Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
50
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 50 KN 156/13 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin für die stationäre Behandlung der Patientin M. L. einen Betrag in Höhe von 923,51 Euro nebst 2 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2010 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 923,51 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über restliche Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 923,51 Euro nebst 2 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2010.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein zugelassenes Krankenhaus in Duisburg. Die bei der Beklagten krankenversicherte 1938 geborene Patientin M. L. wurde am 30.03.2010 aufgrund einer bösartigen Neubildung der Brustdrüse im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen und befand sich im Folgenden bis zum 03.04.2010 zur stationären Behandlung bei der Klägerin. Während der stationären Behandlung erhielt die Patientin an einem Tag eine Chemotherapie.
Für diese Versorgung beanspruchte die Klägerin mit Schlussrechnung vom 12.04.2010 auf der Grundlage der Fallpauschale Diagnosis Related Groups (DRG) N60B und diversen Zuschlägen eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1714,68 Euro.
Mit Schreiben vom 27.04.2010 (Blatt 5 der Leistungsakte der Beklagten) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aus ihrer Sicht die Dauer der Krankenhausbehandlung auf der Grundlage der übermittelten Behandlungsdaten nicht nachvollziehbar sei. Daher gab sie an, dass die Behandlungsdauer um drei Tage gekürzt und nur die Zahlung eines gekürzten Betrages in Höhe von 791,17 Euro veranlasst worden sei. Gleichzeitig forderte die Beklagte die Klägerin um Übersendung eines Kurzberichtes bis zum 12.5.2010 auf, welchen die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 04.05.2010 übersandte.
Mit Schreiben vom 21.05.2010 zeigte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Prüfauftrag durch den SMD an und forderte die Klägerin auf, einen ausführlichen Entlassungsbericht, die Fieberkurve, die Verlaufsdokumentation sowie die Pflegedokumentation bis zum 20.06.2010 vorzulegen. Dieser Aufforderung ist die Klägerin bis dato nicht nachgekommen. Eine Prüfung durch den sozialmedizinischen Dienst fand bislang nicht statt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den Rechnungsbetrag aus der Schlussrechnung vom 12.04.2010 zu kürzen. Denn die Zahlungsverpflichtung der Beklagten basiere zunächst auf den Vorschriften des in NRW geltenden Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Gemäß dem dort verankerten § 15 Abs. 1 S. 1 seien Rechnungen innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Danach sei die Beklagte vorerst zum fristgerechten Rechnungsausgleich verpflichtet gewesen. Dies gelte ungeachtet etwaiger bestehender sachlich-rechnerischer Einwendungen. Nach dem gesetzgeberischen Willen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die Beklagte aufgrund der Vorleistungen des Krankenhauses durch die Krankenhausbehandlung primär zur Zahlung innerhalb des im Landesvertrag vereinbarten Zahlungszieles verpflichtet. Das Prüfverfahren als ein sekundäres Klärungsverfahren der ordnungsgemäßen Abrechnung oder das Vorbringen unsubstantiierter Zweifel an der ordnungsgemäßen Abrechnung, stünden der umgehenden vollumfänglichen Zahlungsverpflichtung der Beklagten erst einmal nicht entgegen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die stationäre Behandlung der Patientin M. L. einen Betrag in Höhe von 923,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2010 zu zahlen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Rechnung der Klägerin schon gar nicht fällig geworden sei. Die Klägerin habe der Beklagten keine formal ordnungsgemäße Rechnung übersandt, da die übermittelten Daten nicht schlüssig gewesen seien. Außerdem ist sie der Ansicht, dass sie im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Anspruch aus der Rechnung substantiiert bestritten habe, indem sie angegeben habe, dass die Dauer der Krankenhausbehandlung auf der Grundlage der übermittelten Daten nicht nachvollziehbar gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Sie ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 17.5.2000 - B 3 KR 33/99 R).
2. Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der geltend gemachten restlichen Vergütungsforderung nebst Zinsen. Die Rechnung der Klägerin war zur Zahlung fällig und die Beklagte war nicht berechtigt, einen Teil des Rechnungsbetrages zurückzubehalten.
a.) Rechtsgrundlage des im Streit stehenden restlichen Vergütungsanspruches der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen – Krankenhausentgeltgesetz – (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in Verbindung mit der Fallpauschalenvereinbarung 2010 sowie dem Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V. Der zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen geschlossene Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ("Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung") findet trotz Kündigung im April 2004 aufgrund Vereinbarung vom 13.04.2005 weiterhin Anwendung.
aa) Nach den genannten Normen entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (vgl. § 39 Abs. 1 S.2 und 3 SGB V). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 der allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung entsprechend des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V sind in Nordrhein-Westfalen die Krankenkassen grundsätzlich verpflichtet, Rechnungen eines Krankenhauses wegen einer stationären Behandlung innerhalb von 15 Tagen nach Eingang zu begleichen. Der Rechnungsbetrag ist bei Überschreitung des Zahlungszieles nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs. 1 BGB in Höhe von zwei Prozent über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag zu verzinsen.
