S 30 VS 4/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VS 4/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 6/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 13.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2005 und des Bescheides vom 07.03.2011 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist eine Soldatenversorgung wegen strahlenbedingter Erkrankungen des Klägers nach seinem Einsatz in einer Radarstation. Der Kläger ist geboren am XX.XX. 1945. Er gehörte der Bundeswehr von 07.01.1964 bis 06.01.1970 an. Am 14.01.2002 beantragte er die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung wegen einer umfassenden Symptomatik mit den Elementen einer Schmerzkrankheit, psychischer Probleme, einer hochgradigen Einschränkung der Zeugungsfähigkeit, Schwellungen im Bereich von Magen und Darm, multiplen Entzündungen und Ekzemen, eines Zahnausfalls, eines permanenten Juckreizes und umfassender Augenprobleme. Mehrere Schulteroperationen seien erforderlich geworden. Außerdem führte der Kläger die Epilepsie seiner Tochter unter Vermutung der Weitergabe geschädigten Erbguts auf wehrdienstbedingte Einflüsse zurück. Diese habe er durch Hochfrequenz- und Röntgen-strahlen sowie durch die Konfrontation mit radioaktiven Leuchtschriften als Bediener und Elektrotechniker der Radarstation eines Flugabwehrraketen-Bataillons erlitten. Die Wehrbereichsverwaltung nahm am 25.02.2002 eine Ersatzdosisberechnung vor, die auf eine jährliche Belastung des Klägers zwischen 1,0 und 7,6 Milli-Sievert (mSv) und eine Gesamtbelastung von 31,7 mSv kam. Der Vergleichsgrenzwert von 1,0 für die ganze Bevölkerung wurde mit der ermittelten Jahresdosis als überschritten erachtet. Am 06.03.2002 wurde eine versorgungsmedizinische Stellungnahme über den Zusammenhang der Gesundheitsstörungen des Klägers mit ionisierender Strahlung gefertigt. Ein solcher Zusammenhang wurde verneint insbesondere mit der Begründung, dass beim Kläger kein bösartiges Geschwulstleiden aufgetreten war. Mit Bescheid vom 13.03.2002 lehnte der Beklagte die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung sowie Leistungsansprüche mit der Begründung ab, eine festgestellte chronische Multimorbidität sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung. Der hiergegen erho-bene Widerspruch argumentierte mit einer Beweislastumkehr, wonach der Beklagte die Nichtverursachung der Gesundheitsstörungen des Klägers durch Wehrdienstumstände beweisen müsse. Nachgereicht wurde ein Attest über einen Katarakt (grauer Star). Mit Bescheid vom 14.05.2002 wiederholte der beigeladene Freistaat die Ablehnung mit Bezug auf Leistungsansprüche des Klägers nach seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens wurde am 28.09.2009 eine versorgungsmedizinische Stellungnahme zur augenheilkundlichen Fragestellung eingeholt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Linsentrübungen im Alter von 58 Jahren nicht im Zusammenhang mit der 1970 beendeten Möglichkeit einer Strahlenexposition stünden. Auf dieser Basis wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2005 zurück.

Zur Begründung wurde ausgeführt, nach der herrschenden Meinung in den medizinischen Wissenschaften, die auch durch den Bericht der vom Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eingesetzten Radarkommission bestätigt wurde, seien als qualifizierende Krankheiten aufgrund ionisierender Strahlung ausschließlich Katarakte und maligne Tumoren – mit Ausnahme der chronischen lymphatischen Leukämie – anzusehen. Aus-genommen der vom Kläger geltend gemachten Linsentrübung gehörten die geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht zu den oben genannten Erkrankungen; ein Ursa-chenzusammenhang zwischen einer etwaigen Strahleneinwirkung während der dienstlichen Tätigkeit des Klägers und seinen Erkrankungen sei somit auszuschließen. Die vom Kläger weiterhin geltend gemachte Gesundheitsstörung Linsentrübung (beginnender beidseitiger Katarakt) sei nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Zwar gehöre die Gesundheitsstörung Katarakt zu den qualifizierenden Erkrankungen nach den von der Radarkommission vorgegebenen Kriterien, jedoch seien nach dem oben genannten Bericht bei der Prüfung, ob ionisierende Strahlung ursächlich für eine Erkrankung ist, weitere Faktoren zu berücksichtigen. Dazu gehöre insbesondere ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Expositionsbeginn und Auf-treten der Linsentrübung, der den allgemeinen Erfahrungen und den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die biologischen Abläufe bei dem Entstehen des Leidens entspricht und der deshalb im Rahmen einer Anerkennung nicht überschritten sein dürfe. Die Tätig-keit des Klägers an Radargeräten habe 1970 geendet, die o.g. Krankheit seit 2001 diagnostiziert worden. Nach der erneut eingeholten versorgungsmedizinischen gutachtlichen Stellungnahme aufgrund des Widerspruchsvorbringens sei bei diesem Zeitraum kein zeitlicher und damit auch kein ursächlicher Zusammenhang zu einer etwaigen Strahlenexposition gegeben. Hiergegen richtet sich die am 22.02.2005 erhobene Klage. Das Gericht ernannte den Arbeitsmediziner Dr. E. zum medizinischen Sachverständigen und ersuchte ihn um ein Gut-achten zu den Gesundheitsstörungen des Klägers und ihrer möglichen Verursachung durch eine Wehrdienstbeschädigung. Das Gutachten wurde dem Gericht unter dem Datum vom 27.09.2009 vorgelegt. Es protokollierte eine außerordentliche Breite vorgetragener und von anderer Seite attestierter Gesundheitsstörungen.

