Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 RA 233/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 15/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 57/04 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Prüfung von Bösgläubigkeit im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X im Falle der Witwenrentenbewilligung an den als Mörder seiner Ehefrau verurteilten Witwer.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Ermächtigung der Beklagten zur Aufhebung der Gewährung einer Witwerrente und zur Rückforderung der gezahlten Beträge.
Der 1937 geborene Kläger war als Diplom-Ingenieur für chemische Verfahrenstechnik beim VEB L -Werke, seit Ende 1992 als selbständiger Sachverständiger für Gasanlagen beschäftigt. Seit 1970 war er mit der Versicherten verheiratet, die seit dem 1. November 1996 eine Altersrente bezog. Auch der Kläger war seit September 1997 Altersrentner mit einer Rente nach gut 55 persönlichen Entgeltpunkten (Ost).
In der Nacht vom 10. auf den 11. November 1997 tötete der Kläger seine Ehefrau. Das Urteil des Landgerichts Halle vom 7. Mai 1998, das den Kläger insoweit wegen Mordes verurteilt hat, beruht bezüglich der Tötungshandlung auf einem glaubhaften Geständnis des Klägers. Das Gericht stufte den Kläger in Würdigung eines psychiatrischen Gutachtens entsprechenden Inhalts als vermindert schuldfähig ein, wobei die Einsichtsfähigkeit voll erhalten, hingegen die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Der Sachverständige hatte auch einen überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten von 129 erhoben. Nach Verwerfung der Revision durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. Juni 1999 wurde das Urteil rechtskräftig.
In einer am 21. November 1997 beim Postrentendienst eingegangenen Mitteilung gab ein/e Verwandte/r der Ehefrau – erkennbar an der Führung ihres Geburtsnamens – an, diese sei durch unnatürlichen Tod verstorben. Der Kläger sei zur Zeit im Krankenhaus und Gewahrsam der Kripo. Deshalb sei keine Vorschusszahlung beantragt. Dieses Schreiben ging am 25. November 1997 bei der Beklagten ein.
Mit einem am 9. April 1998 ausgefüllten Vordruck, der am 12. Mai 1998 bei der Beklagten einging, beantragte der Kläger eine Witwerrente. In dem Vordruck gab der Kläger seinen Wohnort – zu dieser Zeit eine Haftanstalt in Halle – nicht an. Auch die Frage, ob der Tod "des Versicherten" durch Unfall oder durch "andere Personen" verursacht worden sei, ließ der Kläger unbeantwortet. Mit Bescheid vom 31. August 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger von Dezember 1997 an die Witwerrente. Deren Höhe belief sich – nach Beitragsabzug – bis einschließlich Februar 1998 auf 1.959,- DM, bis einschließlich Juni 1998 auf 764,04 DM, bis einschließlich Juni 1999 auf 776,26 DM und bis einschließlich Oktober 1999 auf 801,51 DM monatlich.
Nach einem Hinweis auf die Täterschaft des Klägers vom August 1999 stellte die Beklagte die Zahlung mit Ablauf des Oktober 1999 ein. Mit einem Anhörungsschreiben vom 27. September 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Rente wegen Todes bestehe nach § 105 SGB VI nicht für die Personen, die den Tod des Versicherten vorsätzlich herbeigeführt hätten. Sie beabsichtige daher die Rücknahme ihres Bescheides vom 31. August 1998 nach § 45 SGB X und die Rückforderung der Überzahlung in Höhe von insgesamt 21.454,32 DM nach § 50 Abs. 1 SGB X. Eine solche Entscheidung könne grundsätzlich zu einer unbilligen Härte führen. Der Kläger erhalte Gelegenheit zur Äußerung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1999 legte der Kläger "Widerspruch" gegen die Zahlungseinstellung ein und forderte die Offenlegung von Hinweisen. Gegebenenfalls liege eine Verleumdung im Sinne von § 187 des Strafgesetzbuches, jedenfalls aber eine üble Nachrede gemäß § 186 des Strafgesetzbuches vor. Durch Bevollmächtigte ließ er weiter vortragen, er habe auf den Bestand der Gewährung vertrauen dürfen, weil erst nach der Gutachtenerstattung und dem Urteilsspruch des Landgerichts der Ausschlussgrund nach § 105 SGB VI habe feststehen können. Die Hinterbliebenenrente habe er vollständig verbraucht. Davon habe er Prozesskosten und die Beerdigungskosten seiner Frau getragen, Mietschulden getilgt und weiteren Angehörigen Mittel zukommen lassen. Er sei jetzt völlig vermögenslos.
Nach Beiziehung des Urteils des Landgerichts Halle nahm die Beklagte mit Bescheid vom 19. November 1999 den Bescheid vom 31. August 1998 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und verfügte die Erstattung des überzahlten Betrages. Sie führte aus, der Kläger könne sich nicht im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides berufen. Denn es habe keine Schuldunfähigkeit vorgelegen, so dass § 105 SGB VI anzuwenden sei. Zudem habe er den Rentenantrag bezüglich der Frage zur Todesverursachung durch eine andere Person nicht beantwortet. Angesichts der Bösgläubigkeit sei das Ermessen auf Null reduziert.
Gegen den ihm am 23. November 1999 zugegangenen Bescheid legte der Kläger mit Eingangsdatum vom 22. Dezember 1999 Widerspruch ein und machte geltend, das Urteil des Landgerichts sei erst nach der Antragstellung gefällt worden. Folglich habe er keine falschen Angaben gemacht, sondern die Beantwortung entsprechender Fragen dem Urteil vorbehalten müssen. Zudem sei sein Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides schutzwürdig, da er gerade wegen der Mehreinnahmen zusätzliche Vermögensdispositionen getätigt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2000 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, der Kläger habe sie bereits vor Erteilung des Bescheides vom 31. August 1998 zumindest auf seine Verurteilung hinweisen müssen. Außerdem habe er die Frage zur Verursachung des Todes seiner Ehefrau nicht beantwortet. Die Voraussetzungen einer Rücknahme nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 3 SGB X lägen somit vor. Auf die Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistungen könne die Beklagte nicht im Wege des Ermessens verzichten. Sie habe das Vermögen der Versichertengemeinschaft treuhänderisch zu verwalten und demgemäß das öffentliche Gesamtinteresse demjenigen des einzelnen Betroffenen vorrangig zu behandeln. Auf einen Leistungsverbrauch könne sich der Kläger nicht berufen, weil er über eine Rente aus eigener Versicherung weit über dem Sozialhilfesatz verfüge. Insoweit sei die Beklagte zur Verrechnung in angemessenen Teilbeträgen bereit.
Mit der am 4. Juli 2000 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat der Kläger vorgetragen, das Rechtsstaatsprinzip gebiete, dass die vorsätzliche Herbeiführung des Todes im Sinne von § 105 SGB VI zeitlich erst mit der Rechtskraft einer entsprechenden strafgerichtlichen Verurteilung erfüllt sei. Dies sei hier erst nach der Erteilung des Bewilligungsbescheides gewesen. Dazu habe er schon deshalb keine Angaben machen können, weil selbst das Landgericht zur Klärung erst einen Gutachter habe bemühen müssen. Das danach gerechtfertigte Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides habe sich in hohen Ausgaben niedergeschlagen, die er nur wegen der zuerkannten Leistung getätigt habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf Bl. 1 - 143 d. A. Bezug genommen.
