Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 140/11 WA
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 95/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 03.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2009 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, die Parkinsonerkrankung des verstorbenen Versicherten J. S. als Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII anzuerkennen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit.
Der Kläger ist der Sohn des verstorbenen Versicherten.
Der Kläger ist Erbe des Versicherten zu einem Drittel. Es besteht ein gemeinschaftlicher Erbschein des Amtsgerichts Kleve, nach dem der Kläger und seine beiden Geschwister je zu gleichem Anteil Erben wurden (74 – Zahlen in Klammern sind Blattzahlen der Akten).
Die beiden Geschwister haben sich mit der Prozessführung durch den Kläger ausdrücklich schriftlich einverstanden erklärt (82).
Der Versicherte war langjährig als Landwirt tätig. Er ging 1994 in den Vorruhestand.
Der Versicherte hat in größerem Umfang mit Pflanzenschutzmitteln und mit Insektenvernichtungsmitteln gearbeitet.
In der Akte sind Angaben des Versicherten selber enthalten (31 V – das "V" weist auf die Verwaltungsakten der Beklagten hin).
Insbesondere sind Ermittlungen des Technischen Aufsichtsbeamten durchgeführt worden. Diplom-Ingenieur L. hat für die Beklagte die Arbeitsbelastung ermittelt. Dabei hat er sowohl mit der Tochter des Versicherten als auch mit dem Versicherten selber gesprochen.
Er kommt zu einer hohen Belastung mit verschiedenen Pestiziden.
Dabei fällt besonders auf, dass die Sicherheitshinweise der verschiedenen Gefahrstoffe missachtet wurden. Es wurden keinerlei Schutzmaßnahmen getroffen. Es wurde keine Schutzkleidung getragen. Es wurde kein Atemschutz verwendet.
Es kam sogar vor, dass verstopfte Düsen des Sprühgerätes mit dem Mund ausgeblasen wurden.
Es wurden verschiedenste Mittel eingesetzt. Einige dieser Mittel enthielten sogenannte Ultragifte wie Dioxin. Hier sei insbesondere verwiesen auf Lindan.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Arbeitsplatzanalyse vom 05.10.2005 mit Anlagen verwiesen (80 ff. V).
Laut den eigenen Angaben des Versicherten begannen seine gesundheitlichen Beschwerden Anfang der 80iger Jahre.
Beim Versicherten wurde eine fortschreitende Parkinsonerkrankung diagnostiziert und später gesichert. Die Erkrankung und die Behandlung des Versicherten ist in der Akte gut dokumentiert.
Zur Klärung der Zusammenhangsfrage holte die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. M. ein.
Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die Parkinsonerkrankung des Versicherten kausal auf die berufliche Tätigkeit und den Umgang mit Pestiziden zurückzuführen ist.
Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten vom 30.01.2009 verwiesen (185 V).
Die Beklagte holte eine Stellungnahme von Dr. P. ein. Er beurteilt das Gutachtenergebnis kritisch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 19.02.2009 verwiesen (219 V).
Der Medizinische Beirat beim Arbeitsministerium hat sich nach den Recherchen der Beklagten mit der streitigen Frage nicht befasst (246 V).
Mit Bescheid vom 03.06.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit ab (239 V).
Hiergegen erhob der Versicherte Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (248 V).
Hiergegen hat der Versicherte am 29.08.2009 Klage erhoben.
Der Kläger ist der Auffassung, beim inzwischen verstorbenen Versicherten müsse eine Berufskrankheit anerkannt werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2009 zu verurteilen, beim Versicherten eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII (Quasi-Berufskrankheit) anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2012 haben sich beide Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (69).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid beschwert, denn er ist rechtswidrig.
Der Kläger ist als Miterbe nach dem verstorbenen Versicherten durch den angefochtenen Bescheid beschwert. Die Ansprüche aus der Anerkennung einer Berufskrankheit fallen zumindest teilweise in die Erbmasse.
Durch die Erklärung der Miterben ist der Kläger befugt, die Ansprüche klageweise geltend zu machen.
Beim verstorbenen Versicherten liegt eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII vor.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
Der verstorbene Versicherte litt an einer Parkinsonerkrankung.
Diese Erkrankung ist durch die Arbeit des Versicherten als Landwirt ursächlich hervorgerufen worden. Als Landwirt hat er mit verschiedenen Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln gearbeitet. Unter anderem wurde mit Lindan gearbeitet.