Es gelangte zu folgenden Diagnosen:

1. Kardiomegalie mit Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern
2. Chronisch obstruktive Atemwegserkrankung
3. Neurasthenisches Psychosyndrom mit rezidivierender depressiver Störung und Somatisierungsstörung
4. V.a. seronegative Spondyloarthritis bei asymmetrischer Oligoarthritis mit Daktylitis am rechten Mittelfinger DD: Psoriasisarthritis
5. Hochgradige Einschränkung der Zeugungsfähigkeit (Kryptozoospermie) (ED:27.10.2001)
6. Intermittierende Miktionsbeschwerden
7. Z.n. linsengroßer Schwellung im Zökumbereich und stecknadelkopfgroßen Polypen im Sigmabereich
8. Z.n. Hb- und kreislaufwirksamer oberer gastrointestinaler Blutung Forrest IB aus einem Ulkus im Antrum
9. Varikose beidseits
10. Rezidivierendes Perianalekzem
11. Hämorrhoidalleiden
12. Rezidivierende Analfissuren
13. Permanenter Juckreiz mit urtikarieller Haut, Sonnenallergie und Pollenallergie sowie nässenden Hauterscheinungen in der Leistengegend
14. Z.n. Zahnausfall im Bereich von Ober- und Unterkiefer, mit Totalprothese seit 15 Jahren versorgt
15. Z.n. mehrfachen Schulteroperationen beidseits mit dauerhafter Bewegungseinschränkung
16. Hochgradige Beschwerden im Bereich der gesamtem Wirbelsäule im Sinne eines Wirbelsäulensyndroms
17. Myopie, Astigmatismus, Presbyopie sowie beginnende Linsentrübung beidseits
18. V.a. Diabetes mellitus
19. Katarakt (ED: 2001)

Eine haftungsbegründende Kausalität bejahte der Sachverständige im Hinblick auf die Strahlenexposition. Eine haftungsausfüllende Kausalität verneinte er jedoch, weil bezüglich des Katarakts der Zeitabstand mit 31 Jahren zu groß sei und für die anderen Erkrankungen keine ausreichende Zuordnung zur Strahlenbelastung möglich sei. Hinsichtlich der geltend gemachten Einschränkung der Zeugungsfähigkeit wies das Gericht bei der Zuleitung des Gutachtens an die Beteiligten eigens darauf hin, dass der Kläger nach seiner Bundeswehrzeit drei Kinder gezeugt hat. Auf gerichtliche Anfrage hin teilte der Kläger mit, dass der Katarakt ausdrücklich als Schädigungsfolge geltend gemacht werde. Der mit dem Gutachten konfrontierte Kläger beantragte, im Verfahren nach § 109 Sozial-gerichtsgesetz (SGG) ein selbst vorfinanziertes Gutachten bei dem von ihm benannten Dr. F. einzuholen. Mit Schriftsatz vom 20.04.2010 erläuterte er in einem Umfang von 25 Seiten sein Bild von der Schädigungsabhängigkeit seiner Gesundheitsstörungen. Das gedankliche Prinzip seiner Ausführungen war letztlich die rhetorische Fragestellung, warum es zwischen den Erkrankungen und der Strahlenexposition keinen Zusammenhang geben solle. Am 24.09.2010 fertigte Dr. F. sein arbeitsmedizinisches und internistisches Gutachten. Es gelangte in wiederum ausführlicher Auseinandersetzung mit den einzelnen Krankheiten zu dem Ergebnis, dass für die notwendige haftungsausfüllende Kausalität keine "Möglichkeit" und kein "könnte" genügen würden. Im Sinne des geforderten Nachweises seien schädigende Ereignisse nicht festzustellen. Hierauf folgte klägerseitig am 07.12.2010 der erneute Antrag nach § 109 SGG nunmehr mit dem Begehren, die Medizin-Physikerin Prof. Dr. D. mit einer Begutachtung zu betrau-en. Dieses nichtärztliche Gutachten trägt das Datum vom 31.08.2011. Es beginnt mit der Behauptung, die meisten der geltend gemachten Gesundheitsstörungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die schädigenden Strahlenexpositionen an den Arbeitsplätzen des Klägers im Waffensystem HAWK verursacht worden. Als anzuerkennende Schädi-gungsfolgen listete die Sachverständige auf "Erkrankungen der Augen, Gonaden, des Herz-Kreislauf-Systems, der Psyche und des Nervensystems sowie des Magen/Darm-Takts, chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung, Erkrankungen des Skeletts und der Gelenke, Zahnausfall, Epilepsie bei