Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
48
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 SO 235/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Der Bescheid des Beklagten vom 17.08.2011 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 11.04.2012 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
III. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen der Eingliederungshilfe (Persönliches Budget).
Bei dem im Jahre 2002 geborenen Kläger wurden eine allgemeine Entwicklungsstörung, insbesondere im Bereich der Sprache, und eine deutliche und durchgängige soziale Beeinträchtigung bei Verdacht auf frühkindlichen Autismus und Epilepsie diagnostiziert. Mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales wurde ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt.
Der Kläger besucht seit September 2009 die integrative Montessorischule "Aktion Sonnenschein" in B-Stadt mit dem Förderschwerpunkt "geistige Entwicklung".
Mit am 02.06.2009 eingegangenem Schreiben vom 28.05.2009 beantragte der Vater des Klägers für diesen die Bewilligung von Hilfen im Schulalter, insbesondere Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers als pädagogische Fachkraft.
Am 14.09.2009 schlossen die Beteiligten eine Zielvereinbarung für ein Persönliches Budget mit einer Laufzeit bis zum 31.07.2010. Im Zusammenhang damit erließ der Beklagte den Bescheid vom 14.09.2009 über die Gewährung von Eingliederungshilfe. Auf der Grundlage einer erneuten Zielvereinbarung wurden diese Leistungen mit Bescheiden vom 07.07.2010 und vom 15.07.2010 für die Zeit vom 01.09.2010 bis zum 31.08.2011 weiter gewährt.
Mit am 26.05.2011 eingegangenem Schreiben beantragten die Eltern des Klägers für diesen Leistungen der Eingliederungshilfe, insbesondere die Kostenübernahme für eine pädagogische Fachkraft während der gesamten Schulzeit im Rahmen eines Persönlichen Budgets. Zur Begründung führten sie aus, der Einsatz eines Integrationshelfers im bisherigen zeitlichen Rahmen (10,5 Zeitstunden pro Woche) sei nicht ausreichend, um das Ziel einer angemessenen Schulbildung zu erreichen. Es habe sich mittlerweile herausgestellt, dass beim Kläger entgegen den bisherigen Annahmen offenbar keine gravierende geistige Behinderung vorliege. Ausgehend davon, müsse das Ziel nunmehr die Integration des Klägers in eine normale Grundschulklasse sein. Dies führe aber zu einem höheren Förderbedarf, den die Klassenlehrerin allein nicht abdecken könne. Die Eltern des Klägers legten dem Beklagten eine Stellungnahme der Lehrerin D. vom 24.05.2011 vor.
Mit Bescheid vom 14.07.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 13.09.2011 bis zunächst zum 31.07.2012 dem Grunde nach Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget für 23,75 Stunden pro Woche und stellte fest, dass für die Tätigkeit der Schulbegleitung eine pädagogische Hilfskraft notwendig sei. Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 20.07.2011 Widerspruch, "soweit anstatt der beantragten Integrationshilfe in Form einer pädagogischen Fachkraft lediglich eine pädagogische Hilfskraft gewährt wurde und soweit hinsichtlich der beantragten 27,5 Stunden lediglich 23,75 Stunden genehmigt wurden". Eine ausführliche Begründung des Widerspruchs erfolgte mit Schriftsatz vom 22.07.2011.
Am 26.07.2011 fand ein persönliches Gespräch der Beteiligten statt; dieses ist auf Blatt 141f der Behördenakte dokumentiert. Inhalt des Gesprächs war unter anderem die Möglichkeit der Teilung einer Fachkraft mit einem anderen Kind (Leistungsempfänger).
