Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
37
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 37 R 889/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 690/12 ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28.06.2012 gegen den Bescheid vom 01.06.2012 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin Beitragsnachforderungen für die Zeit 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 geltend macht.
Die Antragsgegenerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen, soweit damit Beiträge für die Zeit vom dem 01.01.2007 nachgefordert werden.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Zeitarbeitsbranche. In dem streitgegenständlichen Zeitraum verwies die Antragstellerin in den Arbeitsverträgen von ihr entliehener Arbeitnehmer auf den mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalagenturen (CGZP) geschlossenen Tarifvertrag. Vertragsparteien dieses Tarifvertrages waren neben der CGZP der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e.V. (BVD) und der Arbeitgeberverband Mercedarius.
Mit Beschluss vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf Antrag von Ver.di und dem Land Berlin die Tarifunfähigkeit der CGZP. Diese war vorinstanzlich bereits vom Arbeitsgericht Berlin (Beschluss vom 01.04.2009, Az. 35 BV 17008/08) und dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 07.12.2009, Az. 23 TaBV 1016/09) angenommen worden.
In der Folgezeit führte die Antragsgegnerin bei den davon betroffenen Zeitarbeitsunternehmen nach entsprechender Ankündigung Betriebsprüfungen durch. Dies geschah in der Zeit vom 13.12.2011 bis zum 25.02.2012 auch im Falle der Antragstellerin. Geprüft wurde der Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009. Zu dem Ergebnis der Prüfung wurde die Antragstellerin unter dem 26.04.2012 angehört.
Mit Bescheid vom 01.06.2012 forderte die Antragsgegnerin dann Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 48.857,45 Euro nach. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge zur Folge. Den betroffenen Arbeitnehmern würde daher in Anwendung des § 10 Abs.4 AÜG derselbe Lohn zustehen, wie der Stammbelegschaft; demzufolge seien auch höhere Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten. Die Gesamtbeitragsforderung basiere auf einer Schätzung jeweils auf der Grundlage von Beschäftigungsgruppen je nach Entleiherbranche, dem gruppenspezifischen Bruttolohn pro Kalenderjahr, bereinigt um verleihfreie Zeiten, Urlaub etc., verifiziert durch Stichproben und einer Lohnbestandsbetrachtung im Verhältnis zu den tatsächlichen Entgelten vergleichbarer Arbeitsnehmer. Als Zahlungsfrist wurde der drittletzte Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folgt, gesetzt. Binnen dieser Frist seien die Beiträge an die zuständige Einzugsstelle zu zahlen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin am 28.06.2012 Widerspruch und beantragte, die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, eine Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen dürfe nicht erfolgen, da das BAG die Unwirksamkeit des Tarifvertrages nur ex nun festgestellt habe, nicht aber für die Zeit vor dem 14.12.2010. Selbst wenn die Tarifunfähigkeit der CGZP auch für die Vergangenheit festgestellt werden würde, führe dies nicht automatisch dazu, dass für vergangene Zeiträume nachträglich Beiträge auf der Grundlage eines erhöhten Entgeltes festgesetzt werden können. Die Antragstellerin habe auf die Wirksamkeit des einbezogenen Tarifvertrages vertraut. Im Übrigen wurde für die Jahre 2005 und 2006 die Einrede der Verjährung erhoben. Es sei abwegig, ein vorsätzliches Verhalten der Antragstellerin anzunehmen. Auch durch eine öffentliche Berichterstattung könne keine Bösgläubigkeit eingetreten sein. Jedenfalls aber sei die Entscheidung des BSG im Dezember 2010 im Wortlaut noch gar nicht bekannt gewesen. Für mit den Regelungen des Tarifrechts nicht vertraute sei es gerade nicht naheliegend gewesen, dass die CGZP tarifunfähig gewesen ist.
Die Antragsgegnerin lehnte die Aussetzung ab und leitete den Antrag als Antrag auf Stundung an die zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen weiter.