Mit Urteil vom 29. Januar 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 31. August 1998 sei im Sinne von § 45 SGB X rechtswidrig gewesen, da § 105 SGB VI dem Anspruch entgegengestanden habe. Der Kläger habe den Tod seiner Ehefrau als Angehöriger durch eine vorsätzliche Tötung herbeigeführt, wie aus seinem vor dem Landgericht Halle abgelegten Geständnis hervorgehe. Eine lediglich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 des Strafgesetzbuches stehe jedenfalls einem Vorsatz im Sinne von § 105 SGB VI nicht entgegen. Insoweit sei allein auf die Voraussetzungen des § 105 SGB VI und nicht auf die Rechtskraft eines Strafurteils abzustellen.
Der Kläger könne sich gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauen in den Bewilligungsbescheid berufen, weil dieser Verwaltungsakt auf grob fahrlässig unvollständigen Angaben beruht habe. Er habe die Beklagte entgegen § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I nicht von der eigenen Verursachung des Todes seiner Ehefrau unterrichtet. Seine Behauptung, er habe der an dieser Stelle geforderten Angabe eines Aktenzeichens oder einer anerkennenden Stelle nicht nachkommen können, sei eine bloße Schutzbehauptung, weil die Angabe zum Fremdverschulden davon nicht abhänge und das Urteil des Landgerichts zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vorgelegen habe. Er sei bereits im Antragsformular auf die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I hingewiesen worden. Um eine grob fahrlässige Unterlassung handele es sich, weil dem überdurchschnittlich intelligenten Kläger schon bei ganz naheliegenden Überlegungen die Fehlerhaftigkeit des Bescheides hätte auffallen müssen. Bei der nur wenige Tage nach der Verurteilung wegen Mordes erfolgten Antragstellung hätte schon jedem durchschnittlichen Versicherten einleuchten müssen, in einem solchen Fall keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu haben.
Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Gerade angesichts einer groben Verletzung der Pflicht zum solidarischen Verhalten dürfe die Beklagte die Interessen der Versichertengemeinschaft berücksichtigen. Der schlechten finanziellen Lage des Klägers sei durch das Angebot von Ratenzahlungen Rechnung getragen. Auf den Verbrauch der Leistungen komme es nicht an, da der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X.
Der Kläger hat gegen das Urteil mit Eingangsdatum vom 27. Februar 2001 Berufung eingelegt. Er führt ergänzend aus, er habe sich bei der Antragstellung nicht selbst belasten müssen. Die naheliegende Frage nach der bloßen Einleitung eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens, deren Beantwortung deutliche Hinweise auf einen Fall des § 105 SGB VI gegeben hätte, stelle die Beklagte in dem Vordruck nicht. Zudem habe die Beklagte gerade ohne die Beantwortung der entsprechenden Frage die Rente bewilligt. Selbst ein verständiger Laie könne aufgrund der klaren Voraussetzungen vorangegangener Beitragszahlung und Erfüllung einer Wartezeit davon ausgehen, die Rente stehe ihm auch im Falle der vorsätzlichen Tötung zu. Im Hinblick auf diese Tatbestandserfüllung sei auch keine Verletzung des Interesses der Versichertengemeinschaft durch die Rentengewährung erkennbar. Bei privaten Versicherern existierten entsprechende Ausschlussvorschriften gar nicht. Ihr eigenes Mitverschulden an der Bescheiderteilung habe die Beklagte bei der Ermessensentscheidung außer Acht gelassen. Aufgrund der Mitteilung an den Postrentendienst habe er davon ausgehen können, der Beklagten seien die Umstände des Todes der Ehefrau bereits bekannt. Insoweit wird auf Bl. 189 d. A. verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Januar 2004, Bl. 199 f. d.A. Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. Januar 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 19. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2000 aufzuheben, soweit die Aufhebung für die Vergangenheit erfolgt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt ergänzend aus, zur Kenntnis des Klägers, dass er selbst den Tod seiner Frau verursacht habe, habe es keiner vorausgehenden gerichtlichen Entscheidung bedurft. Zumindest danach hätte er aber den Inhalt der Entscheidung der Beklagten mitteilen müssen, weil es zum menschlichen Grundwissen gehöre, dass aus vorsätzlichen Tötungsdelikten finanzielle Ansprüche des Täters nicht abzuleiten seien. So etwas gebe es nicht im Erbrecht, nicht im Privatversicherungsrecht und eben auch nicht im Rentenversicherungsrecht.
In der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung haben dem Senat die Akten der Beklagten – Vers.-Nrn ... und ...– vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2000 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte sowohl zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides über die Witwerrente des Klägers wie auch zur Rückforderung der darauf geleisteten Beträge ermächtigt war.
Die formellen Anforderungen an den angefochtenen Bescheid stehen der Aufhebung auch insoweit nicht entgegen, als die Beklagte die Aufhebung auf Bösgläubigkeitstatbestände des § 45 Abs. 2 S. 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in der Fassung der letzten Änderung durch Gesetz vom 6.8.98 (BGBl. I S. 2022, 2024) gestützt hat. Denn die nach § 24 Abs. 1 SGB X gebotene Anhörung hat die Beklagte gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X insoweit im Vorverfahren noch nachgeholt.
Auf einen allgemeinen Ausschluss des Vertrauensschutzes kann die Aufhebung allerdings nur gestützt werden, wenn der Kläger zu einem Sachverhalt angehört worden ist, in dem die Beklagte einen der Bösgläubigkeitsfälle des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X verwirklicht sieht. Einen entsprechenden Vorhalt hat die Beklagte dem Kläger – erst, aber zur Nachholung ausreichend – in dem angefochtenen Bescheid mit dem Hinweis auf die unterbliebene Beantwortung der Frage nach einem Fremdverschulden gemacht. Bei der Begründung ihres Widerspruchsbescheides hat sie die Stellungnahme des Klägers dazu in seinem Widerspruch auch berücksichtigt. Ob der von der Beklagten dabei in Bezug genommene Bösgläubigkeitstatbestand unvollständiger Angaben ihre Entscheidung auch im Ergebnis trägt, berührt nicht das formelle Erfordernis der Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X, sondern die hier allein nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X zu beantwortende Frage nach der sachlichen Rechtmäßigkeit der Aufhebung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der wesentliche, die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigende Sachverhalt von der Anhörung erfasst worden ist. Dies ist hier der Fall, weil dem Umstand der unvollständigen Ausfüllung des Antragsvordrucks – wie noch darzustellen sein wird – jedenfalls entscheidendes Gewicht bei der Prüfung des Ausschlusses des Vertrauensschutzes zukommt.
