L 1 RA 40/00

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 6 RA 50/99
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 40/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren hat.

Die am 22. Juli 1944 geborene Klägerin ist gelernte Fachverkäuferin für Fleischwaren. Ihre von 1958 bis 1961 dauernde Ausbildung schloss sie mit dem Facharbeiterbrief ab. Sie war bis März 1962 in dem Beruf, anschließend mit Unterbrechungen bis 1974 als Arbeiterin, Haushaltshilfe und Verkäuferin tätig. Von Januar bis September 1981 war sie Mitarbeiterin im Verlag "Freiheit". Im Anschluss daran war sie bis März 1986 Angestellte der Stadt- und Saalkreissparkasse Halle. In dieser Zeit erwarb sie 1984 im Rahmen einer Erwachsenenqualifikation den Berufsabschluss als Bankkauffrau. Von April 1986 bis Januar 1991 war sie als Hauptsachbearbeiterin, beziehungsweise Referentin und Oberreferentin bei der Deutschen Außenhandelsbank der DDR, Filiale Halle, tätig.

Von August 1992 bis Februar 1993, von Juni 1993 bis April 1994 und von Juli 1994 bis Dezember 1994 war sie im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse als Bankangestellte, bei dem Amtsgericht Halle als Sachbearbeiterin bzw. beim Finanzamt Halle tätig. Am 3. März 1997 erwarb sie das Zertifikat einer geprüften Finanzdienstleisterin im Rahmen einer vom Arbeitsamt geförderten Weiterbildungsmaßnahme. Zwischenzeitlich war sie arbeitslos bzw. arbeitsunfähig erkrankt.

Pflichtbeiträge wurden für die Klägerin bis einschließlich September 1997 entrichtet. Von Oktober 1997 bis April 1998 zahlte sie freiwillige Beiträge in Höhe des Mindestbeitrages Ost (Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 1998).

Die Klägerin stellte am 20. April 1998 einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei der Beklagten. Zur Begründung gab sie an, sie sei seit Januar 1998 wegen eines Bandscheibenvorfalls im Halswirbelbereich in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert. Gegenwärtig könne sie keine Arbeiten verrichten. Zuvor hatte die Klägerin im Anschluss an eine Halswirbelsäulenoperation eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum Bad D. durchgeführt. Im ärztlichen Entlassungsbericht vom 25. Mai 1998 führten die Dres. E. und R. aus, dass die Klägerin vom 31. März bis 21. April 1998 stationär aufgenommen worden sei. Als Diagnose nannten sie ein "myostatisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach HWK-6-Resektion vom 10. März 1998 wegen Bandscheibenvorfalls C 6/7". Als berufsfördernde Leistung sei ein ergonomischer Arbeitsplatz ohne Reklination der Halswirbelsäule und Zwangshaltung zu prüfen. Die Übungsbehandlungen während der Kur sollten fortgeführt werden. Die letzte Tätigkeit als Angestellte beim Finanzamt sei vollschichtig zu verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei generell eine leichte Tätigkeit im Wechselrhythmus ohne Überkopfarbeiten, Zwangshaltungen und ohne schweres Heben, Tragen und Bewegen von Lasten vollschichtig möglich.

Die Beklagte veranlasste eine orthopädische Begutachtung der Klägerin durch Dr. A ... In seinem Gutachten vom 3. August 1998 führte dieser aus, dass bei der Klägerin ein operativ behandeltes radikuläres Cervicalsyndrom C 6/7 links in Folge eines sequestrierten Bandscheibenvorfalls in diesem Segment mit Irritation des Rückenmarks bestehe. Sensible Störungen am 2. und 3. Finger links sowie am Handrücken links seien die Folge. Ebenfalls bestehe ein lokales Cervicalsyndrom bei muskulären Dysbalancen und Einengung der Foramina intervertebralia C 3-6 beidseits und ein lokales Lumbalsyndrom und pseudoradikuläres Syndrom L 4/5 bei Hyperlordose und Osteochondrose L 3/4 mit muskulären Dysbalancen. Die Bandscheibenoperation an der Halswirbelsäule, bei der die Bandscheibe C 6/7 linksseitig entfernt und der teilentfernte 6. Halswirbel mit einem Titankörbchen und Beckenspongiosa wieder aufgebaut worden sei, sei erfolgreich verlaufen. Die Halswirbelsäule sei im Segment C 6 stabil. Darüber hinaus bestehe kein krankheitswertiger Befund von Seiten des orthopädischen Fachgebiets. Das pseudoradikuläre L4/5 Syndrom sei den muskulären Dysbalancen geschuldet. Es bestünden keine Bedenken im Hinblick auf eine vollschichtige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei leichter körperlicher Tätigkeit ohne Belastung für den Schultergürtel und die Halswirbelsäule. Als Büroangestellte könne sie vollschichtig tätig sein. Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen ohne Heben und Tragen von Lasten ohne körperliche Zwangshaltung, insbesondere ohne Belastung für die Halswirbelsäule durch Überkopfarbeiten seien generell vollschichtig durchführbar.