Am 23.07.2012 hat sich die Antragstellerin mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes an das Gericht gewandt und begehrte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01.06.2012 soweit damit Nachforderungen für die Zeit vor dem 01.01.2007 geltend gemacht wurden. Zur Begründung hat sie eine Verlängerung der vierjährigen Verjährungsfrist auf 30 Jahre komme nicht in Betracht, da die Antragstellerin nicht vorsätzlich gehandelt habe. Sie sei zwar durch Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.12.2010 von deren Rechtsauffassung in Kenntnis gesetzt worden, diese beruhe aber nicht auf dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010. Jedenfalls aber würden ernsthafte Zweifel an der Anwendbarkeit des § 25 Abs.1 S.2 SGB IV bestehen. Die 30jährige Verjährungsfrist greife zwar auch dann ein, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei ihrer Fälligkeit noch nicht vorlag, aber bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist; es stehe aber nicht fest, dass die Antragstellerin bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist den Eintritt der rückwirkenden Beitragspflicht für möglich gehalten hat.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28.06.2012 gegen den Bescheid vom 01.06.2012 anzuordnen, soweit die Antragsgegnerin Nachforderungen für die Zeit 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 geltend macht.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die von ihr getroffenen Feststellungen und die sich daraus ergebenden beitragsrechtlichen Konsequenzen zutreffend sind und die Beiträge für die Zeit vor dem 01.01.2007 nicht verjährt sind.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
II. Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags-, und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 13.07.2011, L 8 R 290/11 B ER). Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich sein lassen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/11 B ER). Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (aaO).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestehen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 01.06.2012, soweit die Antragsgegnerin damit Beiträge zur Sozialversicherung für die Zeit vor dem 01.01.2007 nachfordert.
Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitge-bern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Für die Berechnung der Höhe des Arbeitsentgeltes ihrer Arbeitnehmer hat die Antragstellerin entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die Regelungen des mit der CGZP geschlossenen Tarifvertrags zu Grunde gelegt. Infolge der durch das BAG mit Beschluss vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) festgestellten Tarifunfähigkeit der CGZP ist dieser Tarifvertrag unwirksam. Es finden daher die §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG Anwendung. Danach ist der Arbeitgeber (Verleiher) grundsätzlich verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet (§ 9 Nr. 2 2. Hs AÜG). Vor diesem Hintergrund hängt die Rechtmäßigkeit der streitigen Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen primär davon ab, ob der mit der mit der CGZP geschlossene Tarifvertrag im streitigen Zeitraum wirksam gewesen ist.
Das BAG hat in seinem Beschluss lediglich die Tarifunfähigkeit der CGZP mit Wirkung ab dem 14.12.2010 angenommen. Dabei hatte es jedoch die auf die Gegenwart bezogenen Anträge der Beteiligten zugrunde gelegt. Diesbezüglich hatte das BAG in den Gründen ausdrücklich klargestellt, dass es den Beteiligten ersichtlich nur um eine gegenwärtige Feststellung der Tariffähigkeit der CGZP gehe und sich deren Antrag nicht auf die Vergangenheit beziehe. Dementsprechend hat das BAG hinsichtlich der Tariffähigkeit der CGZP auch keine Entscheidung für die Vergangenheit getroffen.