Die Ermächtigung der Beklagten zur Aufhebung ihres Bewilligungsbescheides vom 31. August 1998 ergibt sich aus § 45 Abs. 1 SGB X. Die Bewilligung der Witwerrente als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 S. 1 SGB X war im Sinne von § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X rechtswidrig, weil § 105 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) die Gewährung der Witwerrente nach § 46 SGB VI als einer Rente wegen Todes im Sinne des Dritten Titels des SGB VI ausschloss. Denn der Kläger hat den Tod seiner Ehefrau als versicherter Angehöriger und für die Anwendung des § 46 Abs. 1 SGB VI maßgeblicher Verstorbenen vorsätzlich herbeigeführt. Allein auf die vorsätzliche Herbeiführung als Tatsache, nicht hingegen auf irgendwelche Feststellungen dazu durch bestimmte Stellen, stellt die Vorschrift dabei ab. Der Umstand der vorsätzlichen Tötungshandlung des Klägers ergibt sich aus dem im Urteil des Landgerichts wiedergegebenen Geständnis des Klägers zum tatsächlichen Tathergang und auf der dort ebenfalls wiedergegebenen Beurteilung des Sachverständigen. Das Gericht brauchte insoweit keine weiteren Ermittlungen anzustellen, weil der Kläger nicht die tatsächliche Grundlage dieses Urteils in Zweifel gezogen hat, sondern lediglich eine abweichende Rechtsauffassung zur Anwendung des § 105 SGB VI vertreten hat. Auch die – unrichtige – Behauptung des Klägers, das Landgericht Halle habe seinen Vorsatz nicht ausdrücklich festgestellt, stellt kein Bestreiten der Voraussetzungen des Vorsatzes selbst dar, die als Tatsachengrundlage aus dem Urteil hervorgehen.
Anders als der Kläger meint, ist die vorsätzliche Tötung selbst dann als bewiesen anzusehen, wenn Vorsatz im Sinne von § 105 SGB VI als Teil eines Schuldvorwurfes verstanden wird und Schuldfähigkeit voraussetzt. Denn nach dem Urteil des Landgerichts Halle hat der Sachverständige den Kläger nicht als schuldunfähig, sondern als schuldfähig, nämlich vermindert schuldfähig, eingestuft. Davon geht auch der Kläger, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, ausdrücklich aus.
Die Beklagte durfte gemäß § 45 Abs. 4 S. 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X den Bewilligungsbescheid über die Witwenrente ohne eine Vertrauensschutzprüfung für die Vergangenheit aufheben, weil der Kläger die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides als Verwaltungsakt mindestens grob fahrlässig verkannt hat.
Hingegen kommt ein Ausschluss der Vertrauensschutzprüfung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X in Betracht, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Bewilligungsbescheid der Beklagten auf den objektiv unvollständigen Angaben des Klägers zur Frage des Fremdverschuldens "beruhte". Es geht insoweit zu Lasten der Beklagten, dass sie durch schlüssiges Verhalten auf die Beantwortung der Frage verzichtet hat, indem sie den Bewilligungsbescheid erlassen hat, obwohl ihr bei der Antragsprüfung aufgefallen sein muss, dass die im Vordruck gestellte Frage nicht beantwortet war. Stellt sie den Anspruchsteller insoweit von einer Mitwirkungspflicht frei, kann deren Verletzung nicht mehr im Sinne des Beruhens ursächlich für die Bescheiderteilung sein.
Darüber hinaus steht aber nicht einmal fest, ob die Bewilligung unterblieben wäre, wenn der Kläger die gestellte Frage bejaht hätte. Denn der Sinn der Frage geht erkennbar nicht dahin, den außerordentlich seltenen, anspruchsausschließenden Fall einer Todesverursachung durch den Anspruchsteller zu ermitteln, sondern diejenigen Fälle zu erheben, in denen die Beklagte im Falle der Leistungsbewilligung gegen einen Schadensverursacher oder Dritte Rückgriff nehmen kann. Dies wird deutlich an der Einbeziehung von Unfällen in die Fragestellung, bei denen nur eine solche Rechtsfolge in Betracht kommt. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür ist die unter der gleichen Frageziffer folgende Frage nach möglichen Schadensersatzansprüchen. Ein solches Verständnis der Fragestellung erklärt auch, weshalb die Beklagte trotz unterbliebener Ausfüllung die beantragte Rente bewilligt hat. Denn die Rentenbewilligung stand einer zu ermittelnden Rückgriffsmöglichkeit entgegen.
Der Kläger hätte aber die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides erkennen müssen, insbesondere, dass ihm die bewilligte Leistung nicht zustand. Die nicht ausreichenden Überlegungen dazu stellen eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3, letzter Halbsatz SGB X dar. Die unterbliebene Ausfüllung des Antragsvordrucks zur Frage der Fremdverursachung verdeutlicht nämlich, dass dem Kläger der Gedanke gekommen ist, eine solche Ursache könne den Anspruch ausschließen und ihm folgerichtig bei einfachster Überlegung hätte auffallen müssen, dass der Anspruch tatsächlich nicht bestehen konnte.
Die vorgeschützten Gründe, derentwegen der Kläger den Fragebogen nicht vollständig ausgefüllt haben will, verdeutlichen nach Überzeugung des Senates, dass er lediglich der Beklagten keine Kenntnis von seiner Täterschaft geben wollte und dementsprechend eine rechtswidrige Bewilligung in Kauf nahm. Der Kläger handelte bei der Ausfüllung des Vordrucks entgegen seinem, allerdings nur angedeuteten Vorbringen verantwortlich. Der Kläger war Anfang April 1998, fünf Monate nach dem Geschehen um die Tötung an seiner Frau einschließlich eines Selbstmordversuchs, in der Lage, den Vordruck richtig auszufüllen, was er auch weitgehend getan hat. Denn ausweislich des Urteils des Landgerichts Halle war der Kläger einen knappen Monat nach Ausfüllung des Antragsvordrucks in der Lage, an einer über insgesamt vier Tage dauernden Hauptverhandlung jedenfalls insoweit teilzunehmen, dass das Gericht sich auf seine danach umfassenden, auch in Detailfragen plastischen, selbstkritischen Einlassungen stützen konnte, die den Beginn einer Auseinandersetzung mit der Tat erkennen ließen. Solche Fähigkeiten schließen aus, dass der Kläger noch kurze Zeit vorher außerstande war, den Fragebogen richtig auszufüllen.
Für die Absicht, seine Tat gegenüber der Beklagten zu verschweigen, gibt bereits die unterlassene Angabe seiner Haftadresse in dem Antrag einen Anhaltspunkt. Auf ein Versehen kann der Kläger sich insoweit nicht überzeugend berufen, weil dann nicht erklärbar wäre, wieso er noch in der gleichen Zeile, in der sein Wohnort erfragt wird, Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit und dem Datum der Eheschließung gemacht hat.
Der Kläger selbst hat weiterhin den Begriff der Verursachung des Todes durch "andere Personen", nach der unter Punkt 13.4 des Antragsvordrucks gefragt wird, nach seinem gesamten Verfahrensvorbringen auf seine Person bezogen. Sämtliche Behauptungen des Klägers, weshalb er die Frage nicht habe ausfüllen können, setzen einen solchen Bezug auf seine Person voraus. Die dazu im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verantwortung für den Tod seiner Ehefrau vorgetragenen Überlegungen sind aber nicht glaubhaft, weil die Fragestellung nicht auf irgendein Verschulden der "anderen Person" abstellt, sondern auf eine Todesverursachung in einem tatsächlichen Sinne. Insoweit bestand für den gebildeten Kläger kein Anlass zu der Annahme, die Beantwortung der Frage setze eine entsprechende behördliche oder gerichtliche Feststellung voraus. Wollte er lediglich eine im Strafverfahren verwertbare Selbstbelastung vermeiden, setzt dies gerade voraus, dass er aus der Fragestellung als solcher auf einen Zusammenhang zwischen der – vermeintlich erfragten – eigenen Tötungshandlung und dem Rentenanspruch schloss.
