S 28 KA 696/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
28
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 KA 696/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 149/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Schiedsspruch vom 13.02.2012 zur Festlegung des Vertragsinhaltes eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V. Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Schiedsspruches bzw. die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Unbilligkeit.

Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der Beklagte ist ein Zusammen-schluss von hausärztlich tätigen Ärzten in Bayern und vertrat zum Zeitpunkt des Schiedsverfahrens mehr als 74% aller in Bayern tätigen Allgemeinärzte (Stand 03.01.2012).

Die Beteiligten schlossen am 12.02.2009 einen Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b SGB V, geändert durch Änderungs-vereinbarung vom 03.09.2009, der zum 01.04.2009 zu laufen begann (im Folgen-den: "HzV-Altvertrag").

Am 26.09.2009 schloss die Klägerin mit der BVKJ-Service GmbH, einer Gesell-schaft des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), einen "Vertrag zur Durchführung einer pädiatriezentrierten Versorgung" gem. § 73b SGB V ab (im Folgenden: "PzV-Vertrag"), der am 06.12.2011 mit Wirkung zum 01.01.2012 geändert wurde.

Nachdem der frühere Vorstand des Beklagten Ende 2010 alle Hausärzte Bayerns zum Systemausstieg aufrief, kündigte die Klägerin den HzV-Altvertrag mit Wirkung zum 31.12.2010. Einstweilige Rechtsschutzanträge des Beklagten zur Fortführung des HzV-Altvertrages blieben erfolglos.

Anschließende Gespräche in Form von mindestens 15 "Verhandlungs-" bzw. "Gesprächsrunden" der Beteiligten zwischen Januar und Juli 2011 zur Fortsetzung bzw. zum Neuabschluss eines Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung brachten keine Ergebnisse. Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 05.08.2011 die Verhandlungen für gescheitert und beantragte die Einleitung eines Schiedsverfahrens nach § 73b Abs. 4a Satz 1 SGB V. Die Beteiligten konnten eine Einigung über eine Schiedsperson nicht erreichen. Das BayStMUG bestimmte daraufhin mit Bescheid vom 22.09.2011 Herrn Dr. D. als Schiedsperson in den Vertragsverhandlungen zwischen den Beteiligten.

Im Rahmen des Schiedsverfahrens nahmen die Beteiligten ausführlich Stellung.

Mit Schiedsspruch vom 13.02.2012 setzte die Schiedsperson aufgrund der münd-lichen Verhandlungen vom 11.01.2012, 24.01.2012 und 31.01.2012 den Vertragsinhalt des Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V fest (im Folgenden: "HzV-Vertrag"). Der HzV-Vertrag trat am 15.02.2012 in Kraft und wurde zum 01.07.2012 finanzwirksam (§ 17 Abs. 1 HzV- Vertrag).

Zur Begründung führte die Schiedsperson u.a. an, dass der Inhalt eines Vertrages zur HzV nach billigem Ermessen festzusetzen gewesen sei. Der HzV-Vertrag sei in Anwendung des § 73b SGB V in der bis zum 21.09.2010 geltenden Fassung festzusetzen gewesen, da es sich um einen Anschlussvertrag, mithin nicht um einen "Neuvertrag" handele. Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund des HzV-Altvertrages durch die Klägerin zum 31.12.2010 stehe der Wertung als Anschlussvertrag nicht entgegen. Der Begriff der Anschlussvereinbarung in § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V sei nicht in dem Sinne zu verstehen, dass ein neuer HzV-Vertrag an den früheren HzV-Vertrag in zeitlicher Hinsicht anknüpfen müsse. Der Begriff der Anschlussvereinbarung sei im Sinne einer Folgevereinbarung zu verstehen. Dies entspreche auch der gesetzlichen Intention, den vor dem 21.09.2010 geschlossenen Verträgen und den Verträgen, die nach einer Kündigung des Vertrages diesen folgten, einen Bestandsschutz bis zum 30.06.2014 einzuräumen, um danach die Wirksamkeit dieser Verträge evaluieren zu lassen. Eine berechtige außerordentliche Kündigung eines HzV-Vertrages laufe aufgrund dieser Auslegung des Begriffs der Anschlussvereinbarung nicht ins Leere. Die Schiedsperson habe den HzV-Vertrag gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V, § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. der entsprechenden Anwendung von § 317 Abs. 1 Satz 1 BGB in Wahrnehmung des ihr zustehenden "billigen Ermessens" festgesetzt. Sie habe den HzV-Vertrag in Ausübung ihres billigen Ermessens als sog. Vollversorgungs- oder Bereinigungsvertrag und nicht als sog. Add-on-Vertrag festgelegt. Der Vollversor-gungsvertrag eröffne den Krankenkassen und den Hausarztgemeinschaften die Möglichkeit, strukturelle Verbesserungen in der Leistungserbringung für die Versicherten vorzunehmen. Die Add-on-Verträge böten demgegenüber regelmäßig nur punktuelle Ansätze bei Leistungsverbesserungen, könnten damit solche strukturellen Verbesserungen nicht gewährleisten. Die Schiedsperson habe auch berücksichtigt, dass auch für andere KÄV-Bezirke zuständige Schiedspersonen den Vertragsinhalt von HzV-Verträgen als Vollversorgungsverträge festgelegt hätten und dass im KÄV-Bezirk Bayern sowohl eine große Ersatzkasse als auch zahlreiche Betriebskrankenkassen auf freiwilliger Basis im Wege von Anschlussvereinbarungen Vollversorgungsverträge mit dem Beklagten abgeschlossen hätten und nicht zuletzt der HzV-Altvertrag zwischen den Beteiligten als Vollversorgungsvertrag ausgestaltet gewesen sei. Der festgelegte Vertragsinhalt entspreche den gesetzlichen Anforderungen an eine HzV und führe zu einer Verbesserung der hausärztlichen Versorgung der Versicherten im Verhältnis zur hausärztlichen Regelversorgung. Das von der Klägerin an die HzV-Hausärzte zu leistende Honorar werde auf ein Höchstvolumen von 70 Millionen EUR pro Jahr begrenzt. Mit dieser Honorarbegrenzung sei einem zentralen Anliegen der Klägerin Rechnung getragen worden. Der Schiedsspruch könne von den Beteiligten vor dem zuständigen Sozialgericht mit der Leistungsklage in der Form der Ersetzungsklage angefochten werden.

Die Klägerin hat den HzV-Vertrag mit Schreiben vom 24.06.2013 zum 30.06.2014 ordentlich – wirksam - gekündigt. Für die Festlegung des Vertragsinhaltes eines neuen HzV-Vertrages zwischen den Beteiligten, der an die Stelle des HzV-Vertrages, der mit Schiedsspruch vom 13.02.2012 festgesetzt wurde, treten soll, wurde die Schiedsperson Dr. E. bestimmt. Dieser erließ am 05.05.2014 einen Schiedsspruch, in dem u.a. festgesetzt wurde, dass bis zu dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines neuen HzV-Vertrages die Regelungen des zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten geltenden HzV-Vertrages und seiner Anlagen ihrem Inhalt nach – unbeschadet des Wirksamwerdens der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung - weiterhin Anwendung finden.

