Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 15 R 625/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 956/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Verrechnung einer Beitragsforderung: Im Hinblick auf die Gegenforderung, die mit der Forderung des Klägers verrechnet wird, ist weder ein förmlicher Vollstreckungstitel notwendig noch muss Bestandskraft oder Rechtskraft vorliegen. Die andere Auffassung (vgl. im Hinblick auf eine Nichtbeitragsforderung: BSG, Urteil vom 24.07.2003, Az. B 4 RA 60/02, Rn. 27 juris) ist im Sonderfall der Beitragsforderung mit Sinn und Zweck von § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG (sofortige Vollstreckbarkeit von Beitragsforderungen) nicht vereinbar.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 6.9.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2013 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verrechnung einer Forderung der Beigeladenen in Höhe von 17.652,38 EUR mit der Rente des Klägers in Höhe von 600 EUR monatlich.
Der am XX.XX.1938 geborene Kläger bezieht seit dem 1.1.2003 eine monatliche Rente in Höhe von zuletzt 2.015,50 netto (2.245,68 EUR brutto).
Er schloss zum Schein einen Pachtvertrag mit seiner Tochter ab, den er am 10.2.2006 bei der Beigeladenen einreichte mit dem Ziel, keine Versicherungsbeiträge für die Beigeladene abführen zu müssen. Er wurde deshalb vom Amtsgericht B-Stadt mit Urteil vom 5.12.2011 (rechtskräftig seit 13.12.2011) wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt.
Die Beigeladene stellte mit Bescheid vom 13.10.2010 fest, dass aufgrund des oben genannten Sachverhalts seit dem 1.10.2005 Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Kranken- und Pflegeversicherung der Beigeladenen besteht. Der Bescheid vom 15.2.2006 über das Ende der Versicherungspflicht, der auf der vorsätzlich falschen Angabe des Klägers beruhte, wurde aufgehoben. Weiterhin wurde eine Beitrags-forderung seit dem 1.10.2005 in Höhe von 17.221,80 EUR festgestellt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 23.11.2010 zurückgewiesen. Der Kläger griff diesen Bescheid beim Sozialgericht München (Aktenzei-chen S 3 KR 384/12) wegen Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Regelungen an. Im gleichzeitig erhobenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 3 KR 131/11 ER) wurde am 9.3.2011 ein gerichtlicher Vergleich mit folgendem Inhalt geschlossen: 1. Der Antragsteller verpflichtet sich, an die Antragsgegnerin, beginnend ab Beitragsmonat März, auf die bis dato ausgelaufenen Beitragsrückstände monatliche Raten in Höhe von 250 EUR zu bezahlen. 2. Die Parteien sind sich dahingehend einig, dass Mahnkosten und Säumniszuschläge für die Vergangenheit nicht weiter geltend gemacht werden. Die Antragsgegnerin erlässt diese dem Antragsteller. 3. Der Antragsteller ermächtigt die Antragsgegnerin die Ziffer I. genannten Beträge und den laufenden Beitrag von seinem Konto XXXXXX39 bei der D-Bank C-Stadt Nord eG D-Stadt, BLZ XXXXXX 65 monatlich zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen abzubuchen. 4. Kommt der Antragsteller mit der oben eingegangenen Zahlungsverpflichtung länger als einen Monat in Rückstand, so wird der gesamte dann noch offene Restbetrag zur sofortigen Zahlung fällig. 5. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. 6. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass damit das Antragsverfahren in vollem Umfang erledigt ist.
Mit Forderungsbescheid vom 18.1.2011 wurde eine Beitragsforderung für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.12.2010 in Höhe von 18.079,62 EUR bestandskräftig festgestellt.
Der Kläger hat sein Grundvermögen mit Wirkung vom 2.8.2011 auf seine Tochter E. A., geboren am XX.,XX.1972, übertragen, so dass die Beigeladene nicht in das dingliche Eigentum des Klägers vollstrecken konnte. Auch das Konto des Klägers bei der D-Bank, von dem aus nach dem oben genannten Vergleich die vereinbarten Raten gezahlt werden sollten, wurde auf die Tochter des Klägers, E. A., übertragen. Frau A. hat der weiteren Abbuchung widersprochen und als letzte Rate die zum 29.8.2011 zurückbuchen lassen. Aufgrunddessen versuchte die Beigeladene, die gesamte noch offene Forderung in Höhe von 17.820,33 EUR zu vollstrecken. Entsprechende Vollstreckungsbemühungen des Gerichtsvollziehers waren erfolglos, wegen mangelnder Kooperation mit dem Gerichtsvollzieher hat das Amtsgericht B-Stadt am 11.6.2012 Haftbefehl erlassen.
Am 28.7.2011 teilte der Kläger der Beigeladenen mit, dass er seinen landwirtschaftlichen Betrieb zum 1.7.2011 ebenfalls an seine Tochter E. A. übergeben habe. Daraufhin wurde mit Bescheid vom 4.8.2011 festgestellt, dass die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen wegen Aufgabe der Unternehmertätigkeit am 30.6.2011 endet. Weiter wurde eine ausste-hende Beitragsforderung in Höhe von 17.652,38 EUR festgestellt. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt, der ruhend gestellt wurde, bis die Entscheidung im Hinblick auf die Versicherungspflichtigkeit rechtskräftig ist.
Die Beigeladene ersuchte die Beklagte am 19.12.2011, eine Verrechnung der Rente des Klägers mit ihrer Forderung vorzunehmen. Das Ersuchen beinhaltete die genaue Auflistung der noch offenen Beitragsforderung in Höhe von 17.649,38 EUR, Mahngebühren in Höhe von fünf Euro, Säumniszuschläge in Höhe von 156,50 EUR sowie Vollstreckungskosten in Höhe von 3,45 EUR sowie die Rechtsgrundlagen, auf denen diese Forderungen beruhen.