Die über seinen Prozessbevollmächtigten aufgestellte Behauptung des Klägers, er habe die Frage schon deshalb nicht ausgefüllt, weil er nach der Mitteilung an den Postrentendienst davon ausgegangen sei, der Beklagten sei ein Fremdverschulden bereits bekannt, hält der Senat für unglaubhaft, zumal er sie erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen hat. Die zur Gerichtsakte übersandte Ablichtung, die der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten nach dessen Vorbringen zur Verfügung gestellt haben soll, ist im Rahmen einer Akteneinsicht gefertigt. Denn sie gibt bereits den Eingangsstempel des Postrentendienstzentrums Leipzig wieder, das das Schreiben innerhalb von vier Tagen im Original zur Akte der Beklagten weitergereicht hat. Eine Einsichtnahme des Klägers in die Akten der Beklagten, dort aber durch seinen Prozessbevollmächtigten, geht erstmals aus dessen Schriftsatz vom 10. August 2000 im Klageverfahren, zwei Jahre nach Erhalt des Bewilligungsbescheides, hervor.
Angesichts der Zweifel des Klägers an den Anspruchsvoraussetzungen, die sich aus der Art der Ausfüllung des Fragebogens erschließen lassen und die bei Erlass des Witwenrentenbescheides nur vier Monate später erneut erweckt werden mussten, war vom Kläger zu diesem Zeitpunkt selbst im Sinne einfachster Sorgfalt zu erwarten, die Entscheidung nicht – wie er in der mündlichen Verhandlung formuliert hat – "der Beklagten zu überlassen". Vielmehr drängte sich für ihn auf zu erwägen, ob demjenigen, der als Täter einen Menschen tötet, gerade aus dieser Handlung ein Anspruch erwachsen kann. Dies auszuschließen, war der intelligente und nach den Feststellungen des Landgerichts zur Auseinandersetzung mit seiner Tat fähige Kläger in der Lage. Dass er anstatt einer solchen Überlegung eine rechtswidrige Leistung in Kauf nahm, legt auch seine erste Erwiderung auf das Anhörungsschreiben der Beklagten nahe, mit dem er die Tötung durch die Behauptung von Verleumdung und übler Nachrede mittelbar abstritt. Seine dafür gegebene Erklärung einer Verhärtung unter den Bedingungen der Strafhaft stellt keine Lage dar, die sich von derjenigen bei Erteilung des Witwenrentenbescheides unterscheidet. Denn auch zu dieser Zeit befand sich der Kläger bereits in Strafhaft. Entlasten kann ihn diese Erklärung aber nicht, weil für eine Beeinträchtigung der Verantwortlichkeit durch die Bedingungen der Strafhaft jede nähere Darlegung fehlt.
Der Behauptung des Klägers, er habe auf den Witwenrentenanspruch im Hinblick auf das Familienrecht der DDR vertraut, das die Gegenseitigkeit der Beiträge zur Versorgung der Familie in den Vordergrund gestellt habe, glaubt der Senat nicht. Die insoweit vom Kläger angeführten hohen Beitragszahlungen zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung knüpfen gerade an ein entsprechendes Arbeitseinkommen aus der eigenen Tätigkeit des jeweiligen Versicherten und nicht an freiwillige Zahlungen im Rahmen eines Familienausgleichs an. Dies ist dem Kläger, der selbst ausweislich der Akte der Beklagten eine Altersrente unter Berücksichtigung von Beitragszahlungen zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung bezieht, bekannt.
Die Beklagte brauchte bei der Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht das ihr gem. § 45 Abs. 1 SGB X grundsätzlich zustehende Ermessen auszuüben, da ein Fall der sog. Ermessensreduzierung auf Null vorlag. Es kann dahinstehen, ob ein solcher Fall, in dem die Aufhebung im Sinne gebundenen Verwaltungshandelns ohne weitere Abwägung durch den Verwaltungsträger zu erfolgen hat, bei Bösgläubigkeit im o.a. Sinne regelmäßig – mit wenigen, hier nicht berührten Ausnahmefällen – vorliegt (so BSG, Urt. v. 25. 1. 1994 – 4 RA 16/92 – SozR 3-1300 § 50 Nr. 16 S. 42). Im Falle des grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers ergibt sich dies schon aus der Verpflichtung der Beklagten zum Schutz verfassungsrechtlicher Güter der Versicherten.
Jede andere Entscheidung, als die von der Beklagten getroffene, hätte ihrer Pflicht aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes (GG) zum Schutz der Würde der Versicherten widersprochen. Der Rentenanspruch der Versicherten ist als Eigentumsrecht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Ausdruck dieser Würde, weil er ihr gerade aufgrund ihrer persönlichen Arbeitsleistung zur Existenzsicherung privatnützig zugeordnet war (BVerfG, Urt. v. 28. 4. 99 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 – BVerfGE 100, 1, 34 ff.). Dieser persönliche Bezug entfaltet als Teil der Persönlichkeit der Versicherten über die Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG auch Schutzwirkungen gegen Herabwürdigungen oder Erniedrigungen über ihren Tod hinaus (BVerfG, Beschluss v. 24.2.71 – 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173, 194). Darum geht es bei dem Bezug der Witwerrente durch den Kläger, weil die Lebensleistung der Versicherten herabgewürdigt würde, wenn deren rechtlich besonders geschützter Ertrag geradezu zum Gegenteil seines personalen Zweckbezuges der Existenzsicherung, nämlich zum Lohn der Existenzvernichtung missbraucht würde.
Der Ermessensreduzierung steht auch nicht die Ausnahme entgegen, wonach bei der Gefahr eines existenzvernichtenden Eingriffs durch die Leistungsaufhebung gegenüber dem Empfänger Abwägungen vorzunehmen sind (erwogen von BSG, a.a.O., S. 43 f.). Ein solcher Eingriff droht beim Kläger nicht, weil er als Altersrentner mit einer Rente nach gut 55 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) über eine existenzsichernde Einkommensquelle verfügt, deren Schutz sich aus dem allgemeinen Vollstreckungsrecht ergibt. Insofern liegt kein existenzverändernder Unterschied gegenüber der Lage des Klägers vor dem Bezug der Witwerrente vor, weil er schon zu dieser Zeit erheblich verschuldet war. Dies hat er nicht nur selbst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sondern ergibt sich auch aus dem Urteil des Landgerichts, das in der Akte der Beklagten wiedergegeben ist.
Die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Erstattungsanspruchs folgt aus § 50 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB X. Danach sind die Leistungen, die die Beklagte auf die Bewilligung der Witwerrente hin erbracht hat, zu erstatten, ohne dass der Beklagten bei der Festsetzung ein Ermessensspielraum zustünde. Inwieweit bei der Beitreibung der Forderung Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, hat die Beklagte ausweislich der Erwägungen im Widerspruchsbescheid zu einer möglichen Stundung noch nicht verbindlich entschieden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, bei der keine ungeklärten Rechtsfragen zu behandeln waren.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Ermächtigung der Beklagten zur Aufhebung der Gewährung einer Witwerrente und zur Rückforderung der gezahlten Beträge.