Am 16.08.2011 reichte der Vater des Klägers die vom Beklagten vorbereitete Zielvereinbarung mit einer Geltungsdauer vom 13.09.2011 bis 31.07.2012 mit seiner Unterschrift versehen zurück, verbunden mit der Bitte, den vom Beklagten dort festgesetzten Stundensatz in Höhe von 22,00 EUR zu erläutern, da dieser für eine angestellte Fachkraft viel zu niedrig erscheine. Er müsse sich daher vorbehalten, gegen den zu erwartenden Be-scheid hinsichtlich der Leistungshöhe Widerspruch einzulegen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Blatt 155 der Behördenakte des Beklagten Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 17.08.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget für die Zeit vom 13.09.2011 bis 31.07.2012 in Höhe von 2.068,00 EUR monatlich (ausgehend von einem Stundensatz von 22,00 EUR) zur Finanzierung einer Schulbegleitung. Die vom Klägervertreter unterzeichnete Zielvereinbarung – in der unter anderem geregelt ist, dass für die Schulbegleitung eine (pädagogische) Fachkraft erforderlich ist – sei Bestandteil des Bescheides. Am 23.08.2011 legte der Vater des Klägers hiergegen Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf sein "Schreiben vom 18.08.2011" (gemeint ist: 16.08.2011). Es sei unmöglich, für einen Stundenbruttolohn in Höhe von 16,50 EUR eine pädagogische Fachkraft anzustellen. Mit Bescheid vom 11.04.2012 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.08.2011 zurück.
Mit am 20.04.2012 beim Beklagten eingegangenem Schriftsatz erklärte der Vater des Klägers die Anfechtung der Zielvereinbarung vom 16.08.2011 "wegen arglistiger Täuschung und Drohung"; seine Ausführungen im Detail sind Blatt 210ff der Behördenakte zu entnehmen.
Am 11.05.2011 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 17.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2012 beim Sozialgericht München Klage erhoben. Die ausführliche Begründung ist Blatt 11ff der Gerichtsakte zu entnehmen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 17.08.2011 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 11.04.2012 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Gericht lagen die Behördenakten des Beklagten bei seiner Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Der hier streitige Anspruch, dessen Voraussetzungen dem Grunde nach vom Beklagten nicht bestritten werden, ergibt sich aus §§ 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 57 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Verbindung mit § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV), § 17 Abs. 2 bis 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und §§ 1ff Budget-Verordnung (Budget-V).
a) Gem. § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gem. § 53 Abs. 3 SGB XII besteht die besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe darin, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.
b) Leistungen der Eingliederungshilfe sind gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt. Gem. § 57 SGB XII können Leistungsberechtigte nach § 53 SGB XII auf Antrag Leistungen der Eingliederungshilfe auch als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets erhalten. § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX in Verbindung mit der Budget-V und § 159 SGB IX sind insoweit anzuwenden.
2. Im vorliegenden Fall hat der Kläger Anspruch auf Schulbegleitung durch eine pädago-gische Fachkraft, da dies erforderlich ist, um ihm den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder jedenfalls zu erleichtern (§ 12 Nr. 1 EinglHV).
3. Hinsichtlich der Auswahl der Leistungen der Eingliederungshilfe hat der Beklagte gem. § 17 Abs. 2 SGB XII einen Ermessensspielraum (siehe Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.11.2012, L 7 SO 4186/12 ER-B, in: juris). Dieses Ermessen hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 17.08.2011 nicht in rechtsfehlerfreier Weise ausgeübt. Er war deshalb zu verpflichten, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
a) Der Beklagte hat in dem Bescheid vom 17.08.2011 hinsichtlich der Höhe der zu erbrin-genden Leistungen (Stundensatz) keine Ermessenserwägungen angestellt, sondern in-soweit lediglich auf die mit dem gesetzlichen Vertreter des Klägers geschlossene Zielvereinbarung Bezug genommen. Darin wird der Berechnung des Budgets ein "Pauschalvergütungssatz" für eine fest angestellte Pflegekraft in Höhe von 22,00 EUR pro Stunde zugrunde gelegt. Dies genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermes-sensbetätigung.
b) Dem steht insbesondere nicht (wie von der Regierung von Oberbayern im Widerspruchsbescheid vom 11.04.2012 angenommen) bereits der Umstand entgegen, dass der gesetzliche Vertreter des Klägers am 16.08.2011 die vom Beklagten vorbereitete Zielvereinbarung unterzeichnet hat.