Nach Anhörung am 18.4.2012 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 6.9.2012, wonach die Beklagte einen Betrag von 600 EUR pro Monat mit der Forderung der Beigeladenen (17.814,33 EUR, bestehend aus geschuldeten Beiträgen für die Zeit vom 1.2.2006 bis 30.6.2011 in Höhe von 17.649,38 EUR, zuzüglich 5 Euro Mahngebühren sowie 156,50 EUR Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten von 3,45 EUR) verrechnet. Der hier-gegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2013 zurück-gewiesen.
Der Kläger ließ daraufhin am 22.3.2013 Klage zum Sozialgericht München erheben. Er hat vorgetragen, dass die Forderung der Beigeladenen noch nicht rechtskräftig festgestellt sei. Auch würde der Kläger durch eine Verrechnung hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) werden. Der Kläger präsentierte Unterlagen, wonach er und seine Ehefrau gesamtschuldnerisch zwei Darlehen in Höhe von 80.000 EUR (Verwendungsszweck: Ablösung eines Baudarlehens) sowie in Höhe von 114.000 EUR (Übernahme des Sollsaldos wegen Aufgabe des Friseurgeschäfts der Ehefrau des Klägers) am 17.6.2009 sowie am 22.3.2010 aufgenommen haben. Die monatliche Zins- und Tilgungsrate des ersten Darlehens beträgt 820 EUR, die des zweiten Darlehens 522,27 EUR. Am 21.9.2011 wurde die Rentenforderung des Klägers gegenüber der Beklagten an die kreditgebende Bank im Hinblick auf das zweite Darlehen in Höhe von 114.000 EUR (monatliche Tilgungsrate: 522,27 EUR) sowie im Hinblick auf ein weiteres Darlehen in Höhe von 10.000 EUR abgetreten. Am 9.5.2012 erfolgte die Abtretung auch im Hinblick auf das erste Darlehen in Höhe von 80.000 EUR (monatliche Tilgungsrate: 820 EUR).
Die richterliche Verfügung vom 19.4.2013, eine Sozialbedarfsberechnung des Sozialamtes vorzulegen, ist vom Kläger nicht beachtet worden.
Im Erörterungstermin vom 18.7.2013 hat der Vertreter der Beigeladenen auf Ziffer II des gerichtlichen Vergleichs hingewiesen. Die Beigeladene habe nur auf Mahnkosten und Säumniszuschläge für die Vergangenheit verzichtet (bezogen auf den Vergleichsabschluss am 9.3.2011). Die von der Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden erhobenen Säumniszuschläge und Mahnkosten seien danach entstanden. Die Differenz zwischen der Beitragsforderung im Bescheid vom 4.8.2011 (17.652,38 EUR) zum von der Beklagten geltend gemachten Betrag (17.649,38) von 3 EUR hat sich der Vertreter der Beigeladenen nicht genau erklären können. Er ist davon ausgegangen, dass es sich um nicht weiter geltend gemachte Mahngebühren handeln würde. Der Klägerbevollmächtigte hat auf die fehlende Bestandskraft des Bescheids vom 4.8.2011 hingewiesen. Außerdem sei die Beitragsforderung der Beigeladenen verfassungswidrig.
Der Klägerbevollmächtigte hat in der Mündlichen Verhandlung beantragt: Der Bescheid vom 6.9.2012 wird aufgehoben.
Der Vertreter der Beklagten und der Beigeladenen haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten und der Beigeladenen sowie der Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage statthafte Klageart, da die Verrechnungserklärung der Beklagten Verwaltungsakt und nicht (nur) einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung ist (h.M., vergleiche BayLSG, Entscheidung vom 14.11.2007, Az. L 13 R 157/07 Rn. 28 unter juris mit Nachweisen aus der Rechtsprechung, BayLSG, Urteil vom 8.8.2007, Az. L 8 AL 481/05, anders 4. Senat des BSG, Urteil vom 24.7.2003, Az. B 4 RA 60/02 R).
Die Klage ist aber nicht begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 6.9.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2013 beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte hat zu Recht den Rentenanspruch des Klägers nach § 52 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB I) i. V. m. § 51 SGB I mit der festgestellten Forderung der Beigeladenen (Bescheid vom 4.8.2011) verrechnet.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirksame Verrechnung sind erfüllt. Die Beklagte ist von der Beigeladenen auf Grund deren Ersuchen vom 19.12.2011 im Sinne des § 52 SGB I ermächtigt, deren Beitragsansprüche mit den laufenden Rentenansprüchen des Klägers zu verrechnen. Die Ermächtigung verschafft dem ersuchten Träger die Be-fugnis, mit der "fremden" Forderung im eigenen Namen über eine gegen ihn bestehende Forderung durch Aufrechnung zu verfügen. Im Interesse der Klarheit und Rechtssicherheit muss erkennbar sein, auf welchen Leistungsanspruch die Ermächtigung sich bezieht, fer-ner muss sich eine Bezugnahme auf § 52 SGB I ergeben (KassKomm-Seewald, § 52 SGB I, Rn. 18; LSG NRW, Urteil vom 24.7.2009, L 13 R 137/08, Rn. 28 unter juris).
Diesen Anforderungen genügt das Schreiben der Beigeladenen vom 19.12.2011, da so-wohl eine Bezugnahme auf § 52 SGB I sowie eine genaue Auflistung der Forderungen der Beigeladenen gegeben ist. Soweit das BSG im Urteil vom 24.7.2003 (a.a.O.) weiter-gehende Anforderungen an die Ermächtigung stellt, überzeugt dies nicht. Für die Entscheidung der Beklagten, ob die Voraussetzungen für eine Verrechnung vorliegen, ist nur Voraussetzung eine eindeutige Erklärung des ersuchenden Trägers, dass er den ersuchten Träger zur Verfügung über die bezeichnete "fremde"Forderung berechtigt. Es ist aus-reichend, dass dem ersuchten Träger – wie vorliegend – eindeutig die Befugnis zur Verfügung über eine konkret bezeichnete Forderung erteilt worden ist (LSG NRW, Urteil vom 24.7.2009, L 13 R 137/08, Rn. 28 unter juris).