einer Tochter". Zur Begründung gibt sie zu bedenken, eine plausible Erklärung für die vielfältigen Erkrankungsformen beim Kläger in relativ jungem Alter hätten die Gutachter Dr. E. und Dr. F. nicht angeboten. Er sei laut Musterungs-ergebnis bei seiner Einstellung mit 18 Jahren offensichtlich kerngesund gewesen. Nach neuen wissenschaftlichen Ergebnisse laut Publikationen aus der Zeit nach dem Bericht der Radarkommission von 2003 könne auch ein breites Spektrum an nichtmalignen chronischen Erkrankungen durch niedrige Dosen ionisierender Strahlung erzeugt werden, wenn diese langanhaltend auf den Organismus einwirkt. Mit einer rechnerischen Formel belegte sie sodann die Aussage, die Tatsache der Vielfacherkrankungen müsse bei der Abschätzung der Verursachungswahrscheinlichkeit berücksichtigt werden. Nach den ionisierenden Strahlungen machte sie auch die Hochfrequenzstrahlungen für breiteste Krankheitserscheinungen verantwortlich. Insbesondere die Entstehung des Katarakts sei nach verschiedenen literarisch belegten Studien mit einer Exposition gegenüber Mikrowellen in Zusammenhang zu bringen. Das Auftreten beim Kläger im Alter von erst 57 Jahren sei keineswegs typisch. Das Risiko für einen beidseitigen Katarakt steige erst jenseits der 60 deutlich an. Ohne sich mit dem beträchtlichen Lebensalter des Klägers auseinander-zusetzen, erklärt die Gutachterin auch die Fertilitätsstörung beim Kläger als mit überwie-gender Wahrscheinlichkeit strahlenbedingt. Unter Anwendung der Begriffe "Erbkrankheit", "Erbleiden" und "Erbschäden" postuliert die Physikerin sodann wegen des Ausschlusses von Hirnverletzungen und Hirntumoren bei der Tochter des Klägers auch die Verursachung ihres Anfallsleidens durch die Exposition des Klägers gegenüber ionisierenden Strahlen und Hochfrequenzstrahlungen.

Erfahrungen mit japanischen Atombombenüberlebenden und den "Liquidatoren" nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl sollen sodann belegen, dass die Anfälligkeit für nicht näher spezifizierte Herz- und Kreislauferkrankungen ebenfalls mit Wahrscheinlichkeit als strahleninduziert gelten müsse. Mit derselben Argumentation behauptet das Gutachten dies auch für Probleme des Magen-Darm-Trakts. Auf der Basis von Dokumentationen über die Folgen einer extremen Strahlenexposition durch das Unglück von Tschernobyl gelangt die Sachverständige sodann zu der Aussage, auch das depressive Syndrom "könne durchaus" die Folge der Strahlenexposition sein, ebenso wie ein Teil der anderen psycho-neurologischen Beschwerden. Dieselben Vermutungen erstreckt sie sodann auch auf die chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung, die Knochenschäden und dem Zahnausfall. In ihrer zusammenfassenden Bewertung argumentiert Frau Prof. Dr. D. erneut mit der Breite der gesundheitlichen Beschwerden des Klägers als Beleg für ihre Verursachung durch eine Kombination von Röntgen- und Hochfrequenzstrahlungen. Wegen des teilweisen Auftretens der Gesundheitsstörungen in einem bereits frühen Lebensalter des Klägers sei es nicht möglich, sie auf natürliche Verschleißerscheinungen zurückzuführen. Der Kläger habe in seinem Berufsleben keine schwere körperliche Arbeit verrichten müssen und auch die Grundausbildung bei der Bundeswehr gut überstanden, denn er sei noch drei Jahre danach im Alter von 22 Jahren fachärztlich als athletischer Typ beschrieben worden. In der Gesamtschau biete sich das Erscheinungsbild eines durch chronische Bestrahlung schwer geschädigten Menschen, wobei ein erheblicher Beitrag durch inkorporiertes Radium "anzunehmen" sei. Hierzu habe an den Arbeitsplätzen im HAWK eine hohe "Wahrscheinlichkeit" bestanden. Mit einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dr. J. widersprach die Beklagte dem Gutachten von Prof. Dr. D ... Über die grundsätzliche