Die Klägerin hat am 04.07.2012 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Sie ist der Auffassung, dass der Schiedsspruch vom 13.02.2012 in zentralen Festset-zungen gegen materiell-rechtliche Vorgaben des SGB V und die gesetzgeberische Grundkonzeption einer hausarztzentrierten Versorgung verstoße. Nach dem Willen des Gesetzgebers stelle der Schiedsspruch einer Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB V keinen Verwaltungsakt (mehr) dar. Der Gestaltungsspielraum der Schiedsperson bei gesetzlich normierten Verfahren wie dem vorliegenden sei enger als bei vertraglich vereinbarten Schiedsverfahren. Entsprechend sei auch der gerichtliche Prüfungsmaßstab weiter. Der gerichtliche Prüfungsmaßstab sei nicht auf grobe oder offenbare Unbilligkeit eingegrenzt und umfasse die Prüfung, ob erstens der Vertrag gegen zwingende materiellrechtliche Vorgaben des SGB V verstoße und zweitens Festsetzungen enthalte, die der gesetzgeberischen Konzeption einer hausarztzentrierten Versorgung zuwider liefen und die auch in Anbetracht der Erfahrungen der Parteien mit dem alten Hausarztvertrag unbillig seien. Der Schiedsspruch ordne den festgesetzten Vertrag zu Unrecht als "Anschluss-vereinbarung" i.S.d. § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V ein. Weder aus dem Gesetzes-wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass bestandsgeschützte "Anschlussvereinbarungen" auch solche Verträge sein könnten, die nach einer rechtmäßigen, außerordentlichen Kündigung eines vor dem 22.09.2010 abgeschlossenen Vertrages als neue Verträge abgeschlossen oder durch Schiedsspruch festgesetzt würden. Der durch Schiedsspruch festgesetzte Vertrag verstoße gegen die Vorgaben des § 73b Abs. 5a Satz 1 bis 4 und Abs. 8 SGB V, die für Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung, die nach dem 22.09.2010 zustande kämen, gälten. Auch aus § 53 Abs. 9 SGB V ergebe sich, dass die Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für die hausarztzentrierte Versorgung grundsätzlich über Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden müssten. Auch verstoße der festgesetzte Vertrag gegen zwingende Vorgaben des Sozialdatenschutzes. Bei der Einbeziehung der HÄVG Rechenzentrum AG in die Abrechnung der vertraglichen Leistungen würden die Vorgaben des § 295a SGB V missachtet. Der Einsatz des sog. "HÄVG-Prüfmoduls"/HPM im Rahmen der in Anlage 1 vorgesehenen Vertragssoftware sei datenschutzrechtlich unzulässig. Auch bestünden Zweifel an der Vertragsabschlusskompetenz des Beklagten, wofür dieser die Beweislast trage. Zudem sei die Festsetzung eines Vollversorgungsvertrages durch die Schiedsperson unbillig. Der festgesetzte Vertrag sei darüber hinaus in weiteren zentralen Festsetzungen unbillig. So sei es u.a. unzulässig, dass der Vertrag ein unmittelbares Abrechnungsverhältnis zwischen der Klägerin und den einzelnen teilnehmenden Hausärzten begründe, Teilnahmemöglichkeiten für alle an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Hausärzte eröffne und der vertragliche Geltungsbereich auf alle Versicherten der Klägerin, mithin auch auf die Kinder und Jugendlichen, erstreckt werde.

Der Beklagte vertritt ebenso die Auffassung, dass die Festlegung des Vertragsinhalts durch die Schiedsperson kein Verwaltungsakt ist. Daraus folge, dass die gerichtliche Überprüfung des Schiedsspruchs einem eingeschränkten Kontrollmaßstab entsprechend § 319 Abs. 1 BGB unterliege. Im Zuge der Rechts- und Inhaltskontrolle dürfe ausschließlich geprüft werden, ob die Ermittlung des Sachverhaltes in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt sei, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden sei. Hilfsweise sei von einem eingeschränkten Prüfungsmaßstab analog § 89 SGB V auszugehen, der gerade keine Billigkeitsüberprüfung umfasse. Eine Anschlussvereinbarung setze weder einen unmittelbaren zeitlichen Anschluss voraus noch sehe diese einen subjektiven Vertrauensschutz vor, der bei außerordentlichen Kündigungen ggf. ausgeschlossen wäre. Der von der Klägerin mit einem Verstoß gegen § 73b Abs. 5a Satz 1 bis 4 und Abs. 8 SGB V begründete vermeintliche Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot und den Grundsatz der Beitragssatzstabilität liege schon deshalb nicht vor. Da es keine Aufwendungen gebe, die durch die Ausgestaltung des Wahltarifs verursacht würden, könne auch nicht gegen § 53 Abs. 9 SGB V verstoßen werden. Der HzV-Vertrag sei, was sich auch aus Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht ergebe, in jeder Hinsicht datenschutzrechtskonform. Weder die Benennung der HÄVG AG noch die Benennung der HÄVG Rechenzentrum AG im HzV-Vertrag stellten rechtswidrige oder offenbar unbillige Regelungen dar. Die Schiedsperson habe auch in Ausübung ihres billigen Ermessens mit guter und nachvollziehbarer Begründung einen Vollversorgungsvertrag festgesetzt. Es sei auch nicht ersichtlich, woraus sich ergeben solle, dass der vertraglich vorgesehene direkte Vergütungsanspruch der teilnehmenden Hausärzte gegen die Klägerin unzulässig sei. Ebenso wenig sei dem Gesetzeswortlaut oder dem Sinn und Zweck der Regelung zu entnehmen, dass an einem HzV-Vertrag nur Fachärzte für Allgemeinmedizin teilnehmen dürften. Schließlich sehe § 73b SGB V, wie die Schiedsperson zutreffend ausgeführt habe, den Ausschluss bestimmter Versichertengruppen nicht vor.

Die Klägerin, die die Zulassung der Sprungrevision nach § 161 SGG anregt, beantragt zuletzt,

1. den Schiedsspruch vom 13.02.2012 zur Festsetzung eines Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V aufzuheben;

hilfsweise

2. festzustellen, dass der Schiedsspruch vom 13.02.2012 zur Festsetzung eines Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V rechtswidrig und unbillig ist, insbesondere insoweit als a) der festgesetzte HzV-Vertrag gegen § 73b Abs. 5a Satz 1 bis 4 und Abs. 8 SGB V in der Fassung des GKV-FinG i.V.m. dem Grundsatz der Beitragsstabilität nach § 71 SGB V verstößt; b) systemfremde Dritte, insbesondere die HÄVG und die HÄVG Re-chenzentrum AG, als – faktische – Vertragspartner am festgesetzten HzV-Vertrag gegen den Willen der Klägerin beteiligt werden; c) der festgesetzte HzV-Vertrag unmittelbare Vergütungsansprüche der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gegenüber der Klägerin begründet; d) die Teilnahmeberechtigung an dem festgesetzten HzV-Vertrag sich auf sämtliche Hausärzte im Bereich der KV Bayerns i.S.d. § 73 Abs. 1a SGB V erstreckt; e) in den Geltungsbereich des festgesetzten HzV-Vertrag auch die Ver-sicherten der Klägerin unter 18 Jahren mit einbezogen wurden, ob-wohl die Klägerin diesen Versicherten eine hausarztzentrierte Ver-sorgung durch einen Vertrag mit den Kindern- und Jugendärzten anbietet.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die auf die Aufhebung des Schiedsspruchs vom 13.02.2012 gerichtete Klage ist unzulässig. Hingegen ist die hilfsweise erhobene Feststellungsklage zulässig, jedoch unbegründet.

1. Der im Rahmen des § 99 Abs. 3 Nr. 2, 3 SGG umgestellte Hauptantrag der Klä-gerin, mit dem die Aufhebung des Schiedsspruchs vom 13.02.2012 zur Festset-zung eines Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V begehrt wird, ist unzulässig.