Die Fälligkeit der Zahlung entsteht unabhängig davon, ob ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V noch eingeleitet werden soll oder ein solches noch nicht abgeschlossen ist. Außerdem bleiben trotz der Zahlung etwaige Einwendungen gegen Grund und Höhe der geltend gemachten Behandlungskosten erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2003, B 3 KR 10/02 R). Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R) ist es den Krankenkassen nicht erlaubt, die Bezahlung von Krankenhausrechnungen mit der Begründung zu verzögern, dass zunächst die Richtigkeit der Abrechnung oder die wirtschaftliche Leistungserbringung geprüft werden müsse.
bb) Die Abrechnung der Klägerin war auch zur Zahlung fällig. Zur Überzeugung der Kammer lag hier eine den Anforderungen des § 301 SGB V entsprechende Abrechnung vor.
Die Fälligkeit tritt nur dann nicht ein, wenn die Rechnung nicht den vom Gesetz geforderten (Mindest-) Anforderungen des § 301 SGB V genügt und deshalb schon keine formal ordnungsgemäße Abrechnung des Krankenhauses vorliegt (BSG, Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 28/12 R). Nach § 301 Abs. 1 SGB V ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln, damit diese eine ordnungsgemäße Abrechnung durchführen und die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung überprüfen kann. Darunter fallen unter anderem die Übermittlung der Stammdaten des Versicherten sowie konkrete Angaben über die Aufnahme, Verlegung, Art der Behandlung und Entlassung des Versicherten, die Einweisungsdiagnose und die durchgeführten Operationen und Prozeduren durch das Krankenhaus.
(1) Sämtliche nach § 301 SGB V geforderte Angaben hat die Klägerin der Beklagten übermittelt.
Dies ergibt sich bereits aus dem von der Beklagten erstellten Grouper-Fallbogen (vgl. Blatt 3 der Verwaltungsakte der Beklagten). Hätte die Klägerin nicht die wesentlichen Angaben im Sinne von § 301 Abs. 1 SGB V der Beklagten übermittelt, hätte die Beklagte nicht dieses Grouping erstellen können. Darin waren alle wesentlichen Daten wie – unter anderem – der Tag, die Uhrzeit und der Grund der Aufnahme, die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, die voraussichtliche Dauer der Behandlung, die aufnehmende Fachabteilung sowie Datum und Art der durchgeführten Operationen und Prozeduren enthalten.
(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 27.04.2010, in dem die Beklagte mitteilt, dass auf der Grundlage der übermittelten Behandlungsdaten die Dauer der Krankenhausbehandlung nicht nachvollziehbar sei.
Bei Zweifeln oder Unklarheiten hätte die Beklagte in Bezug auf die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten nur Nachfragen, welche sich auf nicht-medizinische Bereiche erstrecken, bei der Klägerin stellen dürfen. So zum Beispiel, wenn nicht einmal ein Grund für die Krankenhausaufnahme angegeben ist und sich deswegen möglicherweise bereits gar keine Zahlungspflicht ergibt.
Die Beklagte hat vorliegend keine nicht-medizinische Nachfrage in Bezug auf die übermittelten Daten nach § 301 SGB V gestellt. Sie hat, ohne den SMD einzuschalten, der Klägerin mit Schreiben vom 27.04.2010 mitgeteilt, dass die Dauer der Krankenhausbehandlung nicht nachvollziehbar sei und sie daher aus diesen Gründen nur einen gekürzten Rechnungsbetrag veranlasst habe.
Zur Überzeugung der Kammer kann die Überprüfung, ob die Dauer der Krankenhausbehandlung gerechtfertigt war, nur durch eine medizinisch ausgebildete Person durchgeführt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des hier zugrundeliegenden Krankheitsbildes sowie des Alters der Patientin hätte nur ein Mediziner beurteilen können, welche Verweildauer vorliegend angemessen war. In diesem Fall wäre nur das Einleiten eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V möglich gewesen. Denn die Überprüfung der Länge der Verweildauer erfordert bereits das Einsehen in die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses, was den Krankenkassen selbst verwehrt ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2013, AZ B 3 KR 32/12 Rf).