Eine Verrechnungslage besteht auch, denn die Forderung des auf- bzw. verrechnenden Leistungsträgers (Gegenforderung der Beigeladenen) ist entstanden und fällig, während die gleichartige Forderung, mit der auf- bzw. verrechnet werden soll (Hauptforderung des Klägers gegen die Beklagte), zwar nicht insgesamt fällig, aber bereits entstanden und er-füllbar ist.
Dass die Hauptforderung (der Rentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte) im vor-liegenden Fall entstanden und erfüllbar ist (BSG SozR 4–1200 § 52 Nr 1, mit Hinweis auf BGHZ 103, 362, 367; 123, 49, 52 f; BFHE 191, 5, 10 ff), steht nicht in Frage, da dem An-tragsteller eine Rente wegen Alters bindend zuerkannt ist und zu monatlich zu erfüllenden Einzelansprüchen führt.
Auch eine entstandene und fällige Gegenforderung (das heißt die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 17.652,38 EUR) ist gegeben, da diese (mit einer geringfügigen Abweichung in Höhe von 3 EUR) mit Bescheid vom 4.8.2011 festgestellt wurde.
Im Hinblick auf die Gegenforderung, die mit der Forderung des Klägers verrechnet wird (das heißt die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 17.652,38 EUR), ist weder ein förm-licher Vollstreckungstitel notwendig noch muss Bestandskraft oder Rechtskraft vorliegen (KassKomm-Seewald, § 52 SGB I, Rn. 8a mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss lediglich "vollwirksam und fällig" sein; dh es muss sich um eine Forderung handeln, deren Erfüllung erzwungen werden kann und der keine Einrede entgegensteht (KassKomm-Seewald, § 51 SGB I, Rn. 12 b). Dies ist im Hinblick auf die geltend gemachte Beitragsforderung in Höhe von 17.652,38 EUR der Fall. Die Beigeladene kann die Forderung sofort nach Erlass des Verwaltungsaktes vollstrecken (§ 86 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG), sie muss nicht die Rechtskraft des Bescheids abwarten.
In diesem Zusammenhang vermag die Auffassung des 4. Senats des BSG (vergleiche Urteil vom 24.7.2002, a.a.O., Rn. 27 unter juris), die eine bestands- oder rechtskräftig festgestellten Forderung für die Verrechnung voraussetzt, nicht zu überzeugen. Dem Ar-gument, dass der leistungsberechtigte Kläger ansonsten gezwungen wäre, sich erstmals in dem "Verrechnungsverfahren" mit einem weiteren Anspruch auseinander zusetzen, der noch nicht feststeht und in einem anderen Sozialleistungsverhältnis begründet ist, vermag die erkennende Kammer nicht zu folgen (ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4.10.2007, L 8 B 1205/07 ER). Denn diese Sichtweise führte gerade zu einer verfahrensmäßigen Verschlechterung des beitragserhebenden Sozialleistungsträgers, die mit dem Sinn und Zweck von § 86 a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz nicht vereinbar ist. Bei-tragsforderungen sind grundsätzlich sofort vollstreckbar. Es ist vom Gesetzgeber gewollt, dass der Versicherte im Regelfall in Vorleistung geht und die Begründetheit der Forderung in einem anschließenden Widerspruchs- und Klageverfahren überprüft wird. Hiermit soll die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger gesichert werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 86 a Rn. 13).
Diesem Zweck dient auch § 52 SGB I. Es sollen Ansprüche ohne Umwege realisiert wer-den können (KassKomm-Seewald, § 52, Rn. 2). Der unredliche Versicherte, der versucht, durch Umgehungsgeschäfte wie Vermögensübertragungen die sofortige Vollziehung des beitragserhebenden Sozialversicherungsträger zu verhindern, würde belohnt werden, in-dem Gegenforderungen von anderen Sozialversicherungsträgern nicht mehr aufgerechnet werden könnten.
Hinzu kommt, dass der Kläger von der Gegenforderung vorliegend konkrete Kenntnis hatte, wegen Betrugs zum Nachteil der Beigeladenen im Hinblick auf diese konkrete Gegenforderung sogar verurteilt wurde. Eine vom 4. Senat des BSG postulierte (generelle) Schutzbedürftigkeit des Klägers ist für die erkennende Kammer daher nicht zu ersehen.
Daher ist der Auffassung zu folgen, die hinsichtlich der Gegenforderung nur eine Fälligkeit im obigen Sinne voraussetzt.
Auch die notwendige Konkretisierung nach Art und Umfang der Forderung (vgl. Urteil des 4. Senats, a.a.O.) findet sich im angegriffenen Bescheid. Der Bescheid hat sowohl den Gläubiger der Gegenforderung, die Beigeladene, die Höhe der Forderung der Beigeladenen (17.814,33 EUR) als auch die Hauptforderung, die verrechnet wird, spezifiziert, nämlich die Rente des Klägers. Schließlich wurde auch der monatliche Verrechnungsbetrag in Höhe von 600 EUR angegeben. Das heißt, der Kläger und außenstehende Dritte können anhand des Bescheids vom 6.9.2012 genau erkennen, ab wann die Gegenforderung der Beigeladenen erfüllt und damit erloschen ist.
Insoweit der 4. Senat des BSG (a.a.O.) weitergehende Anforderungen wie Angaben über den Rechtsgrund, die Bezugszeiten, die Fälligkeit und die Bestandskraft der Forderung verlangt, wird auch dies mit dem LSG NRW (a.a.O, Rn. 31 unter juris) für überzogen er-achtet. Namentlich Angaben zu Fälligkeit oder Bestandskraft der Gegenforderung sind für die Frage der Bestimmtheit der Verrechnungserklärung irrelevant. Es stellt sich nur die Frage nach der materiellen Wirkung der Erklärung, also die Frage, ob aufgrund der Erklä-rung die Forderungen, soweit sie sich decken, erloschen sind (§ 389 Bürgerliches Ge-setzbuch).