Richtig ist, dass es sich bei der Zielvereinbarung gem. § 4 BudgetV um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der §§ 53ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) handelt, welcher grundsätzlich Bindungswirkung entfaltet. Fraglich ist hier jedoch bereits, ob auch über den darin festgelegten Stundensatz eine wirksame Einigung erzielt wurde, weil der gesetzliche Vertreter des Klägers in seinem gleichzeitig mit der unterschriebenen Vereinbarung beim Beklagten eingegangenen Schriftsatz vom 16.08.2011 deutlich ge-macht hat, dass er mit der Höhe dieses Stundensatzes nicht einverstanden war (§ 61 Satz 2 SGB X in Verbindung mit §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Dies kann jedoch dahinstehen, weil die in der Zielvereinbarung (Punkt 3) getroffene Regelung über die Höhe des Persönlichen Budgets, auch wenn darüber eine vertragliche Einigung zu-stande gekommen sein sollte, jedenfalls gem. § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 134 BGB nichtig wäre. Die Nichtigkeit der Regelung über den Stundensatz von 22,00 EUR lässt allerdings gem. § 58 Abs. 3 SGB X die Wirksamkeit der Zielvereinbarung im Übrigen unberührt, weil anzunehmen ist, dass sie (bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln) auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.
Gem. § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Nichtig ist danach insbeson-dere eine vertragliche Regelung des Anspruchs auf Leistungen der Eingliederungshilfe, soweit eine solche Regelung nach den gesetzlichen Vorgaben durch eine (rechtsbehelfsfähige) Entscheidung der Verwaltung, also durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) er-folgen muss.
Gem. § 4 Abs. 1 BudgetV wird die Zielvereinbarung zwischen der Antrag stellenden Per-son und dem Beauftragten (dies ist hier der Beklagte) abgeschlossen. Sie enthält mindestens Regelungen über (1.) die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, (2.) die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie (3.) die Qualitätssicherung.
Gem. § 4 Abs. 2 BudgetV können die Antrag stellende Person und der Beauftragte die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung nicht zumutbar ist. Ein wichtiger Grund kann für die Antrag stellende Person insbesondere in der persönlichen Lebenssituation liegen. Für den Beauftragten kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die Antrag stellende Person die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung nicht einhält. Im Falle der Kündigung wird der Verwaltungsakt aufgehoben. § 4 Abs. 3 BudgetV bestimmt, dass die Zielvereinbarung im Rahmen des Bedarfsfeststellungsverfahrens für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des Persönlichen Budgets abgeschlossen wird, soweit sich aus ihr nichts Abweichendes ergibt.
Aus diesen Vorgaben geht klar hervor, dass der Sinn und Zweck der Zielvereinbarung vor allem darin liegt, eine zweckentsprechende Verwendung des zur Verfügung gestellten Budgets sicherzustellen, nicht aber darin, die Behördenentscheidung als Ganze vorweg zu nehmen mit dem Ergebnis, dass dem regelmäßig mit einer schwächeren Verhandlungsposition ausgestatteten Leistungsempfänger jeglicher Rechtsschutz verlorengeht. Wollte man die Regelung der Leistungshöhe im Wege der Zielvereinbarung zulassen, so könnte dies dazu führen – wie auch im vorliegenden Fall von der Klägerseite vorgetragen – dass sich der Leistungsempfänger auf eine für ihn ungünstige Regelung einlässt, weil er ansonsten befürchten müsste, dass überhaupt keine Vereinbarung zustande kommt. Es bestünde also die Gefahr einer "Erpressbarkeit" des Leistungsempfängers, mit der Folge, dass die Behörde die Bewilligung von aus der Sicht des Anspruchsberechtigten nicht bedarfsdeckenden Leistungen, eingekleidet in die Form einer "Vereinbarung", einseitig durchsetzen könnte.