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sie auch während der Zahlungsfrist von 15 Tagen keine substantiierten und der Höhe nach bezifferten Einwendungen gegen die Abrechnung vorgebracht.
Das BSG hat zwar in ständiger Rechtsprechung (BSG Urteil vom 22.07.2004, B 3 KR 20/03 R) entschieden, dass die Krankenkassen nicht verpflichtet sind, auch dann Krankenhausrechnungen in voller Höhe zu begleichen, wenn sie schon innerhalb der 15-tägigen Zahlungsfrist substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend machen. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wäre die Beklagte berechtigt gewesen, einen Teil des geforderten Rechnungsbetrages einzubehalten.
(1) Die Beklagte hat hier allerdings nach Meinung der Kammer lediglich Angaben "ins Blaue hinein" gemacht und keine spezifischen Auffälligkeiten der Abrechnung gegenüber der Klägerin vorgebracht.
Um substantiierte Einwendungen vorzutragen, ist es zur Überzeugung der Kammer erforderlich, dass diese den vorgetragenen Einwand rechtfertigen, wenn sie also für sich genommen geeignet und erforderlich sind, den geltend gemachten Einwand als in der Person der Beklagten entstanden erscheinen zu lassen. In jedem Fall müssen nähere Einzelheiten vorgetragen werden, welche den Einwand rechtfertigen können. Der Einwand der Beklagten, dass die Dauer der Krankenhausbehandlung nicht nachvollziehbar sei, stellt für die Kammer eine willkürliche, ohne greifbare Anhaltspunkte ausgesprochene Vermutung dar. Ein substantiierter Einwand gegen die Abrechnung ist darin nicht zu sehen.
Vielmehr hat die Beklagte nach Meinung der Kammer eine ungezielte und nicht durch eine Rechnungsauffälligkeit gekennzeichnete Rechnungsprüfung vorgenommen (vgl. dazu unten).
(2) Darüber hinaus hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.06.2013 (Blatt 48 der Gerichtsakte) auch selbst eingeräumt, dass ein substantiierter Vortrag noch gar nicht möglich gewesen sei, da der SMD bislang noch keine Stellungnahme abgeben konnte. Hiermit stellt die Beklagte selbst klar, dass sie nicht bereits innerhalb der 15-tägigen Zahlungsfrist substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen geltend gemacht hat, sondern diese erst nach einer Prüfung durch den SMD hätte bezeichnen können.
Dies reicht nach der Rechtsprechung des BSG aber gerade nicht aus, um die Begleichung einer Krankenhausrechnung zunächst abzulehnen bzw. einen Teil des Rechnungsbetrages während der Prüfung durch den SMD zurückzuhalten.
Zur Überzeugung der Kammer wäre die Beklagte nur dann zum Einbehalten eines Teils der Rechnung berechtigt gewesen, wenn dem in der Regel medizinisch nicht ausgebildeten Sachbearbeiter bei der Rechnung ein Fehler "ins Auge gesprungen wäre", der keiner Prüfung durch den SMD bedurft hätte und bei dem der Sachbearbeiter bereits spezifische und der Höhe nach bezifferte Einzelheiten bzw. Einwände gegen die Abrechnung hätte vorbringen können.
Dagegen hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass die Verweildauer hier nicht nachvollziehbar sei. Dies stellt nach Meinung der Kammer keine substantiierte Einwendung dar. Dieser Einwand ist ganz im Gegenteil pauschal und ohne nähere Begründung aufgestellt worden. Vielmehr hätte die Beklagte konkret darlegen und mit Argumenten unterfüttern müssen, aus welchen konkreten Gründen sie bei dem Behandlungsfall die Verweildauer nicht für gerechtfertigt hielt.
Die Beklagte konnte nach dem Dafürhalten der Kammer bereits aufgrund mangelnder medizinischer Fachkenntnis keine substantiierten Einwände vorbringen. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass die notwendige Dauer einer stationären Versorgung eine medizinische Frage ist, deren Klärung allein dem medizinischem Dienst obliegt (BSG, Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 28/12 R und Urteil vom 16.05.2013, B 3 KR 32/12 R).
Im vorliegenden Fall lag – wie bereits dargestellt – der streitigen Abrechnung eine stationäre Behandlung mit einer Chemotherapie einer 72-jährigen Krebspatientin innerhalb der maßgeblichen Grenzverweildauer zugrunde. Ob die Verweildauer bei diesen medizinischen Gegebenheiten bzw. der Krankheitshistorie und dem Alter der Versicherten zu lang war, kann ein medizinischer Laie nach Meinung der Kammer nicht beurteilen.