Der 1937 geborene Kläger war als Diplom-Ingenieur für chemische Verfahrenstechnik beim VEB L -Werke, seit Ende 1992 als selbständiger Sachverständiger für Gasanlagen beschäftigt. Seit 1970 war er mit der Versicherten verheiratet, die seit dem 1. November 1996 eine Altersrente bezog. Auch der Kläger war seit September 1997 Altersrentner mit einer Rente nach gut 55 persönlichen Entgeltpunkten (Ost).
In der Nacht vom 10. auf den 11. November 1997 tötete der Kläger seine Ehefrau. Das Urteil des Landgerichts Halle vom 7. Mai 1998, das den Kläger insoweit wegen Mordes verurteilt hat, beruht bezüglich der Tötungshandlung auf einem glaubhaften Geständnis des Klägers. Das Gericht stufte den Kläger in Würdigung eines psychiatrischen Gutachtens entsprechenden Inhalts als vermindert schuldfähig ein, wobei die Einsichtsfähigkeit voll erhalten, hingegen die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen sei. Der Sachverständige hatte auch einen überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten von 129 erhoben. Nach Verwerfung der Revision durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. Juni 1999 wurde das Urteil rechtskräftig.
In einer am 21. November 1997 beim Postrentendienst eingegangenen Mitteilung gab ein/e Verwandte/r der Ehefrau – erkennbar an der Führung ihres Geburtsnamens – an, diese sei durch unnatürlichen Tod verstorben. Der Kläger sei zur Zeit im Krankenhaus und Gewahrsam der Kripo. Deshalb sei keine Vorschusszahlung beantragt. Dieses Schreiben ging am 25. November 1997 bei der Beklagten ein.
Mit einem am 9. April 1998 ausgefüllten Vordruck, der am 12. Mai 1998 bei der Beklagten einging, beantragte der Kläger eine Witwerrente. In dem Vordruck gab der Kläger seinen Wohnort – zu dieser Zeit eine Haftanstalt in Halle – nicht an. Auch die Frage, ob der Tod "des Versicherten" durch Unfall oder durch "andere Personen" verursacht worden sei, ließ der Kläger unbeantwortet. Mit Bescheid vom 31. August 1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger von Dezember 1997 an die Witwerrente. Deren Höhe belief sich – nach Beitragsabzug – bis einschließlich Februar 1998 auf 1.959,- DM, bis einschließlich Juni 1998 auf 764,04 DM, bis einschließlich Juni 1999 auf 776,26 DM und bis einschließlich Oktober 1999 auf 801,51 DM monatlich.
Nach einem Hinweis auf die Täterschaft des Klägers vom August 1999 stellte die Beklagte die Zahlung mit Ablauf des Oktober 1999 ein. Mit einem Anhörungsschreiben vom 27. September 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ein Anspruch auf Rente wegen Todes bestehe nach § 105 SGB VI nicht für die Personen, die den Tod des Versicherten vorsätzlich herbeigeführt hätten. Sie beabsichtige daher die Rücknahme ihres Bescheides vom 31. August 1998 nach § 45 SGB X und die Rückforderung der Überzahlung in Höhe von insgesamt 21.454,32 DM nach § 50 Abs. 1 SGB X. Eine solche Entscheidung könne grundsätzlich zu einer unbilligen Härte führen. Der Kläger erhalte Gelegenheit zur Äußerung zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1999 legte der Kläger "Widerspruch" gegen die Zahlungseinstellung ein und forderte die Offenlegung von Hinweisen. Gegebenenfalls liege eine Verleumdung im Sinne von § 187 des Strafgesetzbuches, jedenfalls aber eine üble Nachrede gemäß § 186 des Strafgesetzbuches vor. Durch Bevollmächtigte ließ er weiter vortragen, er habe auf den Bestand der Gewährung vertrauen dürfen, weil erst nach der Gutachtenerstattung und dem Urteilsspruch des Landgerichts der Ausschlussgrund nach § 105 SGB VI habe feststehen können. Die Hinterbliebenenrente habe er vollständig verbraucht. Davon habe er Prozesskosten und die Beerdigungskosten seiner Frau getragen, Mietschulden getilgt und weiteren Angehörigen Mittel zukommen lassen. Er sei jetzt völlig vermögenslos.
Nach Beiziehung des Urteils des Landgerichts Halle nahm die Beklagte mit Bescheid vom 19. November 1999 den Bescheid vom 31. August 1998 mit Wirkung für die Vergangenheit zurück und verfügte die Erstattung des überzahlten Betrages. Sie führte aus, der Kläger könne sich nicht im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides berufen. Denn es habe keine Schuldunfähigkeit vorgelegen, so dass § 105 SGB VI anzuwenden sei. Zudem habe er den Rentenantrag bezüglich der Frage zur Todesverursachung durch eine andere Person nicht beantwortet. Angesichts der Bösgläubigkeit sei das Ermessen auf Null reduziert.
Gegen den ihm am 23. November 1999 zugegangenen Bescheid legte der Kläger mit Eingangsdatum vom 22. Dezember 1999 Widerspruch ein und machte geltend, das Urteil des Landgerichts sei erst nach der Antragstellung gefällt worden. Folglich habe er keine falschen Angaben gemacht, sondern die Beantwortung entsprechender Fragen dem Urteil vorbehalten müssen. Zudem sei sein Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides schutzwürdig, da er gerade wegen der Mehreinnahmen zusätzliche Vermögensdispositionen getätigt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2000 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, der Kläger habe sie bereits vor Erteilung des Bescheides vom 31. August 1998 zumindest auf seine Verurteilung hinweisen müssen. Außerdem habe er die Frage zur Verursachung des Todes seiner Ehefrau nicht beantwortet. Die Voraussetzungen einer Rücknahme nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2, 3 SGB X lägen somit vor. Auf die Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistungen könne die Beklagte nicht im Wege des Ermessens verzichten. Sie habe das Vermögen der Versichertengemeinschaft treuhänderisch zu verwalten und demgemäß das öffentliche Gesamtinteresse demjenigen des einzelnen Betroffenen vorrangig zu behandeln. Auf einen Leistungsverbrauch könne sich der Kläger nicht berufen, weil er über eine Rente aus eigener Versicherung weit über dem Sozialhilfesatz verfüge. Insoweit sei die Beklagte zur Verrechnung in angemessenen Teilbeträgen bereit.
Mit der am 4. Juli 2000 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat der Kläger vorgetragen, das Rechtsstaatsprinzip gebiete, dass die vorsätzliche Herbeiführung des Todes im Sinne von § 105 SGB VI zeitlich erst mit der Rechtskraft einer entsprechenden strafgerichtlichen Verurteilung erfüllt sei. Dies sei hier erst nach der Erteilung des Bewilligungsbescheides gewesen. Dazu habe er schon deshalb keine Angaben machen können, weil selbst das Landgericht zur Klärung erst einen Gutachter habe bemühen müssen. Das danach gerechtfertigte Vertrauen in den Bestand des Bewilligungsbescheides habe sich in hohen Ausgaben niedergeschlagen, die er nur wegen der zuerkannten Leistung getätigt habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf Bl. 1 - 143 d. A. Bezug genommen.