4. Der Bescheid vom 17.08.2011 ist nach alledem insoweit rechtswidrig, als der Beklagte darin über die Leistungshöhe keine Ermessensentscheidung getroffen hat.
a) Selbst wenn man unterstellte, dass die Bezugnahme auf den nichtigen Teil der Zielvereinbarung eine Ermessensentscheidung darstellen könnte mit dem Inhalt, dass entsprechend der internen Handlungsanleitung des Beklagten (siehe Blatt 185ff Behördenakte) ein "Pauschalvergütungssatz" von 22,00 EUR pro Stunde zugrunde gelegt wird, so hätte der Beklagte sein Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Es bestehen nämlich auch aus der Sicht des Gerichts Zweifel, ob der Kläger in der Lage ist, zu diesen Konditionen eine pädagogische Fachkraft zu beschäftigen.
b) Die in Form des Persönliches Budgets gem. § 57 SGB XII bewilligten Leistungen müs-sen so bemessen sein, dass der Leistungsberechtigte damit seinen Bedarf an Eingliederungshilfe tatsächlich decken kann (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX). Behauptet der Leistungsberechtigte – wie hier – schlüssig und substantiiert, dass es ihm nicht möglich ist, mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geld eine geeignete Kraft anzustellen, so muss die Behörde grundsätzlich Leistungen in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten gewähren, wenn sie nicht in der Lage ist, dem Leistungsberechtigten gleich geeignete, günstigere Alternativen konkret aufzuzeigen (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).
c) Dem steht insbesondere nicht § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX entgegen, wonach die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten soll. Der Beklagte hat insoweit argumentiert, der von ihm zugrunde gelegte Stundensatz von 22,00 EUR orientiere sich an dem Satz, der zwischen dem Beklagten und der Lebenshilfe Bayern für die Bereitstellung einer Fachkraft vereinbart worden sei. Zwar trifft es zu, dass der mit dem Persönlichen Budget verbundene Geldleistungsanspruch des behinderten Menschen jedenfalls im Regelfall nicht zu einer Kostensteigerung für die ansonsten gleiche Leistung führen soll (siehe Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2012, B 2 U 1/11 R, Rn. 43 in: juris). Dies ändert jedoch – abgesehen davon, dass die dem Kläger mit Bescheid vom 17.08.2011 zuerkannten Leistungen zuvor nicht anderweitig "festgestellt" wurden, wie dies § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX fordert – nichts daran, dass der Kläger eine realistische Möglichkeit haben muss, mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geld seinen sozialhilferechtlichen Bedarf deckende Leistungen "einzukaufen", ohne gezwungen zu sein, "Dumpinglöhne" zu zahlen oder gegen arbeitsrechtliche Vorschriften zu verstoßen.
Die Lebenshilfe, Landesverband Bayern, beklagt in einer Stellungnahme vom 25.01.2013 (zur Anhörung der Ausschüsse für Soziales, Familie und Arbeit sowie Bildung, Jugend und Sport zum Thema "Schulbegleitung in Bayern" am 31. Januar 2013), dass das Eltern-Arbeitgeber-Modell eine "enorme Belastung für Eltern" bedeute und die üblicherweise bewilligte Vergütung dazu führe, dass "Eltern zu den aktuellen Bedingungen kaum Personen finden, die diese Aufgaben übernehmen, bzw. die Fluktuation aufgrund der niedrigen Vergütung sehr hoch ist". Die derzeitige Praxis habe "massive Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Arbeitsverträge der Schulbegleitungen", mit der Folge der Entstehung "prekärer Arbeitsverhältnisse". All dies wirke sich zulasten der begleiteten Kinder und der Schulklassen aus (www.lebenshilfebayern.de/ .../lhlvbayern stellungnahme schulbegleitung jan13.pdf). Dies könnte jedoch bedeuten, dass eine Bewilligung von Leistungen, welche sich an den vom Beklagten zugrunde gelegten (pauschalen) Vorgaben orientiert, im Einzelfall dazu führt, dass die Ziele der Eingliederungshilfe (§ 53 Abs. 3 SGB XII) verfehlt werden.
Nach alledem wird der Beklagte, ggf. im Anschluss an ergänzende Ermittlungen, (erneut) eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Leistungshöhe (Stundensatz) zu treffen haben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
6. Gegen dieses Urteil ist gem. § 143 SGG das Rechtsmittel der Berufung eröffnet.
II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
III. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen der Eingliederungshilfe (Persönliches Budget).
Bei dem im Jahre 2002 geborenen Kläger wurden eine allgemeine Entwicklungsstörung, insbesondere im Bereich der Sprache, und eine deutliche und durchgängige soziale Beeinträchtigung bei Verdacht auf frühkindlichen Autismus und Epilepsie diagnostiziert. Mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales wurde ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt.