Strahlenbelastung des Klägers in der (als von institutioneller Seite unsensibel und unkritisch klassifizierten) "Phase I" von 1964 bis 1970 bestehe kein Dissens. Die Radarkommission habe jedoch eine Liste von Krankheiten/Gesundheitsstörungen erstellt, die mangels wissenschaftlicher Grundlagen nicht als strahlenbedingt anzusehen sei. Dazu würden im Falle des Klägers sämtliche geltend gemachten Gesundheitsstörungen außer dem beiderseitigen Katarakt und einer Fertilitätsstörung zählen, die jedoch durch die Zeugung dreier Kinder nach dem Wehrdienst widerlegt sei. Es komme nicht auf Stimmen in der medizinischen Forschung an, die eine weitergehende Anerkennung von Gesundheitsstörungen fordern, sondern auf die derzeit gültige allgemein anerkannte medizinisch-wissenschaftliche Lehrmeinung. Zu den Katarakten wird mitgeteilt, dass es sich nach der aktenkundigen Symptomatik um die einseitige Form eines Altersstars handele. Hierfür sei der Kläger mit 57 Jahren nicht zu jung gewesen. In einer erbetenen ergänzenden Stellungnahme vom 03.01.2012 setzte sich Dr. E. mit dem Gutachten von Prof. Dr. D. auseinander. Auch er verweist auf die Relevanz der gültigen medizinischen Lehrmeinung auch entgegen Einzelmeinungen im ständigen Fluss der medizinischen Forschung. Die Beurteilung eventueller Auswirkungen wehrdienstspezifi-scher Einflüsse können nicht dadurch ersetzt werden, dass Prof. Dr. D. jeweils keine andere plausible Erklärung für die vielfältigen Erkrankungsfor-men bei dem Kläger in relativ jungem Alter gibt. Mit einem Cataract incipiens gekenn-zeichnet durch einzelne kleine Vakuolen und eine mäßige Verdichtung der Linsenkerne und Linsenrinden handele es sich beim Kläger um eine einseitige Form des Altersstars in der Darstellungsform einer Catarakta corticalis. Antragsgemäß holte das Gericht auch noch eine ergänzende Stellungnahme von Frau Professor Dr. D. ein. Am 14.04.2012 erstellt bringt die Stellungnahme zunächst das Bedauern der Autorin darüber zum Ausdruck, dass es ihr nicht gelungen sei, bei den anderen Gutachtern Zweifel an der angegebenen Gesamt-Dosis von 67,1 mSv zu wecken. Sie erläutert dies zunächst am Beispiel der Leuchtfarben. Sie erklärte es weiterhin für bedauerlich, dass die Gutachter die möglichen Wirkungen der Radarstrahlen nicht diskutieren. Schon seit Jahrzehnten gebe es Hinweise auf biologische Wirkungen im Energiebereich auch unterhalb thermischer Effekte. Bislang seien sie abgelehnt worden, weil man sich keine Mechanismen vorstellen konnte, aufgrund derer Krankheiten ausgelöst oder gefördert werden könnte. Inzwischen lägen zahlreiche Ergebnisse aus der experimentellen Forschung vor, die die tumorpromovierenden und stoffwechselbeeinflussenden Wirkungen sowie die Änderungen elektrischen Potenziale in Zellen durch elektromagnetische Wellen unterhalb der thermischen Grenzen aufzeigten. Gegenüber der ergänzenden Stel-lungnahme von Dr. E. wiederholte sie, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines Strahlenschadens durch mehrere im Prinzip strahleninduzierbare Erscheinungen drastisch erhöhe, auch wenn bei isolierter Betrachtung des Einzelschadens keine überwiegende Wahr-scheinlichkeit vorliege. Bezüglich der Katarakte wiederholt sie die Argumentation, diese seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als strahlenbedingte Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen, weil es keine Kriterien und Indizien gebe, anhand derer sie sich als nicht strahlenerzeugt erklären ließen. Weitere Schriftsätze und ergänzende Stellungnahmen brachten zu den deutlich gewordenen Positionen keine bedeutsamen Neuigkeiten. Der Kläger erläuterte im September 2012 nochmals ausführlich seine Betrachtungsweise einer ausschließlichen Eignung der Strahlenbelastung zur Erklärung seiner zahlreichen Gesundheitsstörungen.