Der Zusammenhang zwischen der Lindan-Belastung und dem Parkinsonsyndrom ist medizinisch-wissenschaftlich wahrscheinlich.
Es liegen neue wissenschaftliche Erkenntnisse vor, nach denen Landwirte besonderen Belastungen, wie in § 9 Abs. 1 SGB VII niedergelegt, ausgesetzt waren.
Bezüglich der vorgenannten Voraussetzungen folgt die Kammer in vollem Umfang der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. M.
Er hat durch Auswertung der medizinischen Literatur und verschiedener wissenschaftlicher Studien die vorliegenden neueren medizinischen Erkenntnisse herausgearbeitet.
Darüber hinaus hat er den Sachzusammenhang zwischen Belastung und Parkinsonerkrankung des verstorbenen Versicherten auf den Einzelfall bezogen bejaht.
Die Kammer folgt der Einschätzung des Sachverständigen. Das Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend.
Prof. Dr. M. ist besonders geeignet, um die Erkrankung des Versicherten einschätzen zu können. Er ist Facharzt für Innere Medizin. Er ist Facharzt für Arbeitsmedizin. Er ist außerdem Sozialmediziner und Umweltmediziner. Er arbeitet in einem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin. Einer seiner Tätigkeitsschwerpunkte ist die Erforschung der Wirkung von Giften auf den menschlichen Körper. Er ist mit vergleichbaren Fällen selbst schon befasst gewesen.
Im Übrigen hat der Gutachter die vorhandene Literatur umfangreich ausgewertet.
Es handelt sich um einen unabhängigen Gutachter, denn der Ausgang des Verfahrens ist für ihn ohne Bedeutung.
Für die Richtigkeit des Gutachtens spricht auch, dass Dr. B. in seiner Stellungnahme für das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes NRW das Gutachten für schlüssig erachtet.
Die kritische Stellungnahme von Dr. P. überzeugt nicht, denn diesem lagen die wissenschaftlichen Studien nicht selber zur Auswertung vor.
Weitere Erkenntnisse vom Medizinischen Beirat aus dem Arbeitsministerium ergeben sich nicht, denn dieser hat sich mit den hier zur Entscheidung anstehenden Fragen nicht befasst.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Beklagte wird verurteilt, die Parkinsonerkrankung des verstorbenen Versicherten J. S. als Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VII anzuerkennen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Berufskrankheit.
Der Kläger ist der Sohn des verstorbenen Versicherten.
Der Kläger ist Erbe des Versicherten zu einem Drittel. Es besteht ein gemeinschaftlicher Erbschein des Amtsgerichts Kleve, nach dem der Kläger und seine beiden Geschwister je zu gleichem Anteil Erben wurden (74 – Zahlen in Klammern sind Blattzahlen der Akten).
Die beiden Geschwister haben sich mit der Prozessführung durch den Kläger ausdrücklich schriftlich einverstanden erklärt (82).
Der Versicherte war langjährig als Landwirt tätig. Er ging 1994 in den Vorruhestand.
Der Versicherte hat in größerem Umfang mit Pflanzenschutzmitteln und mit Insektenvernichtungsmitteln gearbeitet.
In der Akte sind Angaben des Versicherten selber enthalten (31 V – das "V" weist auf die Verwaltungsakten der Beklagten hin).
Insbesondere sind Ermittlungen des Technischen Aufsichtsbeamten durchgeführt worden. Diplom-Ingenieur L. hat für die Beklagte die Arbeitsbelastung ermittelt. Dabei hat er sowohl mit der Tochter des Versicherten als auch mit dem Versicherten selber gesprochen.
Er kommt zu einer hohen Belastung mit verschiedenen Pestiziden.
Dabei fällt besonders auf, dass die Sicherheitshinweise der verschiedenen Gefahrstoffe missachtet wurden. Es wurden keinerlei Schutzmaßnahmen getroffen. Es wurde keine Schutzkleidung getragen. Es wurde kein Atemschutz verwendet.
Es kam sogar vor, dass verstopfte Düsen des Sprühgerätes mit dem Mund ausgeblasen wurden.
Es wurden verschiedenste Mittel eingesetzt. Einige dieser Mittel enthielten sogenannte Ultragifte wie Dioxin. Hier sei insbesondere verwiesen auf Lindan.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Arbeitsplatzanalyse vom 05.10.2005 mit Anlagen verwiesen (80 ff. V).
Laut den eigenen Angaben des Versicherten begannen seine gesundheitlichen Beschwerden Anfang der 80iger Jahre.