Mit Bescheid vom 26. August 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ab. Zur Begründung führte sie aus, dass bei den Diagnosen "operativ behandelter Bandscheibenvorfall im Halswirbelsäulenbereich mit leichtgradiger Restsymptomatik, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule" die Möglichkeit bestehe, ohne wesentliche Leistungsminderung im bisherigen Berufsbereich vollschichtig und regelmäßig tätig zu sein. Es bestehe darüber hinaus ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Hiergegen legte die Klägerin mit am 22. September 1998 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein. Sie trug vor, der Befund des Gutachters und ihr Befinden stünden in völligem Gegensatz. Ihr Befinden müsse aber maßgeblich sein. Die ärztlichen Gutachten gingen nur von einer allgemeinen gesundheitlichen Lage nach der Bandscheibenoperation aus und vernachlässigten das individuelle persönliche Gesundheitsbild und die fehlende Arbeitsfähigkeit. Sie sei wegen der Halswirbelsäulenoperation ununterbrochen arbeitsunfähig. Sie habe ständige Schmerzen, ausgehend vom Halswirbelbereich, verbunden mit Spannungskopfschmerzen, die sich beim Autofahren noch verschlimmerten. Die Schmerzen strahlten in die linke Hand aus, die wie taub sei. Die Schmerzen zögen sich auch bis in das linke Bein. Oft könne sie vor Schmerzen nicht einschlafen. Morgens könne sie oft kaum richtig auftreten. Außerdem leide sie unter Schluckbeschwerden. Die Rehabilitation habe ihr keine Verbesserung des Gesundheitszustandes und der Leistungsfähigkeit gebracht. Wegen der Medikamenteneinnahme sei sie faktisch fahruntüchtig. Seit Anfang der 80er Jahre leide sie zudem an Migräne. Im Zusammenhang mit den Wirbelsäulenbeschwerden seien diese Kopfschmerzen kaum zu ertragen. Hinzu komme ein schwankender Bluthochdruck mit Werten bis zu 190/130 mmHg. Am nächsten Tag schon könne der Blutdruck normal sein und einige Zeit normal bleiben. Seit 1995 habe sie in der rechten und linken Brust Knoten. Es erfolge deshalb regelmäßig eine Mammographie.

Die Beklagte forderte Befundberichte der Hausärztin der Klägerin Dipl.-Med. Sch. vom 20. Oktober 1998 und des behandelnden Orthopäden der Klägerin Dipl.-Med. H. vom 4. Dezember 1998 an. Dipl.-Med. Sch. fügte weitere Befundunterlagen behandelnder Ärzte der Klägerin in Kopie bei und legte dar, es liege neben den bekannten Diagnosen auch eine Hämaturie vor. Ein Nieren-MRT vom 6. Februar 1998 habe keinen krankhaften Befund erbracht. Einmal wöchentlich trete Migräne mit Erbrechen auf. Der am 15. Oktober 1998 gemessene Blutdruckwert habe 140/90 mmHg betragen.

Dipl.-Med. H. führte aus, dass eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule mit erheblicher Druckschmerzhaftigkeit der Schulter-Nacken-Musku-latur mit ausgeprägtem Spannungskopfschmerz bestehe. Es liege ferner ein erheblicher Druckschmerz der gesamten Wirbelsäule und der Schultergürtelmuskulatur vor. Vor- und Rückneigung sei bis zu einem Kinn-Jugulum-Abstand von 6/18 cm möglich. Die Seitneigung betrage rechts/links 20/0/20 Grad, die Rotation rechts/links 50/0/50 Grad. Ferner bestehe eine pseudoradikuläre Hypästhesie (Überempfindlichkeit) des zweiten Fingers der rechten Hand. Die Motorik und die Muskeleigenreflexe seien intakt. Es bestehe eine sekundäre vegetative Dystonie.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie wies darauf hin, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung nicht gleichbedeutend mit dem der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne der Rentenversicherung sei. Die ärztlichen Unterlagen bestätigten vollschichtige Einsatzfähigkeit im früheren Beruf.