Auch die Verrechnung eines geringfügig (3 EUR) kleineren Betrags (17.814,33 EUR anstelle von 17.652,38 EUR) im angegriffenen Bescheid ist für die Bestimmtheit der Gegenforderung un-schädlich. Der Kläger hatte aufgrund des durchlaufenden Strafverfahrens konkrete Kenntnis von der Forderung der Beklagten und der (vom Kläger angegriffene) Bescheid der Beigeladenen vom 4.8.2011 hat die Forderung in der Größenordnung fast identisch ausgewiesen. Die Gegenforderung war daher für den Kläger insoweit bestimmbar, als eine andere Forderung als die im Bescheid vom 4.8.2011 bezeichnete nicht infrage kommt.
§ 51 Abs. 2 SGB I steht der Verrechnung nicht entgegen. § 51 Abs 2 SGB I ist nur anwendbar, wenn es sich bei der Hauptforderung um einen Anspruch auf laufende Geldleistung des Berechtigten und bei der Gegenforderung um einen Beitrags- oder Erstattungs-anspruch des Leistungsträgers handelt. Bei dem Rentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte handelt es sich um eine laufende Geldleistung. Die Gegenforderung der Beigeladenen ist eine Beitragsforderung.
Die Beklagte hat beachtet, dass die Hälfte des Anspruchs auf Geldleistungen (d.h. der monatlichen Rentenzahlung) einer Aufrechnung nicht zugänglich ist (aufrechnungs-fest/aufrechnungsfrei). Hinsichtlich der zweiten Hälfte ist die Aufrechnung dem Grunde nach möglich, im konkreten Einzelfall jedoch unzulässig, wenn dadurch Hilfebedürftigkeit iSd SGB XII oder SGB II beim Leistungsberechtigten bewirkt wird. Für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit i. S. d §§ 19, 27 ff SGB XII sind die Regelsätze nach § 28 SGB XII ggf. zuzüglich des Mehrbedarfs nach §§ 28 a, 30 SGB XII und unter Anrechnung von sonsti-gem Einkommen und Vermögen des Berechtigten maßgeblich (KassKomm-Seewald, § 51 Rn. 19).
Gem. Abs 2 trifft den Leistungsberechtigten die Obliegenheit (iS einer verstärkten Mitwir-kungspflicht, vgl. Eicher in: Eicher/Spellbrink, 2. Auflage, § 43 SGB II, RdNr 11), die Hilfe-bedürftigkeit nachzuweisen (z. B. durch Vorlage einer Leistungsbescheinigung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitslose oder des Sozialhilfeträgers, vgl. BT-Drucks 15/516, S 68). Der Kläger hat trotz Aufforderung durch das Gericht eine solche Erklärung des Sozialhilfeträgers nicht vorgelegt und auch sonst nichts vorgebracht, was für eine Hilfebedürftigkeit sprechen würde, so dass er seiner Obliegenheit nicht nachgekommen ist.
Die private Darlehensschuld des Klägers befreit ihn nicht von seinen Verpflichtungen gegenüber der Beigeladenen. Gemäß § 53 Abs. 3 SGB I können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die wie die Rentenzahlung der Beklagten der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, übertragen werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen. Bei einer Nettorente von zuletzt 2.015,50 EUR und einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Ehefrau ist lediglich ein Betrag in Höhe von 285,83 EUR abtretbar (vgl. Pfändungstabelle ab 1.7.2013 sowie Lilge, SGB I, Allgemeiner Teil, 2. Auflage 2009, § 53 Rn. 51). Die vorgenommenen Abtretungen an die Bank gehen daher überwiegend ins Leere (die Abtretung im Hinblick auf den Darlehensvertrag über 80.000 EUR sogar doppelt, als diese Abtretung erst nach der Verrechnungserklärung der Beklagten mittels streitgegenständlichem Bescheid erfolgte). Die Aufrechnung in Höhe von 600 EUR ist daher nicht zu beanstanden.
Eine Ermessensentscheidung war von der Beklagte nicht zu treffen, da die Formulierung in §§ 51 Abs. 1, 52 SGB I ein "Kompetenz-Kann" und kein "Ermessens-Kann" bezeichnet (BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 2; Urteil vom 24.7.2003; a.A. BSG, Beschluss vom 5.2.2009, Az. B 13 R 31/08 R, Rn. 15 unter juris). Selbst bei Annahme der Gegenauffassung ist die kurz gehaltene Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Insbesondere ist keine Unverhältnismäßigkeit gegeben. Der Kläger hat durch ein Verhalten, das nicht nur nicht von der Rechtsordnung gedeckt ist, sondern sogar strafbar ist, einen unlauteren Vermögensvorteil zulasten der Beigeladenen erlangt. Sofern die Aufrechnung nun für ihn zu schwerwiegenderen materiellen Konsequenzen führen sollte, kann er sich hierauf nicht berufen, da unmittelbarer Ausfluss seines strafbaren Verhaltens. Einzig die drohende Sozialhilfebedürftigkeit ist vom Gesetzgeber als Begrenzung der Verrechnung vorgesehen, so dass er in Bezug auf seine Kreditverpflichtungen nicht gehört werden kann.
Schließlich ist auch eine einheitliche Verrechnungserklärung für künftige Rentenauszahlungsansprüche mit Wirkung für den jeweiligen Zeitpunkt ihres Entstehens zulässig (Lilge, SGB I, Allgemeiner Teil, 2. Auflage 2009, § 52 Rn. 19, vgl. auch BSGE 69, 238 = SozR 3–1200 § 52 Nr 2).