Die letzte Stellungnahme der Beklagten vom 17.10.2013 schließt mit der ärztlichen Äußerung von Dr. K.:

Unabhängig von den tatsächlichen wehrdienstlichen Strahleneinwirkungen des Klägers ist festzustellen, dass bei der Strahleneinwirkung unterhalb der Schwellendosis eine "Abschätzung des Risikos, nach Strahlenbelastung an anderen Krankheiten zu erkran-ken als Krebs und Leukämie, ist zurzeit nicht zuverlässig möglich. Auswertungen bei den Überlebenden der Atombombenabwürfe in Japan, bei exponierten Bevölkerungsgruppen in der ehemaligen Sowjetunion und bei Strahlentherapie-Patienten weisen allerdings darauf hin, dass auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen strahlenbedingt häufiger auftreten können. Ebenfalls in der Diskussion ist die Annahme, dass Katarakte (Linsentrübung der Augen) zu den deterministischen Strahlenschäden zählen. Auch hier es neue Erkenntnisse, die darauf hinweisen, dass Katarate bereits bei zehnfach niedriger Dosis auf-treten, als bis vor kurzem noch angenommen (0,7 Gray gegenüber fünf Gray). Es wird diskutiert, dass für diese Erkrankungen möglicherweise keine Schwellendosis existiert, sie also wie bösartige Neubildungen als stochastische Strahlenschäden anzusehen sind (Bez. 4.b.). (Anmerkung 0,7 Gray entspricht bei ionisierender Strahlung 0,7 Sv = 700 mSv)

Ergänzend soll auf die Wissenschaftliche Stellungnahme zu der Berufskrankheit Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung "Erkrankungen durch ionisierende Strahlen" hingewiesen werden (Bez. 5.). Dort wird festgestellt, dass "Neben Spätschäden der Haut und der Atemwege vor allem Leukämien und andere maligne (bösartige), ggf. auch benigne (gutartige) Tumoren, als strahlenbedingte Spätschäden bedeutsam" sind. "Die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Erkrankungen ist die dosisabhängig. Zu beachten sind als Strahlenspätschäden auch Katarakte Die wissenschaftliche Diskussion auf diesem Gebiet ist zur Zeit noch nicht abgeschlossen". Somit besteht aus versorgungsmedizinischer Sicht nach den hier anzuwendenden rechtlichen Grundlagen unter Berücksichtigung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstandes und des Ergebnisses der von der Öffentlich-rechtlichen Aufsicht berechneten Ersatzdosis kein wahrscheinlicher Kausalzusammenhang zwischen den wehrdienstlichen Einwirkungen ionisierender Strahlen des Klägers und den als WDB geltend gemachten Gesundheitsstörungen.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass nach dem aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstand durch Hochfrequenzstrahlung (Radarstrahlen) lediglich thermische Schäden bis hin zu Hautverbrennungen und deren Folgen einschließlich einer Augen-Linsentrübung (Grauer Star durch Wärmestrahlung "Strahlenstar" – Berufskrankheit mit der Nr. 2401) verursacht werden können. Blutbildveränderungen und Befindlichkeitsstörungen werden diskutiert. Bezüglich einer wehrdienstlichen Einwirkung von Hochfrequenzstrahlung bei dem Kläger liegt aktenkundig keine fachtechnische Stellungnahme vor, so dass diesbezüglich keine Kausaldiskussion erfolgen kann (siehe dazu auch Bericht der Radarkommission vom 02.07.2003, Ziffer 9.3.3 Hochfrequenzstrahlung).

Abschließend erlaube ich mir auf die von der Radarkommission in ihrem Bericht vom 02.07.2003 unter Ziffer 7.2, Seite 109.110 –Kriterien für die Anerkennung einer Erkrankung- erstellte Liste derjeniger (Gesundheits-) Störungen, die "als nicht strahlenbedingt anzusehen" sind, hinzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 22.04.2002 und des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2005 und des Bescheides vom 07.03.2011 zu verpflichten, die beim Kläger bestehenden Gesund-heitsstörungen (belastungsmindernde Funktionsstörungen von Nervensystem und Psyche, Augen, Gebiss, Haut, Herz, Magen, Dickdarm, Enddarm, Urogenitaltrakt, Gelenke, Wirbelsäle und Muskeln) als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen hierfür zu erbringen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Hilfsweise wird beantragt, den Beigeladenen unter Aufhebung des Bescheides vom 14.05.2002 zu verpflichten, die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen (belastungsmindernde Funktionsstörungen von Nervensystem und Psyche, Augen, Gebiss, Haut, Herz, Magen, Dickdarm, Enddarm, Urogenitaltrakt, Gelenke, Wirbel-säle und Muskeln) als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen hierfür zu erbringen ...