Die Klägerin hat nach Umstellung ihrer Klage offen gelassen, mit Hilfe welcher Klageart sie die Aufhebung des Schiedsspruchs verfolgt. Sollte der Hauptantrag als Anfechtungsklage erhoben worden sein, wäre diese nicht statthaft. Nach der Auffassung der Kammer stellt der streitgegenständliche Schiedsspruch keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Satz 1 SGB X dar (so im Ergebnis auch Adolf in: ju-rispk, Stand 4/2012, § 73b SGB V, Rn. 116; Klückmann in: Hauck/Noftz, Stand 2/2013, § 73b Rn. 15b ff; D. in: Prütting, Fachanwaltskommentar Medizinrecht, 3. Auflage, 2014, § 73b SGB V, Rn. 49 ff.; a.A. LSG Baden Württemberg, Urteil vom 18.12.2013, Az. L 5 KA 3838/12, Rn. 60; Buchner/Spiegel, NZS 2013, 1, 2ff.). Gegen die Annahme eines Verwaltungsaktes spricht vor allem der gesetzgeberische Wille. In der Begründung zum Gesetzentwurf zum GKV-VStG (BT-Drs. 17/6906, S. 56) heißt es: "Durch die Formulierung in Satz 4, nach der die Festlegung des Vertragsinhalts keine aufschiebende Wirkung hat, könnte der Eindruck entstehen, dass es sich bei dem Schiedsspruch um einen Verwaltungsakt handeln würde. Mit der Streichung wird klargestellt, dass dies nicht der Fall ist, sondern dass die Schiedsperson analog § 317 BGB als Vertragshelfer tätig wird." Gegen den Verwaltungsaktcharakter spricht zudem die vom BSG ergangene Rechtsprechung zu Schiedssprüchen von Schiedspersonen gem. § 132a Abs. 2 SGB V. Zwar wird in dem Urteil vom 25.11.2010 (Az. B 3 KR 1/10 R, Rn. 26) ausdrücklich offen gelassen, ob es sich bei Schiedssprüchen von Schiedspersonen nach § 73b Abs. 4a SGB V (Anmerkung: in der Fassung vor dem GKV-VStG) um Verwaltungsakte handelt und darauf hingewiesen, dass die dort vorgesehene Schiedsperson im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht, wie bei § 132a SGB V, lediglich vertraglich vereinbarten Schiedsverfahren tätig werde. Mit der Ausnahme, dass im Rahmen des § 73b Abs. 4a SGB V bei fehlender Einigung der Parteien die Schiedsperson von der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt wird, können jedoch die wesentlichen Erwägungen zur fehlenden Behördeneigenschaft der Schiedsperson nach § 132a Abs. 2 SGB V auf die Schiedsperson gem. § 73b Abs. 4a SGB V übertragen werden. Hierzu zählt insbesondere, dass es keine Rechtsaufsicht für die Schiedsperson gibt (wenngleich gem. § 73b Abs. 9 Satz 5 SGB V Verträge, die in einem Schiedsverfahren festgelegt werden, der für die Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde vorzulegen sind), das Gesetz selbst keine Leitlinien für das Schiedsverfahren vorgibt und die Funktion als Schiedsperson an die Person des (anlassbezogenen) Berufenen gebunden ist (vgl. BSG, ebenda, Rn. 23; zum VA-Charakter der Festsetzung der Gesamtvergütungen durch ein Schiedsamt gem. § 89 SGB V vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003, Az. B 6 KA 29/02 R, Rn. 20). Mangels Vorliegens eines Verwaltungsaktes kommt somit eine Anfechtungsklage nicht in Betracht.

Der auf die Aufhebung des Schiedsspruchs gerichtete Hauptantrag könnte zwar möglicherweise auch als Leistungsklage sui generis erhoben worden sein. Für diese Klageart besteht jedoch vorliegend, unabhängig von der Frage ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit, kein Raum, da nach der Rechtsauffassung der Kammer bei der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Schiedssprüchen gem. § 73b Abs. 4a SGB V grundsätzlich die Leistungsklage in Form der Ersetzungsklage gem. § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. §§ 317 Abs. 1, 319 Abs. 1 Satz 2 BGB einschlägig ist. Ist jedoch - wie hier - zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der durch Schiedsspruch festgesetzte Vertrag nicht mehr in Kraft, hat sich das klägerische Begehren auf Aufhebung (und Ersetzung) erledigt. Daran ändert auch der Schiedsspruch vom 05.05.2014 nichts, mit dem festgesetzt wurde, dass bis zu dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens eines neuen HzV-Vertrages die Regelungen des streitgegenständlichen HzV-Vertrages und seiner Anlagen ihrem Inhalt nach – unbeschadet des Wirksamwerdens der von der Klägerin ausgesprochenen Kündigung - weiterhin Anwendung finden. Die Wirkungen dieses Schiedsspruchs müssten ggf. in einem eigenständigen (vorläufigen) Rechtsschutzverfahren geklärt werden.

Aus alledem folgt, dass der Hauptantrag, unabhängig davon, mit welcher Klageart er geltend gemacht wird, unzulässig ist.

2. Die im Rahmen des § 99 Abs. 3 Nr. 2, 3 SGG hilfsweise erhobene Feststel-lungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

a. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Feststellungsklage sind gegeben. Vergangene Rechtsverhältnisse können – im Fall der Erledigung einer Leistungsklage - grundsätzlich Gegenstand der Feststellungsklage gem. § 55 SGG sein (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 55 Rn. 8, § 131 Rn. 7c). Das hierzu erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Dies zum einen, weil im Hinblick auf neue Vertragsverhandlungen der Beteiligten nach § 73b Abs. 4 SGB V bzw. hinsichtlich neuer Schiedsverfahren ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Klärung aufgeworfener rechtlicher Fragestellungen besteht ("Wiederholungsgefahr"). Diese sind auch infolge der neuerlichen Änderung des § 73b SGB V zum 01.04.2014 nicht (gänzlich) überholt. Auch aufgrund der durch Schiedsspruch vom 05.05.2014 festgesetzten, vorläufigen weiteren Anwendung der Regelungen des streitgegenständlichen Schiedsspruchs ist ein Feststellungsinteresse der Klägerin anzuerkennen. Schließlich könnte auch wegen einer (theoretisch möglichen) Rückabwicklung des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses ein Feststellungsinteresse der Klägerin bestehen.

b. Die Feststellungsklage ist jedoch nicht begründet. Der Schiedsspruch vom 13.02.2012 ist nicht unbillig, insbesondere nicht rechtswidrig.

aa. Hinsichtlich der Frage des gerichtlichen Prüfmaßstabes wendet die Kammer vorliegend die vom BSG zur gerichtlichen Überprüfung von Schiedssprüchen gem. § 132a Abs. 2 SGB V aufgestellten Grundsätze entsprechend an (BSG, Urteil vom 25.11.2010, Az. B 3 KR 1/10 R, Rn. 33 ff.).