Hiergegen hat die Klägerin mit einem am 15. April 1999 eingegangenen Schreiben bei dem Sozialgericht Dessau Klage erhoben. Sie verweist auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und trägt weiter vor, ihr Gesundheitszustand habe sich seit dem Rentenantrag verschlechtert. Sie habe starke Schluckbeschwerden, ferner stärkere Schmerzen der Halswirbelsäule, Strahlungsschmerzen des linken Arms, der linken Hand, des linken Beins und des linken Fußes, einen sehr stark schwankenden Bluthochdruck, Migräne und Spannungskopfschmerzen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin, der Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. Sch. vom 12. Mai 1999 (Bl. 24 d. A.), des Internisten Dr. Hu. vom 31. Mai 1999 (Bl. 26 u. 27 d. A.) und des Orthopäden Dipl.-Med. H. vom 19. Mai 1999 (Bl. 33-35 d. A.). Dipl.-Med. Sch. hat mitgeteilt, dass eine Hypertonie mit Werten von 140/90 mmHg unter Therapie bestehe. Es liege ein chronisches Schmerzsyndrom bei Bandscheibenvorfall C 6/7 vor. Dr. Hu. hat angegeben, er diagnostiziere bei der Klägerin eine ausgeprägte fibroplastisch-fibrozystische Mastopathie mit rezidivierenden Schmerzen in beiden Brüsten. Ein malignitätsverdächtiger Befund sei nicht erkennbar. Dipl.-Med. H. hat berichtet, dass ein Radikulärsyndrom bei Bandscheibenvorfall C 6/7 mit Myelopathie und ein Lumbalsyndrom bei Spondylarthrose bestehe. Das Implantat an der Halswirbelsäule sei stabil. Einen Anhalt für ein entzündliches oder destruktives Geschehen gäbe es nicht.

Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch die Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. W. /Krankenhaus B. H. vom 21. September 1999 (Bl. 51-79 d. A.). Dieser hat ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine Verblockung der Halswirbelsäule vom 5. bis 7. Halswirbelkörper nach Ausräumung eines Bandscheibenvorfalles und Entfernung des 6. Halswirbelkörpers mit Ersatz durch Titankörbchen und Spongiosa mit endgradig eingeschränkter Beweglichkeit der Halswirbelsäule für die Drehung sowie für die Vor- und Rückneigung, eine Schmerzhaftigkeit der Nackenmuskulatur und Störung der Berührungsempfindung im Versorgungsgebiet der 6. und 7. Nervenwurzel an der Halswirbelsäule mit Veränderung der Berührungsempfindung am Daumen und Zeige- und Mittelfinger links. An der Lendenwirbelsäule bestehe eine Arthrose der kleinen Wirbelkörpergelenke zwischen L4 und L5. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule betrage für das Vor- und Rückneigen 20/0/30 Grad, für die Seitneigung nach rechts beziehungsweise nach links 30/0/30 Grad und für das Drehen nach rechts bzw. links 60/0/60 Grad. Bei Linksdrehung werde endgradig eine Schmerzhaftigkeit angegeben. Die Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule resultiere aus der Verblockung zwischen dem 5. und 6. Halswirbelkörper, wodurch letztlich zwei Bewegungssegmente verloren gingen. Allerdings sei bis etwa 30 Grad Beweglichkeit aus dem Gelenk zwischen dem 1. und 2. Halswirbelkörper und die bei der Untersuchung gefundene Drehbewegung bis 60 Grad nach rechts und links möglich. Die Störung der Berührungsempfindung im Versorgungsgebiet C 6/7 an der Hand links resultiere aus dem ehemaligen Bandscheibenvorfall. Ausfälle der Muskelkraft und der Reflexe lägen nicht vor. Funktionell sei damit keine wesentliche Störung verbunden. Der Verschleiß der kleinen Wirbelgelenke zwischen L 4 und L 5 könne zu Beschwerden bei Überstreckung führen, allerdings habe eine gute Entfaltbarkeit der gesamten Wirbelsäule mit einem Schoberschen Zeichen von 10/15 cm für die Krümmungsfähigkeit vorgelegen. Der verbleibende Finger-Boden-Abstand sei gering.

Die festgestellte Migräne bedinge Übelkeit, Erbrechen und Unwohlsein. Der erhöhte Blutdruck sei durch die Medikation therapiert. Die sogenannte Mastopathie stelle einen Umbau der Brustdrüse bei Hormonumstellung in den Wechseljahren dar, wovon viele Frauen betroffen seien. Dies sei nicht unbedingt krankheitswertig. Eine anamnestisch stattgehabte Blasen- und Nierenentzündung mit Hämaturie sei antibiotisch ausgeheilt.

Vollschichtige und regelmäßige Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei vorhanden. Es sollten keine Überkopfarbeiten, keine Arbeiten mit häufiger Rückwärts- bzw. Vorwärtsbewegung des Kopfes und keine Tragarbeit mit Belastung des Schultergürtels durchgeführt werden. Bei psychisch labiler Situation sei ein Arbeiten unter Zeitdruck, Akkordarbeit und Fließbandarbeit nicht angezeigt. Wechselschicht sei bis auf Nachtschicht wegen des Bluthochdruckleidens möglich. Arbeiten in Zwangshaltung, häufiges Bücken und Knien sowie Heben und Tragen von Lasten ohne Hilfsmittel seien zu vermeiden. Die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände sei vorhanden. Arbeiten in Zugluft, häufigen Temperaturschwankungen oder Nässe seien nicht anzuraten. Es sei ein normales Seh- und Hörvermögen vorhanden. Arbeiten unter Staub, Gas, Dampf oder Rauch seien möglich. Es seien keine weiteren Pausen neben einer viertelstündigen und halbstündigen Arbeitspause einzulegen. Leichte Büroarbeiten überwiegend im Sitzen mit üblichen Ruhepausen seien vollschichtig möglich. Die zumutbare Gehstrecke betrage mehr als 1000 m.