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten sowie des Beigeladenen beigezogen. Zur Ergän-zung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens beim örtlich und sachlich zuständigen Gericht erhoben und ist demgemäß zulässig. Sie ist jedoch gegen den Ausgangsbescheid und den Widerspruchsbescheid der Bundesrepublik Deutschland nicht begründet und gegen den Bescheid des Freistaates Bayern nicht zulässig. Rechtlich maßgeblich ist § 81 SVG. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

(1) Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. (2) – (5) (6) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt wer-den. (7)

Die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung setzt im Sinne anerkannter Grundsätze der Kausalitätsbeurteilung eine doppelte Feststellung voraus. Zunächst müssen im Zu-sammenhang mit der Verrichtung des Wehrdienstes irgendwelche zur Beeinträchtigung der Gesundheit des Soldaten geeignete Ereignisse oder Umstände wie etwa Feindeinwirkungen, ein Unfall, eine Vergiftung oder eine Einwirkung von Strahlen verifiziert worden sein. Sodann müssen Gesundheitsstörungen diagnostiziert sein, die ihrer Art nach auf feindliche Einwirkungen, Unfälle, Vergiftungen oder Strahlenexpositionen zurückgeführt werden können. Zu Gunsten des Klägers ist anerkannt, dass er in der anerkanntermaßen durch weitest-gehende Sorglosigkeit im Umgang mit Radioaktivität gekennzeichneten "Phase I" bei der Betreuung des Waffensystems HAWK ionisierenden Strahlen in einem Maße ausgesetzt war, das vermutlich damals schon nur durch institutionelle Fahrlässigkeit als noch tole-rierbar eingeschätzt wurde, nachträglich jedoch als hoch gesundheitsgefährdend klassifiziert ist. Weil die Beklagte ihrer Fallbehandlung gegenüber dem Kläger eine solche Strahlenexposition voraussetzt, muss das Gericht anders als von anwaltlicher Seite und von Frau Prof. Dr. D. gefordert nicht in eine weitere Ermittlung zur Strahlendosis eintreten. Eine solche Notwendigkeit würde sich nur ergeben, wenn die Anerkennung einer beim Kläger festgestellten Gesundheitsstörung an der Auffassung scheitern würde, dass diese Gesundheitsstörung im Prinzip durch eine Strahlenexposition verursacht werden kann, dass diese Exposition jedoch beim Kläger quantitativ ein für die Kausalitätsvermutung maßgebliches Mindestmaß nicht erreicht hat. Dies ist nicht der Fall. Der Kläger leidet nur unter einer einzigen Gesundheitsstörung, für die eine Verursachung durch ionisierende Strahlen und möglicherweise auch Hochfre-quenzstrahlung wissenschaftlich überhaupt als möglich gilt, wobei die Strahlenexposition jedoch bei weitem nicht die einzige vorstellbare Ursache ist. Dies ist das Kataraktleiden, laienhaft bekannt als "Grauer Star". Es handelt sich um eine häufig altersbedingt und auf-grund spezieller Schädigungen auch vorzeitig auftretende Trübung der im vorderen Be-reich des Auges angesiedelten Linse insbesondere durch Ablagerungen, Gefäßveränderungen oder Sklerosierungen. Dieses Leiden ist beim Kläger nicht in jungen Jahren aufge-treten, sondern wurde erstmals in der zweiten Hälfte seines sechsten Lebensjahrzehnts diagnostiziert und somit in einem dafür bereits typischen Lebensalter. Die Häufigkeit des Katarakts mit 56 oder 57 Jahren wird selbstverständlich nicht mit der Beobachtung wider-legt, dass sehr viele Menschen erst mit 70 oder 80 Jahren oder überhaupt nicht daran lei-den. Des Weiteren hat die medizinische Begutachtung des Klägers ergeben, dass es sich bei seiner Ausprägung des Katarakts um eine typisch altersbedingte und nicht charakteristisch traumatische Form handelt. Abschließend muss hierzu darauf hingewiesen wer-den, dass die Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung unter Nr. 4.2 den durch intraokuläre Kunstlinsen oder Kontaktlinse korrigierten Linsenverlust eines Auges bei einer Sehschärfe von 0,4 und mehr lediglich mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 10 bewertet. Nachdem eine funktionelle Sehstörung beim Kläger aufgrund des Katarakts weder vorgetragen noch festgestellt ist, wäre selbst bei mechanischer Addition der GdS-Werte wegen Linsenverlusts beider Augen noch kein zu einer Leistung berechtigender Gesamt-GdS erreicht. Der unspezifische Charakter ist auch das gemeinsame Merkmal aller übrigen vom Kläger als Wehrdienstbeschädigungen interpretierten Gesundheitsstörungen. Eine davon hat auch nur einen gänzlich abstrakten Rang ohne jede Bedeutung für die Lebensqualität des Klägers. Die hochgradige Einschränkung der Zeugungsfähigkeit ist für den mehr als 60 Jahre alten Vater von drei erwachsenen – nach der Zugehörigkeit zur Bundeswehr gezeugten – Kindern und ohne eine jemals mit einer Silbe erwähnte Absicht einer erneuten Familiengründung irrelevant. Für den allergrößten Teil der männlichen Bevölkerung jenseits des 50. Lebensjahres wird Erhaltung oder Reduzierung der Fertilität mangels Relevanz niemals untersucht.