Nach allem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verrechnung einer Forderung der Beigeladenen in Höhe von 17.652,38 EUR mit der Rente des Klägers in Höhe von 600 EUR monatlich.
Der am XX.XX.1938 geborene Kläger bezieht seit dem 1.1.2003 eine monatliche Rente in Höhe von zuletzt 2.015,50 netto (2.245,68 EUR brutto).
Er schloss zum Schein einen Pachtvertrag mit seiner Tochter ab, den er am 10.2.2006 bei der Beigeladenen einreichte mit dem Ziel, keine Versicherungsbeiträge für die Beigeladene abführen zu müssen. Er wurde deshalb vom Amtsgericht B-Stadt mit Urteil vom 5.12.2011 (rechtskräftig seit 13.12.2011) wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilt.
Die Beigeladene stellte mit Bescheid vom 13.10.2010 fest, dass aufgrund des oben genannten Sachverhalts seit dem 1.10.2005 Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer in der Kranken- und Pflegeversicherung der Beigeladenen besteht. Der Bescheid vom 15.2.2006 über das Ende der Versicherungspflicht, der auf der vorsätzlich falschen Angabe des Klägers beruhte, wurde aufgehoben. Weiterhin wurde eine Beitrags-forderung seit dem 1.10.2005 in Höhe von 17.221,80 EUR festgestellt. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Beigeladenen vom 23.11.2010 zurückgewiesen. Der Kläger griff diesen Bescheid beim Sozialgericht München (Aktenzei-chen S 3 KR 384/12) wegen Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Regelungen an. Im gleichzeitig erhobenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 3 KR 131/11 ER) wurde am 9.3.2011 ein gerichtlicher Vergleich mit folgendem Inhalt geschlossen: 1. Der Antragsteller verpflichtet sich, an die Antragsgegnerin, beginnend ab Beitragsmonat März, auf die bis dato ausgelaufenen Beitragsrückstände monatliche Raten in Höhe von 250 EUR zu bezahlen. 2. Die Parteien sind sich dahingehend einig, dass Mahnkosten und Säumniszuschläge für die Vergangenheit nicht weiter geltend gemacht werden. Die Antragsgegnerin erlässt diese dem Antragsteller. 3. Der Antragsteller ermächtigt die Antragsgegnerin die Ziffer I. genannten Beträge und den laufenden Beitrag von seinem Konto XXXXXX39 bei der D-Bank C-Stadt Nord eG D-Stadt, BLZ XXXXXX 65 monatlich zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen abzubuchen. 4. Kommt der Antragsteller mit der oben eingegangenen Zahlungsverpflichtung länger als einen Monat in Rückstand, so wird der gesamte dann noch offene Restbetrag zur sofortigen Zahlung fällig. 5. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. 6. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass damit das Antragsverfahren in vollem Umfang erledigt ist.
Mit Forderungsbescheid vom 18.1.2011 wurde eine Beitragsforderung für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.12.2010 in Höhe von 18.079,62 EUR bestandskräftig festgestellt.
Der Kläger hat sein Grundvermögen mit Wirkung vom 2.8.2011 auf seine Tochter E. A., geboren am XX.,XX.1972, übertragen, so dass die Beigeladene nicht in das dingliche Eigentum des Klägers vollstrecken konnte. Auch das Konto des Klägers bei der D-Bank, von dem aus nach dem oben genannten Vergleich die vereinbarten Raten gezahlt werden sollten, wurde auf die Tochter des Klägers, E. A., übertragen. Frau A. hat der weiteren Abbuchung widersprochen und als letzte Rate die zum 29.8.2011 zurückbuchen lassen. Aufgrunddessen versuchte die Beigeladene, die gesamte noch offene Forderung in Höhe von 17.820,33 EUR zu vollstrecken. Entsprechende Vollstreckungsbemühungen des Gerichtsvollziehers waren erfolglos, wegen mangelnder Kooperation mit dem Gerichtsvollzieher hat das Amtsgericht B-Stadt am 11.6.2012 Haftbefehl erlassen.
Am 28.7.2011 teilte der Kläger der Beigeladenen mit, dass er seinen landwirtschaftlichen Betrieb zum 1.7.2011 ebenfalls an seine Tochter E. A. übergeben habe. Daraufhin wurde mit Bescheid vom 4.8.2011 festgestellt, dass die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen wegen Aufgabe der Unternehmertätigkeit am 30.6.2011 endet. Weiter wurde eine ausste-hende Beitragsforderung in Höhe von 17.652,38 EUR festgestellt. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt, der ruhend gestellt wurde, bis die Entscheidung im Hinblick auf die Versicherungspflichtigkeit rechtskräftig ist.
Die Beigeladene ersuchte die Beklagte am 19.12.2011, eine Verrechnung der Rente des Klägers mit ihrer Forderung vorzunehmen. Das Ersuchen beinhaltete die genaue Auflistung der noch offenen Beitragsforderung in Höhe von 17.649,38 EUR, Mahngebühren in Höhe von fünf Euro, Säumniszuschläge in Höhe von 156,50 EUR sowie Vollstreckungskosten in Höhe von 3,45 EUR sowie die Rechtsgrundlagen, auf denen diese Forderungen beruhen.
Nach Anhörung am 18.4.2012 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid vom 6.9.2012, wonach die Beklagte einen Betrag von 600 EUR pro Monat mit der Forderung der Beigeladenen (17.814,33 EUR, bestehend aus geschuldeten Beiträgen für die Zeit vom 1.2.2006 bis 30.6.2011 in Höhe von 17.649,38 EUR, zuzüglich 5 Euro Mahngebühren sowie 156,50 EUR Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten von 3,45 EUR) verrechnet. Der hier-gegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2013 zurück-gewiesen.