Unabhängig davon besteht nach Auffassung des Gerichts keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die CGZP in der Vergangenheit - insbesondere in dem hier streitigen Zeitraum - tariffähig gewesen ist und die von ihr geschlossenen Tarifverträge wirksam gewesen sind. Das Gericht teilt insoweit nach eigener Prüfung die Auffassung der 34. Kammer des Sozialgerichts Duisburg (Az. S34 R 1554/11 ER), die eine Tariffähigkeit der CGZP für die Zeit vor dem 14.12.2010 ebenfalls nicht für wahrscheinlich hält. Diese Annahme wird gestützt durch den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 09.01.2012 (Az. 24 TaBV 1285/11). Darin hat das Gericht festgestellt, dass die CGZP jedenfalls auch am 29.11.2004, 19.06.2006 und 09.07.2008 nicht tariffähig gewesen ist. Mithin war es für sie auch schon zu den damaligen Zeitpunkten nicht möglich, wirksame Tarifverträge abzuschließen (vgl. Pressemitteilung zu dem Beschluss vom 09.01.2012, LAG Berlin Brandenburg, Az. 24 TaBV 1285/11). Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen worden. Auch wenn in diesem Verfahren noch eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann, so ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Eilentscheidung eine Entscheidung des BAG, die für den hier streitigen Zeitraum von der bisherigen Entscheidung abweicht, zwar möglich, nicht jedoch überwiegend wahrscheinlich (vgl. auch SG Duisburg, Beschluss vom 19.01.2012, Az. S34 R 1554/11 ER; SG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2012, Az. S11 R 1354/11 ER mit Hinweis auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20.09.2011, Az. 7SA 1318/11, und das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 02.11.2011, Az. 4 Ta 130/11). Infolge der Tarifunfähigkeit der CGZP sind die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam. Nach § 9 Nr. 2 Hs 2 AÜG sind auch Vereinbarungen außerhalb eines Tarifvertrages, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, unwirksam. Es verbleibt damit bei dem Anspruch des Arbeitnehmers aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG, wonach dem Leiharbeitnehmer ein ebenso hohes Entgelt zu zahlen ist, wie vergleichbaren Arbeitnehmern aus der Stammbelegschaft des Entleihers. Aus dem Anspruch auf Zahlung eines höheren Entgeltes resultiert die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin.
Der Beitragsanspruch ist auch entstanden. Beitragsansprüche entstehen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, sobald die im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Das ist der Fall, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist (vgl. Segebrecht, in jurisPK, § 22 SGB IV Randnr. 37). Etwas anderes gilt nur bei der Beitragserhebung für einmalig gezahltes Entgelt, bei der die Beitragsansprüche erst mit der Auszahlung entstehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vorliegend geht es indes nicht um einmalige Zahlungen.
Der Anspruch auf ein höheres Arbeitsentgelt ergibt sich unmittelbar aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG. Die Entstehung dieses Anspruchs ist nicht aufschiebend bedingt durch eine Wahlentscheidung des Leiharbeitnehmers. Für die Entstehung des Beitragsanspruchs ist es darüber hinaus auch nicht von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer den Anspruch auf Zahlung eines höheren Entgelts auch tatsächlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, da Beiträge stets nur auf das geschuldete, nicht aber auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt erhoben werden (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004, Az. B 12 KR 1/04 R). Es kommt insbesondere auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung wusste oder wissen konnte, dass er ein höheres Entgelt und in der Folge auch höhere Sozialversicherungsbeiträge schuldet (vgl. SG Duisburg, Beschluss vom 19.01.2012 aaO).
Auf Vertrauensschutz kann sich die Antragstellerin nach Auffassung des Gerichts nicht berufen. Dergleichen ist mit Sinn und Zweck des § 22 SGB IV nicht zu vereinbaren. Durch die Vorschrift soll klargestellt werden, dass Beitragsansprüche nicht erst durch eine Konkretisierung durch einen Beitrags-Verwaltungsakt entstehen, sondern bereits mit Vorliegen der normierten Voraussetzungen. Für Vertrauensschutz besteht da kein Raum.
Somit sind die Beitragsansprüche auch für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 grundsätzlich entstanden. Gleichwohl war die aufschiebende Wirkung anzuordnen, da die Beitragsansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2007 nach gegenwärtigem Sachstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verjährt sind.
Nach § 25 Abs. 1 S.1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 S.2 SGB IV in der Fassung der Bekanntmachung v. 23.1.2006 (BGBl. I, S. 86) wurden die in den Jahren 2005 und 2006 Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen waren, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wurde, ausgeübt worden ist. Damit sind alle im Jahr 2005 und 2006 fällig gewordenen Beitragsansprüche mit Ablauf des 31.12.2010 nach der Regelverjährungsfrist verjährt.
Es bestehen zumindest ernsthafte Zweifel, ob die Regelung des § 25 Abs. 1 S.2 SGB IV eingreift, wonach Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie fällig geworden sind. Das Gericht sich schließt diesbezüglich nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen des LSG NRW in seinem Beschluss vom 25.06.2012 (Az. L 8 R 382/12 B ER) vollumfänglich an.