Das BSG hat entschieden, dass die bei Schiedssprüchen nach § 132a Abs. 2 SGB V maßgebliche "Unbilligkeit" sowohl darin bestehen könne, dass der Schiedsspruch auf schwerwiegenden verfahrensrechtlichen Mängeln (z.B. Begründungsmängel, Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör) beruhe, als auch darin, dass das gefundene Ergebnis materiell unrichtig sei oder gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße (z.B. durch einseitige Berücksichtigung der Interessen einer Partei oder wenn sich die Leistungsbestimmung völlig über die Entwicklung am betreffenden Markt hinwegsetzt). Die Prüfung der Frage der Billigkeit oder Unbilligkeit eines Schiedsspruchs gliedere sich in eine Rechtskontrolle und eine Inhaltskontrolle. Die bei zivilrechtlichen Leistungsbestimmungen nach § 317 BGB zusätzlich erforderliche Evidenzkontrolle entfalle jedoch, weil es hier nur auf die "Unbilligkeit" des Schiedsspruchs ankomme, nicht aber darauf, ob die Unbilligkeit "offenbar" sei (BSG, ebenda, Rn. 36). Zur Begründung verwies das BSG auf die den Erfordernissen des öffentlichen Rechts entsprechende Anwendung des § 319 Abs. 1 BGB (BSG, ebenda, Rn. 33). Der Schiedsspruch einer Schiedsperson nach § 132a Abs. 2 SGB V stelle seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch eine sachnahe, von den Vertragsparteien unabhängige Person dar. Durch die Unabhängigkeit und die fachliche Weisungsfreiheit wollten der Gesetzgeber und die Vertragsparteien die Fähigkeit der Schiedsperson zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzige sachlich vertretbare sei und häufig Kompromisscharakter aufweise. Bei der Inhaltskontrolle komme es demgemäß nur darauf an, ob ein vertretbarer, nachvollziehbarer Beurteilungsmaßstab angewandt worden sei und das Ergebnis "billigem Ermessen" entspreche, also mit den gesetzlichen Vorgaben sowie mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) vereinbar sei. Ob das Gericht einen anderen Beurteilungsmaßstab bevorzugt hätte, sei unerheblich, weil es auf Zweckmäßigkeitserwägungen nicht ankomme. Maßstab zur Beurteilung der "Unbilligkeit" könne auch nur das wirtschaftliche Gesamtergebnis des Schiedsspruchs sein (BSG, ebenda, Rn. 37). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und des Beurteilungsspielraums der Schiedsperson, der durch das "billige Ermessen" geprägt sei (§ 317 Abs. 1 BGB), dürfe im Zuge der Rechts- und Inhaltskontrolle ausschließlich geprüft werden, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs erfolgt sei, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende Beurteilungsspielraum eingehalten worden sei. Dies setzte voraus, dass der Beurteilungsmaßstab und die gefundene Abwägung durch die Schiedsperson Eingang in die Begründung des Schiedsspruches gefunden hätten. Die Anforderungen hieran dürften im Hinblick auf Stellung und Funktion der Schiedsperson jedoch nicht überspannt werden. Die Schiedsperson unterhalte in aller Regel keinen eigenen Verwaltungsapparat und sei in besonderer Weise auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen. Es sei deshalb in der Regel nicht zu beanstanden, wenn sich die Begründung des Schiedsspruchs auf die im Verfahren vorgebrachten Angaben der Beteiligten und die wesentlichen Erwägungen der Schiedsperson beschränke (BSG, ebenda, Rn. 38).

Für die Übertragung dieser Grundsätze auf Schiedssprüche gem. § 73b Abs. 4a SGB V spricht in erster Linie, dass auch die Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a SGB V die Vertragsinhalte nach billigem Ermessen festzulegen hat (vgl. BT-Drs. 16/10609, S. 54). Indem der vom BSG näher definierte gerichtliche Prüfmaßstab auch eine Inhaltskontrolle umfasst, korrespondiert er mit dem Entscheidungsmaßstab der Schiedsperson. Diese aus Sicht der Kammer notwendige Einbeziehung einer Inhaltskontrolle unterscheidet den vorliegend angewandten Prüfmaßstab von dem gerichtlichen Prüfmaßstab, den das BSG im Zusammenhang mit der Überprüfung von Schiedssprüchen, die von Schiedsämtern gem. § 89 SGB V festgesetzt wurden, postuliert hat (BSG, Urteil vom 16.07.2003, Az. B 6 KA 29/02 R, Rn. 21). Weil die Festsetzung von Vertragsinhalten durch eine Schiedsperson von Gesetzes wegen (§ 73b Abs. 4a SGB V) – und nicht wie im Rahmen von § 317 BGB aufgrund übereinstimmenden Parteiwillens – erfolgt, liegen auch die "Erfordernisse des öffentlichen Rechts" vor, um im Rahmen der entsprechenden Anwendung des § 319 Abs. 1 BGB die Prüfung nicht nur auf "offenbare Unbilligkeit" zu beschränken, sondern auch die schlichte Unbilligkeit mit zu umfassen. Die Bedenken des LSG Baden Württemberg (ebenda, Rn. 65), das den Maßstab des "billigen Ermessens" als wenig geeignet ansieht, um die Rechtmäßigkeit der im Rahmen eines Schiedsspruchs getroffenen Regelungen zur hausarztzentrierten Versorgung nachzuprüfen, teilt die Kammer nicht. Dem steht nicht entgegen, dass die Festsetzungen eines Schiedsspruchs vermutlich nur in außergewöhnlichen Fallkonstellationen wegen eines Verstoßes gegen die Billigkeit und damit gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu beanstanden sein werden. Dass die Schiedsperson gem. § 73b Abs. 4a SGB V im Rahmen eines gesetzlich normierten und nicht (wie bei § 132a SGB V) im Rahmen eines, vom Gesetzgeber zwingend geforderten, vertraglich vereinbarten Schiedsverfahrens tätig wird (vgl. BSG, Urteil vom 25.11.2010, Az. B 3 KR 1/10 R, Rn. 26, das diesen Unterschied im Zusammenhang mit der Frage der Behördeneigenschaft der Schiedsperson gem. § 73b SGB V erwähnt), hat für die Frage des Gestaltungsspielraums der Schiedsperson keine Bedeutung. In beiden Konstellationen übt die Schiedsperson ihr billiges Ermessen aus. Aus diesem Grund wirkt sich diese Unterscheidung auch nicht bei der Frage des gerichtlichen Prüfmaßstabes aus.

Die Beweislast für die Unbilligkeit oder Unrichtigkeit liegt bei dem Beteiligten, der sie behauptet (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 73. Auflage, § 319 Rn. 7; D., ebenda, § 73b SGB V, Rn. 67).

bb. Der Schiedsspruch vom 13.02.2012 ist nicht wegen Verstoßes gegen § 73b Abs. 5a Satz 1 bis 4 und Abs. 8 SGB V (in der Fassung vom 22.12.2011; im Folgenden "a.F.") unbillig. § 1 Abs. 2 HzV-Vertrag, wonach es sich bei dem vorliegenden, durch Schiedsspruch festgesetzten HzV-Vertrag um eine Anschlussvereinbarung im Sinne des § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a.F. handelt, auf die § 73b SGB V in der bis zum 21. September 2010 geltenden Fassung anzuwenden ist, ist nicht zu beanstanden.

§ 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a.F. lautet: "Bei Verträgen, die vor dem 22. September 2010 zustande gekommen sind, ist auch bei Anschlussvereinbarungen mit Geltungsdauer bis einschließlich 30. Juni 2014 § 73b in der bis zum 21. Septem-ber 2010 geltenden Fassung anzuwenden."

Der Vorschrift des § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a.F. kann nicht entnommen wer-den, dass der streitgegenständliche HzV-Vertrag nicht als Anschlussvereinbarung im Sinne dieser Vorschrift qualifiziert werden könnte.

Die Kammer folgt der von der Schiedsperson vertretenen Auffassung (Begründung des Schiedsspruchs, S. 15), wonach der Begriff der Anschlussvereinbarung nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass ein neuer HzV-Vertrag an den früheren HzV-Vertrag in zeitlicher Hinsicht anknüpfen muss. Denn andernfalls könnten die Vertragspartner durch ein Hinauszögern der neuen Vertragsverhandlungen das Zustandekommen einer Anschlussvereinbarung verhindern. Der Begriff der Anschlussvereinbarung ist somit im Sinne einer Folgevereinbarung zu verstehen.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht kommt eine den Wortlaut ein-schränkende Auslegung des § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a.F., wonach für vor dem 22. September 2010 zustande gekommene Verträge, die wirksam außeror-dentlich gekündigt wurden, keine Anschlussvereinbarungen getroffen werden können, nicht in Betracht. Der Normzweck rechtfertigt eine solche Einschränkung nicht.