Bereits aus diesem Grund wären hier substantiierte Einwendungen hinsichtlich der Verweildauer ohnehin nur mit Hilfe einer medizinisch gebildeten Person und nach Durchsicht der Patientenakte möglich gewesen.
Würde bereits das Äußern von Zweifeln an der Richtigkeit einer Abrechnung ein Zahlungsverweigerungsrecht einer Krankenkasse begründen, so würde dies nach Ansicht der Kammer zum einen die Liquidität des in Vorleistung tretenden Krankenhauses gefährden und zum anderen gegen das gesetzlich vorgeschriebene Beschleunigungsverbot auf eine zügige Bezahlung von Krankenhausrechnungen verstoßen (vgl § 17 Abs. 1 S. 3 Bundespflegesatzverordnung).
dd) Die Beklagte hat sich damit auch nicht an das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Überprüfung von Krankenhausabrechnungen gehalten. Sie hat, ohne das vorgeschriebene Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu durchlaufen bzw. abzuwarten, unmittelbar einen Teil der Krankenhausabrechnung einbehalten.
§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V berechtigt und verpflichtet die Krankenkassen, in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen (BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 KR 32/12 R –).
Da die Krankenkassen in aller Regel nicht über ausreichenden medizinischen Sachverstand verfügen, obliegt die Leistungsüberprüfung in medizinischer Hinsicht dem MDK oder dem SMD. Der Gesetzgeber hat deshalb in § 275 Abs. 1 SGB V angeordnet, dass die Krankenkassen bei medizinischen Fragestellungen verpflichtet sind, in den dort aufgelisteten Regelfällen und damit auch bei der Prüfung von Krankenhausabrechnungen in medizinischer Hinsicht den Medizinischen Dienst einzuschalten. Daraus folgt, dass die Krankenkassen selbst keine medizinischen Erhebungen durchführen und von den Leistungserbringern auch keine entsprechenden Auskünfte einholen dürfen, es sei denn, es handelt sich um eine medizinische Begründung bei Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung oder der maßgebliche Landesvertrag nach § 112 SGB V sieht dies ausdrücklich vor (BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 KR 32/12 R).
b.) Wenngleich dies nicht abschließend zu entscheiden war, lag im Übrigen nach Ansicht der Kammer noch nicht einmal eine zur Abrechnungsprüfung berechtigende Auffälligkeit der Abrechnung vor, die eine Prüfung durch den SMD nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V berechtigt hätte.
aa) Eine zur Abrechnung berechtigende Auffälligkeit liegt nur dann vor, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht (vgl. BSG aaO).
So bejaht das BSG das Bestehen von Auffälligkeiten, wenn die Abrechnung oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen konkrete Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht bewerten kann. Eine Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 HS 2 SGB V – soweit also die Rechnungsprüfung in Rede steht – ist nach der Rechtsprechung des BSG außerdem auf solche Anlässe beschränkt ist, die durch "Auffälligkeiten" gekennzeichnet sind; diese hat die Krankenkasse im Zweifelsfall zu belegen. Liegt keine Auffälligkeit im dargelegten Rechtssinne vor, kann und muss auch der MDK bei einem solchen, auf bloß vermeintliche Auffälligkeiten gestützten Auftrag die Krankenkasse hierauf verweisen und den Auftrag gegebenenfalls ablehnen (vgl. BSG aaO mwN).
bb) Um eine solche Auffälligkeit im vorgenannten Sinne handelte es sich bei der Abrechnung der Klägerin gerade nicht.
Die Versicherte wurde innerhalb der vorgesehenen Grenzverweildauer stationär behandelt. Die Tatsache, dass ein Versicherter innerhalb der vorgesehenen Grenzverweildauer stationär behandelt wird, begründet gerade keine Auffälligkeit. Hierbei handelt es sich nämlich um Regelbehandlungszeiträume, die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Verband der privaten Krankenversicherung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft jährlich vereinbart werden, bei denen eine Leistungserbringung innerhalb der Verweildauer nicht auffällig ist (vgl. BSG aaO).
c.) Die Beklagte war daher nach dem Landesvertrag verpflichtet, die hier streitige Rechnung innerhalb von 15 Tagen ab Rechnungseingang zu begleichen. Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 284, 285, 288 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Streitwertfestsetzung auf §§ 63 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 923,51 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über restliche Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 923,51 Euro nebst 2 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2010.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein zugelassenes Krankenhaus in Duisburg. Die bei der Beklagten krankenversicherte 1938 geborene Patientin M. L. wurde am 30.03.2010 aufgrund einer bösartigen Neubildung der Brustdrüse im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen und befand sich im Folgenden bis zum 03.04.2010 zur stationären Behandlung bei der Klägerin. Während der stationären Behandlung erhielt die Patientin an einem Tag eine Chemotherapie.