Mit Urteil vom 29. Januar 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Bescheid der Beklagten vom 31. August 1998 sei im Sinne von § 45 SGB X rechtswidrig gewesen, da § 105 SGB VI dem Anspruch entgegengestanden habe. Der Kläger habe den Tod seiner Ehefrau als Angehöriger durch eine vorsätzliche Tötung herbeigeführt, wie aus seinem vor dem Landgericht Halle abgelegten Geständnis hervorgehe. Eine lediglich verminderte Schuldfähigkeit im Sinne von § 21 des Strafgesetzbuches stehe jedenfalls einem Vorsatz im Sinne von § 105 SGB VI nicht entgegen. Insoweit sei allein auf die Voraussetzungen des § 105 SGB VI und nicht auf die Rechtskraft eines Strafurteils abzustellen.
Der Kläger könne sich gemäß § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X nicht auf Vertrauen in den Bewilligungsbescheid berufen, weil dieser Verwaltungsakt auf grob fahrlässig unvollständigen Angaben beruht habe. Er habe die Beklagte entgegen § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I nicht von der eigenen Verursachung des Todes seiner Ehefrau unterrichtet. Seine Behauptung, er habe der an dieser Stelle geforderten Angabe eines Aktenzeichens oder einer anerkennenden Stelle nicht nachkommen können, sei eine bloße Schutzbehauptung, weil die Angabe zum Fremdverschulden davon nicht abhänge und das Urteil des Landgerichts zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vorgelegen habe. Er sei bereits im Antragsformular auf die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I hingewiesen worden. Um eine grob fahrlässige Unterlassung handele es sich, weil dem überdurchschnittlich intelligenten Kläger schon bei ganz naheliegenden Überlegungen die Fehlerhaftigkeit des Bescheides hätte auffallen müssen. Bei der nur wenige Tage nach der Verurteilung wegen Mordes erfolgten Antragstellung hätte schon jedem durchschnittlichen Versicherten einleuchten müssen, in einem solchen Fall keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu haben.
Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Gerade angesichts einer groben Verletzung der Pflicht zum solidarischen Verhalten dürfe die Beklagte die Interessen der Versichertengemeinschaft berücksichtigen. Der schlechten finanziellen Lage des Klägers sei durch das Angebot von Ratenzahlungen Rechnung getragen. Auf den Verbrauch der Leistungen komme es nicht an, da der Kläger sich nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Der Erstattungsanspruch ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X.
Der Kläger hat gegen das Urteil mit Eingangsdatum vom 27. Februar 2001 Berufung eingelegt. Er führt ergänzend aus, er habe sich bei der Antragstellung nicht selbst belasten müssen. Die naheliegende Frage nach der bloßen Einleitung eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens, deren Beantwortung deutliche Hinweise auf einen Fall des § 105 SGB VI gegeben hätte, stelle die Beklagte in dem Vordruck nicht. Zudem habe die Beklagte gerade ohne die Beantwortung der entsprechenden Frage die Rente bewilligt. Selbst ein verständiger Laie könne aufgrund der klaren Voraussetzungen vorangegangener Beitragszahlung und Erfüllung einer Wartezeit davon ausgehen, die Rente stehe ihm auch im Falle der vorsätzlichen Tötung zu. Im Hinblick auf diese Tatbestandserfüllung sei auch keine Verletzung des Interesses der Versichertengemeinschaft durch die Rentengewährung erkennbar. Bei privaten Versicherern existierten entsprechende Ausschlussvorschriften gar nicht. Ihr eigenes Mitverschulden an der Bescheiderteilung habe die Beklagte bei der Ermessensentscheidung außer Acht gelassen. Aufgrund der Mitteilung an den Postrentendienst habe er davon ausgehen können, der Beklagten seien die Umstände des Todes der Ehefrau bereits bekannt. Insoweit wird auf Bl. 189 d. A. verwiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28. Januar 2004, Bl. 199 f. d.A. Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 29. Januar 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 19. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2000 aufzuheben, soweit die Aufhebung für die Vergangenheit erfolgt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt ergänzend aus, zur Kenntnis des Klägers, dass er selbst den Tod seiner Frau verursacht habe, habe es keiner vorausgehenden gerichtlichen Entscheidung bedurft. Zumindest danach hätte er aber den Inhalt der Entscheidung der Beklagten mitteilen müssen, weil es zum menschlichen Grundwissen gehöre, dass aus vorsätzlichen Tötungsdelikten finanzielle Ansprüche des Täters nicht abzuleiten seien. So etwas gebe es nicht im Erbrecht, nicht im Privatversicherungsrecht und eben auch nicht im Rentenversicherungsrecht.
In der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung haben dem Senat die Akten der Beklagten – Vers.-Nrn ... und ...– vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2000 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte sowohl zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides über die Witwerrente des Klägers wie auch zur Rückforderung der darauf geleisteten Beträge ermächtigt war.
Die formellen Anforderungen an den angefochtenen Bescheid stehen der Aufhebung auch insoweit nicht entgegen, als die Beklagte die Aufhebung auf Bösgläubigkeitstatbestände des § 45 Abs. 2 S. 3 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) in der Fassung der letzten Änderung durch Gesetz vom 6.8.98 (BGBl. I S. 2022, 2024) gestützt hat. Denn die nach § 24 Abs. 1 SGB X gebotene Anhörung hat die Beklagte gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X insoweit im Vorverfahren noch nachgeholt.
Auf einen allgemeinen Ausschluss des Vertrauensschutzes kann die Aufhebung allerdings nur gestützt werden, wenn der Kläger zu einem Sachverhalt angehört worden ist, in dem die Beklagte einen der Bösgläubigkeitsfälle des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X verwirklicht sieht. Einen entsprechenden Vorhalt hat die Beklagte dem Kläger – erst, aber zur Nachholung ausreichend – in dem angefochtenen Bescheid mit dem Hinweis auf die unterbliebene Beantwortung der Frage nach einem Fremdverschulden gemacht. Bei der Begründung ihres Widerspruchsbescheides hat sie die Stellungnahme des Klägers dazu in seinem Widerspruch auch berücksichtigt. Ob der von der Beklagten dabei in Bezug genommene Bösgläubigkeitstatbestand unvollständiger Angaben ihre Entscheidung auch im Ergebnis trägt, berührt nicht das formelle Erfordernis der Anhörung im Sinne von § 24 Abs. 1 SGB X, sondern die hier allein nach § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X zu beantwortende Frage nach der sachlichen Rechtmäßigkeit der Aufhebung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der wesentliche, die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigende Sachverhalt von der Anhörung erfasst worden ist. Dies ist hier der Fall, weil dem Umstand der unvollständigen Ausfüllung des Antragsvordrucks – wie noch darzustellen sein wird – jedenfalls entscheidendes Gewicht bei der Prüfung des Ausschlusses des Vertrauensschutzes zukommt.