In der Begründung zum Entwurf des GKV-FinG heißt es: "Verträge, die vor der Beschlussfassung des Gesetzentwurfs durch das Kabinett bereits geschlossen wurden oder deren Inhalt in einem Schiedsverfahren nach § 73b Absatz 4a bis zu diesem Zeitpunkt von einer Schiedsperson festgelegt worden sind, bleiben unberührt. Durch die Bestandsschutzregelung in Satz 4 (Anmerkung: Bei dem in der Begründung genannten Satz 4 handelt es sich um den späteren § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a.F.) wird ein Sonderkündigungsrecht für diese Verträge ausge-schlossen. Darüber hinaus wird vorgegeben, dass auch bei Anschlussverhandlungen über den Vertragsinhalt (insbesondere in Folge von Kündigungen) mit Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2012 § 73b in der bisherigen Fassung anzuwenden ist. Die in diesem Gesetz enthaltene Begrenzung der HzV-Vergütung ist daher bei erneuten Vereinbarungen für diesen Zeitraum nicht anwendbar. Vielmehr bleibt es bei der im bisherigen Recht angelegten Vertragsfreiheit der Vertragsparteien auch im Hinblick auf die Vergütungshöhe. Hierdurch wird der gesetzgeberisch gewollte Bestandschutz in seinem Kern bis zum 31. Dezember 2012 gesichert und dadurch gewährleistet, dass nach diesem Zeitpunkt die im Koalitionsvertrag vorgesehene Bewertung der Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung möglich ist, ohne dass das Ergebnis dieser Bewertung durch zwischenzeitliche Änderungen der für die hausarztzentrierte Versorgung maßgeblichen Regelungen erschwert wird" (BT-Drs. 17/3040, S. 23).

Der Begründung ist zu entnehmen, dass nicht nur ein Sonderkündigungsrecht ausgeschlossen, sondern dass § 73b SGB V in seiner bisherigen Fassung bei - grundsätzlich allen - Anschlussverhandlungen über den Vertragsinhalt angewendet werden sollte. Hierfür sprechen die hinsichtlich der "Anschlussverhandlungen über den Vertragsinhalt" verwendeten Worte "darüber hinaus" und "auch" sowie der Umstand, dass die Gesetzesbegründung bei der Formulierung "insbesondere in Folge von Kündigungen" nicht bezüglich der Art der Kündigung differenziert. Vor allem aber verweist die Gesetzesbegründung (so auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 17/3696, S. 46) darauf, dass durch den "gesetzgeberisch gewollten Bestandsschutz" die im Koalitionsvertrag vorgesehene Evaluation der HzV-Verträge gewährleistet werde, "ohne dass das Ergebnis dieser Bewertung durch zwischenzeitliche Änderungen der für die hausarztzentrierte Versorgung maßgeblichen Regelungen erschwert" werde. Gerade im Hinblick auf dieses wesentliche gesetzgeberische Ziel kann es nicht darauf ankommen, bei der Frage der "Statthaftigkeit" einer Anschlussvereinbarung zwischen ordentlich und außerordentlich gekündigten Altverträgen zu differenzieren. Die Kammer verkennt nicht, dass durch die Regelung des § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a.F. Krankenkassen - wie die Klägerin -, die rechtzeitig bis zum 30.06.2009 einen HzV-Vertrag abgeschlossen hatten, ggf. gegenüber anderen Krankenkassen, die ihrer Verpflichtung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V (in der Fassung vom 15.12.2008) nicht nachgekommen waren und von der Vergütungsbegrenzung für ab dem 22.09.2010 geschlossene HzV-Verträge sofort profitieren konnten, finanziell benachteiligt wurden. Dieses Ergebnis entspricht jedoch offensichtlich der Wertung des Gesetzgebers, dessen primäres Ziel die Gewährleistung der bereits im Koalitionsvertrag geregelten Evaluation war. Die vom Gesetzgeber in § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a.F. vorgenommene Differenzierung bezüglich (Alt-)Verträgen, die vor bzw. nach dem 22. September 2010 zustande gekommen sind, ist daneben auch sachlich nachvollziehbar, da es am 21. September 2010 in vielen Ländern noch keine flächendeckenden HzV-Verträge für alle Versicherten gab. Im Übrigen kann auch nicht dem in der Gesetzesbegründung verwendeten Begriff "Bestandsschutz" entnommen werden, dass Anschlussvereinbarungen dann nicht möglich sein sollten, wenn aufgrund außerordentlicher Kündigung kein schützenswerter Bestand (mehr) existiere. Bestandsschutz ist in diesem Zusammenhang als objektiver Systemschutz zugunsten der vom Gesetzgeber gewünschten Evaluation zu verstehen.

Weil es sich vorliegend um eine Anschlussvereinbarung i.S.d. § 73b Abs. 5a Satz 5 SGB V a.F. handelt, liegt ein Verstoß gegen § 73b Abs. 5a Satz 1 bis 4 und Abs. 8 SGB V a.F. nicht vor.

cc. Der Schiedsspruch verstößt auch weder gegen das Gebot der Selbsttragung eines Wahltarifs, § 53 Abs. 9 SGB V (in der Fassung vom 22.12.2010; im Folgen-den a.F.) noch gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, §§ 12 Abs. 1, 70 SGB V.

Gem. § 53 Abs. 9 Satz 1 SGB V a.F. müssen die Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden. Die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b stellt einen Wahltarif dar, vgl. § 53 Abs. 3 Satz 1 SGB V a.F.

Unstreitig hat die Klägerin vorliegend nicht von der Möglichkeit Gebrauch ge-macht, gem. § 53 Abs. 3 Satz 2 SGB V a.F. im Rahmen des streitgegenständli-chen HzV-Vertrages für die Versicherten eine Prämienzahlung oder Zuzahlungs-ermäßigungen vorzusehen. Aus diesem Grund existieren für den Wahltarif "hausarztzentrierte Versorgung" auch keine Aufwendungen i.S.d. § 53 Abs. 9 Satz 1 SGB V a.F. Denn bei diesen handelt es sich typischerweise um zu erwartende Verwaltungskosten und zu erwartende Einnahmeausfälle (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, Az. B 1 A 1/11 R, Rn. 21).

Die aus dem streitgegenständlichen HzV-Vertrag resultierenden Honorarleistun-gen der Klägerin stellen keine Aufwendungen für den Wahltarif i.S.d. § 53 Abs. 9 SGB V a.F. dar. Dies ergibt sich auch aus der Vorschrift des § 73b Abs. 8 SGB V. In dieser Vorschrift – und nicht in § 53 Abs. 9 SGB V a.F. – war eine Art Selbsttra-gungsgebot für diese Leistungen geregelt. § 73b Abs. 8 SGB V (in der Fassung vom 22.12.2010) sah vor, dass vertraglich sicherzustellen ist, dass Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen und insoweit nicht unter die Bereinigungspflicht nach Absatz 7 fallen, aus Einsparungen und Effizienzsteigerungen finanziert werden; gem. § 73b Abs. 8 SGB V (in der Fassung vom 15.12.2008) war die Vereinbarung der Refinanzierung der Aufwendungen für Leistungen, die über die hausärztliche Versorgung nach § 73 hinausgehen, sogar fakultativ.