Für diese Versorgung beanspruchte die Klägerin mit Schlussrechnung vom 12.04.2010 auf der Grundlage der Fallpauschale Diagnosis Related Groups (DRG) N60B und diversen Zuschlägen eine Vergütung in Höhe von insgesamt 1714,68 Euro.
Mit Schreiben vom 27.04.2010 (Blatt 5 der Leistungsakte der Beklagten) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aus ihrer Sicht die Dauer der Krankenhausbehandlung auf der Grundlage der übermittelten Behandlungsdaten nicht nachvollziehbar sei. Daher gab sie an, dass die Behandlungsdauer um drei Tage gekürzt und nur die Zahlung eines gekürzten Betrages in Höhe von 791,17 Euro veranlasst worden sei. Gleichzeitig forderte die Beklagte die Klägerin um Übersendung eines Kurzberichtes bis zum 12.5.2010 auf, welchen die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 04.05.2010 übersandte.
Mit Schreiben vom 21.05.2010 zeigte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Prüfauftrag durch den SMD an und forderte die Klägerin auf, einen ausführlichen Entlassungsbericht, die Fieberkurve, die Verlaufsdokumentation sowie die Pflegedokumentation bis zum 20.06.2010 vorzulegen. Dieser Aufforderung ist die Klägerin bis dato nicht nachgekommen. Eine Prüfung durch den sozialmedizinischen Dienst fand bislang nicht statt.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den Rechnungsbetrag aus der Schlussrechnung vom 12.04.2010 zu kürzen. Denn die Zahlungsverpflichtung der Beklagten basiere zunächst auf den Vorschriften des in NRW geltenden Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Gemäß dem dort verankerten § 15 Abs. 1 S. 1 seien Rechnungen innerhalb von 15 Kalendertagen nach Eingang zu begleichen. Danach sei die Beklagte vorerst zum fristgerechten Rechnungsausgleich verpflichtet gewesen. Dies gelte ungeachtet etwaiger bestehender sachlich-rechnerischer Einwendungen. Nach dem gesetzgeberischen Willen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die Beklagte aufgrund der Vorleistungen des Krankenhauses durch die Krankenhausbehandlung primär zur Zahlung innerhalb des im Landesvertrag vereinbarten Zahlungszieles verpflichtet. Das Prüfverfahren als ein sekundäres Klärungsverfahren der ordnungsgemäßen Abrechnung oder das Vorbringen unsubstantiierter Zweifel an der ordnungsgemäßen Abrechnung, stünden der umgehenden vollumfänglichen Zahlungsverpflichtung der Beklagten erst einmal nicht entgegen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für die stationäre Behandlung der Patientin M. L. einen Betrag in Höhe von 923,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2010 zu zahlen.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Rechnung der Klägerin schon gar nicht fällig geworden sei. Die Klägerin habe der Beklagten keine formal ordnungsgemäße Rechnung übersandt, da die übermittelten Daten nicht schlüssig gewesen seien. Außerdem ist sie der Ansicht, dass sie im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Anspruch aus der Rechnung substantiiert bestritten habe, indem sie angegeben habe, dass die Dauer der Krankenhausbehandlung auf der Grundlage der übermittelten Daten nicht nachvollziehbar gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Sie ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (BSG, Urteil vom 17.5.2000 - B 3 KR 33/99 R).
2. Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der geltend gemachten restlichen Vergütungsforderung nebst Zinsen. Die Rechnung der Klägerin war zur Zahlung fällig und die Beklagte war nicht berechtigt, einen Teil des Rechnungsbetrages zurückzubehalten.
a.) Rechtsgrundlage des im Streit stehenden restlichen Vergütungsanspruches der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen – Krankenhausentgeltgesetz – (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in Verbindung mit der Fallpauschalenvereinbarung 2010 sowie dem Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V. Der zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen geschlossene Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ("Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung") findet trotz Kündigung im April 2004 aufgrund Vereinbarung vom 13.04.2005 weiterhin Anwendung.
aa) Nach den genannten Normen entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (vgl. § 39 Abs. 1 S.2 und 3 SGB V). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 der allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung entsprechend des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V sind in Nordrhein-Westfalen die Krankenkassen grundsätzlich verpflichtet, Rechnungen eines Krankenhauses wegen einer stationären Behandlung innerhalb von 15 Tagen nach Eingang zu begleichen. Der Rechnungsbetrag ist bei Überschreitung des Zahlungszieles nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs. 1 BGB in Höhe von zwei Prozent über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag zu verzinsen.