Der Kläger ließ daraufhin am 22.3.2013 Klage zum Sozialgericht München erheben. Er hat vorgetragen, dass die Forderung der Beigeladenen noch nicht rechtskräftig festgestellt sei. Auch würde der Kläger durch eine Verrechnung hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) werden. Der Kläger präsentierte Unterlagen, wonach er und seine Ehefrau gesamtschuldnerisch zwei Darlehen in Höhe von 80.000 EUR (Verwendungsszweck: Ablösung eines Baudarlehens) sowie in Höhe von 114.000 EUR (Übernahme des Sollsaldos wegen Aufgabe des Friseurgeschäfts der Ehefrau des Klägers) am 17.6.2009 sowie am 22.3.2010 aufgenommen haben. Die monatliche Zins- und Tilgungsrate des ersten Darlehens beträgt 820 EUR, die des zweiten Darlehens 522,27 EUR. Am 21.9.2011 wurde die Rentenforderung des Klägers gegenüber der Beklagten an die kreditgebende Bank im Hinblick auf das zweite Darlehen in Höhe von 114.000 EUR (monatliche Tilgungsrate: 522,27 EUR) sowie im Hinblick auf ein weiteres Darlehen in Höhe von 10.000 EUR abgetreten. Am 9.5.2012 erfolgte die Abtretung auch im Hinblick auf das erste Darlehen in Höhe von 80.000 EUR (monatliche Tilgungsrate: 820 EUR).
Die richterliche Verfügung vom 19.4.2013, eine Sozialbedarfsberechnung des Sozialamtes vorzulegen, ist vom Kläger nicht beachtet worden.
Im Erörterungstermin vom 18.7.2013 hat der Vertreter der Beigeladenen auf Ziffer II des gerichtlichen Vergleichs hingewiesen. Die Beigeladene habe nur auf Mahnkosten und Säumniszuschläge für die Vergangenheit verzichtet (bezogen auf den Vergleichsabschluss am 9.3.2011). Die von der Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden erhobenen Säumniszuschläge und Mahnkosten seien danach entstanden. Die Differenz zwischen der Beitragsforderung im Bescheid vom 4.8.2011 (17.652,38 EUR) zum von der Beklagten geltend gemachten Betrag (17.649,38) von 3 EUR hat sich der Vertreter der Beigeladenen nicht genau erklären können. Er ist davon ausgegangen, dass es sich um nicht weiter geltend gemachte Mahngebühren handeln würde. Der Klägerbevollmächtigte hat auf die fehlende Bestandskraft des Bescheids vom 4.8.2011 hingewiesen. Außerdem sei die Beitragsforderung der Beigeladenen verfassungswidrig.
Der Klägerbevollmächtigte hat in der Mündlichen Verhandlung beantragt: Der Bescheid vom 6.9.2012 wird aufgehoben.
Der Vertreter der Beklagten und der Beigeladenen haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten und der Beigeladenen sowie der Gerichtsakte des hiesigen Verfahrens Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Anfechtungsklage statthafte Klageart, da die Verrechnungserklärung der Beklagten Verwaltungsakt und nicht (nur) einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung ist (h.M., vergleiche BayLSG, Entscheidung vom 14.11.2007, Az. L 13 R 157/07 Rn. 28 unter juris mit Nachweisen aus der Rechtsprechung, BayLSG, Urteil vom 8.8.2007, Az. L 8 AL 481/05, anders 4. Senat des BSG, Urteil vom 24.7.2003, Az. B 4 RA 60/02 R).
Die Klage ist aber nicht begründet. Die streitgegenständlichen Bescheide vom 6.9.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.2.2013 beschweren den Kläger nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Beklagte hat zu Recht den Rentenanspruch des Klägers nach § 52 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuches (SGB I) i. V. m. § 51 SGB I mit der festgestellten Forderung der Beigeladenen (Bescheid vom 4.8.2011) verrechnet.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirksame Verrechnung sind erfüllt. Die Beklagte ist von der Beigeladenen auf Grund deren Ersuchen vom 19.12.2011 im Sinne des § 52 SGB I ermächtigt, deren Beitragsansprüche mit den laufenden Rentenansprüchen des Klägers zu verrechnen. Die Ermächtigung verschafft dem ersuchten Träger die Be-fugnis, mit der "fremden" Forderung im eigenen Namen über eine gegen ihn bestehende Forderung durch Aufrechnung zu verfügen. Im Interesse der Klarheit und Rechtssicherheit muss erkennbar sein, auf welchen Leistungsanspruch die Ermächtigung sich bezieht, fer-ner muss sich eine Bezugnahme auf § 52 SGB I ergeben (KassKomm-Seewald, § 52 SGB I, Rn. 18; LSG NRW, Urteil vom 24.7.2009, L 13 R 137/08, Rn. 28 unter juris).
Diesen Anforderungen genügt das Schreiben der Beigeladenen vom 19.12.2011, da so-wohl eine Bezugnahme auf § 52 SGB I sowie eine genaue Auflistung der Forderungen der Beigeladenen gegeben ist. Soweit das BSG im Urteil vom 24.7.2003 (a.a.O.) weiter-gehende Anforderungen an die Ermächtigung stellt, überzeugt dies nicht. Für die Entscheidung der Beklagten, ob die Voraussetzungen für eine Verrechnung vorliegen, ist nur Voraussetzung eine eindeutige Erklärung des ersuchenden Trägers, dass er den ersuchten Träger zur Verfügung über die bezeichnete "fremde"Forderung berechtigt. Es ist aus-reichend, dass dem ersuchten Träger – wie vorliegend – eindeutig die Befugnis zur Verfügung über eine konkret bezeichnete Forderung erteilt worden ist (LSG NRW, Urteil vom 24.7.2009, L 13 R 137/08, Rn. 28 unter juris).