Auch ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§§ 12 Abs. 1, 70 SGB V) ist nicht gegeben. Vorab weist die Kammer darauf hin, dass gem. § 73b Abs. 5 Satz 4 SGB V a.F. die Einzelverträge Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels, d.h. u.a. §§ 70, 71 SGB V, regeln können (Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts äußert F. in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand Januar 2014, § 73b Rn. 55). Unabhängig davon kann nach der Rechtsprechung des BSG Maßstab zur Beurteilung der "Unbilligkeit" nur das wirtschaftliche Gesamtergebnis des Schiedsspruchs sein. Daher müsse regelmäßig nicht jede einzelne Bestimmung zur Vergütung der diversen Leistungen ( ) isoliert betrachtet werden, sondern es bedürfe der Gesamtschau aller Leistungsbestimmungen unter Einschluss des festgelegten Beginns der Vergütungsanhebung sowie der festgelegten Laufzeit (BSG, Urteil vom 25.11.2010, Az. B 3 KR 1/10 R, Rn. 37). Unter Zugrundelegung dieses Prüfmaßstabs sind keine Anhaltspunkte erkennbar – und auch von Klägerseite nicht substantiiert vorgetragen worden -, dass die Schiedsperson die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums bezüglich der Wirtschaftlichkeit des HzV-Vertrages überschritten hätte.

In der Begründung des Schiedsspruchs (S. 32) sind die prognostizierten finanziellen Auswirkungen des HzV-Vertrages näher dargestellt. Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass das von der Klägerin an die HzV-Hausärzte zu leistende Honorar auf ein Höchstvolumen von 70 Mio EUR pro Jahr begrenzt werde (vgl. auch § 10 Abs. 1 und Anhang 6 zu Anlage 3 HzV-Vertrag) und damit einem zentralen Anliegen der Klägerin Rechnung getragen worden sei. Durch diese Honorarbegrenzung wurden die finanziellen Belastungen der Klägerin im Vergleich zum HzV-Altvertrag erheblich reduziert. Unter Berücksichtigung auch der in § 3 HzV-Vertrag geregelten, umfänglichen Teilnahmevoraussetzungen und besonderen Qualifikations- und Qualitätsanforderungen der teilnehmenden Hausärzte sind Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass die Schiedsperson zugunsten der Klägerin davon abgesehen hat, in der Vergütungsanlage des HzV-Vertrages erneut kontaktunabhängige Pauschalen zu regeln (Begründung Schiedsspruch, S. 28) und sie sich für eine Neueinschreibung der Versicherten in den HzV-Vertrag – statt einer Übernahme der bisher in den HzV-Altvertrag eingeschriebenen Versicherten – entschieden hat (vgl. § 6 HzV-Vertrag).

Die von Klägerseite beanstandete Vergütung für Leistungen im Bereich der Arz-neimitteltherapieoptimierung ("AMTHO") (Anlage 3 des HzV-Vertrages, S. 12/25) kann nach der Rechtsprechung des BSG als Einzelvergütungsregelung grundsätzlich keinen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot begründen. Im Übrigen bestehen aber auch keine grundlegenden Bedenken, den diesbezüglich anfallenden gesteigerten Beratungs- und Dokumentationsaufwand zusätzlich zu vergüten.

Die Frage der Kosten, die der Klägerin durch die nichtvertragskonforme Inan-spruchnahme mehrerer Hausärzte durch Versicherte (NVI) zusätzlich entstehen, ist – unabhängig davon, dass die Klägerin keine konkreten, auf den streitgegen-ständlichen HzV-Vertrag bezogenen Zahlen genannt hat – nicht im Rahmen der Frage der Vereinbarkeit des Schiedsspruches mit dem Grundsatz der Wirtschaft-lichkeit im engeren Sinne zu klären. Denn bei diesen Kosten handelt es sich um solche, die durch Fehlverhalten der Versicherten entstehen. Indem in § 9a Abs. 3 bis 5 HzV-Vertrag die Vertragspartner verpflichtet werden, geeignete Maßnahmen zur Reduzierung dieser Mehrfachinanspruchnahmen zu ergreifen bzw. zu unter-stützen, und § 12 Abs. 1 HzV-Vertrag für den Hausarzt ein Verbot der "Doppelab-rechnung" statuiert, hat die Schiedsperson im Rahmen des ihr eingeräumten billigen Ermessens vom Gericht nicht zu beanstandende, sachgemäße Regelungen getroffen (vgl. im Übrigen auch Begründung des Schiedsspruchs, S. 34).

Der Schiedsspruch ist auch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Wahrung der Beitragssatzstabilität (§ 71 SGB V) unbillig. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass der streitgegenständliche HzV-Vertrag zu Beitragserhöhungen geführt oder die Gefahr von Beitragserhöhungen hervorgerufen habe (vgl. BSG, ebenda, Rn. 43).

dd. Der Schiedsspruch ist auch nicht wegen Verstößen gegen das Datenschutz-recht unbillig.

Der Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren ausführliche Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vorgelegt. In seiner Stellung-nahme vom 30.11.2012 kommt das Landesamt zu dem Ergebnis, dass die Erhe-bung der Einschreibedaten durch den Hausarzt und die Übermittlung dieser Daten an das Rechenzentrum des Beklagten sowie die dortige Verarbeitung auf der Grundlage des § 295a Abs. 1 SGB V in Verbindung mit der Einwilligung des Versicherten zulässig ist. Die Kammer schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Insbesondere durch den Einschreibebeleg, auf dem die HÄVG Rechenzentrum AG als Adressatin genannt wird, wird der Versicherte über die Identität des Rechenzentrums informiert. Ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 295a SGB V liegt somit nicht vor.

Aufgrund der Stellungnahme des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.08.2012 bestehen auch keine Bedenken gegen den Einsatz des sog. "HÄVG-Prüfmoduls" (HPM).

Die Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 17.08.2012 und 30.11.2012 sind von Klägerseite unwidersprochen geblieben.

ee. Die Klägerin beanstandet darüber hinaus die gegen ihren Willen erfolgte Einbeziehung "systemfremder Dritter" in den von der Schiedsperson festgesetzten Vertrag. Auch insoweit kann die Kammer keine Unbilligkeit feststellen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die gegen ihren Willen erfolgte Einbeziehung der HÄVG und HÄVG Rechenzentrum AG als "faktische Vertragspartner" rechtswidrig sei. Sie sei nach § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. nur zum Vertragsschluss mit Gemeinschaften verpflichtet, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Nur insoweit bestünde ein Abschlusszwang.

Hiergegen ist einzuwenden, dass gem. § 1 Abs. 3 HzV-Vertrag Vertragspartner des HzV-Vertrages lediglich die Krankenkasse und der Hausärzteverband sind. Die HÄVG Rechenzentrum AG ist hingegen nach dem Vertragswerk das vom Be-klagten nach § 295a Abs. 2 SGB V als andere Stelle zu Abrechnungszwecken beauftragte und in Anlage 3 unter § 5 Abs. 1 benannte Rechenzentrum (§ 1 Abs. 11 HzV-Vertrag). Die HÄVG ist gem. § 1 Abs. 12 HzV-Vertrag der Erfüllungsgehilfe des Beklagten zur Erfüllung bestimmter vertraglicher Verpflichtungen aus dem HzV-Vertrag mit Ausnahme der Abrechnung. In § 2 Abs. 3 Satz 2 HzV-Vertrag ist geregelt, dass der Beklagte zur Gewährleistung einer vertragsgemäßen Abrechnung der hausärztlichen Leistungen gem. § 295a Abs. 2 SGB V i.V.m. § 80 SGB X berechtigt ist, eine andere Stelle zu beauftragen. Als andere Stelle i.S.v. § 295a Abs. 2 SGB V i.V.m. § 80 SGB X beauftragt der Beklagte das in Anlage 3 benannte Rechenzentrum (§ 2 Abs. 3 Satz 3 HzV-Vertrag). Gem. § 2 Abs. 4 Satz 1 HzV-Vertrag ist der Beklagte ferner berechtigt, sich, soweit gesetzlich zulässig, bei der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen Dritter als Erfüllungsgehilfen zu bedienen (§ 278 BGB). Soweit die HÄVG im Rahmen des HzV-Vertrages erwähnt wird, erfolgt dies ausschließlich in Wahrnehmung ihrer Funktion als Erfüllungsgehilfe des Beklagten (§ 2 Abs. 4 Satz 2 HzV-Vertrag). Gem. § 2 Abs. 5 Satz 2 HzV-Vertrag sind der Beklagte und die HÄVG zur Durchführung des HzV-Vertrages von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