Der Kläger besucht seit September 2009 die integrative Montessorischule "Aktion Sonnenschein" in B-Stadt mit dem Förderschwerpunkt "geistige Entwicklung".
Mit am 02.06.2009 eingegangenem Schreiben vom 28.05.2009 beantragte der Vater des Klägers für diesen die Bewilligung von Hilfen im Schulalter, insbesondere Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers als pädagogische Fachkraft.
Am 14.09.2009 schlossen die Beteiligten eine Zielvereinbarung für ein Persönliches Budget mit einer Laufzeit bis zum 31.07.2010. Im Zusammenhang damit erließ der Beklagte den Bescheid vom 14.09.2009 über die Gewährung von Eingliederungshilfe. Auf der Grundlage einer erneuten Zielvereinbarung wurden diese Leistungen mit Bescheiden vom 07.07.2010 und vom 15.07.2010 für die Zeit vom 01.09.2010 bis zum 31.08.2011 weiter gewährt.
Mit am 26.05.2011 eingegangenem Schreiben beantragten die Eltern des Klägers für diesen Leistungen der Eingliederungshilfe, insbesondere die Kostenübernahme für eine pädagogische Fachkraft während der gesamten Schulzeit im Rahmen eines Persönlichen Budgets. Zur Begründung führten sie aus, der Einsatz eines Integrationshelfers im bisherigen zeitlichen Rahmen (10,5 Zeitstunden pro Woche) sei nicht ausreichend, um das Ziel einer angemessenen Schulbildung zu erreichen. Es habe sich mittlerweile herausgestellt, dass beim Kläger entgegen den bisherigen Annahmen offenbar keine gravierende geistige Behinderung vorliege. Ausgehend davon, müsse das Ziel nunmehr die Integration des Klägers in eine normale Grundschulklasse sein. Dies führe aber zu einem höheren Förderbedarf, den die Klassenlehrerin allein nicht abdecken könne. Die Eltern des Klägers legten dem Beklagten eine Stellungnahme der Lehrerin D. vom 24.05.2011 vor.
Mit Bescheid vom 14.07.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 13.09.2011 bis zunächst zum 31.07.2012 dem Grunde nach Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget für 23,75 Stunden pro Woche und stellte fest, dass für die Tätigkeit der Schulbegleitung eine pädagogische Hilfskraft notwendig sei. Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 20.07.2011 Widerspruch, "soweit anstatt der beantragten Integrationshilfe in Form einer pädagogischen Fachkraft lediglich eine pädagogische Hilfskraft gewährt wurde und soweit hinsichtlich der beantragten 27,5 Stunden lediglich 23,75 Stunden genehmigt wurden". Eine ausführliche Begründung des Widerspruchs erfolgte mit Schriftsatz vom 22.07.2011.
Am 26.07.2011 fand ein persönliches Gespräch der Beteiligten statt; dieses ist auf Blatt 141f der Behördenakte dokumentiert. Inhalt des Gesprächs war unter anderem die Möglichkeit der Teilung einer Fachkraft mit einem anderen Kind (Leistungsempfänger).
Am 16.08.2011 reichte der Vater des Klägers die vom Beklagten vorbereitete Zielvereinbarung mit einer Geltungsdauer vom 13.09.2011 bis 31.07.2012 mit seiner Unterschrift versehen zurück, verbunden mit der Bitte, den vom Beklagten dort festgesetzten Stundensatz in Höhe von 22,00 EUR zu erläutern, da dieser für eine angestellte Fachkraft viel zu niedrig erscheine. Er müsse sich daher vorbehalten, gegen den zu erwartenden Be-scheid hinsichtlich der Leistungshöhe Widerspruch einzulegen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Blatt 155 der Behördenakte des Beklagten Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 17.08.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget für die Zeit vom 13.09.2011 bis 31.07.2012 in Höhe von 2.068,00 EUR monatlich (ausgehend von einem Stundensatz von 22,00 EUR) zur Finanzierung einer Schulbegleitung. Die vom Klägervertreter unterzeichnete Zielvereinbarung – in der unter anderem geregelt ist, dass für die Schulbegleitung eine (pädagogische) Fachkraft erforderlich ist – sei Bestandteil des Bescheides. Am 23.08.2011 legte der Vater des Klägers hiergegen Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf sein "Schreiben vom 18.08.2011" (gemeint ist: 16.08.2011). Es sei unmöglich, für einen Stundenbruttolohn in Höhe von 16,50 EUR eine pädagogische Fachkraft anzustellen. Mit Bescheid vom 11.04.2012 wies die Regierung von Oberbayern den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.08.2011 zurück.
