S 36 AS 424/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
36
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 36 AS 424/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 1978/10
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung einer Steuerrückerstattung als Einkommen auf den Bedarf des Klägers zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Kläger beziehen laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.

Im April 2009 erhielt der Kläger zu 1) eine Einkommensteuererstattung in Höhe von 8875,20 EUR.

Mit Bescheid vom 24.08.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.01.2010 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum September 2009 bis Februar 2010. Hierbei wurde beim Kläger zu 1) ein Einkommen in Höhe von 739,60 EUR berücksichtigt und auf die Bedarfsgemeinschaft aufgeteilt. Die Beklagte teilte hierbei die Einkommensteuererstattung auf 12 Monate auf. Von dem Betrag in Höhe von 739,60 EUR zog die Beklagte noch einen Betrag in Höhe von 30,00 EUR als Versicherungspauschale gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-V ab und errechnete so ein monatlich anrechenbares Einkommen in Höhe von 709,60 EUR.

Gegen diese Entscheidung erhoben die Kläger am 14.09.2009 Widerspruch mit der Begründung, dass der Kl. zu 1) der Beklagten unmittelbar nach Erhalt der Einkommensteuererstattung dies mitgeteilt habe. Außerdem sei das Geld zur Tilgung eines Darlehens verwandt worden und stehe daher nicht mehr zur Verfügung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2009 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Rückerstattung sei auf 12 Monate verteilt worden. Auch sei die Versicherungspauschale monatlich in Abzug gebracht worden. Etwaige Schulden könnten indes nicht berücksichtigt werden.

Daraufhin erhoben die Kläger am 02.12.2009 Klage beim Sozialgericht Duisburg mit der Begründung, die Anrechnung der Einkommenssteuererstattung sei nicht rechtmäßig, da das Geld vollumfänglich zur Tilgung von Schulden verwendet worden sei und es daher der Bedarfsgemeinschaft zu keinem Zeitpunkt zur Verfügung gestanden habe.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom 24.08.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2009 abzuändern und den Klägern für den Zeitraum September 2009 bis Februar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe ohne Anrechnung der Steuerrückerstattung vom 21.04.2009 als Einkommen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, dass bei der Anrechnung von Einkommen Schulden nicht zu berücksichtigen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten Bezug genommen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im wesentlichen unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 24.08.2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 20.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2009 ist nicht rechtswidrig. Die Kläger sind nicht gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert.

Für den Zeitraum September 2009 bis Februar 2010 ergibt sich aus der Einkommenssteuererstattung für die Kläger ein monatliches, anrechenbares Einkommen in Höhe von 709,60 EUR.

Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Ausgenommen sind kraft Gesetzes jedoch die in § 11 Abs. 1 SGB II sowie in § 11 Abs. 3 SGB II und § 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) genannten Leistungen und Zuflüsse. Demgegenüber sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 1 SGB II). Da das Gesetz eine weitergehende Definition der Begriffe Einkommen und Vermögen nicht enthält, erfolgt die Abgrenzung nach der bereits zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) entwickelten sog. Zuflusstheorie (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.03.2006, Az.: L 20 B 72/06 AS; Mecke, Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rdnr. 21 m.w.N.; zum BSHG: BVerwG, Urteil vom 18.02.1999, Az.: 5 C 35/97; Urteil vom 19.02.2001, Az.: 5 C 4/00). Danach ist Einkommen alles, was dem Leistungsberechtigten während eines Bedarfszeitraums zufließt. Demgegenüber ist als Vermögen im Sinne eines Bestandes von Sachen und Rechten alles anzusehen, was der Hilfebedürftige bei Beginn des Leistungsbezuges bereits hat oder was er nach Beginn des Leistungsbezugs aus der Verwertung eines Vermögensgegenstandes erhält (BVerwG, Urteil vom 18.02.1999, a.a.O.). Eine ähnliche Abgrenzung nimmt auch das BSG im Arbeitsförderungsrecht vor, indem es als Einkommen all das ansieht, was zufließt, während als Vermögen ein Bestand von Sachen und Rechten (mit Geld oder Geldeswert) in der Hand des Berechtigten anzusehen ist (BSG, Urteil vom 11.02.1976, Az.: 7 RAr 159/74, BSGE 41, 187 ff., 188; Urteil vom 20.06.1978, Az.: 7 RAr 47/77, SozR 4100 § 138 Nr. 3). Dieser Differenzierung ist auch für den Anwendungsbereich des SGB II zu folgen. Entscheidend ist somit einzig, ob der Wert bereits vor Leistungsbezug vorhanden war - dann ist dieser als Vermögen einzuordnen - oder ob er erst während des Leistungsbezugs erlangt worden ist, dann handelt es sich um Einkommen (BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az.: B 4 AS 29/07 R m.w.N.; LSG NRW, Urteil vom 20.08.2007, Az.: L 20 AS 99/06).

Dies zugrundelegend, handelt es sich auch bei einer Steuerrückerstattung um Einkommen im Sinne des § 11 SGB II, welches zu einem früheren Zeitpunkt fällig gewesen wäre, wenn der Erstattungsberechtigte eine andere steuerrechtliche Disposition getroffen hätte. Es handelt sich daher unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Dispositionsmöglichkeiten nicht um bereits erlangte Einkünfte, welche zur Vermögensbildung angespart worden sind und deren Auszahlung einen Rückfluss von Vermögen darstellt, sondern um Einkommen, welches regelmäßig erst nach Abschluss des Steuerfestsetzungsverfahrens erlangt werden konnte (BSG, Urteil vom 30.09.2008, a.a.O.; Urteil vom 16.12.2008, a.a.O.). Auf Grund der Steuerrückerstattung minderte sich die Hilfebedürftigkeit der Klägers im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II im hier streitigen Zeitraum vom 01.09.2009 bis zum 28.02.2010 um das berücksichtigungsfähige Einkommen in Höhe von monatlich 709,60 EUR (739,60 EUR Einkommen, abzgl. 30 EUR gem. § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG II-VO).

Einer bedarfsmindernden Berücksichtigung der Einkommensteuererstattung steht auch nicht entgegen, dass die Kläger die Steuererstattung zur Schuldentilgung verwendet haben. Im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden sind nicht vom Einkommen abzusetzen. Abgesehen davon, dass § 2 Abs. 3 Satz 2 ALG II-V in Verbindung mit § 11 Abs. 2 SGB II abschließend regelt, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, bevor es der Aufteilung unterfällt, ist Einkommen zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Für ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gilt dieses selbst dann, wenn es sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.6.2006, Az.: L 29 B 314/06; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.02.2007, Az.: L 12 AS 12/06). Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann eingreifen soll, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel verbraucht haben (BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az.: B 4 AS 29/07 R und BSG, Urteil vom 15.04.2008, Az.: B 14 AS 27/07 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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