Beim Versicherten wurde eine fortschreitende Parkinsonerkrankung diagnostiziert und später gesichert. Die Erkrankung und die Behandlung des Versicherten ist in der Akte gut dokumentiert.
Zur Klärung der Zusammenhangsfrage holte die Beklagte ein Gutachten von Prof. Dr. M. ein.
Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die Parkinsonerkrankung des Versicherten kausal auf die berufliche Tätigkeit und den Umgang mit Pestiziden zurückzuführen ist.
Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten vom 30.01.2009 verwiesen (185 V).
Die Beklagte holte eine Stellungnahme von Dr. P. ein. Er beurteilt das Gutachtenergebnis kritisch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 19.02.2009 verwiesen (219 V).
Der Medizinische Beirat beim Arbeitsministerium hat sich nach den Recherchen der Beklagten mit der streitigen Frage nicht befasst (246 V).
Mit Bescheid vom 03.06.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit ab (239 V).
Hiergegen erhob der Versicherte Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück (248 V).
Hiergegen hat der Versicherte am 29.08.2009 Klage erhoben.
Der Kläger ist der Auffassung, beim inzwischen verstorbenen Versicherten müsse eine Berufskrankheit anerkannt werden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2009 zu verurteilen, beim Versicherten eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII (Quasi-Berufskrankheit) anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig.
In der mündlichen Verhandlung vom 19.06.2012 haben sich beide Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (69).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid beschwert, denn er ist rechtswidrig.
Der Kläger ist als Miterbe nach dem verstorbenen Versicherten durch den angefochtenen Bescheid beschwert. Die Ansprüche aus der Anerkennung einer Berufskrankheit fallen zumindest teilweise in die Erbmasse.
Durch die Erklärung der Miterben ist der Kläger befugt, die Ansprüche klageweise geltend zu machen.
Beim verstorbenen Versicherten liegt eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII vor.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
Der verstorbene Versicherte litt an einer Parkinsonerkrankung.
Diese Erkrankung ist durch die Arbeit des Versicherten als Landwirt ursächlich hervorgerufen worden. Als Landwirt hat er mit verschiedenen Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln gearbeitet. Unter anderem wurde mit Lindan gearbeitet.
Der Zusammenhang zwischen der Lindan-Belastung und dem Parkinsonsyndrom ist medizinisch-wissenschaftlich wahrscheinlich.
Es liegen neue wissenschaftliche Erkenntnisse vor, nach denen Landwirte besonderen Belastungen, wie in § 9 Abs. 1 SGB VII niedergelegt, ausgesetzt waren.
Bezüglich der vorgenannten Voraussetzungen folgt die Kammer in vollem Umfang der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. M.
Er hat durch Auswertung der medizinischen Literatur und verschiedener wissenschaftlicher Studien die vorliegenden neueren medizinischen Erkenntnisse herausgearbeitet.
Darüber hinaus hat er den Sachzusammenhang zwischen Belastung und Parkinsonerkrankung des verstorbenen Versicherten auf den Einzelfall bezogen bejaht.
Die Kammer folgt der Einschätzung des Sachverständigen. Das Sachverständigengutachten ist schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend.
Prof. Dr. M. ist besonders geeignet, um die Erkrankung des Versicherten einschätzen zu können. Er ist Facharzt für Innere Medizin. Er ist Facharzt für Arbeitsmedizin. Er ist außerdem Sozialmediziner und Umweltmediziner. Er arbeitet in einem Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin. Einer seiner Tätigkeitsschwerpunkte ist die Erforschung der Wirkung von Giften auf den menschlichen Körper. Er ist mit vergleichbaren Fällen selbst schon befasst gewesen.
Im Übrigen hat der Gutachter die vorhandene Literatur umfangreich ausgewertet.
Es handelt sich um einen unabhängigen Gutachter, denn der Ausgang des Verfahrens ist für ihn ohne Bedeutung.
Für die Richtigkeit des Gutachtens spricht auch, dass Dr. B. in seiner Stellungnahme für das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes NRW das Gutachten für schlüssig erachtet.
Die kritische Stellungnahme von Dr. P. überzeugt nicht, denn diesem lagen die wissenschaftlichen Studien nicht selber zur Auswertung vor.
Weitere Erkenntnisse vom Medizinischen Beirat aus dem Arbeitsministerium ergeben sich nicht, denn dieser hat sich mit den hier zur Entscheidung anstehenden Fragen nicht befasst.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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