Mit am 20.04.2012 beim Beklagten eingegangenem Schriftsatz erklärte der Vater des Klägers die Anfechtung der Zielvereinbarung vom 16.08.2011 "wegen arglistiger Täuschung und Drohung"; seine Ausführungen im Detail sind Blatt 210ff der Behördenakte zu entnehmen.
Am 11.05.2011 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 17.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.04.2012 beim Sozialgericht München Klage erhoben. Die ausführliche Begründung ist Blatt 11ff der Gerichtsakte zu entnehmen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 17.08.2011 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 11.04.2012 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Gericht lagen die Behördenakten des Beklagten bei seiner Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Der hier streitige Anspruch, dessen Voraussetzungen dem Grunde nach vom Beklagten nicht bestritten werden, ergibt sich aus §§ 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 57 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Verbindung mit § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV), § 17 Abs. 2 bis 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und §§ 1ff Budget-Verordnung (Budget-V).
a) Gem. § 53 Abs. 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Gem. § 53 Abs. 3 SGB XII besteht die besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe darin, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.
b) Leistungen der Eingliederungshilfe sind gem. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt. Gem. § 57 SGB XII können Leistungsberechtigte nach § 53 SGB XII auf Antrag Leistungen der Eingliederungshilfe auch als Teil eines trägerübergreifenden Persönlichen Budgets erhalten. § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX in Verbindung mit der Budget-V und § 159 SGB IX sind insoweit anzuwenden.
2. Im vorliegenden Fall hat der Kläger Anspruch auf Schulbegleitung durch eine pädago-gische Fachkraft, da dies erforderlich ist, um ihm den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder jedenfalls zu erleichtern (§ 12 Nr. 1 EinglHV).
3. Hinsichtlich der Auswahl der Leistungen der Eingliederungshilfe hat der Beklagte gem. § 17 Abs. 2 SGB XII einen Ermessensspielraum (siehe Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.11.2012, L 7 SO 4186/12 ER-B, in: juris). Dieses Ermessen hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 17.08.2011 nicht in rechtsfehlerfreier Weise ausgeübt. Er war deshalb zu verpflichten, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
a) Der Beklagte hat in dem Bescheid vom 17.08.2011 hinsichtlich der Höhe der zu erbrin-genden Leistungen (Stundensatz) keine Ermessenserwägungen angestellt, sondern in-soweit lediglich auf die mit dem gesetzlichen Vertreter des Klägers geschlossene Zielvereinbarung Bezug genommen. Darin wird der Berechnung des Budgets ein "Pauschalvergütungssatz" für eine fest angestellte Pflegekraft in Höhe von 22,00 EUR pro Stunde zugrunde gelegt. Dies genügt nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermes-sensbetätigung.
b) Dem steht insbesondere nicht (wie von der Regierung von Oberbayern im Widerspruchsbescheid vom 11.04.2012 angenommen) bereits der Umstand entgegen, dass der gesetzliche Vertreter des Klägers am 16.08.2011 die vom Beklagten vorbereitete Zielvereinbarung unterzeichnet hat.
