Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 R 2590/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 741/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Regelaltersrente des Klägers wegen des Bezugs von Entschädigungen für Abgeordnete teilweise ruht. Der Kläger ist am XX.XX.1945 geboren. Er ist Bundestagabgeordneter seit 2009. Am 31.08.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten Regelaltersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres, also ab 01.10.2010. Der Kläger war hierfür persönlich in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in B-Stadt erschienen, wo sein Antrag von der Beraterin C. aufgenommen wurde. Dabei wurde das Formular R 100 – Antrag auf Versichertenrente – als sogenannter "Antrag online" ausgefüllt. Bei diesem Verfahren werden dem Antragsteller insgesamt 20 Fragen gestellt, die jeweils mit "ja" oder "nein" zu beantworten sind. Die Fragen tauchen nacheinander auf dem Bildschirm auf und werden dem Antragsteller vorgelesen. Die Antwort – ja oder nein – wird dann vom Berater jeweils angeklickt. Ein Ausdruck der so ermittelten Antragsdaten befindet sich in der Beklagtenakte, auch dem Kläger wurde bei Antragstellung ein Ausdruck übergeben. Die Richtigkeit der Antragsdaten im Ausdruck wurde vom Kläger durch Unterschrift bestätigt. Unter Punkt 10.4 wurde dem Kläger folgende Frage gestellt: "Werden Sie ab Rentenbeginn Entschädigungen (Diäten) für Abgeordnete erhalten?" Neben dieser Frage befindet sich die Antwort "nein" auf dem Antragsdatenblatt. Am 30.09.2010 bewilligte die Beklagte Regelaltersrente ab 01.10.2010 in Höhe von monatlich 2.242,19 Euro (incl. Zuschuss zur Krankenversicherung), ohne dass die Ruhensregelung des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz (AbgG) angewendet worden wäre. Auf Seite 3 des Bescheides findet sich unter der Überschrift "Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten - Andere Leistungen neben der Rente – muss ich diese Leistungen angeben ?" unter anderem folgender Hinweis: "Sie müssen uns unverzüglich mitteilen, wenn sie neben ihrer Rente eine ( ) der folgenden Leistungen beantragen oder beziehen: ( ) - Entschädigungen für Abgeordnete. Diese Leistungen können die Höhe Ihrer Rente beeinflussen, auch nachdem sie die Regelaltersgrenze erreicht haben." Am 16.11.2010 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Deutschen Bundestages vom 15.11.2010 ein, in dem mitgeteilt wurde, dass dem Kläger Abgeordnetenbezüge in Höhe von 7.646,99 Euro monatlich zustünden und dass gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2, 1 Abgeordnetengesetz die Regelaltersrente des Klägers in Höhe von 80 % zu Ruhen hätte. Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 08.12.2010 dazu an, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 30.09.2010 mit Wirkung ab 01.10.2010 gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen und die Überzahlung für die Monate Oktober bis Dezember 2010 in Höhe von insgesamt 5.381,25 Euro zurückzufordern. Ab 01.11.2011 würden laufend nur noch 449,70 Euro ausbezahlt werden. Der Kläger nahm hierzu zunächst telefonisch Stellung am 22.12.2010: Die Frage nach dem Bezug von Abgeordnetenentschädigungen sei offenbar deshalb verneint worden, weil die Beraterin gemeint hätte, dass diese Angabe für den Kläger irrelevant sei. Auch meinte der Kläger, § 29 Abgeordnetengesetz sei auf ihn nicht anwendbar, weil er nie in einem Beamtenverhältnis gestanden habe. In einem Schreiben vom 28.01.2011 trug der Kläger außerdem vor, er habe bei Rentenantragstellung gesagt, dass er Bundestagabgeordneter sei. Für ihn als Laien sei nicht erkennbar, dass "privatrechtliche Angestelltenversicherungsbezüge angerechnet" würden. Im Übrigen habe er im Vertrauen auf den Rentenbescheid seine Ausgabenstruktur unter Einbeziehung der vollen Rente ausgerichtet, z.B. unterhalte er drei Wahlkreisbüros. Die Beklagte fragte telefonisch bei Fr. C. an, ob sie sich an die Beratung erinnere, was diese verneinte. Daraufhin erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 10.02.2011, mit dem die Regelaltersrente ab 01.01.2011 neu berechnet wurde (Zahlbetrag nunmehr 449,70 Euro). Ferner wurde der Bescheid vom 30.09.2010 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung vom 01.10.2010 gemäß § 45 SGB X zurückgenommen. Die Überzahlung im Zeitraum Oktober bis Dezember 2010 in Höhe von 5.381,25 Euro wurde gemäß § 50 SGB X zurückgefordert. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sie dem Kläger keinen Vertrauensschutz zubillige, nachdem die Frage nach den Diäten verneint worden sei und dies vom Kläger auch unterschrieben wurde. Ferner hätte auch der Rentenbescheid eine Belehrung über die Auswirkung von Diäten enthalten, auch das Formblatt "Erläuterungen zum Rentenantrag" enthalte die Information, dass Regelaltersrenten bei Bezug von Abgeordnetenentschädigungen zu 80 % ruhten. Der Kläger habe somit die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides erkennen können. Im Rahmen der Ermessensausübung ging die Beklagte davon aus, dass sie kein Mitverschulden treffe. Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er unter anderem vortrug, wenn er den Rentenbescheid nicht in allen Einzelheiten der Anlagen gelesen habe, dann sei dies zum einen darauf zurückzuführen, dass er nicht den geringsten Zweifel hatte und habe, dass ihm die volle Rente zustehe, und dass er zum anderen einer enormen Arbeitsbelastung ausgesetzt gewesen sei. Im Übrigen sei er nicht in der Lage, die Rückzahlung in der geforderten Frist und Summe zu erbringen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2011 zurück, unter anderem mit der Begründung, dass ein Beratungsfehler nicht hätte nachgewiesen werden können; ferner hätte der Kläger erkennen können, dass die Rentenberechnung vom 30.09.2010 fehlerhaft war, Gutgläubigkeit könne daher nicht geltend gemacht werden. Die finanziellen Verhältnisse des Klägers könnten im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden, gäben aber keinen Anlass, von der vollen Rückforderung Abstand zu nehmen. Am 17.08.2011 ging daraufhin ein Schreiben des Klägers vom 15.08.2011 bei der Beklagten ein, mit welchem er erklärte, seinen Widerspruch aufrechterhalten zu wollen. Die Beklagte leitete dieses Schreiben an das Sozialgericht München weiter, wo es als Klage ausgelegt wurde. Im Laufe des Klageverfahrens wurde von Klägerseite unter anderem folgendes vorgetragen: - der Kläger habe bei Antragstellung keine falschen Angaben gemacht, - es sei nicht glaubwürdig, dass sich Fr. C. an die Beratung nicht erinnern könne, - dem Kläger sei höchstens der Vorwurf zu machen, das Formular nicht nochmal gründlich studiert zu haben – aber wer mache das schon; - die Frage nach dem Bezug von Diäten sei unklar formuliert, nach ihrem Wortlaut sei davon auszugehen, dass nur Diäten, die aufgrund der Rente ab Rentenbeginn bezahlt würden, gemeint seien, - § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz sei verfassungswidrig, Art. 3, 14 und 38 des Grundgesetzes seien verletzt; die Rente sei im Laufe des Erwerbslebens vom Versicherten erwirtschaftet und sei deshalb einem Verdienst, dessen Ausfall die Abgeordnetenentschädigungen ausgleichen sollten, nicht gleichzusetzen. Es sei verfassungswidrig, wenn zwischen Pensionären und Rentnern nicht unterschieden werde. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurde die Beraterin C. als Zeugin vernommen. Sie erinnerte sich nicht an die Rentenantragstellung des Klägers und hatte auch keine Aufzeichnungen darüber gemacht. Sie sagte aber aus, dass ihr die Regelung, dass eine Altersrente bei gleichzeitigem Bezug von Abgeordnetenentschädigungen teilweise ruhe, bekannt sei. Der Kläger beantragt: I. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 10.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2011 aufzuheben. II. Die Beklagte wird verurteilt, die Regelaltersrente des Klägers auch ab 01.01.2011 in voller Höhe ohne Anwendung der Ruhensvorschrift des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz zu zahlen. III. Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ermessensfehlerfrei unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Beklagte hält weiterhin daran fest, dass dem Kläger hinsichtlich der falschen Angaben zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, die bereits im blinden unterschreiben des Formulars zu sehen sei. Was die Vermögensdispositionen des Klägers angehe, sei kaum anzunehmen, dass dieser seine drei Wahlkreisbüros erst nach Erhalt des Rentenbescheides eröffnet habe. Ferner erachtet die Beklagte § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz als verfassungsgemäß. Sie weist unter anderem auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hin sowie darauf, dass das Verbot der Doppelalimentation aus öffentlichen Kassen gerade auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten Diätenurteil vom 05.11.1975 basiere und die Anrechnungsvorschrift des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz gerade auf den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts beruhe. Die Beklagte kann somit einen Verstoß weder gegen Art. 3 noch Art. 14 Grundgesetz erkennen, schließlich auch keinen Verstoß gegen Art. 38 Grundgesetz. Zu den Ausführungen der Beklagten im Einzelnen wird auf deren Schriftsatz vom 15.05.2012 Bezug genommen. Auch wegen der sonstigen Ausführungen der Beteiligten, des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Inhalts der Akten wird auf die beigezogene Rentenversicherungsakte und den Inhalt der Sozialgerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Sozialgericht München örtlich und sachlich zuständig. Auch die Klagefrist ist gewahrt. Zwar hat der Kläger binnen der Klagefrist nicht ausdrücklich Klage erhoben, sondern seinen "Widerspruch aufrechterhalten"; dieses Schreiben kann jedoch als fristgerechte Klageerhebung ausgelegt werden.
Die Klage hat in der Sache allerdings keinen Erfolg, da die Beklagte die Ruhensregelung des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz zu Recht angewendet hat. § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz ist auf den Kläger anwendbar und verfassungsgemäß (dazu unter 1.).
Ferner fordert die Beklagte auch zu Recht den überzahlten Betrag für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2010 zurück, da die Voraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt sind (dazu unter 2.).
1.
§ 29 Abs. 2 Satz 1, 2 Abgeordnetengesetz in der aktuellen Fassung vom 21.12.2004, gültig ab 28.12.2004, enthält folgende Regelung: "(2) Versorgungsansprüche aus einem Amtsverhältnis oder aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst ruhen neben der Abgeordnetenentschädigung nach § 11 Abs. 1 um 80 v.H., höchstens jedoch in Höhe der Abgeordnetenentschädigung nach § 11 Abs. 1 und 3. Entsprechendes gilt für Renten im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 des Beamtenversorgungsgesetzes mit Ausnahme von Renten aus einer freiwilligen Pflichtversicherung auf Antrag gemäß § 4 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch; § 55 Abs. 3 und 4 des Beamtenversorgungsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden."
§ 55 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz regelt, dass unter anderem Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Renten gelten, neben denen Versorgungsbezüge von Beamten nur bis zum Erreichen einer bestimmten Höchstgrenze gezahlt werden.
Aus dem Wortlaut oben genannter Vorschriften lässt sich eindeutig erkennen, dass § 29 Abs. 2 nicht nur für Beamte gilt, sondern auch für Bundestagsabgeordnete, die neben ihrer Entschädigung eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, vgl. § 29 Abs. 2 Satz 2 Abgeordnetengesetz. Da die Regelaltersrente des Klägers eine solche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist, kommt der Rentenanspruch des Klägers, wie von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid entschieden, zu 80 % zum Ruhen.
Diese Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere liegt – entgegen der Auffassung der Klägerseite – kein Verstoß gegen die Art. 3, 14 oder 38 Grundgesetz vor.
Mit Inkrafttreten des Art. 2 des 21. Änderungsgesetzes zum Abgeordnetengesetz vom 20.07.2000 hat der Gesetzgeber die Regelung, wonach 80 % der Ansprüche auch auf Regelaltersrente ruhen, wenn gleichzeitig Entschädigungen für Abgeordnete bezogen werden, eingeführt. Vor Beginn der 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, mit welcher die angegriffene Regelung in Kraft trat, gab es keine Anrechnungsvorschrift, sodass Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung neben Abgeordnetenentschädigungen in vollem Umfang bezogen werden konnten. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 30.09.1987, Az. 2 BvR 933/82, festgestellt, dass es sich bei Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung – obwohl hierbei ein Teil des Kapitalzuflusses bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aus dem eigenen Vermögen des Rentenempfängers stammt – um eine Leistung aus einer öffentlichen Kasse handelt, weshalb es nahe liege, "dass der Gesetzgeber, sofern er es bei der bisherigen Konzeption von Entschädigung und Versorgung der Abgeordneten belässt, auch eine Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht" (vgl. BVerfG a.a.O., Rdnr. 62 im Juris-Dokument). Grund für diese Erwägung sah das Bundesverfassungsgericht in der Fortentwicklung der Abgeordnetenentschädigungen: Wurde die Entschädigung früher, als die Bundestagsabgeordneten ihr Amt im Wesentlichen ehrenamtlich ausübten und ihre zeitliche Beanspruchung durch das Mandat sich noch in Grenzen hielt, tatsächlich für zusätzlich entstandenen finanziellen Aufwand durch das Mandat gewährt, so ist es heute Realität der Tätigkeit eines Bundestagabgeordneten, dass dieser seine Kraft voll und ganz dem Amt widmen muss, was eine anderweitige Berufstätigkeit nebenher äußerst schwierig macht. Die Abgeordnetenentschädigungen folgen daher nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts, das hierzu umfassend beim Bundestag und den Parlamenten der Länder ermittelt hatte, inzwischen dem Alimentationsprinzip. Die Abgeordnetenentschädigung soll demnach dem Abgeordneten und seiner Familie einen angemessenen Lebensunterhalt gewähren und einen etwaigen Verdienstausfall auf Grund Nichtausübung einer anderweitigen Tätigkeit ausgleichen. Das Bundesverfassungsgericht sieht es daher als folgerichtig an, wenn auch Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung neben Abgeordnetenentschädigungen nicht voll zur Auszahlung gelangen.