Zwar kommt die Anwendung der 30jährigen Verjährungsfrist auch dann zum Tragen, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei ihrer Fälligkeit noch nicht vorlag, jedoch bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Urteil v. 30.03.2000, Az. B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7), wobei bedingter Vorsatz ausreicht (BSG, Urteil v. 26.01.2005, Az. B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Ob die Antragstellerin aber bereits vor Eintritt der Verjährung für die in den Jahren 2005 und 2006 fällig gewordenen Beiträge am 31.12.2010 den Eintritt einer rückwirkenden Beitragspflicht für möglich gehalten hat, kann nur nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles festgestellt werden (vgl. dazu LSG NRW aaO). Die Antragsgegnerin hat diesbezüglich bislang keinerlei einzelfallbezogene Feststellungen getroffen. Die Klärung dieser Frage würde indes umfassende Ermittlungen erfordern, die im Rahmen einer summarischen Prüfung im Verfahren auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht geboten erscheinen. Allein der Umstand, dass der Beschluss des BAG am 14.12.2010 verkündet worden ist, kann jedenfalls nach Auffassung des Gerichts nicht für die Annahme eines – zumindest - bedingten Vorsatzes ausreichen. Dies gilt insbesondere vor den Hintergrund, als zu diesem Zeitpunkt die konkreten Entscheidungsgründe noch nicht vorlagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Antragsgegenerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen, soweit damit Beiträge für die Zeit vom dem 01.01.2007 nachgefordert werden.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Zeitarbeitsbranche. In dem streitgegenständlichen Zeitraum verwies die Antragstellerin in den Arbeitsverträgen von ihr entliehener Arbeitnehmer auf den mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalagenturen (CGZP) geschlossenen Tarifvertrag. Vertragsparteien dieses Tarifvertrages waren neben der CGZP der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der Bundesverband Deutscher Dienstleistungsunternehmen e.V. (BVD) und der Arbeitgeberverband Mercedarius.
Mit Beschluss vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) bestätigte das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf Antrag von Ver.di und dem Land Berlin die Tarifunfähigkeit der CGZP. Diese war vorinstanzlich bereits vom Arbeitsgericht Berlin (Beschluss vom 01.04.2009, Az. 35 BV 17008/08) und dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 07.12.2009, Az. 23 TaBV 1016/09) angenommen worden.
In der Folgezeit führte die Antragsgegnerin bei den davon betroffenen Zeitarbeitsunternehmen nach entsprechender Ankündigung Betriebsprüfungen durch. Dies geschah in der Zeit vom 13.12.2011 bis zum 25.02.2012 auch im Falle der Antragstellerin. Geprüft wurde der Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009. Zu dem Ergebnis der Prüfung wurde die Antragstellerin unter dem 26.04.2012 angehört.