Eine Verrechnungslage besteht auch, denn die Forderung des auf- bzw. verrechnenden Leistungsträgers (Gegenforderung der Beigeladenen) ist entstanden und fällig, während die gleichartige Forderung, mit der auf- bzw. verrechnet werden soll (Hauptforderung des Klägers gegen die Beklagte), zwar nicht insgesamt fällig, aber bereits entstanden und er-füllbar ist.
Dass die Hauptforderung (der Rentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte) im vor-liegenden Fall entstanden und erfüllbar ist (BSG SozR 4–1200 § 52 Nr 1, mit Hinweis auf BGHZ 103, 362, 367; 123, 49, 52 f; BFHE 191, 5, 10 ff), steht nicht in Frage, da dem An-tragsteller eine Rente wegen Alters bindend zuerkannt ist und zu monatlich zu erfüllenden Einzelansprüchen führt.
Auch eine entstandene und fällige Gegenforderung (das heißt die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 17.652,38 EUR) ist gegeben, da diese (mit einer geringfügigen Abweichung in Höhe von 3 EUR) mit Bescheid vom 4.8.2011 festgestellt wurde.
Im Hinblick auf die Gegenforderung, die mit der Forderung des Klägers verrechnet wird (das heißt die Forderung der Beigeladenen in Höhe von 17.652,38 EUR), ist weder ein förm-licher Vollstreckungstitel notwendig noch muss Bestandskraft oder Rechtskraft vorliegen (KassKomm-Seewald, § 52 SGB I, Rn. 8a mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss lediglich "vollwirksam und fällig" sein; dh es muss sich um eine Forderung handeln, deren Erfüllung erzwungen werden kann und der keine Einrede entgegensteht (KassKomm-Seewald, § 51 SGB I, Rn. 12 b). Dies ist im Hinblick auf die geltend gemachte Beitragsforderung in Höhe von 17.652,38 EUR der Fall. Die Beigeladene kann die Forderung sofort nach Erlass des Verwaltungsaktes vollstrecken (§ 86 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG), sie muss nicht die Rechtskraft des Bescheids abwarten.
In diesem Zusammenhang vermag die Auffassung des 4. Senats des BSG (vergleiche Urteil vom 24.7.2002, a.a.O., Rn. 27 unter juris), die eine bestands- oder rechtskräftig festgestellten Forderung für die Verrechnung voraussetzt, nicht zu überzeugen. Dem Ar-gument, dass der leistungsberechtigte Kläger ansonsten gezwungen wäre, sich erstmals in dem "Verrechnungsverfahren" mit einem weiteren Anspruch auseinander zusetzen, der noch nicht feststeht und in einem anderen Sozialleistungsverhältnis begründet ist, vermag die erkennende Kammer nicht zu folgen (ähnlich LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4.10.2007, L 8 B 1205/07 ER). Denn diese Sichtweise führte gerade zu einer verfahrensmäßigen Verschlechterung des beitragserhebenden Sozialleistungsträgers, die mit dem Sinn und Zweck von § 86 a Abs. 2 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz nicht vereinbar ist. Bei-tragsforderungen sind grundsätzlich sofort vollstreckbar. Es ist vom Gesetzgeber gewollt, dass der Versicherte im Regelfall in Vorleistung geht und die Begründetheit der Forderung in einem anschließenden Widerspruchs- und Klageverfahren überprüft wird. Hiermit soll die Funktionsfähigkeit der Leistungsträger gesichert werden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, § 86 a Rn. 13).
Diesem Zweck dient auch § 52 SGB I. Es sollen Ansprüche ohne Umwege realisiert wer-den können (KassKomm-Seewald, § 52, Rn. 2). Der unredliche Versicherte, der versucht, durch Umgehungsgeschäfte wie Vermögensübertragungen die sofortige Vollziehung des beitragserhebenden Sozialversicherungsträger zu verhindern, würde belohnt werden, in-dem Gegenforderungen von anderen Sozialversicherungsträgern nicht mehr aufgerechnet werden könnten.
Hinzu kommt, dass der Kläger von der Gegenforderung vorliegend konkrete Kenntnis hatte, wegen Betrugs zum Nachteil der Beigeladenen im Hinblick auf diese konkrete Gegenforderung sogar verurteilt wurde. Eine vom 4. Senat des BSG postulierte (generelle) Schutzbedürftigkeit des Klägers ist für die erkennende Kammer daher nicht zu ersehen.
Daher ist der Auffassung zu folgen, die hinsichtlich der Gegenforderung nur eine Fälligkeit im obigen Sinne voraussetzt.
Auch die notwendige Konkretisierung nach Art und Umfang der Forderung (vgl. Urteil des 4. Senats, a.a.O.) findet sich im angegriffenen Bescheid. Der Bescheid hat sowohl den Gläubiger der Gegenforderung, die Beigeladene, die Höhe der Forderung der Beigeladenen (17.814,33 EUR) als auch die Hauptforderung, die verrechnet wird, spezifiziert, nämlich die Rente des Klägers. Schließlich wurde auch der monatliche Verrechnungsbetrag in Höhe von 600 EUR angegeben. Das heißt, der Kläger und außenstehende Dritte können anhand des Bescheids vom 6.9.2012 genau erkennen, ab wann die Gegenforderung der Beigeladenen erfüllt und damit erloschen ist.
Insoweit der 4. Senat des BSG (a.a.O.) weitergehende Anforderungen wie Angaben über den Rechtsgrund, die Bezugszeiten, die Fälligkeit und die Bestandskraft der Forderung verlangt, wird auch dies mit dem LSG NRW (a.a.O, Rn. 31 unter juris) für überzogen er-achtet. Namentlich Angaben zu Fälligkeit oder Bestandskraft der Gegenforderung sind für die Frage der Bestimmtheit der Verrechnungserklärung irrelevant. Es stellt sich nur die Frage nach der materiellen Wirkung der Erklärung, also die Frage, ob aufgrund der Erklä-rung die Forderungen, soweit sie sich decken, erloschen sind (§ 389 Bürgerliches Ge-setzbuch).