Zwar ist klar, dass das Amt eines Bundestagsabgeordneten selbstverständlich nicht mit dem Amt eines Beamten verglichen werden kann - der Bundestagsabgeordnete ist ein freier, gewählter Vertreter des Volkes, im Gegensatz zum weisungsgebundenen Beamten. Für Fragen der Anrechnung von Renten kommt es allerdings nicht auf Wahl oder Ernennung, auf freies Mandat oder Weisungsgebundenheit an, sondern darauf, wie das Einkommen zu beurteilen ist. Dass Abgeordnetenentschädigungen ein Einkommen im selben Sinne sind, wie die Bezüge eines Beamten, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem sogenannten Diätenurteil vom 05.11.1975, Az. 2 BvR 193/74, festgestellt. In diesem Urteil wurde auch entschieden, dass es nicht gerechtfertigt sei, wenn ein Beamter, der ins Parlament gewählt wird, sein Gehalt oder Ruhegehalt neben Abgeordnetenentschädigungen weiter beziehe. Dies würde dem formalisierten Gleichheitssatz widersprechen. Das bedeutet, dass das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz – ganz im Gegensatz zur Klägerseite im vorliegenden Verfahren – gerade dann bejahen würde, wenn Altersbezüge – im Diätenurteil 1975 diejenigen von Beamten - neben Abgeordnetenentschädigungen weiter bezogen würden.
Diesen Grundsatz weitete das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 30.09.1987, 2 BvR 933/82, in einem obiter dictum auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus (dazu siehe oben), weil es ausdrücklich davon ausgeht, dass auch diese Renten aus einer öffentlichen Kasse fließen, weshalb auch bei gesetzlichen Altersrenten ansonsten eine unerwünschte Doppelalimentation aus öffentlichen Kassen einträte. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist daher vorliegend nicht gegeben.
Auch von einem Verstoß gegen Art. 14 GG ist die erkennende Kammer nicht überzeugt. Zwar ist der Klägerseite darin zuzustimmen, dass die Rentenansprüche dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterfallen, da sie zumindest teilweise aus dem in früheren Zeiten erzielten Einkommen des Klägers erwirtschaftet wurden. Berücksichtigt man jedoch, dass die Rentenansprüche nur zum Teil vom Arbeitnehmer erwirtschaftet werden (insgesamt 80 % der Rentenansprüche werden aus Beiträgen finanziert, wovon der Arbeitnehmer, hier der Kläger, die Hälfte aufbringt, also 40 %), und berücksichtigt man weiterhin, dass der Rentenanspruch gemäß § 29 Abs. 2 AbgG nicht in voller Höhe ruht, sondern zu 80 %, so stellt die Ruhensvorschrift des § 29 AbgG keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 14 GG geschützten Ansprüche des Klägers dar. Natürlich wäre es nicht zwingend gewesen, dass der Gesetzgeber ein Ruhen in Höhe von 80 % vorsieht; in welcher Form oder in welcher Höhe gesetzliche Renten auf Abgeordnetenentschädigungen angerechnet werden sollen, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 30.09.1987 nicht vorgegeben. In Anbetracht des weiten Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber bei Eingriffen in Rentenanwartschaften im Hinblick auf Art. 14 GG hat, führt der Ruhensanteil in Höhe von 80 % aber jedenfalls nicht zur Annahme von Unverhältnismäßigkeit.
Auch angesichts der Tatsache, dass Art. 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz Forderungen des Bundesverfassungsgerichts erfüllt, die dieses bereits im Jahr 1987 stellte, vermag sich das Gericht der Meinung des Klägers, diese Vorschrift sei verfassungswidrig, nicht anzuschließen. Dies gilt sowohl für Art. 3 GG als auch für Art. 14 GG, und erst recht für Art. 38 GG. Gemäß Art. 38 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt. Inwiefern diese Vorschrift durch § 29 Abs. 2 AbgG verletzt sein soll, ist nicht ersichtlich und wird von Klägerseite auch in keiner Weise erläutert.
Die Beklagte hat somit zu Recht § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz auf die Altersrente des Klägers angewendet. An der Kürzung des Auszahlungsbetrages auf 20 % ist nichts auszusetzen. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig.
2.
Der angefochtene Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, als die Beklagte den Rentenbewilligungsbescheid vom 30.09.2010 auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben hat und den überzahlten Betrag für die Monate Oktober bis Dezember 2010 vom Kläger zurückfordert.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Rentenbescheides ist § 45 SGB X. Hiernach kann ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, wenn dies nicht ausgeschlossen ist, weil der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann der Begünstigte sich auf Vertrauen nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3); grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Im vorliegenden Falle sind sowohl die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr.2, als auch Nr. 3 SGB X erfüllt.
Zum einen hat der Kläger nämlich zumindest grob fahrlässig falsche Angaben bei der Rentenantragstellung gemacht. Zwar konnte, auch nach Einvernahme der Zeugin C., nicht aufgeklärt werden, welche Umstände dazu geführt haben, dass die Frage nach dem Diätenbezug ab Rentenbeginn unrichtig beantwortet wurde. Es ist möglich, dass der Kläger die Frage zutreffend bejaht hat, Frau C. aber versehentlich auf "Nein" statt auf "Ja" geklickt hat. Es ist auch denkbar, dass der Kläger die Frage verneint hat, weil er meinte, sie sei irrelevant – dementsprechend beraten oder auch nicht; und es ist möglich, dass der Kläger die Frage – vorsätzlich oder fahrlässig – falsch beantwortet hat. Nach Einvernahme der Zeugin C., die an diesen Beratungstermin im Einzelnen keinerlei Erinnerungen hat, scheint es dem Gericht allerdings unwahrscheinlich, dass sie den Kläger falsch beraten haben sollte. Frau C. ist eine erfahrene Beraterin, die bereits seit sechs Jahren in der für Berater obersten Besoldungstufe A 11 besoldet wird, seit langen Jahren Beraterin ist und regelmäßig fortgebildet wird. Frau C. hat in ihrer Vernehmung auch glaubhaft geschildert, dass ihr die Auswirkung des Bezugs von Abgeordnetenentschädigung auf die Regelaltersrente bekannt sei. Die Glaubhaftigkeit dieser Aussage wird unterstrichen durch die Ausführungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung, der selbst Beraterschulungen abhält, wonach immer dann, wenn eine neue Frage im Antragsformular aufgenommen wird, die Berater über Hintergrund und Bedeutung dieser neuen Frage geschult werden. Wie auch immer es letztlich zur Falschbeantwortung dieser Frage gekommen ist, so steht jedenfalls unstreitig fest, dass der Kläger die falsche Angabe mit seiner Unterschrift bestätigt hat und dass ihm ein Ausdruck des Antragsformulars mit nach Hause gegeben wurde. Es wäre dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, entweder vor, oder auch nach der Bestätigung durch Unterschrift einen Blick auf die von ihm bestätigten Daten zu werfen. Auch bei hoher Arbeitsbelastung darf erwartet werden, dass ein Versicherter sich etwa 5 Minuten zum Durchlesen der unterschriebenen Angaben nimmt. Dabei hätte der Kläger unschwer feststellen können, dass die Frage nach den Abgeordnetenentschädigungen falsch beantwortet worden war. Den Ausführungen des Klägervertreters, wonach diese Frage unklar gestellt sei, weil die Frage nach "Abgeordnetenentschädigungen ab Rentenbeginn" dahingehend zu verstehen sei, ob Abgeordnetenentschädigungen wegen des Rentenbeginns bezahlt würden, vermag das Gericht nicht zu folgen. Dass es solcherlei Entschädigungen selbstverständlich nicht gibt, müsste sowohl dem Klägervertreter, als auch dem Kläger selbst im Hinblick auf seine Ausbildung, seinen beruflichen Werdegang und nicht zuletzt sein Abgeordnetenmandat klar sein. Der Kläger selbst hat auch niemals vorgetragen, die Frage falsch verstanden zu haben. Vielmehr behauptete der Kläger ja zunächst, er habe die Frage bejaht, dann, er habe sie für irrelevant gehalten. Ein falsches Verstehen der Frage kann ausgeschlossen werden.