Die Fälligkeit der Zahlung entsteht unabhängig davon, ob ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V noch eingeleitet werden soll oder ein solches noch nicht abgeschlossen ist. Außerdem bleiben trotz der Zahlung etwaige Einwendungen gegen Grund und Höhe der geltend gemachten Behandlungskosten erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2003, B 3 KR 10/02 R). Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23.07.2002, B 3 KR 64/01 R) ist es den Krankenkassen nicht erlaubt, die Bezahlung von Krankenhausrechnungen mit der Begründung zu verzögern, dass zunächst die Richtigkeit der Abrechnung oder die wirtschaftliche Leistungserbringung geprüft werden müsse.
bb) Die Abrechnung der Klägerin war auch zur Zahlung fällig. Zur Überzeugung der Kammer lag hier eine den Anforderungen des § 301 SGB V entsprechende Abrechnung vor.
Die Fälligkeit tritt nur dann nicht ein, wenn die Rechnung nicht den vom Gesetz geforderten (Mindest-) Anforderungen des § 301 SGB V genügt und deshalb schon keine formal ordnungsgemäße Abrechnung des Krankenhauses vorliegt (BSG, Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 28/12 R). Nach § 301 Abs. 1 SGB V ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln, damit diese eine ordnungsgemäße Abrechnung durchführen und die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung überprüfen kann. Darunter fallen unter anderem die Übermittlung der Stammdaten des Versicherten sowie konkrete Angaben über die Aufnahme, Verlegung, Art der Behandlung und Entlassung des Versicherten, die Einweisungsdiagnose und die durchgeführten Operationen und Prozeduren durch das Krankenhaus.
(1) Sämtliche nach § 301 SGB V geforderte Angaben hat die Klägerin der Beklagten übermittelt.
Dies ergibt sich bereits aus dem von der Beklagten erstellten Grouper-Fallbogen (vgl. Blatt 3 der Verwaltungsakte der Beklagten). Hätte die Klägerin nicht die wesentlichen Angaben im Sinne von § 301 Abs. 1 SGB V der Beklagten übermittelt, hätte die Beklagte nicht dieses Grouping erstellen können. Darin waren alle wesentlichen Daten wie – unter anderem – der Tag, die Uhrzeit und der Grund der Aufnahme, die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, die voraussichtliche Dauer der Behandlung, die aufnehmende Fachabteilung sowie Datum und Art der durchgeführten Operationen und Prozeduren enthalten.
(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 27.04.2010, in dem die Beklagte mitteilt, dass auf der Grundlage der übermittelten Behandlungsdaten die Dauer der Krankenhausbehandlung nicht nachvollziehbar sei.
Bei Zweifeln oder Unklarheiten hätte die Beklagte in Bezug auf die gemäß § 301 SGB V übermittelten Daten nur Nachfragen, welche sich auf nicht-medizinische Bereiche erstrecken, bei der Klägerin stellen dürfen. So zum Beispiel, wenn nicht einmal ein Grund für die Krankenhausaufnahme angegeben ist und sich deswegen möglicherweise bereits gar keine Zahlungspflicht ergibt.
Die Beklagte hat vorliegend keine nicht-medizinische Nachfrage in Bezug auf die übermittelten Daten nach § 301 SGB V gestellt. Sie hat, ohne den SMD einzuschalten, der Klägerin mit Schreiben vom 27.04.2010 mitgeteilt, dass die Dauer der Krankenhausbehandlung nicht nachvollziehbar sei und sie daher aus diesen Gründen nur einen gekürzten Rechnungsbetrag veranlasst habe.
Zur Überzeugung der Kammer kann die Überprüfung, ob die Dauer der Krankenhausbehandlung gerechtfertigt war, nur durch eine medizinisch ausgebildete Person durchgeführt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund des hier zugrundeliegenden Krankheitsbildes sowie des Alters der Patientin hätte nur ein Mediziner beurteilen können, welche Verweildauer vorliegend angemessen war. In diesem Fall wäre nur das Einleiten eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V möglich gewesen. Denn die Überprüfung der Länge der Verweildauer erfordert bereits das Einsehen in die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses, was den Krankenkassen selbst verwehrt ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2013, AZ B 3 KR 32/12 Rf).