Die Kardiomegalie, die Herzinsuffizienz mit Vorhofflimmern, die chronisch obstruktive Atemwegserkrankung, das neurasthenische Psychosyndrom, der Verdacht auf eine entzündliche Gelenkerkrankung, der Zahnausfall, Sehstörungen in den Ausprägungen von Myopie, Astigmatismus und Presbyopie, die Notwendigkeit mehrfacher Schulteroperatio-nen und hochgradige Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule gehören isoliert oder kombiniert zu den Standarddiagnosen der im Sozialgericht alltäglichen Verfahren um Rente wegen Erwerbsminderung oder um die Anerkennung einer Schwerbehinderung. So alltäglich die Beobachtung ist, dass Leiden dieser Art – der Katalog wäre mindestens noch um Hüftarthrosen, Hörminderungen, beginnenden Diabetes mellitus und chronifizierte Schmerzerkrankungen zu ergänzen – bei manchen Frauen und Männern schon recht bald nach Vollendung des 40. Lebensjahres auftreten, so unwiderleglich ist die Beobachtung, dass andere Menschen bis ins höchste Lebensalter weitgehend davon verschont bleiben. Befriedigende Erklärungen für letztlich schicksalhafte Unterschiedlichkeiten der gesundheitlichen Grundkonditionen und ihrer zeitlichen Stabilität kann die Medizin und muss die Rechtsprechung nicht liefern. Die Zuweisung einer Ursache kann nicht anhand der Frage gelingen, "warum denn dann sonst" ein bei der Musterung nachweislich noch gesunder Mann heute krank ist. Wenn die medizinische Wissenschaft für diese Frage kei-ne plausible Antwort liefert, kann sich die rechtliche Wissenschaft nicht mit einer ersatzweise heranzuziehenden unplausiblen Antwort begnügen. Eine Verursachung diese Gesundheitsstörungen oder auch nur eine Erhöhung des entsprechenden Risikos durch Strahlenbelastungen ist wissenschaftlich nicht belegt. Die von Frau Prof. Dr. D. in einen Zusammenhang mit Strahlenbelastungen gebrachten Krankheitsbilder sind viel zu unspezifisch, als dass damit ein Kausalitätsbeweis geführt werden könnte. Mit den Begriffen "Herz- und Kreislauferkrankungen" oder "psychische Störungen" benennt sie so breite Diagnosefelder der Medizin, dass auch die eine oder andere statistische Auffälligkeit beim zahlenmäßigen Vergleich von Schadensfällen und Krankheitsfällen ohne verwertbare Genauigkeit bleibt. Im Übrigen könnte auch eine vorliegend bezüglich keiner einzigen Gesundheitsstörung statistisch nachgewiesene Risikoerhöhung durch Strahlenbelastungen nicht das letzte Wort der Wissenschaft bleiben. Zu fordern ist nämlich auch ein wenn auch zunächst nicht unbedingt bewiesenes, aber doch nachvollziehbares "Modell", in welcher Weise Radioaktivität, elektromagnetische Schwingung, Wärme usw. auf Zellstrukturen einwirken. Als Beispiel sei die gutachtliche Auswertung des Anfallsleidens einer Tochter des Klägers erwähnt. Für die in den vergangenen Jahrzehnten gewiss sehr intensive Erforschung von Anfallsleiden wäre die Erkennung einer Genveränderung als Ursache ein epochaler Schritt.