Wer Angaben durch Unterschrift bestätigt, die er nicht durchgelesen hat, und auch im nachhinein nicht prüft, ob die unterschriebenen Angaben zutreffen, handelt zwar nicht unbedingt vorsätzlich, muss sich aber unter Umständen grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen. Maßgeblich ist dabei der subjektive Fahrlässigkeitsbegriff, der die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Begünstigten berücksichtigt. Angesichts der Ausbildung und des beruflichen Werdegangs des Klägers, nicht zuletzt seiner Abgeordnetentätigkeit, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass dem Kläger die Bedeutung einer Bestätigung durch Unterschrift klar ist und dass er den Sinn der Frage, ob ab Antragstellung Abgeordnetendiäten bezogen würden, verstehen kann. Hätte der Kläger also das, was er unterschrieb, durchgelesen, hätte er unschwer erkennen können, dass dies falsch war. Der Kläger hat aber "blind" unterschreiben, wie er selbst einräumt. Zwar mag es zutreffen, dass es viele Menschen gibt, die Dinge unterschreiben, die sie nicht durchgelesen haben. Dies entkräftet aber nicht den Vorwurf eines grob fahrlässigen Verhaltens. Das Unterschreiben von nicht geprüften Angaben stellt eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße dar und hat zur Folge, dass man sich auf Vertrauensschutz nicht berufen kann, wenn es um die Frage geht, ob man die zu Unrecht empfangene Leistung zurückgeben muss. Denn nur darum geht es ja, ob der Kläger Rentenzahlungen, auf die kein Anspruch bestand, zurückerstatten muss, nicht etwa um eine Bestrafung falscher Angaben. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X sind damit erfüllt.
Im Falle des Klägers sind außerdem die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt, wonach sich auf Vertrauen nicht berufen kann, wer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es entspricht einem gefestigten Grundsatz der herrschenden Rechtsprechung, dass es der erforderlichen Sorgfalt entspricht, einen Bescheid durchzulesen. Hätte der Kläger den Rentenbescheid durchgelesen, so hätte er auch den darin enthaltenen Hinweis gelesen, dass er der Beklagten unverzüglich hätte mitteilen müssen, wenn neben der Rente Entschädigungen für Abgeordnete beantragt oder bezogen werden, da sich diese Leistungen auf die Höhe der Rente auswirken können, auch nachdem die Regelaltersgrenze erreicht ist. Der Kläger hätte also nach Erhalt des Rentenbescheides feststellen können, dass Abgeordnetenentschädigungen nicht, wie er angenommen hatte, irrelevant sind und deshalb mitzuteilen gewesen wären.
Der Kläger kann sich somit nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Dabei ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass zwischen Bewilligung der Rente und Anhörung zur Rückforderung nur gut zwei Monate lagen, weshalb das Vertrauen, das der Kläger in die Richtigkeit des Bescheides gesetzt haben könnte, nur von kurzer Dauer gewesen sein kann.
Da auch die Fristen des § 45 SGB X, insbesondere die Jahresfrist ab Kenntnis der Tatsachen, die die Rücknahme rechtfertigen, gewahrt sind, liegen die Voraussetzungen einer Rückforderung vor.
Die Beklagte hat auch ordnungsgemäß ihr Ermessen hinsichtlich der Höhe der Rückforderung ausgeübt. Auch im Rahmen von § 45 SGB X trifft die Behörde keine gebundene Entscheidung über die Rückforderung, sondern hat Ermessen auszuüben, was in besonders gelagerten, atypischen Fällen dazu führen kann, dass die Rückforderung reduziert oder sogar vollständig von ihr Abstand genommen wird. Ein Aspekt, der hier eine Rolle spielen kann, ist ein Mitverschulden der Behörde an der entstandenen Überzahlung. Ein solches wird vom Kläger behauptet, nach seinen Ausführungen wurde ihm bei der Antragstellung gesagt, dass der Bezug von Abgeordnetenentschädigungen irrelevant sei. Ganz davon abgesehen, dass dies keine hinreichende Erklärung darstellen würde für das Verneinen der Frage, ob solche Entschädigungen bezogen werden, konnte der Nachweis einer solchen Fehlberatung durch die Beweisaufnahme nicht erbracht werden. Die Zeugin C. erinnert sich nicht an das Beratungsgespräch. Ein Mitverschulden der Beklagten ist daher nicht zum Gegenstand der Ermessenserwägungen zu machen, da die Klägerseite für die Tatsache des Mitverschuldens die objektive Beweislast trägt. Folglich sind die Ermessenserwägungen, die die Beklagte im angefochtenen Bescheid angestellt hat, nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die vom Kläger ins Feld geführten finanziellen Aspekte. Der Kläger hat zwar im Anhörungs- und im Widerspruchsverfahren vorgetragen, er hätte finanzielle Dispositionen im Hinblick auf den vollen Rentenbezug getroffen und sei nicht in der Lage, den überzahlten Betrag rückzuerstatten. Diese Ausführungen reichen jedoch nicht aus, um einen atypischen Fall zu begründen. Hierfür hätte der Kläger Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen legen müssen, die die Annahme eines finanziellen Härtefalles rechtfertigen hätte können. Die pauschale Behauptung, zur Rückerstattung nicht in der Lage zu sein, reicht hierfür nicht aus. Im Übrigen hat der Kläger auch im Rahmen der Vollstreckung des Rückforderungsbescheides noch Gelegenheit, diese Aspekte in das Verfahren einzubringen.
Folglich ist der angefochtene Bescheid auch insoweit rechtmäßig, als die Erstattung von 5.381,25 Euro gefordert wird.
Nach allem war die Klage in vollem Umfang abzuweisen, auch was den Hilfsantrag angeht.
Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Grundgesetz kommt nicht in Betracht, da das erkennende Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz überzeugt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt die Tatsache, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wurde.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Regelaltersrente des Klägers wegen des Bezugs von Entschädigungen für Abgeordnete teilweise ruht. Der Kläger ist am XX.XX.1945 geboren. Er ist Bundestagabgeordneter seit 2009. Am 31.08.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten Regelaltersrente ab Vollendung des 65. Lebensjahres, also ab 01.10.2010. Der Kläger war hierfür persönlich in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in B-Stadt erschienen, wo sein Antrag von der Beraterin C. aufgenommen wurde. Dabei wurde das Formular R 100 – Antrag auf Versichertenrente – als sogenannter "Antrag online" ausgefüllt. Bei diesem Verfahren werden dem Antragsteller insgesamt 20 Fragen gestellt, die jeweils mit "ja" oder "nein" zu beantworten sind. Die Fragen tauchen nacheinander auf dem Bildschirm auf und werden dem Antragsteller vorgelesen. Die Antwort – ja oder nein – wird dann vom Berater jeweils angeklickt. Ein Ausdruck der so ermittelten Antragsdaten befindet sich in der Beklagtenakte, auch dem Kläger wurde bei Antragstellung ein Ausdruck übergeben. Die Richtigkeit der Antragsdaten im Ausdruck wurde vom Kläger durch Unterschrift bestätigt. Unter Punkt 10.4 wurde dem Kläger folgende Frage gestellt: "Werden Sie ab Rentenbeginn Entschädigungen (Diäten) für Abgeordnete erhalten?" Neben dieser Frage befindet sich die Antwort "nein" auf dem Antragsdatenblatt. Am 30.09.2010 bewilligte die Beklagte Regelaltersrente ab 01.10.2010 in Höhe von monatlich 2.242,19 Euro (incl. Zuschuss zur Krankenversicherung), ohne dass die Ruhensregelung des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz (AbgG) angewendet worden wäre. Auf Seite 3 des Bescheides findet sich unter der Überschrift "Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten - Andere Leistungen neben der Rente – muss ich diese Leistungen angeben ?" unter anderem folgender Hinweis: "Sie müssen uns unverzüglich mitteilen, wenn sie neben ihrer Rente eine ( ) der folgenden Leistungen beantragen oder beziehen: ( ) - Entschädigungen für Abgeordnete. Diese Leistungen können die Höhe Ihrer Rente beeinflussen, auch nachdem sie die Regelaltersgrenze erreicht haben." Am 16.11.2010 ging bei der Beklagten ein Schreiben des Deutschen Bundestages vom 15.11.2010 ein, in dem mitgeteilt wurde, dass dem Kläger Abgeordnetenbezüge in Höhe von 7.646,99 Euro monatlich zustünden und dass gemäß § 29 Abs. 2 Satz 2, 1 Abgeordnetengesetz die Regelaltersrente des Klägers in Höhe von 80 % zu Ruhen hätte. Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 08.12.2010 dazu an, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 30.09.2010 mit Wirkung ab 01.10.2010 gemäß § 45 SGB X zurückzunehmen und die Überzahlung für die Monate Oktober bis Dezember 2010 in Höhe von insgesamt 5.381,25 Euro zurückzufordern. Ab 01.11.2011 würden laufend nur noch 449,70 Euro ausbezahlt werden. Der Kläger nahm hierzu zunächst telefonisch Stellung am 22.12.2010: Die Frage nach dem Bezug von Abgeordnetenentschädigungen sei offenbar deshalb verneint worden, weil die Beraterin gemeint hätte, dass diese Angabe für den Kläger irrelevant sei. Auch meinte der Kläger, § 29 Abgeordnetengesetz sei auf ihn nicht anwendbar, weil er nie in einem Beamtenverhältnis gestanden habe. In einem Schreiben vom 28.01.2011 trug der Kläger außerdem vor, er habe bei Rentenantragstellung gesagt, dass er Bundestagabgeordneter sei. Für ihn als Laien sei nicht erkennbar, dass "privatrechtliche Angestelltenversicherungsbezüge angerechnet" würden. Im Übrigen habe er im Vertrauen auf den Rentenbescheid seine Ausgabenstruktur unter Einbeziehung der vollen Rente ausgerichtet, z.B. unterhalte er drei Wahlkreisbüros. Die Beklagte fragte telefonisch bei Fr. C. an, ob sie sich an die Beratung erinnere, was diese verneinte. Daraufhin erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 10.02.2011, mit dem die Regelaltersrente ab 01.01.2011 neu berechnet wurde (Zahlbetrag nunmehr 449,70 Euro). Ferner wurde der Bescheid vom 30.09.2010 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung vom 01.10.2010 gemäß § 45 SGB X zurückgenommen. Die Überzahlung im Zeitraum Oktober bis Dezember 2010 in Höhe von 5.381,25 Euro wurde gemäß § 50 SGB X zurückgefordert. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sie dem Kläger keinen Vertrauensschutz zubillige, nachdem die Frage nach den Diäten verneint worden sei und dies vom Kläger auch unterschrieben wurde. Ferner hätte auch der Rentenbescheid eine Belehrung über die Auswirkung von Diäten enthalten, auch das Formblatt "Erläuterungen zum Rentenantrag" enthalte die Information, dass Regelaltersrenten bei Bezug von Abgeordnetenentschädigungen zu 80 % ruhten. Der Kläger habe somit die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides erkennen können. Im Rahmen der Ermessensausübung ging die Beklagte davon aus, dass sie kein Mitverschulden treffe. Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er unter anderem vortrug, wenn er den Rentenbescheid nicht in allen Einzelheiten der Anlagen gelesen habe, dann sei dies zum einen darauf zurückzuführen, dass er nicht den geringsten Zweifel hatte und habe, dass ihm die volle Rente zustehe, und dass er zum anderen einer enormen Arbeitsbelastung ausgesetzt gewesen sei. Im Übrigen sei er nicht in der Lage, die Rückzahlung in der geforderten Frist und Summe zu erbringen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2011 zurück, unter anderem mit der Begründung, dass ein Beratungsfehler nicht hätte nachgewiesen werden können; ferner hätte der Kläger erkennen können, dass die Rentenberechnung vom 30.09.2010 fehlerhaft war, Gutgläubigkeit könne daher nicht geltend gemacht werden. Die finanziellen Verhältnisse des Klägers könnten im Vollstreckungsverfahren berücksichtigt werden, gäben aber keinen Anlass, von der vollen Rückforderung Abstand zu nehmen. Am 17.08.2011 ging daraufhin ein Schreiben des Klägers vom 15.08.2011 bei der Beklagten ein, mit welchem er erklärte, seinen Widerspruch aufrechterhalten zu wollen. Die Beklagte leitete dieses Schreiben an das Sozialgericht München weiter, wo es als Klage ausgelegt wurde. Im Laufe des Klageverfahrens wurde von Klägerseite unter anderem folgendes vorgetragen: - der Kläger habe bei Antragstellung keine falschen Angaben gemacht, - es sei nicht glaubwürdig, dass sich Fr. C. an die Beratung nicht erinnern könne, - dem Kläger sei höchstens der Vorwurf zu machen, das Formular nicht nochmal gründlich studiert zu haben – aber wer mache das schon; - die Frage nach dem Bezug von Diäten sei unklar formuliert, nach ihrem Wortlaut sei davon auszugehen, dass nur Diäten, die aufgrund der Rente ab Rentenbeginn bezahlt würden, gemeint seien, - § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz sei verfassungswidrig, Art. 3, 14 und 38 des Grundgesetzes seien verletzt; die Rente sei im Laufe des Erwerbslebens vom Versicherten erwirtschaftet und sei deshalb einem Verdienst, dessen Ausfall die Abgeordnetenentschädigungen ausgleichen sollten, nicht gleichzusetzen. Es sei verfassungswidrig, wenn zwischen Pensionären und Rentnern nicht unterschieden werde. Im Termin zur mündlichen Verhandlung wurde die Beraterin C. als Zeugin vernommen. Sie erinnerte sich nicht an die Rentenantragstellung des Klägers und hatte auch keine Aufzeichnungen darüber gemacht. Sie sagte aber aus, dass ihr die Regelung, dass eine Altersrente bei gleichzeitigem Bezug von Abgeordnetenentschädigungen teilweise ruhe, bekannt sei. Der Kläger beantragt: I. Die Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 10.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2011 aufzuheben. II. Die Beklagte wird verurteilt, die Regelaltersrente des Klägers auch ab 01.01.2011 in voller Höhe ohne Anwendung der Ruhensvorschrift des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz zu zahlen. III. Hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger ermessensfehlerfrei unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.