Die Ermächtigung der Beklagten zur Aufhebung ihres Bewilligungsbescheides vom 31. August 1998 ergibt sich aus § 45 Abs. 1 SGB X. Die Bewilligung der Witwerrente als Verwaltungsakt im Sinne von § 31 S. 1 SGB X war im Sinne von § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X rechtswidrig, weil § 105 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) die Gewährung der Witwerrente nach § 46 SGB VI als einer Rente wegen Todes im Sinne des Dritten Titels des SGB VI ausschloss. Denn der Kläger hat den Tod seiner Ehefrau als versicherter Angehöriger und für die Anwendung des § 46 Abs. 1 SGB VI maßgeblicher Verstorbenen vorsätzlich herbeigeführt. Allein auf die vorsätzliche Herbeiführung als Tatsache, nicht hingegen auf irgendwelche Feststellungen dazu durch bestimmte Stellen, stellt die Vorschrift dabei ab. Der Umstand der vorsätzlichen Tötungshandlung des Klägers ergibt sich aus dem im Urteil des Landgerichts wiedergegebenen Geständnis des Klägers zum tatsächlichen Tathergang und auf der dort ebenfalls wiedergegebenen Beurteilung des Sachverständigen. Das Gericht brauchte insoweit keine weiteren Ermittlungen anzustellen, weil der Kläger nicht die tatsächliche Grundlage dieses Urteils in Zweifel gezogen hat, sondern lediglich eine abweichende Rechtsauffassung zur Anwendung des § 105 SGB VI vertreten hat. Auch die – unrichtige – Behauptung des Klägers, das Landgericht Halle habe seinen Vorsatz nicht ausdrücklich festgestellt, stellt kein Bestreiten der Voraussetzungen des Vorsatzes selbst dar, die als Tatsachengrundlage aus dem Urteil hervorgehen.
Anders als der Kläger meint, ist die vorsätzliche Tötung selbst dann als bewiesen anzusehen, wenn Vorsatz im Sinne von § 105 SGB VI als Teil eines Schuldvorwurfes verstanden wird und Schuldfähigkeit voraussetzt. Denn nach dem Urteil des Landgerichts Halle hat der Sachverständige den Kläger nicht als schuldunfähig, sondern als schuldfähig, nämlich vermindert schuldfähig, eingestuft. Davon geht auch der Kläger, zuletzt in der mündlichen Verhandlung, ausdrücklich aus.
Die Beklagte durfte gemäß § 45 Abs. 4 S. 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X den Bewilligungsbescheid über die Witwenrente ohne eine Vertrauensschutzprüfung für die Vergangenheit aufheben, weil der Kläger die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides als Verwaltungsakt mindestens grob fahrlässig verkannt hat.
Hingegen kommt ein Ausschluss der Vertrauensschutzprüfung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X in Betracht, weil nicht festgestellt werden kann, dass der Bewilligungsbescheid der Beklagten auf den objektiv unvollständigen Angaben des Klägers zur Frage des Fremdverschuldens "beruhte". Es geht insoweit zu Lasten der Beklagten, dass sie durch schlüssiges Verhalten auf die Beantwortung der Frage verzichtet hat, indem sie den Bewilligungsbescheid erlassen hat, obwohl ihr bei der Antragsprüfung aufgefallen sein muss, dass die im Vordruck gestellte Frage nicht beantwortet war. Stellt sie den Anspruchsteller insoweit von einer Mitwirkungspflicht frei, kann deren Verletzung nicht mehr im Sinne des Beruhens ursächlich für die Bescheiderteilung sein.
Darüber hinaus steht aber nicht einmal fest, ob die Bewilligung unterblieben wäre, wenn der Kläger die gestellte Frage bejaht hätte. Denn der Sinn der Frage geht erkennbar nicht dahin, den außerordentlich seltenen, anspruchsausschließenden Fall einer Todesverursachung durch den Anspruchsteller zu ermitteln, sondern diejenigen Fälle zu erheben, in denen die Beklagte im Falle der Leistungsbewilligung gegen einen Schadensverursacher oder Dritte Rückgriff nehmen kann. Dies wird deutlich an der Einbeziehung von Unfällen in die Fragestellung, bei denen nur eine solche Rechtsfolge in Betracht kommt. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür ist die unter der gleichen Frageziffer folgende Frage nach möglichen Schadensersatzansprüchen. Ein solches Verständnis der Fragestellung erklärt auch, weshalb die Beklagte trotz unterbliebener Ausfüllung die beantragte Rente bewilligt hat. Denn die Rentenbewilligung stand einer zu ermittelnden Rückgriffsmöglichkeit entgegen.
Der Kläger hätte aber die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides erkennen müssen, insbesondere, dass ihm die bewilligte Leistung nicht zustand. Die nicht ausreichenden Überlegungen dazu stellen eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung im Sinne von § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3, letzter Halbsatz SGB X dar. Die unterbliebene Ausfüllung des Antragsvordrucks zur Frage der Fremdverursachung verdeutlicht nämlich, dass dem Kläger der Gedanke gekommen ist, eine solche Ursache könne den Anspruch ausschließen und ihm folgerichtig bei einfachster Überlegung hätte auffallen müssen, dass der Anspruch tatsächlich nicht bestehen konnte.
Die vorgeschützten Gründe, derentwegen der Kläger den Fragebogen nicht vollständig ausgefüllt haben will, verdeutlichen nach Überzeugung des Senates, dass er lediglich der Beklagten keine Kenntnis von seiner Täterschaft geben wollte und dementsprechend eine rechtswidrige Bewilligung in Kauf nahm. Der Kläger handelte bei der Ausfüllung des Vordrucks entgegen seinem, allerdings nur angedeuteten Vorbringen verantwortlich. Der Kläger war Anfang April 1998, fünf Monate nach dem Geschehen um die Tötung an seiner Frau einschließlich eines Selbstmordversuchs, in der Lage, den Vordruck richtig auszufüllen, was er auch weitgehend getan hat. Denn ausweislich des Urteils des Landgerichts Halle war der Kläger einen knappen Monat nach Ausfüllung des Antragsvordrucks in der Lage, an einer über insgesamt vier Tage dauernden Hauptverhandlung jedenfalls insoweit teilzunehmen, dass das Gericht sich auf seine danach umfassenden, auch in Detailfragen plastischen, selbstkritischen Einlassungen stützen konnte, die den Beginn einer Auseinandersetzung mit der Tat erkennen ließen. Solche Fähigkeiten schließen aus, dass der Kläger noch kurze Zeit vorher außerstande war, den Fragebogen richtig auszufüllen.
Für die Absicht, seine Tat gegenüber der Beklagten zu verschweigen, gibt bereits die unterlassene Angabe seiner Haftadresse in dem Antrag einen Anhaltspunkt. Auf ein Versehen kann der Kläger sich insoweit nicht überzeugend berufen, weil dann nicht erklärbar wäre, wieso er noch in der gleichen Zeile, in der sein Wohnort erfragt wird, Angaben zu seiner Staatsangehörigkeit und dem Datum der Eheschließung gemacht hat.
Der Kläger selbst hat weiterhin den Begriff der Verursachung des Todes durch "andere Personen", nach der unter Punkt 13.4 des Antragsvordrucks gefragt wird, nach seinem gesamten Verfahrensvorbringen auf seine Person bezogen. Sämtliche Behauptungen des Klägers, weshalb er die Frage nicht habe ausfüllen können, setzen einen solchen Bezug auf seine Person voraus. Die dazu im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verantwortung für den Tod seiner Ehefrau vorgetragenen Überlegungen sind aber nicht glaubhaft, weil die Fragestellung nicht auf irgendein Verschulden der "anderen Person" abstellt, sondern auf eine Todesverursachung in einem tatsächlichen Sinne. Insoweit bestand für den gebildeten Kläger kein Anlass zu der Annahme, die Beantwortung der Frage setze eine entsprechende behördliche oder gerichtliche Feststellung voraus. Wollte er lediglich eine im Strafverfahren verwertbare Selbstbelastung vermeiden, setzt dies gerade voraus, dass er aus der Fragestellung als solcher auf einen Zusammenhang zwischen der – vermeintlich erfragten – eigenen Tötungshandlung und dem Rentenanspruch schloss.