Wiederum gänzliches Neuland würde mit der Entdeckung der Vererblichkeit einer solchen Veränderung beschritten. Eines weiteren Nobelpreises würdig wäre sodann der Nachweis einer traumatischen Verursachung dieser erblichen Gendefektes bei einem Elternteil. Angesichts einer solchen Anforderung an wissenschaftliche Beweisführung bleibt SchmitzFeuerhakes schlichte Deklaration der Epilepsie zum "Erbleiden" völlig wertlos. Ohne jede Nachvollziehbarkeit bleibt der von der Medizinphysikerin präsentierte Gedan-kengang, zwar für jeweils einzelne Gesundheitsstörungen den mangelnden Nachweis einer Strahlenabhängigkeit anzuerkennen, aufgrund der Häufung der jeweils unspezifischen Gesundheitsstörungen jedoch diesen Nachweis als erbracht anzusehen. Eine solche Gedankenführung kann in keiner Naturwissenschaft im weitesten Sinne einschließlich der Medizin Beachtung finden. Nachdem beispielsweise der über lange Zeit mit großem Auf-wand geführte Versuch gescheitert ist, Amalgamfüllungen der Zähne für zahlreiche Krankheiten von der Demenz bis zur Migräne und von der Depression bis zum Nierenversagen und von der Osteoporose bis zum Lungenkrebs verantwortlich zu machen, kann im Einzelfall selbstverständlich nicht diese Kausalität plötzlich dann bejaht werden, wenn ein Patient an mehreren der für sich genommen nicht von Amalgamfüllungen verursachten Leiden erkrankt ist. Nachdem der lange gehegten Verdacht einer Risikoerhöhung für Migräne, Magenleiden und Bluthochdruck durch den Konsum von Kaffee nicht bestätigt wer-den konnte, wird man selbstverständlich bei einem zufälligerweise an diesen drei Erscheinungen leidenden Menschen nicht doch zu einer solchen Kausalität gelangen können. Eine Beweislastumkehr in dem Sinne, dass die Beklagte jeweils die Unschädlichkeit der Wehrdienstbedingungen beweisen müsste, findet im Gesetz keine Grundlage. Unbeachtlich bleibt selbstverständlich auch die von Frau Prof. Dr. D. wiederholt bemühte Wahrscheinlichkeitstheorie eines "nicht auszuschließen" oder eines "durchaus vorstellbar". Selbstverständlich schreitet die wissenschaftliche Erkenntnis ständig fort. Nachdem noch vor wenigen Jahrzehnten in der Anwendung von Schwermetallen, Lösungsmitteln, Röntgenstrahlen, Asbest oder Glaswolle noch kein besonderes Risiko erkannt wurde, kann keineswegs ausgeschlossen werden, dass heute noch umstrittene oder gar völlig unbekannte Risikozusammenhänge künftig entdeckt werden. Pseudowissenschaft im Stile von Prof. Dr. D. trägt jedoch zu solchem Erkenntnisfortschritt nicht bei, sondern bedient ideologische Überzeugungen von der grundsätzlichen Gefährlichkeit modernen Teufelszeugs und von der allgegenwärtigen politisch-militärisch-industriell-wissenschaftlichen Verschwörung zum bedenkenlosen Einsatz dieses Teufelszeugs und zur Leugnung der Folgen. Die Opfer der Atombombenabwürfe in Japan 1945 und des Reaktorunglücks in Tschernobyl 1986 können gerade nicht als Kronzeugen für die Auswirkung niederschwelliger Radioaktivität gelten. Es sollte bekannt sein, dass diese Ereignisse zu extremsten und oftmals sogleich tödlichen Strahlenbelastungen geführt haben. Die bei diesen Opfern schon nach wenigen Stunden oder Tagen aufgetretenen schwersten Zerstörungen von Haut und Bindegewebe, Nervensubstanz und inneren Organen sind selbstverständlich nicht sinnvollerweise mit unspezifischen Haut-, Skelett- und Organbeschwerden im vorgerückten Alter zu vergleichen. Die für die Aufklärung des Sachverhaltes relevant gewesene Beweiserhebung endete mit der Einholung von zwei im Ergebnis völlig gleichlautenden medizinischen Gutachten. Gegen den Beigeladenen Freistaat ist die Klage mangels abgeschlossenen Vorverfahrens unzulässig. Wegen der materiell vollkommen eindeutigen Sachlage war es nicht erforderlich, den Beteiligten vor Urteilsfällung Gelegenheit zur Nachholung des Vorverfahrens zu geben. Seine Fortsetzung ist durch das vorliegende Urteil nicht beeinträchtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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