Die Beklagte beantragt, die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Die Beklagte hält weiterhin daran fest, dass dem Kläger hinsichtlich der falschen Angaben zumindest grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei, die bereits im blinden unterschreiben des Formulars zu sehen sei. Was die Vermögensdispositionen des Klägers angehe, sei kaum anzunehmen, dass dieser seine drei Wahlkreisbüros erst nach Erhalt des Rentenbescheides eröffnet habe. Ferner erachtet die Beklagte § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz als verfassungsgemäß. Sie weist unter anderem auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers hin sowie darauf, dass das Verbot der Doppelalimentation aus öffentlichen Kassen gerade auf der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten Diätenurteil vom 05.11.1975 basiere und die Anrechnungsvorschrift des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz gerade auf den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts beruhe. Die Beklagte kann somit einen Verstoß weder gegen Art. 3 noch Art. 14 Grundgesetz erkennen, schließlich auch keinen Verstoß gegen Art. 38 Grundgesetz. Zu den Ausführungen der Beklagten im Einzelnen wird auf deren Schriftsatz vom 15.05.2012 Bezug genommen. Auch wegen der sonstigen Ausführungen der Beteiligten, des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Inhalts der Akten wird auf die beigezogene Rentenversicherungsakte und den Inhalt der Sozialgerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Sozialgericht München örtlich und sachlich zuständig. Auch die Klagefrist ist gewahrt. Zwar hat der Kläger binnen der Klagefrist nicht ausdrücklich Klage erhoben, sondern seinen "Widerspruch aufrechterhalten"; dieses Schreiben kann jedoch als fristgerechte Klageerhebung ausgelegt werden.
Die Klage hat in der Sache allerdings keinen Erfolg, da die Beklagte die Ruhensregelung des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz zu Recht angewendet hat. § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz ist auf den Kläger anwendbar und verfassungsgemäß (dazu unter 1.).
Ferner fordert die Beklagte auch zu Recht den überzahlten Betrag für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2010 zurück, da die Voraussetzungen des § 45 SGB X erfüllt sind (dazu unter 2.).
1.
§ 29 Abs. 2 Satz 1, 2 Abgeordnetengesetz in der aktuellen Fassung vom 21.12.2004, gültig ab 28.12.2004, enthält folgende Regelung: "(2) Versorgungsansprüche aus einem Amtsverhältnis oder aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst ruhen neben der Abgeordnetenentschädigung nach § 11 Abs. 1 um 80 v.H., höchstens jedoch in Höhe der Abgeordnetenentschädigung nach § 11 Abs. 1 und 3. Entsprechendes gilt für Renten im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 2 des Beamtenversorgungsgesetzes mit Ausnahme von Renten aus einer freiwilligen Pflichtversicherung auf Antrag gemäß § 4 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch; § 55 Abs. 3 und 4 des Beamtenversorgungsgesetzes ist sinngemäß anzuwenden."
§ 55 Abs. 1 Beamtenversorgungsgesetz regelt, dass unter anderem Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Renten gelten, neben denen Versorgungsbezüge von Beamten nur bis zum Erreichen einer bestimmten Höchstgrenze gezahlt werden.
Aus dem Wortlaut oben genannter Vorschriften lässt sich eindeutig erkennen, dass § 29 Abs. 2 nicht nur für Beamte gilt, sondern auch für Bundestagsabgeordnete, die neben ihrer Entschädigung eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, vgl. § 29 Abs. 2 Satz 2 Abgeordnetengesetz. Da die Regelaltersrente des Klägers eine solche Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist, kommt der Rentenanspruch des Klägers, wie von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid entschieden, zu 80 % zum Ruhen.
Diese Regelung ist nicht verfassungswidrig. Insbesondere liegt – entgegen der Auffassung der Klägerseite – kein Verstoß gegen die Art. 3, 14 oder 38 Grundgesetz vor.
Mit Inkrafttreten des Art. 2 des 21. Änderungsgesetzes zum Abgeordnetengesetz vom 20.07.2000 hat der Gesetzgeber die Regelung, wonach 80 % der Ansprüche auch auf Regelaltersrente ruhen, wenn gleichzeitig Entschädigungen für Abgeordnete bezogen werden, eingeführt. Vor Beginn der 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, mit welcher die angegriffene Regelung in Kraft trat, gab es keine Anrechnungsvorschrift, sodass Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung neben Abgeordnetenentschädigungen in vollem Umfang bezogen werden konnten. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in seiner Entscheidung vom 30.09.1987, Az. 2 BvR 933/82, festgestellt, dass es sich bei Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung – obwohl hierbei ein Teil des Kapitalzuflusses bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise aus dem eigenen Vermögen des Rentenempfängers stammt – um eine Leistung aus einer öffentlichen Kasse handelt, weshalb es nahe liege, "dass der Gesetzgeber, sofern er es bei der bisherigen Konzeption von Entschädigung und Versorgung der Abgeordneten belässt, auch eine Anrechnung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorsieht" (vgl. BVerfG a.a.O., Rdnr. 62 im Juris-Dokument). Grund für diese Erwägung sah das Bundesverfassungsgericht in der Fortentwicklung der Abgeordnetenentschädigungen: Wurde die Entschädigung früher, als die Bundestagsabgeordneten ihr Amt im Wesentlichen ehrenamtlich ausübten und ihre zeitliche Beanspruchung durch das Mandat sich noch in Grenzen hielt, tatsächlich für zusätzlich entstandenen finanziellen Aufwand durch das Mandat gewährt, so ist es heute Realität der Tätigkeit eines Bundestagabgeordneten, dass dieser seine Kraft voll und ganz dem Amt widmen muss, was eine anderweitige Berufstätigkeit nebenher äußerst schwierig macht. Die Abgeordnetenentschädigungen folgen daher nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts, das hierzu umfassend beim Bundestag und den Parlamenten der Länder ermittelt hatte, inzwischen dem Alimentationsprinzip. Die Abgeordnetenentschädigung soll demnach dem Abgeordneten und seiner Familie einen angemessenen Lebensunterhalt gewähren und einen etwaigen Verdienstausfall auf Grund Nichtausübung einer anderweitigen Tätigkeit ausgleichen. Das Bundesverfassungsgericht sieht es daher als folgerichtig an, wenn auch Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung neben Abgeordnetenentschädigungen nicht voll zur Auszahlung gelangen.