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat sie auch während der Zahlungsfrist von 15 Tagen keine substantiierten und der Höhe nach bezifferten Einwendungen gegen die Abrechnung vorgebracht.
Das BSG hat zwar in ständiger Rechtsprechung (BSG Urteil vom 22.07.2004, B 3 KR 20/03 R) entschieden, dass die Krankenkassen nicht verpflichtet sind, auch dann Krankenhausrechnungen in voller Höhe zu begleichen, wenn sie schon innerhalb der 15-tägigen Zahlungsfrist substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen gegen die Abrechnung geltend machen. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen wäre die Beklagte berechtigt gewesen, einen Teil des geforderten Rechnungsbetrages einzubehalten.
(1) Die Beklagte hat hier allerdings nach Meinung der Kammer lediglich Angaben "ins Blaue hinein" gemacht und keine spezifischen Auffälligkeiten der Abrechnung gegenüber der Klägerin vorgebracht.
Um substantiierte Einwendungen vorzutragen, ist es zur Überzeugung der Kammer erforderlich, dass diese den vorgetragenen Einwand rechtfertigen, wenn sie also für sich genommen geeignet und erforderlich sind, den geltend gemachten Einwand als in der Person der Beklagten entstanden erscheinen zu lassen. In jedem Fall müssen nähere Einzelheiten vorgetragen werden, welche den Einwand rechtfertigen können. Der Einwand der Beklagten, dass die Dauer der Krankenhausbehandlung nicht nachvollziehbar sei, stellt für die Kammer eine willkürliche, ohne greifbare Anhaltspunkte ausgesprochene Vermutung dar. Ein substantiierter Einwand gegen die Abrechnung ist darin nicht zu sehen.
Vielmehr hat die Beklagte nach Meinung der Kammer eine ungezielte und nicht durch eine Rechnungsauffälligkeit gekennzeichnete Rechnungsprüfung vorgenommen (vgl. dazu unten).
(2) Darüber hinaus hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.06.2013 (Blatt 48 der Gerichtsakte) auch selbst eingeräumt, dass ein substantiierter Vortrag noch gar nicht möglich gewesen sei, da der SMD bislang noch keine Stellungnahme abgeben konnte. Hiermit stellt die Beklagte selbst klar, dass sie nicht bereits innerhalb der 15-tägigen Zahlungsfrist substantiierte und der Höhe nach bezifferte Einwendungen geltend gemacht hat, sondern diese erst nach einer Prüfung durch den SMD hätte bezeichnen können.
Dies reicht nach der Rechtsprechung des BSG aber gerade nicht aus, um die Begleichung einer Krankenhausrechnung zunächst abzulehnen bzw. einen Teil des Rechnungsbetrages während der Prüfung durch den SMD zurückzuhalten.
Zur Überzeugung der Kammer wäre die Beklagte nur dann zum Einbehalten eines Teils der Rechnung berechtigt gewesen, wenn dem in der Regel medizinisch nicht ausgebildeten Sachbearbeiter bei der Rechnung ein Fehler "ins Auge gesprungen wäre", der keiner Prüfung durch den SMD bedurft hätte und bei dem der Sachbearbeiter bereits spezifische und der Höhe nach bezifferte Einzelheiten bzw. Einwände gegen die Abrechnung hätte vorbringen können.
Dagegen hat die Beklagte lediglich vorgetragen, dass die Verweildauer hier nicht nachvollziehbar sei. Dies stellt nach Meinung der Kammer keine substantiierte Einwendung dar. Dieser Einwand ist ganz im Gegenteil pauschal und ohne nähere Begründung aufgestellt worden. Vielmehr hätte die Beklagte konkret darlegen und mit Argumenten unterfüttern müssen, aus welchen konkreten Gründen sie bei dem Behandlungsfall die Verweildauer nicht für gerechtfertigt hielt.
Die Beklagte konnte nach dem Dafürhalten der Kammer bereits aufgrund mangelnder medizinischer Fachkenntnis keine substantiierten Einwände vorbringen. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass die notwendige Dauer einer stationären Versorgung eine medizinische Frage ist, deren Klärung allein dem medizinischem Dienst obliegt (BSG, Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 28/12 R und Urteil vom 16.05.2013, B 3 KR 32/12 R).
Im vorliegenden Fall lag – wie bereits dargestellt – der streitigen Abrechnung eine stationäre Behandlung mit einer Chemotherapie einer 72-jährigen Krebspatientin innerhalb der maßgeblichen Grenzverweildauer zugrunde. Ob die Verweildauer bei diesen medizinischen Gegebenheiten bzw. der Krankheitshistorie und dem Alter der Versicherten zu lang war, kann ein medizinischer Laie nach Meinung der Kammer nicht beurteilen.