Die über seinen Prozessbevollmächtigten aufgestellte Behauptung des Klägers, er habe die Frage schon deshalb nicht ausgefüllt, weil er nach der Mitteilung an den Postrentendienst davon ausgegangen sei, der Beklagten sei ein Fremdverschulden bereits bekannt, hält der Senat für unglaubhaft, zumal er sie erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen hat. Die zur Gerichtsakte übersandte Ablichtung, die der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten nach dessen Vorbringen zur Verfügung gestellt haben soll, ist im Rahmen einer Akteneinsicht gefertigt. Denn sie gibt bereits den Eingangsstempel des Postrentendienstzentrums Leipzig wieder, das das Schreiben innerhalb von vier Tagen im Original zur Akte der Beklagten weitergereicht hat. Eine Einsichtnahme des Klägers in die Akten der Beklagten, dort aber durch seinen Prozessbevollmächtigten, geht erstmals aus dessen Schriftsatz vom 10. August 2000 im Klageverfahren, zwei Jahre nach Erhalt des Bewilligungsbescheides, hervor.
Angesichts der Zweifel des Klägers an den Anspruchsvoraussetzungen, die sich aus der Art der Ausfüllung des Fragebogens erschließen lassen und die bei Erlass des Witwenrentenbescheides nur vier Monate später erneut erweckt werden mussten, war vom Kläger zu diesem Zeitpunkt selbst im Sinne einfachster Sorgfalt zu erwarten, die Entscheidung nicht – wie er in der mündlichen Verhandlung formuliert hat – "der Beklagten zu überlassen". Vielmehr drängte sich für ihn auf zu erwägen, ob demjenigen, der als Täter einen Menschen tötet, gerade aus dieser Handlung ein Anspruch erwachsen kann. Dies auszuschließen, war der intelligente und nach den Feststellungen des Landgerichts zur Auseinandersetzung mit seiner Tat fähige Kläger in der Lage. Dass er anstatt einer solchen Überlegung eine rechtswidrige Leistung in Kauf nahm, legt auch seine erste Erwiderung auf das Anhörungsschreiben der Beklagten nahe, mit dem er die Tötung durch die Behauptung von Verleumdung und übler Nachrede mittelbar abstritt. Seine dafür gegebene Erklärung einer Verhärtung unter den Bedingungen der Strafhaft stellt keine Lage dar, die sich von derjenigen bei Erteilung des Witwenrentenbescheides unterscheidet. Denn auch zu dieser Zeit befand sich der Kläger bereits in Strafhaft. Entlasten kann ihn diese Erklärung aber nicht, weil für eine Beeinträchtigung der Verantwortlichkeit durch die Bedingungen der Strafhaft jede nähere Darlegung fehlt.
Der Behauptung des Klägers, er habe auf den Witwenrentenanspruch im Hinblick auf das Familienrecht der DDR vertraut, das die Gegenseitigkeit der Beiträge zur Versorgung der Familie in den Vordergrund gestellt habe, glaubt der Senat nicht. Die insoweit vom Kläger angeführten hohen Beitragszahlungen zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung knüpfen gerade an ein entsprechendes Arbeitseinkommen aus der eigenen Tätigkeit des jeweiligen Versicherten und nicht an freiwillige Zahlungen im Rahmen eines Familienausgleichs an. Dies ist dem Kläger, der selbst ausweislich der Akte der Beklagten eine Altersrente unter Berücksichtigung von Beitragszahlungen zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung bezieht, bekannt.
Die Beklagte brauchte bei der Aufhebung des Bewilligungsbescheides nicht das ihr gem. § 45 Abs. 1 SGB X grundsätzlich zustehende Ermessen auszuüben, da ein Fall der sog. Ermessensreduzierung auf Null vorlag. Es kann dahinstehen, ob ein solcher Fall, in dem die Aufhebung im Sinne gebundenen Verwaltungshandelns ohne weitere Abwägung durch den Verwaltungsträger zu erfolgen hat, bei Bösgläubigkeit im o.a. Sinne regelmäßig – mit wenigen, hier nicht berührten Ausnahmefällen – vorliegt (so BSG, Urt. v. 25. 1. 1994 – 4 RA 16/92 – SozR 3-1300 § 50 Nr. 16 S. 42). Im Falle des grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers ergibt sich dies schon aus der Verpflichtung der Beklagten zum Schutz verfassungsrechtlicher Güter der Versicherten.
Jede andere Entscheidung, als die von der Beklagten getroffene, hätte ihrer Pflicht aus Art. 1 Abs. 1 S. 2 des Grundgesetzes (GG) zum Schutz der Würde der Versicherten widersprochen. Der Rentenanspruch der Versicherten ist als Eigentumsrecht im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Ausdruck dieser Würde, weil er ihr gerade aufgrund ihrer persönlichen Arbeitsleistung zur Existenzsicherung privatnützig zugeordnet war (BVerfG, Urt. v. 28. 4. 99 – 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 – BVerfGE 100, 1, 34 ff.). Dieser persönliche Bezug entfaltet als Teil der Persönlichkeit der Versicherten über die Unantastbarkeit der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG auch Schutzwirkungen gegen Herabwürdigungen oder Erniedrigungen über ihren Tod hinaus (BVerfG, Beschluss v. 24.2.71 – 1 BvR 435/68 – BVerfGE 30, 173, 194). Darum geht es bei dem Bezug der Witwerrente durch den Kläger, weil die Lebensleistung der Versicherten herabgewürdigt würde, wenn deren rechtlich besonders geschützter Ertrag geradezu zum Gegenteil seines personalen Zweckbezuges der Existenzsicherung, nämlich zum Lohn der Existenzvernichtung missbraucht würde.
Der Ermessensreduzierung steht auch nicht die Ausnahme entgegen, wonach bei der Gefahr eines existenzvernichtenden Eingriffs durch die Leistungsaufhebung gegenüber dem Empfänger Abwägungen vorzunehmen sind (erwogen von BSG, a.a.O., S. 43 f.). Ein solcher Eingriff droht beim Kläger nicht, weil er als Altersrentner mit einer Rente nach gut 55 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) über eine existenzsichernde Einkommensquelle verfügt, deren Schutz sich aus dem allgemeinen Vollstreckungsrecht ergibt. Insofern liegt kein existenzverändernder Unterschied gegenüber der Lage des Klägers vor dem Bezug der Witwerrente vor, weil er schon zu dieser Zeit erheblich verschuldet war. Dies hat er nicht nur selbst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sondern ergibt sich auch aus dem Urteil des Landgerichts, das in der Akte der Beklagten wiedergegeben ist.
Die Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Erstattungsanspruchs folgt aus § 50 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB X. Danach sind die Leistungen, die die Beklagte auf die Bewilligung der Witwerrente hin erbracht hat, zu erstatten, ohne dass der Beklagten bei der Festsetzung ein Ermessensspielraum zustünde. Inwieweit bei der Beitreibung der Forderung Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, hat die Beklagte ausweislich der Erwägungen im Widerspruchsbescheid zu einer möglichen Stundung noch nicht verbindlich entschieden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt, bei der keine ungeklärten Rechtsfragen zu behandeln waren.
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