Zwar ist klar, dass das Amt eines Bundestagsabgeordneten selbstverständlich nicht mit dem Amt eines Beamten verglichen werden kann - der Bundestagsabgeordnete ist ein freier, gewählter Vertreter des Volkes, im Gegensatz zum weisungsgebundenen Beamten. Für Fragen der Anrechnung von Renten kommt es allerdings nicht auf Wahl oder Ernennung, auf freies Mandat oder Weisungsgebundenheit an, sondern darauf, wie das Einkommen zu beurteilen ist. Dass Abgeordnetenentschädigungen ein Einkommen im selben Sinne sind, wie die Bezüge eines Beamten, hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem sogenannten Diätenurteil vom 05.11.1975, Az. 2 BvR 193/74, festgestellt. In diesem Urteil wurde auch entschieden, dass es nicht gerechtfertigt sei, wenn ein Beamter, der ins Parlament gewählt wird, sein Gehalt oder Ruhegehalt neben Abgeordnetenentschädigungen weiter beziehe. Dies würde dem formalisierten Gleichheitssatz widersprechen. Das bedeutet, dass das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz – ganz im Gegensatz zur Klägerseite im vorliegenden Verfahren – gerade dann bejahen würde, wenn Altersbezüge – im Diätenurteil 1975 diejenigen von Beamten - neben Abgeordnetenentschädigungen weiter bezogen würden.
Diesen Grundsatz weitete das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 30.09.1987, 2 BvR 933/82, in einem obiter dictum auf Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus (dazu siehe oben), weil es ausdrücklich davon ausgeht, dass auch diese Renten aus einer öffentlichen Kasse fließen, weshalb auch bei gesetzlichen Altersrenten ansonsten eine unerwünschte Doppelalimentation aus öffentlichen Kassen einträte. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist daher vorliegend nicht gegeben.
Auch von einem Verstoß gegen Art. 14 GG ist die erkennende Kammer nicht überzeugt. Zwar ist der Klägerseite darin zuzustimmen, dass die Rentenansprüche dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterfallen, da sie zumindest teilweise aus dem in früheren Zeiten erzielten Einkommen des Klägers erwirtschaftet wurden. Berücksichtigt man jedoch, dass die Rentenansprüche nur zum Teil vom Arbeitnehmer erwirtschaftet werden (insgesamt 80 % der Rentenansprüche werden aus Beiträgen finanziert, wovon der Arbeitnehmer, hier der Kläger, die Hälfte aufbringt, also 40 %), und berücksichtigt man weiterhin, dass der Rentenanspruch gemäß § 29 Abs. 2 AbgG nicht in voller Höhe ruht, sondern zu 80 %, so stellt die Ruhensvorschrift des § 29 AbgG keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 14 GG geschützten Ansprüche des Klägers dar. Natürlich wäre es nicht zwingend gewesen, dass der Gesetzgeber ein Ruhen in Höhe von 80 % vorsieht; in welcher Form oder in welcher Höhe gesetzliche Renten auf Abgeordnetenentschädigungen angerechnet werden sollen, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 30.09.1987 nicht vorgegeben. In Anbetracht des weiten Gestaltungsspielraums, den der Gesetzgeber bei Eingriffen in Rentenanwartschaften im Hinblick auf Art. 14 GG hat, führt der Ruhensanteil in Höhe von 80 % aber jedenfalls nicht zur Annahme von Unverhältnismäßigkeit.
Auch angesichts der Tatsache, dass Art. 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz Forderungen des Bundesverfassungsgerichts erfüllt, die dieses bereits im Jahr 1987 stellte, vermag sich das Gericht der Meinung des Klägers, diese Vorschrift sei verfassungswidrig, nicht anzuschließen. Dies gilt sowohl für Art. 3 GG als auch für Art. 14 GG, und erst recht für Art. 38 GG. Gemäß Art. 38 GG sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt. Inwiefern diese Vorschrift durch § 29 Abs. 2 AbgG verletzt sein soll, ist nicht ersichtlich und wird von Klägerseite auch in keiner Weise erläutert.
Die Beklagte hat somit zu Recht § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz auf die Altersrente des Klägers angewendet. An der Kürzung des Auszahlungsbetrages auf 20 % ist nichts auszusetzen. Der angefochtene Bescheid ist insoweit rechtmäßig.
2.
Der angefochtene Bescheid ist auch insoweit rechtmäßig, als die Beklagte den Rentenbewilligungsbescheid vom 30.09.2010 auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben hat und den überzahlten Betrag für die Monate Oktober bis Dezember 2010 vom Kläger zurückfordert.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Rentenbescheides ist § 45 SGB X. Hiernach kann ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, wenn dies nicht ausgeschlossen ist, weil der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann der Begünstigte sich auf Vertrauen nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3); grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Im vorliegenden Falle sind sowohl die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr.2, als auch Nr. 3 SGB X erfüllt.
Zum einen hat der Kläger nämlich zumindest grob fahrlässig falsche Angaben bei der Rentenantragstellung gemacht. Zwar konnte, auch nach Einvernahme der Zeugin C., nicht aufgeklärt werden, welche Umstände dazu geführt haben, dass die Frage nach dem Diätenbezug ab Rentenbeginn unrichtig beantwortet wurde. Es ist möglich, dass der Kläger die Frage zutreffend bejaht hat, Frau C. aber versehentlich auf "Nein" statt auf "Ja" geklickt hat. Es ist auch denkbar, dass der Kläger die Frage verneint hat, weil er meinte, sie sei irrelevant – dementsprechend beraten oder auch nicht; und es ist möglich, dass der Kläger die Frage – vorsätzlich oder fahrlässig – falsch beantwortet hat. Nach Einvernahme der Zeugin C., die an diesen Beratungstermin im Einzelnen keinerlei Erinnerungen hat, scheint es dem Gericht allerdings unwahrscheinlich, dass sie den Kläger falsch beraten haben sollte. Frau C. ist eine erfahrene Beraterin, die bereits seit sechs Jahren in der für Berater obersten Besoldungstufe A 11 besoldet wird, seit langen Jahren Beraterin ist und regelmäßig fortgebildet wird. Frau C. hat in ihrer Vernehmung auch glaubhaft geschildert, dass ihr die Auswirkung des Bezugs von Abgeordnetenentschädigung auf die Regelaltersrente bekannt sei. Die Glaubhaftigkeit dieser Aussage wird unterstrichen durch die Ausführungen des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung, der selbst Beraterschulungen abhält, wonach immer dann, wenn eine neue Frage im Antragsformular aufgenommen wird, die Berater über Hintergrund und Bedeutung dieser neuen Frage geschult werden. Wie auch immer es letztlich zur Falschbeantwortung dieser Frage gekommen ist, so steht jedenfalls unstreitig fest, dass der Kläger die falsche Angabe mit seiner Unterschrift bestätigt hat und dass ihm ein Ausdruck des Antragsformulars mit nach Hause gegeben wurde. Es wäre dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, entweder vor, oder auch nach der Bestätigung durch Unterschrift einen Blick auf die von ihm bestätigten Daten zu werfen. Auch bei hoher Arbeitsbelastung darf erwartet werden, dass ein Versicherter sich etwa 5 Minuten zum Durchlesen der unterschriebenen Angaben nimmt. Dabei hätte der Kläger unschwer feststellen können, dass die Frage nach den Abgeordnetenentschädigungen falsch beantwortet worden war. Den Ausführungen des Klägervertreters, wonach diese Frage unklar gestellt sei, weil die Frage nach "Abgeordnetenentschädigungen ab Rentenbeginn" dahingehend zu verstehen sei, ob Abgeordnetenentschädigungen wegen des Rentenbeginns bezahlt würden, vermag das Gericht nicht zu folgen. Dass es solcherlei Entschädigungen selbstverständlich nicht gibt, müsste sowohl dem Klägervertreter, als auch dem Kläger selbst im Hinblick auf seine Ausbildung, seinen beruflichen Werdegang und nicht zuletzt sein Abgeordnetenmandat klar sein. Der Kläger selbst hat auch niemals vorgetragen, die Frage falsch verstanden zu haben. Vielmehr behauptete der Kläger ja zunächst, er habe die Frage bejaht, dann, er habe sie für irrelevant gehalten. Ein falsches Verstehen der Frage kann ausgeschlossen werden.
