3 SGB VI ist die Vorgehensweise mittels Verwaltungsaktes nicht vorgeschrieben. § 118 SGB VI lautet auszugsweise: Abs. 3: Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, gelten als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Das Geldinstitut darf den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden. Abs. 4: Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht er-bracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen unmittelbar in Emp-fang genommen haben oder an die der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorge-nommen oder zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Der Träger der Rentenversicherung hat Erstattungsansprüche durch Verwaltungsakt geltend zu machen. Ein Geldinstitut, das eine Rücküberweisung mit dem Hinweis abgelehnt hat, dass über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt wurde, hat der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung auf Verlangen Name und Anschrift des Empfängers oder Verfügenden und etwaiger neuer Kontoinhaber zu benennen. Ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 des Zehnten Buches bleibt unberührt.
Der Gesetzgeber hat mit den zitierten Vorschriften eine übersichtliche Regelung für ein Problem geschaffen, das trotz eines millionenfachen Auftretens zuvor immer wieder praktische und rechtsdogmatische Schwierigkeiten aufgeworfen hatte. Die Häufigkeit der rege-ungsbedürftigen Fälle liegt auf der Hand. Noch gegenwärtig sind und auch noch in einem langen Zeitraum der Zukunft werden viele Bezieher von Renten das Privileg des § 272 a SGB VI genießen, wonach die Monatsbeträge einer vor dem 01.04.2004 beginnenden Rente zu Beginn des jeweiligen Bezugsmonats fällig werden und demgemäß im Voraus geleistet werden. Auch eine moderne hoch entwickelte Zahlungstechnik kann nicht verhindern, dass es nach dem Tod eines Rentenbeziehers insbesondere in der zweiten Hälfte eines Kalendermonats noch zur Auszahlung der Rente für den jeweils nächsten Kalendermonat kommt. § 118 Abs. 3 SGB VI beschreibt und begrenzt für einen solchen Fall sehr eindeutig die Pflichten des Geldinstituts. Das Geldinstitut hat nach S. 2 der Vorschrift die Rente zurückzuüberweisen, wenn sie als zu Unrecht erbracht zurückgefordert wird. Aus gutem Grund hat der Gesetzgeber nicht etwa eine automatische Rücküberweisungspflicht sofort ab Kenntnisnahme vom Tod des Berechtigten vor Beginn des Bezugsmonats angeordnet. Vielmehr musste er der Möglichkeit Raum geben, dass die um eine korrekte Abwicklung bemühten Angehörigen oder Hinterbliebenen der Rentnerin oder des Rentners von sich aus den fehlerbrachten Betrag aus einem Konto ihrer Wahl zurücküberweisen oder die Angelegenheit in einer von ihnen selbst gewählten oder mit dem Geldinstitut vereinbarten Weise im Zusammenhang der eigenen laufenden geschäftlichen Beziehungen mit dem Geldinstitut regeln. Erst eine ausdrückliche Rückforderung ist vom Geldinstitut zu beachten. Die Rückzahlungspflicht entfällt jedoch nach S. 3 der Vorschrift, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits verfügt wurde und ein für die Rückzahlung ausreichendes Gutachten nicht mehr vorhanden ist. Das Geldinstitut ist nicht nur nicht verpflichtet, sondern nicht einmal dazu berechtigt, bereits wegen der in welcher Weise auch immer erlangten Kenntnis vom Tod des Rentenbeziehers beispielsweise eine Abhebung am Geldautomaten technisch zu sperren oder eine am Bankschalter vorgenommene Auflösung des Kontos und Auszahlung des restli-chen Guthabens zu verweigern. Die Beklagte hat insoweit zutreffend auf § 675 o Abs. 2 BGB hingewiesen. Das Gesetz gibt keine Handhabe dazu, den Geldinstituten eine Prüfungspflicht über den genauen Todeszeitpunkt, die Höhe von gegebenenfalls mehreren Renten etwa gar aus dem In- und Ausland, den Saldo von Giro- und Sparkonten und die wie oben ausgeführt jederzeit in Rechnung zu stellende bereits erfolgte Tilgung des Rentendefizits durch Dritte aufzuerlegen. Das Gesetz bietet für die zweifellos häufige Variante einer durch Abhebungen oder Kontoauflösung unmöglich gemachten Rücküberweisung fehlerhaft erbrachter Rentenbeträge mit § 118 Abs. 4 SGB VI eine mit dem Abs. 3 unmittelbar korrespondierende ebenfalls praktikable Vorgehensweise an. Gegenüber den am Geldautomaten oder am Bankschalter oder am häuslichen PC verfügenden Personen entsteht nämlich ein privilegierter öf-fentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch. Der Rentenversicherungsträger darf ihn mit einem Verwaltungsakt geltend machen, so dass die Kosten und Risiken eines Rechtsbehelfsverfahrens auf die Seite der verfügenden Personen verlagert werden. Der Renten-versicherungsträger muss also nicht mehr wie vor Inkraftsetzung der zitierten Vorschriften teilweise vertreten wurde, mit eigenem Kostenaufwand und eigenem Prozessrisiko den Zivilrechtsweg beschreiten. Die Chance, möglichst häufig den einfacheren Weg nach § 118 Abs. 3 SGB VI beschrei-ten zu können und möglichst selten auf dem Wege über § 118 Abs. 4 SGB VI die Uneintreibbarkeit ihrer Forderung zu riskieren, kann der Rentenversicherungsträger nur dadurch erhöhen, dass er durch organisatorische Maßnahmen die Zeit zwischen der eigenen Kenntnisnahme vom Tod des Rentners und der Erhebung des Rückforderungsbegehrens gegenüber dem Geldinstitut so kurz wie möglich hält. Weil sich aus der von der Klägerin zur Stützung ihres Standpunktes zitierten Entschei-dung des BSG auch eine Prüfungspflicht der Geldinstitute über den Gesetzeswortlaut hinaus entnehmen lässt, hatte das Gericht dem Vorschlag der Beteiligten zu folgen und unabhängig vom Streitwert die Berufung gegen dieses Urteil nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG zuzulassen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 und 197 a SGG sowie § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
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