Richtig ist, dass es sich bei der Zielvereinbarung gem. § 4 BudgetV um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne der §§ 53ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) handelt, welcher grundsätzlich Bindungswirkung entfaltet. Fraglich ist hier jedoch bereits, ob auch über den darin festgelegten Stundensatz eine wirksame Einigung erzielt wurde, weil der gesetzliche Vertreter des Klägers in seinem gleichzeitig mit der unterschriebenen Vereinbarung beim Beklagten eingegangenen Schriftsatz vom 16.08.2011 deutlich ge-macht hat, dass er mit der Höhe dieses Stundensatzes nicht einverstanden war (§ 61 Satz 2 SGB X in Verbindung mit §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB). Dies kann jedoch dahinstehen, weil die in der Zielvereinbarung (Punkt 3) getroffene Regelung über die Höhe des Persönlichen Budgets, auch wenn darüber eine vertragliche Einigung zu-stande gekommen sein sollte, jedenfalls gem. § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 134 BGB nichtig wäre. Die Nichtigkeit der Regelung über den Stundensatz von 22,00 EUR lässt allerdings gem. § 58 Abs. 3 SGB X die Wirksamkeit der Zielvereinbarung im Übrigen unberührt, weil anzunehmen ist, dass sie (bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln) auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.
Gem. § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Nichtig ist danach insbeson-dere eine vertragliche Regelung des Anspruchs auf Leistungen der Eingliederungshilfe, soweit eine solche Regelung nach den gesetzlichen Vorgaben durch eine (rechtsbehelfsfähige) Entscheidung der Verwaltung, also durch Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) er-folgen muss.
Gem. § 4 Abs. 1 BudgetV wird die Zielvereinbarung zwischen der Antrag stellenden Per-son und dem Beauftragten (dies ist hier der Beklagte) abgeschlossen. Sie enthält mindestens Regelungen über (1.) die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, (2.) die Erforderlichkeit eines Nachweises für die Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs sowie (3.) die Qualitätssicherung.
Gem. § 4 Abs. 2 BudgetV können die Antrag stellende Person und der Beauftragte die Zielvereinbarung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich kündigen, wenn ihnen die Fortsetzung nicht zumutbar ist. Ein wichtiger Grund kann für die Antrag stellende Person insbesondere in der persönlichen Lebenssituation liegen. Für den Beauftragten kann ein wichtiger Grund dann vorliegen, wenn die Antrag stellende Person die Vereinbarung, insbesondere hinsichtlich des Nachweises zur Bedarfsdeckung und der Qualitätssicherung nicht einhält. Im Falle der Kündigung wird der Verwaltungsakt aufgehoben. § 4 Abs. 3 BudgetV bestimmt, dass die Zielvereinbarung im Rahmen des Bedarfsfeststellungsverfahrens für die Dauer des Bewilligungszeitraumes der Leistungen des Persönlichen Budgets abgeschlossen wird, soweit sich aus ihr nichts Abweichendes ergibt.
Aus diesen Vorgaben geht klar hervor, dass der Sinn und Zweck der Zielvereinbarung vor allem darin liegt, eine zweckentsprechende Verwendung des zur Verfügung gestellten Budgets sicherzustellen, nicht aber darin, die Behördenentscheidung als Ganze vorweg zu nehmen mit dem Ergebnis, dass dem regelmäßig mit einer schwächeren Verhandlungsposition ausgestatteten Leistungsempfänger jeglicher Rechtsschutz verlorengeht. Wollte man die Regelung der Leistungshöhe im Wege der Zielvereinbarung zulassen, so könnte dies dazu führen – wie auch im vorliegenden Fall von der Klägerseite vorgetragen – dass sich der Leistungsempfänger auf eine für ihn ungünstige Regelung einlässt, weil er ansonsten befürchten müsste, dass überhaupt keine Vereinbarung zustande kommt. Es bestünde also die Gefahr einer "Erpressbarkeit" des Leistungsempfängers, mit der Folge, dass die Behörde die Bewilligung von aus der Sicht des Anspruchsberechtigten nicht bedarfsdeckenden Leistungen, eingekleidet in die Form einer "Vereinbarung", einseitig durchsetzen könnte.