Wer Angaben durch Unterschrift bestätigt, die er nicht durchgelesen hat, und auch im nachhinein nicht prüft, ob die unterschriebenen Angaben zutreffen, handelt zwar nicht unbedingt vorsätzlich, muss sich aber unter Umständen grobe Fahrlässigkeit vorwerfen lassen. Maßgeblich ist dabei der subjektive Fahrlässigkeitsbegriff, der die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Begünstigten berücksichtigt. Angesichts der Ausbildung und des beruflichen Werdegangs des Klägers, nicht zuletzt seiner Abgeordnetentätigkeit, hat das Gericht keine Zweifel daran, dass dem Kläger die Bedeutung einer Bestätigung durch Unterschrift klar ist und dass er den Sinn der Frage, ob ab Antragstellung Abgeordnetendiäten bezogen würden, verstehen kann. Hätte der Kläger also das, was er unterschrieb, durchgelesen, hätte er unschwer erkennen können, dass dies falsch war. Der Kläger hat aber "blind" unterschreiben, wie er selbst einräumt. Zwar mag es zutreffen, dass es viele Menschen gibt, die Dinge unterschreiben, die sie nicht durchgelesen haben. Dies entkräftet aber nicht den Vorwurf eines grob fahrlässigen Verhaltens. Das Unterschreiben von nicht geprüften Angaben stellt eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße dar und hat zur Folge, dass man sich auf Vertrauensschutz nicht berufen kann, wenn es um die Frage geht, ob man die zu Unrecht empfangene Leistung zurückgeben muss. Denn nur darum geht es ja, ob der Kläger Rentenzahlungen, auf die kein Anspruch bestand, zurückerstatten muss, nicht etwa um eine Bestrafung falscher Angaben. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X sind damit erfüllt.
Im Falle des Klägers sind außerdem die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X erfüllt, wonach sich auf Vertrauen nicht berufen kann, wer die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Es entspricht einem gefestigten Grundsatz der herrschenden Rechtsprechung, dass es der erforderlichen Sorgfalt entspricht, einen Bescheid durchzulesen. Hätte der Kläger den Rentenbescheid durchgelesen, so hätte er auch den darin enthaltenen Hinweis gelesen, dass er der Beklagten unverzüglich hätte mitteilen müssen, wenn neben der Rente Entschädigungen für Abgeordnete beantragt oder bezogen werden, da sich diese Leistungen auf die Höhe der Rente auswirken können, auch nachdem die Regelaltersgrenze erreicht ist. Der Kläger hätte also nach Erhalt des Rentenbescheides feststellen können, dass Abgeordnetenentschädigungen nicht, wie er angenommen hatte, irrelevant sind und deshalb mitzuteilen gewesen wären.
Der Kläger kann sich somit nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Dabei ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass zwischen Bewilligung der Rente und Anhörung zur Rückforderung nur gut zwei Monate lagen, weshalb das Vertrauen, das der Kläger in die Richtigkeit des Bescheides gesetzt haben könnte, nur von kurzer Dauer gewesen sein kann.
Da auch die Fristen des § 45 SGB X, insbesondere die Jahresfrist ab Kenntnis der Tatsachen, die die Rücknahme rechtfertigen, gewahrt sind, liegen die Voraussetzungen einer Rückforderung vor.
Die Beklagte hat auch ordnungsgemäß ihr Ermessen hinsichtlich der Höhe der Rückforderung ausgeübt. Auch im Rahmen von § 45 SGB X trifft die Behörde keine gebundene Entscheidung über die Rückforderung, sondern hat Ermessen auszuüben, was in besonders gelagerten, atypischen Fällen dazu führen kann, dass die Rückforderung reduziert oder sogar vollständig von ihr Abstand genommen wird. Ein Aspekt, der hier eine Rolle spielen kann, ist ein Mitverschulden der Behörde an der entstandenen Überzahlung. Ein solches wird vom Kläger behauptet, nach seinen Ausführungen wurde ihm bei der Antragstellung gesagt, dass der Bezug von Abgeordnetenentschädigungen irrelevant sei. Ganz davon abgesehen, dass dies keine hinreichende Erklärung darstellen würde für das Verneinen der Frage, ob solche Entschädigungen bezogen werden, konnte der Nachweis einer solchen Fehlberatung durch die Beweisaufnahme nicht erbracht werden. Die Zeugin C. erinnert sich nicht an das Beratungsgespräch. Ein Mitverschulden der Beklagten ist daher nicht zum Gegenstand der Ermessenserwägungen zu machen, da die Klägerseite für die Tatsache des Mitverschuldens die objektive Beweislast trägt. Folglich sind die Ermessenserwägungen, die die Beklagte im angefochtenen Bescheid angestellt hat, nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die vom Kläger ins Feld geführten finanziellen Aspekte. Der Kläger hat zwar im Anhörungs- und im Widerspruchsverfahren vorgetragen, er hätte finanzielle Dispositionen im Hinblick auf den vollen Rentenbezug getroffen und sei nicht in der Lage, den überzahlten Betrag rückzuerstatten. Diese Ausführungen reichen jedoch nicht aus, um einen atypischen Fall zu begründen. Hierfür hätte der Kläger Einkommens- und Vermögensverhältnisse offen legen müssen, die die Annahme eines finanziellen Härtefalles rechtfertigen hätte können. Die pauschale Behauptung, zur Rückerstattung nicht in der Lage zu sein, reicht hierfür nicht aus. Im Übrigen hat der Kläger auch im Rahmen der Vollstreckung des Rückforderungsbescheides noch Gelegenheit, diese Aspekte in das Verfahren einzubringen.
Folglich ist der angefochtene Bescheid auch insoweit rechtmäßig, als die Erstattung von 5.381,25 Euro gefordert wird.
Nach allem war die Klage in vollem Umfang abzuweisen, auch was den Hilfsantrag angeht.
Eine Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Grundgesetz kommt nicht in Betracht, da das erkennende Gericht nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 29 Abs. 2 Abgeordnetengesetz überzeugt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt die Tatsache, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wurde.
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