Der vorliegende Sachverhalt ist, was die Einbindung der HÄVG betrifft, nicht mit dem Sachverhalt, der dem Beschluss des BayLSG vom 27.06.2009 (Az. L 12 KA 33/09 B ER) zugrunde lag, zu vergleichen. Anders als in dem damaligen Fall (vgl. BayLSG, ebenda, Rn. 57ff.) ist die HÄVG lediglich Erfüllungsgehilfin. Vertrags-partner, also auch derjenige, der die Erfüllungs- und Haftungsrisiken trägt, ist der Beklagte. Das BayLSG hat die Einbeziehung der HÄVG als Erfüllungsgehilfin des Beklagten in einem den HzV-Altvertrag betreffenden Verfahren ausdrücklich nicht beanstandet (BayLSG, Beschluss vom 22.02.2011, Az. L 12 KA 2/11 B ER, Rn. 70). Es kommt auch nicht darauf an, ob der Beklagte ohne Einbeziehung der HÄVG faktisch nicht in der Lage wäre, seine vertraglichen Pflichten vollständig zu erfüllen; entscheidend ist lediglich, dass der Beklagte rechtlich hinsichtlich der ihm obliegenden Pflichten einsteht (vgl. auch BGH, Urteil vom 21.09.2000, Az. I ZR 135/98, Rn. 30 m.w.N., wonach es unerheblich ist, dass der mit Willen des Schuldners in dessen Geschäftskreis eintretende Erfüllungsgehilfe hinsichtlich der von ihm erbrachten Leistung eine Monopolstellung innehat). Aus diesem Grund kommt es ebenso wenig darauf an, ob bei der Abrechnung zwingend das "HÄVG-Prüfmodell" verwendet werden muss. Eine, wie von der Klägerin behauptet, Substitution durch die HÄVG i.S.d. § 664 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ausweislich der Regelungen der §§ 1 Abs. 12, 2 Abs. 4 HzV-Vertrag eindeutig nicht vor und wäre auf Grundlage des HzV-Vertrages auch nicht gestattet.

Es bestehen auch keine Zweifel, dass die HÄVG Rechenzentrum AG in den streitgegenständlichen HzV-Vertrag mit einbezogen werden konnte. Gem. § 295a Abs. 2 Satz 1 1. HS SGB V darf der Vertragspartner auf Leistungserbringerseite eine andere Stelle mit der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der für die Ab-rechnung der im Rahmen von Verträgen nach § 73b erbrachten Leistungen erforderlichen personenbezogenen Daten beauftragen.

Die HÄVG und die HÄVG Rechenzentrum AG sind somit nicht (faktische) Ver-tragspartner der Klägerin geworden. Bedenken gegen ihre – gegen den Willen der Klägerin erfolgte – Einbindung in den HzV-Vertrag bestehen nicht.

Vollständigkeitshalber weist die Kammer darauf hin, dass keine Zweifel an der Vertragsabschlusskompetenz des Beklagten bestehen. Ob die einzelnen Mitglie-der des Beklagten etwa die Einbeziehung der HÄVG gutheißen oder ablehnen, hat für die Frage der Vertragsabschlusskompetenz keine rechtliche Relevanz (vgl. D., ebenda, Rn. 31 ff.).

ff. Der Schiedsspruch vom 13.02.2012 ist auch nicht wegen der Festsetzung eines sog. Vollversorgungsvertrages unbillig. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 4 HzV-Vertrag umfasst der Versorgungsauftrag nach dem HzV-Vertrag die regelhafte hausärztliche Versorgung nach § 73 Abs. 1 SGB V und die besondere hausärztliche Versorgung nach § 73b SGB V, hausärztliche Leistungen zur Prävention und Krankheitsfrüherkennung sowie allgemeine ärztliche Leistungen, die von Hausärzten zur Diagnostik und Therapie angewandt werden. Wie in der Begründung zum Schiedsspruch (S. 18f.) näher ausgeführt ist, hat sich die Schiedsperson in Ausübung ihres billigen Ermessens für einen Vollversorgungsvertrag anstatt eines – ebenfalls rechtlich zulässigen - Add-on-Vertrags entschieden. Unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Schiedsperson, die sich mit den Gründen für und gegen eine Vollversorgung bzw. einen Add-on-Vertrag auseinandergesetzt hat, ist die Entscheidung für einen Vertrag mit Vollversorgung nicht zu beanstanden (vgl. auch LSG Baden Württemberg, ebenda, Rn. 85).

gg. Auch im Übrigen liegt keine Unbilligkeit des festgesetzten Vertrages vor.

(1) Der Vertrag ist nicht wegen der Begründung eines unmittelbaren Abrech-nungsverhältnisses zwischen der Klägerin und den einzelnen teilnehmenden Hausärzten, wie dies die §§ 10, 13 HzV-Vertrag vorsehen, unbillig. Der Vorschrift des § 73b SGB V a.F. kann nicht entnommen werden, dass die Vergütungsbezie-hungen wie im Kollektivvertragssystem erfolgen müssen. Im Übrigen erfolgt die Abrechnung in der Regel über den Beklagten bzw. das von ihm beauftragte Re-chenzentrum, vgl. § 7 Abs. 1 g), § 11 HzV-Vertrag und § 6 Abs. 3 Anlage 3. Auch ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist insoweit weder erkennbar noch substantiiert von der Klägerin dargelegt worden.

(2) Auch der Umstand, dass alle an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen-den Hausärzte an dem festgesetzten HzV-Vertrag teilnehmen können (vgl. § 1 Abs. 5 HzV-Vertrag), begründet keine Unbilligkeit. Aus der Vorschrift des § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. kann nicht geschlossen werden, dass hierzu nur Allge-meinärzte berechtigt sein sollen.

§ 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. regelt, dass zur flächendeckenden Sicherstellung des Angebots nach Absatz 1 Krankenkassen allein oder in Kooperation mit ande-ren Krankenkassen spätestens bis zum 30. Juni 2009 Verträge mit Gemeinschaf-ten zu schließen haben, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Ver-sorgung teilnehmenden Allgemeinärzte des Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Nur hinsichtlich der Eignung einer Gemeinschaft als Vertragspartner i.S.d. § 73b Abs. 4 SGB V wird auf das Quorum der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte abgestellt. Die Vertragsabschlüsse gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. dienen der flächendeckenden Sicherstellung des Angebots "nach Absatz 1", wonach die Krankenkassen ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anzubieten haben. Diese Vorschrift ist wiederum in Verbindung mit § 73 Abs. 1a Satz 1 SGB V zu sehen, der regelt, dass an der hausärztlichen Versorgung Allgemeinärzte, Kinderärzte, Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, die die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben, Ärzte, die nach § 95a Abs. 4 und 5 Satz 1 in das Arztregister eingetragen sind und Ärzte, die am 31. Dezember 2000 an der hausärztlichen Versorgung teilgenommen haben, teilnehmen.

(3) Der streitgegenständliche HzV-Vertrag erstreckt den vertraglichen Geltungs-bereich auch in zulässigerweise Weise auf alle Versicherten der Klägerin (§ 1 Abs. 9, § 2 Abs. 1 Satz 1 HzV-Vertrag). Die von der Klägerin beanstandete Pflicht zum "doppelten Vertragsangebot" für Versicherte unter 18 Jahren, die sowohl an dem streitgegenständlichen HzV-Vertrag wie auch an dem von der Klägerin mit der BVKJ-Service GmbH abgeschlossenen PzV-Vertrag teilnehmen können, begegnet keinen Bedenken.