Mit Bescheid vom 01.06.2012 forderte die Antragsgegnerin dann Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 48.857,45 Euro nach. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG habe die Unwirksamkeit der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge zur Folge. Den betroffenen Arbeitnehmern würde daher in Anwendung des § 10 Abs.4 AÜG derselbe Lohn zustehen, wie der Stammbelegschaft; demzufolge seien auch höhere Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten. Die Gesamtbeitragsforderung basiere auf einer Schätzung jeweils auf der Grundlage von Beschäftigungsgruppen je nach Entleiherbranche, dem gruppenspezifischen Bruttolohn pro Kalenderjahr, bereinigt um verleihfreie Zeiten, Urlaub etc., verifiziert durch Stichproben und einer Lohnbestandsbetrachtung im Verhältnis zu den tatsächlichen Entgelten vergleichbarer Arbeitsnehmer. Als Zahlungsfrist wurde der drittletzte Bankarbeitstag des Monats, der dem Datum des Bescheides folgt, gesetzt. Binnen dieser Frist seien die Beiträge an die zuständige Einzugsstelle zu zahlen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin am 28.06.2012 Widerspruch und beantragte, die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, eine Nachberechnung von Sozialversicherungsbeiträgen dürfe nicht erfolgen, da das BAG die Unwirksamkeit des Tarifvertrages nur ex nun festgestellt habe, nicht aber für die Zeit vor dem 14.12.2010. Selbst wenn die Tarifunfähigkeit der CGZP auch für die Vergangenheit festgestellt werden würde, führe dies nicht automatisch dazu, dass für vergangene Zeiträume nachträglich Beiträge auf der Grundlage eines erhöhten Entgeltes festgesetzt werden können. Die Antragstellerin habe auf die Wirksamkeit des einbezogenen Tarifvertrages vertraut. Im Übrigen wurde für die Jahre 2005 und 2006 die Einrede der Verjährung erhoben. Es sei abwegig, ein vorsätzliches Verhalten der Antragstellerin anzunehmen. Auch durch eine öffentliche Berichterstattung könne keine Bösgläubigkeit eingetreten sein. Jedenfalls aber sei die Entscheidung des BSG im Dezember 2010 im Wortlaut noch gar nicht bekannt gewesen. Für mit den Regelungen des Tarifrechts nicht vertraute sei es gerade nicht naheliegend gewesen, dass die CGZP tarifunfähig gewesen ist.
Die Antragsgegnerin lehnte die Aussetzung ab und leitete den Antrag als Antrag auf Stundung an die zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen weiter.
Am 23.07.2012 hat sich die Antragstellerin mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes an das Gericht gewandt und begehrte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 01.06.2012 soweit damit Nachforderungen für die Zeit vor dem 01.01.2007 geltend gemacht wurden. Zur Begründung hat sie eine Verlängerung der vierjährigen Verjährungsfrist auf 30 Jahre komme nicht in Betracht, da die Antragstellerin nicht vorsätzlich gehandelt habe. Sie sei zwar durch Schreiben der Antragsgegnerin vom 28.12.2010 von deren Rechtsauffassung in Kenntnis gesetzt worden, diese beruhe aber nicht auf dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010. Jedenfalls aber würden ernsthafte Zweifel an der Anwendbarkeit des § 25 Abs.1 S.2 SGB IV bestehen. Die 30jährige Verjährungsfrist greife zwar auch dann ein, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei ihrer Fälligkeit noch nicht vorlag, aber bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist; es stehe aber nicht fest, dass die Antragstellerin bereits vor Ablauf der Verjährungsfrist den Eintritt der rückwirkenden Beitragspflicht für möglich gehalten hat.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 28.06.2012 gegen den Bescheid vom 01.06.2012 anzuordnen, soweit die Antragsgegnerin Nachforderungen für die Zeit 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 geltend macht.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist weiterhin der Ansicht, dass die von ihr getroffenen Feststellungen und die sich daraus ergebenden beitragsrechtlichen Konsequenzen zutreffend sind und die Beiträge für die Zeit vor dem 01.01.2007 nicht verjährt sind.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der die Antragstellerin betreffenden Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.
II. Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags-, und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 13.07.2011, L 8 R 290/11 B ER). Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich sein lassen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.01.2011, L 8 R 864/11 B ER). Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (aaO).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bestehen nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 01.06.2012, soweit die Antragsgegnerin damit Beiträge zur Sozialversicherung für die Zeit vor dem 01.01.2007 nachfordert.
Nach § 28p Abs. 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitge-bern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach dem Sozialgesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Für die Berechnung der Höhe des Arbeitsentgeltes ihrer Arbeitnehmer hat die Antragstellerin entsprechend der arbeitsvertraglichen Vereinbarung die Regelungen des mit der CGZP geschlossenen Tarifvertrags zu Grunde gelegt. Infolge der durch das BAG mit Beschluss vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) festgestellten Tarifunfähigkeit der CGZP ist dieser Tarifvertrag unwirksam. Es finden daher die §§ 10 Abs. 4 Satz 1, 9 Nr. 2 AÜG Anwendung. Danach ist der Arbeitgeber (Verleiher) grundsätzlich verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein Tarifvertrag abweichende Regelungen zulässt, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 AÜG festgesetzten Mindeststundenentgelte unterschreitet (§ 9 Nr. 2 2. Hs AÜG). Vor diesem Hintergrund hängt die Rechtmäßigkeit der streitigen Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen primär davon ab, ob der mit der mit der CGZP geschlossene Tarifvertrag im streitigen Zeitraum wirksam gewesen ist.