Auch die Verrechnung eines geringfügig (3 EUR) kleineren Betrags (17.814,33 EUR anstelle von 17.652,38 EUR) im angegriffenen Bescheid ist für die Bestimmtheit der Gegenforderung un-schädlich. Der Kläger hatte aufgrund des durchlaufenden Strafverfahrens konkrete Kenntnis von der Forderung der Beklagten und der (vom Kläger angegriffene) Bescheid der Beigeladenen vom 4.8.2011 hat die Forderung in der Größenordnung fast identisch ausgewiesen. Die Gegenforderung war daher für den Kläger insoweit bestimmbar, als eine andere Forderung als die im Bescheid vom 4.8.2011 bezeichnete nicht infrage kommt.
§ 51 Abs. 2 SGB I steht der Verrechnung nicht entgegen. § 51 Abs 2 SGB I ist nur anwendbar, wenn es sich bei der Hauptforderung um einen Anspruch auf laufende Geldleistung des Berechtigten und bei der Gegenforderung um einen Beitrags- oder Erstattungs-anspruch des Leistungsträgers handelt. Bei dem Rentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte handelt es sich um eine laufende Geldleistung. Die Gegenforderung der Beigeladenen ist eine Beitragsforderung.
Die Beklagte hat beachtet, dass die Hälfte des Anspruchs auf Geldleistungen (d.h. der monatlichen Rentenzahlung) einer Aufrechnung nicht zugänglich ist (aufrechnungs-fest/aufrechnungsfrei). Hinsichtlich der zweiten Hälfte ist die Aufrechnung dem Grunde nach möglich, im konkreten Einzelfall jedoch unzulässig, wenn dadurch Hilfebedürftigkeit iSd SGB XII oder SGB II beim Leistungsberechtigten bewirkt wird. Für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit i. S. d §§ 19, 27 ff SGB XII sind die Regelsätze nach § 28 SGB XII ggf. zuzüglich des Mehrbedarfs nach §§ 28 a, 30 SGB XII und unter Anrechnung von sonsti-gem Einkommen und Vermögen des Berechtigten maßgeblich (KassKomm-Seewald, § 51 Rn. 19).
Gem. Abs 2 trifft den Leistungsberechtigten die Obliegenheit (iS einer verstärkten Mitwir-kungspflicht, vgl. Eicher in: Eicher/Spellbrink, 2. Auflage, § 43 SGB II, RdNr 11), die Hilfe-bedürftigkeit nachzuweisen (z. B. durch Vorlage einer Leistungsbescheinigung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitslose oder des Sozialhilfeträgers, vgl. BT-Drucks 15/516, S 68). Der Kläger hat trotz Aufforderung durch das Gericht eine solche Erklärung des Sozialhilfeträgers nicht vorgelegt und auch sonst nichts vorgebracht, was für eine Hilfebedürftigkeit sprechen würde, so dass er seiner Obliegenheit nicht nachgekommen ist.
Die private Darlehensschuld des Klägers befreit ihn nicht von seinen Verpflichtungen gegenüber der Beigeladenen. Gemäß § 53 Abs. 3 SGB I können Ansprüche auf laufende Geldleistungen, die wie die Rentenzahlung der Beklagten der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, übertragen werden, soweit sie den für Arbeitseinkommen geltenden unpfändbaren Betrag übersteigen. Bei einer Nettorente von zuletzt 2.015,50 EUR und einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Ehefrau ist lediglich ein Betrag in Höhe von 285,83 EUR abtretbar (vgl. Pfändungstabelle ab 1.7.2013 sowie Lilge, SGB I, Allgemeiner Teil, 2. Auflage 2009, § 53 Rn. 51). Die vorgenommenen Abtretungen an die Bank gehen daher überwiegend ins Leere (die Abtretung im Hinblick auf den Darlehensvertrag über 80.000 EUR sogar doppelt, als diese Abtretung erst nach der Verrechnungserklärung der Beklagten mittels streitgegenständlichem Bescheid erfolgte). Die Aufrechnung in Höhe von 600 EUR ist daher nicht zu beanstanden.
Eine Ermessensentscheidung war von der Beklagte nicht zu treffen, da die Formulierung in §§ 51 Abs. 1, 52 SGB I ein "Kompetenz-Kann" und kein "Ermessens-Kann" bezeichnet (BSG SozR 3-1200 § 52 Nr. 2; Urteil vom 24.7.2003; a.A. BSG, Beschluss vom 5.2.2009, Az. B 13 R 31/08 R, Rn. 15 unter juris). Selbst bei Annahme der Gegenauffassung ist die kurz gehaltene Ermessensausübung nicht zu beanstanden. Insbesondere ist keine Unverhältnismäßigkeit gegeben. Der Kläger hat durch ein Verhalten, das nicht nur nicht von der Rechtsordnung gedeckt ist, sondern sogar strafbar ist, einen unlauteren Vermögensvorteil zulasten der Beigeladenen erlangt. Sofern die Aufrechnung nun für ihn zu schwerwiegenderen materiellen Konsequenzen führen sollte, kann er sich hierauf nicht berufen, da unmittelbarer Ausfluss seines strafbaren Verhaltens. Einzig die drohende Sozialhilfebedürftigkeit ist vom Gesetzgeber als Begrenzung der Verrechnung vorgesehen, so dass er in Bezug auf seine Kreditverpflichtungen nicht gehört werden kann.
Schließlich ist auch eine einheitliche Verrechnungserklärung für künftige Rentenauszahlungsansprüche mit Wirkung für den jeweiligen Zeitpunkt ihres Entstehens zulässig (Lilge, SGB I, Allgemeiner Teil, 2. Auflage 2009, § 52 Rn. 19, vgl. auch BSGE 69, 238 = SozR 3–1200 § 52 Nr 2).
Nach allem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 183, 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Rechtskraft
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