Die Kammer kann die Frage offen lassen, ob in dem klägerischen Einwand nicht bereits eine unzulässige Rechtsausübung zu sehen ist. Hierfür könnte sprechen, dass die Klägerin bei Abschluss des PzV-Vertrages wie auch bei Abschluss der 1. Änderungsvereinbarung am 06.12.2011 offensichtlich selbst davon ausgegangen ist, dass es für die Versicherten unter 18 Jahren alternative Vertragsangebote nach § 73b SGB V gibt. § 4 Abs. 5 Satz 3 PzV-Vertrag regelt, dass eine Teilnahme am PzV-Vertrag nicht möglich ist, wenn der Versicherte bereits an einem anderen Vertragsangebot der AOK nach § 73b SGB V oder an einem hausarztbasierten Integrationsversorgungsvertrag (§ 140a SGB V) mit Teilnahmemöglichkeit für Kinder und Jugendliche teilnimmt. Gem. § 6 Abs. 6 PzV-Vertrag ist die Mehrfachteilnahme an mehreren Verträgen der AOK (nach den §§ 73b, 73c und/oder 140a SGB V), die vom Leistungsinhalt weitgehend identisch sind, ausgeschlossen.

Die Kammer muss vorliegend auch nicht näher der Frage nachgehen, ob die BVKJ-Service GmbH überhaupt der richtige Vertragspartner zum Abschluss eines PzV-Vertrages gem. § 73b Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. ist (vgl. zur ähnlichen Problematik BayLSG, Beschluss vom 27.06.2009, Az. L 12 KA 33/09 B ER, Rn. 60ff.).

Die Schiedsperson hat zur Begründung der Einschreibung von Versicherten unter 18 Jahren angeführt, dass die gesetzliche Regelung in § 73b den Ausschluss bestimmter Versichertengruppen nicht vorsehe. Ungeachtet dessen könne auch die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen in den HzV-Vertrag sinnvoll sein, wenn eine spezialärztliche Betreuung durch Kinderärzte nicht geboten sei. Gerade in einem Flächenstaat wie Bayern mit ländlich strukturierten Gebieten werde die allgemeine ärztliche Betreuung von Kindern regelhaft auch von Hausärzten mit übernommen. Anreize, Kinder und Jugendliche vermehrt in den HzV-Vertrag einschreiben zu lassen, bestünden nach dem Wegfall der kontaktunabhängigen Pauschale ohnehin nicht mehr (Begründung des Schiedsspruchs, S. 29f.).

§ 73b Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. lautet: "Ist ein Vertrag nach Satz 1 zustande ge-kommen oder soll ein Vertrag zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen ge-schlossen werden, können Verträge auch abgeschlossen werden mit vertragsärztlichen Leistungserbringern, die an der hausärztlichen Versorgung nach § 73 Abs. 1a teilnehmen (Nr. 1), Gemeinschaften dieser Leistungserbringer (Nr. 2) ( )". Der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum Entwurf des GKV-OrgWG ist zu entnehmen, dass Krankenkassen, die mit Gemeinschaften bereits HzV-Verträge abgeschlossen haben, aufgrund dieser Vorschrift weitere Verträge mit den bisherigen Vertragspartnern schließen und damit ihr Angebot für die Versicherten erweitern können. Eine Bereichsausnahme sei für Verträge geregelt, die die Versorgung von Kindern und Jugendlichen zum Gegenstand hätten. Dies sei geboten, weil es den Krankenkassen sonst verwehrt wäre, mit für die Versorgung dieses Personenkreises besonders qualifizierten Leistungserbringern oder ihren Gemeinschaften vor Abschluss von HzV-Verträgen mit den in Satz 1 genannten Gemeinschaften spezielle Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung zu schließen (BT-Drs. 16/10609, S. 54).

Weder der Wortlaut des § 73b Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. noch die zitierte Begrün-dung zum Entwurf des GKV-OrgWG schließen es grundsätzlich aus, zugunsten der Versorgung von Kindern und Jugendlichen eine hausarztzentrierte Versorgung mittels eines speziellen Vertrages mit Kinder- und Jugendärzten (bzw. deren Gemeinschaften) und zusätzlich mittels HzV-Vertrages mit einer Gemeinschaft wie dem Beklagten anzubieten. Hiervon scheint auch die Klägerin auszugehen, vgl. §§ 4 Abs. 5 Satz 3, 6 Abs. 6 PzV-Vertrag. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann § 73b Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. nicht entnommen werden, dass bei Vorliegen eines speziellen Vertrages mit Kinder- und Jugendärzten (bzw. deren Gemeinschaften) den Krankenkassen einseitig im Sinne eines Wahlrechts die Möglichkeit eröffnet wird, im Rahmen von Vertragsverhandlungen wegen Abschluss eines HzV-Vertrages mit einer Gemeinschaft gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. zu bestimmen, ob die Versichertengruppe der Kinder und Jugendlichen auch von diesem HzV-Vertrag umfasst werden soll oder nicht. Insofern geht der Einwand der Klägerin, die Schiedsperson habe unbefugt in ihr zustehendes Wahlrecht eingegriffen, ins Leere. Die Frage der Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen betrifft nicht Satzungsrecht der Klägerin (vgl. § 73b Abs. 3 Sätze 7, 8 SGB V a.F.), sondern vielmehr den Vertragsinhalt (vgl. auch BayLSG, Beschluss vom 01.12.2010, Az. L 5 KR 261/10 KL ER, Rn. 17), auf den sich die Beteiligten zu einigen haben bzw. der durch die Schiedsperson nach billigem Ermessen festgesetzt wird. Unter Berücksichtigung der nachvollziehbaren Begründung der Schiedsperson ist auch insoweit eine Unbilligkeit nicht zu erkennen.

(4) Eine Unbilligkeit aufgrund der Festsetzung der Schiedsklausel in § 19 HzV-Vertrag, wonach die Vertragspartner verpflichtet sind, bei allen Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem HzV-Vertrag oder über seine Gültigkeit zwischen ihnen ergeben, vor Klageerhebung das in der Anlage 7 näher geregelte Schiedsverfahren durchzuführen, ist – auch unter Berücksichtigung des Art. 19 Abs. 4 GG - nicht zu erkennen.

(5) Auch in dem Verzicht auf Aufnahme einer sog. Loyalitätsklausel in den HzV-Vertrag liegt keine Unbilligkeit. Dass die Schiedsperson keine Klausel zur Ver-pflichtung des Beklagten und der teilnehmenden Hausärzte zur Loyalität gegen-über der Klägerin formuliert hat, ist unter Berücksichtigung des weiten Gestal-tungsspielraums der Schiedsperson nicht zu beanstanden.

(6) Auch der Umstand, dass der streitgegenständliche HzV-Vertrag der Klägerin kein eigenes Recht einräumt, "Hausärzte, die sich gegenüber der Klägerin illoyal verhalten und die Klägerin sogar öffentlich diffamieren", von der Teilnahme am Vertrag auszuschließen, verstößt nicht gegen die Billigkeit. Im Rahmen ihres wei-ten Ermessens hat die Schiedsperson in § 5 Abs. 3 HzV-Vertrag geregelt, dass der Beklagte berechtigt und gegenüber der Klägerin verpflichtet ist, den HzV-Vertrag gegenüber dem Hausarzt mit sofortiger Wirkung zu kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Damit ist auch für die Fälle etwaigen illoyalen Verhaltens eine sachgerechte Lösung gefunden worden.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Weil sich der Beklagte mit einer Sprungrevision nicht einverstanden erklärt hat, war diese schon aus diesem Grund nicht zuzulassen, § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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