Das BAG hat in seinem Beschluss lediglich die Tarifunfähigkeit der CGZP mit Wirkung ab dem 14.12.2010 angenommen. Dabei hatte es jedoch die auf die Gegenwart bezogenen Anträge der Beteiligten zugrunde gelegt. Diesbezüglich hatte das BAG in den Gründen ausdrücklich klargestellt, dass es den Beteiligten ersichtlich nur um eine gegenwärtige Feststellung der Tariffähigkeit der CGZP gehe und sich deren Antrag nicht auf die Vergangenheit beziehe. Dementsprechend hat das BAG hinsichtlich der Tariffähigkeit der CGZP auch keine Entscheidung für die Vergangenheit getroffen.
Unabhängig davon besteht nach Auffassung des Gerichts keine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die CGZP in der Vergangenheit - insbesondere in dem hier streitigen Zeitraum - tariffähig gewesen ist und die von ihr geschlossenen Tarifverträge wirksam gewesen sind. Das Gericht teilt insoweit nach eigener Prüfung die Auffassung der 34. Kammer des Sozialgerichts Duisburg (Az. S34 R 1554/11 ER), die eine Tariffähigkeit der CGZP für die Zeit vor dem 14.12.2010 ebenfalls nicht für wahrscheinlich hält. Diese Annahme wird gestützt durch den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 09.01.2012 (Az. 24 TaBV 1285/11). Darin hat das Gericht festgestellt, dass die CGZP jedenfalls auch am 29.11.2004, 19.06.2006 und 09.07.2008 nicht tariffähig gewesen ist. Mithin war es für sie auch schon zu den damaligen Zeitpunkten nicht möglich, wirksame Tarifverträge abzuschließen (vgl. Pressemitteilung zu dem Beschluss vom 09.01.2012, LAG Berlin Brandenburg, Az. 24 TaBV 1285/11). Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen worden. Auch wenn in diesem Verfahren noch eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann, so ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Eilentscheidung eine Entscheidung des BAG, die für den hier streitigen Zeitraum von der bisherigen Entscheidung abweicht, zwar möglich, nicht jedoch überwiegend wahrscheinlich (vgl. auch SG Duisburg, Beschluss vom 19.01.2012, Az. S34 R 1554/11 ER; SG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2012, Az. S11 R 1354/11 ER mit Hinweis auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 20.09.2011, Az. 7SA 1318/11, und das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 02.11.2011, Az. 4 Ta 130/11). Infolge der Tarifunfähigkeit der CGZP sind die von ihr abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam. Nach § 9 Nr. 2 Hs 2 AÜG sind auch Vereinbarungen außerhalb eines Tarifvertrages, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen, unwirksam. Es verbleibt damit bei dem Anspruch des Arbeitnehmers aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG, wonach dem Leiharbeitnehmer ein ebenso hohes Entgelt zu zahlen ist, wie vergleichbaren Arbeitnehmern aus der Stammbelegschaft des Entleihers. Aus dem Anspruch auf Zahlung eines höheren Entgeltes resultiert die Beitragsnachforderung der Antragsgegnerin.
Der Beitragsanspruch ist auch entstanden. Beitragsansprüche entstehen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, sobald die im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Das ist der Fall, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Arbeitsentgelt entstanden ist (vgl. Segebrecht, in jurisPK, § 22 SGB IV Randnr. 37). Etwas anderes gilt nur bei der Beitragserhebung für einmalig gezahltes Entgelt, bei der die Beitragsansprüche erst mit der Auszahlung entstehen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vorliegend geht es indes nicht um einmalige Zahlungen.