Bereits aus diesem Grund wären hier substantiierte Einwendungen hinsichtlich der Verweildauer ohnehin nur mit Hilfe einer medizinisch gebildeten Person und nach Durchsicht der Patientenakte möglich gewesen.
Würde bereits das Äußern von Zweifeln an der Richtigkeit einer Abrechnung ein Zahlungsverweigerungsrecht einer Krankenkasse begründen, so würde dies nach Ansicht der Kammer zum einen die Liquidität des in Vorleistung tretenden Krankenhauses gefährden und zum anderen gegen das gesetzlich vorgeschriebene Beschleunigungsverbot auf eine zügige Bezahlung von Krankenhausrechnungen verstoßen (vgl § 17 Abs. 1 S. 3 Bundespflegesatzverordnung).
dd) Die Beklagte hat sich damit auch nicht an das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zur Überprüfung von Krankenhausabrechnungen gehalten. Sie hat, ohne das vorgeschriebene Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu durchlaufen bzw. abzuwarten, unmittelbar einen Teil der Krankenhausabrechnung einbehalten.
§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V berechtigt und verpflichtet die Krankenkassen, in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen (BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 KR 32/12 R –).
Da die Krankenkassen in aller Regel nicht über ausreichenden medizinischen Sachverstand verfügen, obliegt die Leistungsüberprüfung in medizinischer Hinsicht dem MDK oder dem SMD. Der Gesetzgeber hat deshalb in § 275 Abs. 1 SGB V angeordnet, dass die Krankenkassen bei medizinischen Fragestellungen verpflichtet sind, in den dort aufgelisteten Regelfällen und damit auch bei der Prüfung von Krankenhausabrechnungen in medizinischer Hinsicht den Medizinischen Dienst einzuschalten. Daraus folgt, dass die Krankenkassen selbst keine medizinischen Erhebungen durchführen und von den Leistungserbringern auch keine entsprechenden Auskünfte einholen dürfen, es sei denn, es handelt sich um eine medizinische Begründung bei Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung oder der maßgebliche Landesvertrag nach § 112 SGB V sieht dies ausdrücklich vor (BSG, Urteil vom 16. Mai 2013 – B 3 KR 32/12 R).
b.) Wenngleich dies nicht abschließend zu entscheiden war, lag im Übrigen nach Ansicht der Kammer noch nicht einmal eine zur Abrechnungsprüfung berechtigende Auffälligkeit der Abrechnung vor, die eine Prüfung durch den SMD nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V berechtigt hätte.
aa) Eine zur Abrechnung berechtigende Auffälligkeit liegt nur dann vor, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht (vgl. BSG aaO).
So bejaht das BSG das Bestehen von Auffälligkeiten, wenn die Abrechnung oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen konkrete Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht bewerten kann. Eine Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 HS 2 SGB V – soweit also die Rechnungsprüfung in Rede steht – ist nach der Rechtsprechung des BSG außerdem auf solche Anlässe beschränkt ist, die durch "Auffälligkeiten" gekennzeichnet sind; diese hat die Krankenkasse im Zweifelsfall zu belegen. Liegt keine Auffälligkeit im dargelegten Rechtssinne vor, kann und muss auch der MDK bei einem solchen, auf bloß vermeintliche Auffälligkeiten gestützten Auftrag die Krankenkasse hierauf verweisen und den Auftrag gegebenenfalls ablehnen (vgl. BSG aaO mwN).
bb) Um eine solche Auffälligkeit im vorgenannten Sinne handelte es sich bei der Abrechnung der Klägerin gerade nicht.
Die Versicherte wurde innerhalb der vorgesehenen Grenzverweildauer stationär behandelt. Die Tatsache, dass ein Versicherter innerhalb der vorgesehenen Grenzverweildauer stationär behandelt wird, begründet gerade keine Auffälligkeit. Hierbei handelt es sich nämlich um Regelbehandlungszeiträume, die von den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Verband der privaten Krankenversicherung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft jährlich vereinbart werden, bei denen eine Leistungserbringung innerhalb der Verweildauer nicht auffällig ist (vgl. BSG aaO).
c.) Die Beklagte war daher nach dem Landesvertrag verpflichtet, die hier streitige Rechnung innerhalb von 15 Tagen ab Rechnungseingang zu begleichen. Der Zinsanspruch beruht auf den §§ 284, 285, 288 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Streitwertfestsetzung auf §§ 63 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 GKG.
Rechtskraft
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