4. Der Bescheid vom 17.08.2011 ist nach alledem insoweit rechtswidrig, als der Beklagte darin über die Leistungshöhe keine Ermessensentscheidung getroffen hat.
a) Selbst wenn man unterstellte, dass die Bezugnahme auf den nichtigen Teil der Zielvereinbarung eine Ermessensentscheidung darstellen könnte mit dem Inhalt, dass entsprechend der internen Handlungsanleitung des Beklagten (siehe Blatt 185ff Behördenakte) ein "Pauschalvergütungssatz" von 22,00 EUR pro Stunde zugrunde gelegt wird, so hätte der Beklagte sein Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt. Es bestehen nämlich auch aus der Sicht des Gerichts Zweifel, ob der Kläger in der Lage ist, zu diesen Konditionen eine pädagogische Fachkraft zu beschäftigen.
b) Die in Form des Persönliches Budgets gem. § 57 SGB XII bewilligten Leistungen müs-sen so bemessen sein, dass der Leistungsberechtigte damit seinen Bedarf an Eingliederungshilfe tatsächlich decken kann (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX). Behauptet der Leistungsberechtigte – wie hier – schlüssig und substantiiert, dass es ihm nicht möglich ist, mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geld eine geeignete Kraft anzustellen, so muss die Behörde grundsätzlich Leistungen in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten gewähren, wenn sie nicht in der Lage ist, dem Leistungsberechtigten gleich geeignete, günstigere Alternativen konkret aufzuzeigen (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).
c) Dem steht insbesondere nicht § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX entgegen, wonach die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten soll. Der Beklagte hat insoweit argumentiert, der von ihm zugrunde gelegte Stundensatz von 22,00 EUR orientiere sich an dem Satz, der zwischen dem Beklagten und der Lebenshilfe Bayern für die Bereitstellung einer Fachkraft vereinbart worden sei. Zwar trifft es zu, dass der mit dem Persönlichen Budget verbundene Geldleistungsanspruch des behinderten Menschen jedenfalls im Regelfall nicht zu einer Kostensteigerung für die ansonsten gleiche Leistung führen soll (siehe Bundessozialgericht, Urteil vom 31.03.2012, B 2 U 1/11 R, Rn. 43 in: juris). Dies ändert jedoch – abgesehen davon, dass die dem Kläger mit Bescheid vom 17.08.2011 zuerkannten Leistungen zuvor nicht anderweitig "festgestellt" wurden, wie dies § 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX fordert – nichts daran, dass der Kläger eine realistische Möglichkeit haben muss, mit dem ihm zur Verfügung gestellten Geld seinen sozialhilferechtlichen Bedarf deckende Leistungen "einzukaufen", ohne gezwungen zu sein, "Dumpinglöhne" zu zahlen oder gegen arbeitsrechtliche Vorschriften zu verstoßen.
Die Lebenshilfe, Landesverband Bayern, beklagt in einer Stellungnahme vom 25.01.2013 (zur Anhörung der Ausschüsse für Soziales, Familie und Arbeit sowie Bildung, Jugend und Sport zum Thema "Schulbegleitung in Bayern" am 31. Januar 2013), dass das Eltern-Arbeitgeber-Modell eine "enorme Belastung für Eltern" bedeute und die üblicherweise bewilligte Vergütung dazu führe, dass "Eltern zu den aktuellen Bedingungen kaum Personen finden, die diese Aufgaben übernehmen, bzw. die Fluktuation aufgrund der niedrigen Vergütung sehr hoch ist". Die derzeitige Praxis habe "massive Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Arbeitsverträge der Schulbegleitungen", mit der Folge der Entstehung "prekärer Arbeitsverhältnisse". All dies wirke sich zulasten der begleiteten Kinder und der Schulklassen aus (www.lebenshilfebayern.de/ .../lhlvbayern stellungnahme schulbegleitung jan13.pdf). Dies könnte jedoch bedeuten, dass eine Bewilligung von Leistungen, welche sich an den vom Beklagten zugrunde gelegten (pauschalen) Vorgaben orientiert, im Einzelfall dazu führt, dass die Ziele der Eingliederungshilfe (§ 53 Abs. 3 SGB XII) verfehlt werden.
Nach alledem wird der Beklagte, ggf. im Anschluss an ergänzende Ermittlungen, (erneut) eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Leistungshöhe (Stundensatz) zu treffen haben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
6. Gegen dieses Urteil ist gem. § 143 SGG das Rechtsmittel der Berufung eröffnet.
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