Der Anspruch auf ein höheres Arbeitsentgelt ergibt sich unmittelbar aus § 10 Abs. 4 Satz 1 AÜG. Die Entstehung dieses Anspruchs ist nicht aufschiebend bedingt durch eine Wahlentscheidung des Leiharbeitnehmers. Für die Entstehung des Beitragsanspruchs ist es darüber hinaus auch nicht von Bedeutung, ob der Arbeitnehmer den Anspruch auf Zahlung eines höheren Entgelts auch tatsächlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend macht, da Beiträge stets nur auf das geschuldete, nicht aber auf das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt erhoben werden (vgl. BSG, Urteil vom 14.07.2004, Az. B 12 KR 1/04 R). Es kommt insbesondere auch nicht darauf an, ob der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung wusste oder wissen konnte, dass er ein höheres Entgelt und in der Folge auch höhere Sozialversicherungsbeiträge schuldet (vgl. SG Duisburg, Beschluss vom 19.01.2012 aaO).
Auf Vertrauensschutz kann sich die Antragstellerin nach Auffassung des Gerichts nicht berufen. Dergleichen ist mit Sinn und Zweck des § 22 SGB IV nicht zu vereinbaren. Durch die Vorschrift soll klargestellt werden, dass Beitragsansprüche nicht erst durch eine Konkretisierung durch einen Beitrags-Verwaltungsakt entstehen, sondern bereits mit Vorliegen der normierten Voraussetzungen. Für Vertrauensschutz besteht da kein Raum.
Somit sind die Beitragsansprüche auch für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2006 grundsätzlich entstanden. Gleichwohl war die aufschiebende Wirkung anzuordnen, da die Beitragsansprüche für die Zeit vor dem 01.01.2007 nach gegenwärtigem Sachstand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verjährt sind.
Nach § 25 Abs. 1 S.1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Gemäß § 23 Abs. 1 S.2 SGB IV in der Fassung der Bekanntmachung v. 23.1.2006 (BGBl. I, S. 86) wurden die in den Jahren 2005 und 2006 Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen waren, in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des Monats fällig, in dem die Beschäftigung, mit der das Arbeitsentgelt erzielt wurde, ausgeübt worden ist. Damit sind alle im Jahr 2005 und 2006 fällig gewordenen Beitragsansprüche mit Ablauf des 31.12.2010 nach der Regelverjährungsfrist verjährt.
Es bestehen zumindest ernsthafte Zweifel, ob die Regelung des § 25 Abs. 1 S.2 SGB IV eingreift, wonach Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie fällig geworden sind. Das Gericht sich schließt diesbezüglich nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen des LSG NRW in seinem Beschluss vom 25.06.2012 (Az. L 8 R 382/12 B ER) vollumfänglich an.
Zwar kommt die Anwendung der 30jährigen Verjährungsfrist auch dann zum Tragen, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei ihrer Fälligkeit noch nicht vorlag, jedoch bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist (BSG, Urteil v. 30.03.2000, Az. B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7), wobei bedingter Vorsatz ausreicht (BSG, Urteil v. 26.01.2005, Az. B 12 KR 3/04 R, SozR 4-2400 § 14 Nr. 7). Ob die Antragstellerin aber bereits vor Eintritt der Verjährung für die in den Jahren 2005 und 2006 fällig gewordenen Beiträge am 31.12.2010 den Eintritt einer rückwirkenden Beitragspflicht für möglich gehalten hat, kann nur nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles festgestellt werden (vgl. dazu LSG NRW aaO). Die Antragsgegnerin hat diesbezüglich bislang keinerlei einzelfallbezogene Feststellungen getroffen. Die Klärung dieser Frage würde indes umfassende Ermittlungen erfordern, die im Rahmen einer summarischen Prüfung im Verfahren auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht geboten erscheinen. Allein der Umstand, dass der Beschluss des BAG am 14.12.2010 verkündet worden ist, kann jedenfalls nach Auffassung des Gerichts nicht für die Annahme eines – zumindest - bedingten Vorsatzes ausreichen. Dies gilt insbesondere vor den Hintergrund, als zu diesem Zeitpunkt die konkreten Entscheidungsgründe noch nicht vorlagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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