Die Klägerin hat darauf erwidert, die Ergebnisse des Gutachtens und ihr Befinden seien nicht in Übereinstimmung zu bringen. Eine komplette Ausheilung der Nierenbeckenentzündung mit Hämaturie sei nicht zu verzeichnen. Es seien nach wie vor Schmerzen im Nierenbereich vorhanden. Der Blutdruck sei nicht stabil. Die Blutdruckwerte schwankten stark. Sie sei auf ein neues Medikament umgestellt, so dass sich die Werte auf 160/95 mmHg eingependelt hätten, aber immer noch schwankend seien. Bei den vom Gutachter festgestellten Einschränkungen sei eine Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben. Sie sei praktisch fahruntüchtig. Für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel seien die Voraussetzungen in ihrer Region nicht gegeben. Sie sei nach wie vor arbeitsunfähig. Die Migräne halte seit Jahren an und trete drei bis vier Mal im Monat auf. Sie sei dann licht- und lärmempfindlich und in der rechten Gesichtshälfte bis über die Schulter und den Rücken wie taub. Deshalb sei sie auf ständige Medikamenteneinnahme angewiesen.

Mit Urteil vom 22. März 2000 hat das Sozialgericht Dessau die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die vorhandenen medizinischen Unterlagen, insbesondere auf das Gutachten von Dr. W. verwiesen und ausgeführt, nach übereinstimmender ärztlicher Einschätzung sei die Klägerin noch vollschichtig leistungsfähig, wenn bestimmte, in den Gutachten wiedergegebene Einschränkungen beachtet würden. Sie könne auch alle Sachbearbeitertätigkeiten im Büro, wie Bankkauffrau etc. vollschichtig und regelmäßig ausüben.

Gegen das ihr am 29. April 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Mai 2000 bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Gutachten von Dr. W. sei eine völlig oberflächlich getroffene Momentaufnahme, die unrichtige Aussagen enthalte und in sich widersprüchlich sei. Der Sachverständige beziehe sich auf das Gutachten des Reha-Zentrums Bad D. und unternehme nicht den Versuch, ein eigenständiges und unabhängiges Gutachten zu erstellen. Das Reha-Zentrum Bad D. sei aber eine Einrichtung der LVA. Ihr Blutdruck sei nicht therapiert. Trotz Medikamentengabe seien zeitnah zum Untersuchungszeitpunkt Blutdruckwerte zwischen 194/100 mmHg und 222/108 mmHg gemessen worden. Die gegenwärtigen Messungen von Dipl.-Med. Sch. hätten Werte von 105/77 mmHg bis 165/108 mmHg ergeben. Die Migräne habe sich verstärkt. Es hätten sich wieder mehrere schmerzhafte Blasenentzündungen eingestellt, die behandelt werden müssten. Es bestehe die Vermutung, dass das Rückenmark hinter dem 6. Halswirbelkörper eingequetscht sei. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei entgegen der Aussage des Gutachters eingeschränkt. Die Greiffunktion und die Beschwerden seien schlechter geworden. Die linke Hand fasse sich ständig kalt an. Jede nachhaltige Betätigung führe zu weiteren Beschwerden und zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands. Jede langzeitige Tätigkeit führe auch zu einer Zwangshaltung. Alle Rehabilitationsmaßnahmen hätten zu keiner Besserung geführt. Sie müsse schon nach kurzzeitiger Arbeit am Computer diese unterbrechen, weil die gesamte Schulterpartie versteife und sie stundenlang Schmerzen habe. Sie halte auch eine kurzzeitige sitzende Tätigkeit nicht durch. Sie sei seit 1998 arbeitsunfähig. Die Summierung der Beschwerden und Leistungseinschränkungen und die Auswirkungen der Medikamenteneinnahme seien vom Gutachter nicht beachtet worden. Die Einschränkungen stünden einem vollschichtigen Leistungsvermögen entgegen. Ihr Orthopäde Hamerla könne ihren Gesundheitszustand besser einschätzen als der Sachverständige.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin, des Neurologen Dr. M. /Magdeburg vom 30. Juli 2001 (Bl. 180 d. A.), der Praktischen Ärztin Dr. W. /Barleben vom 14. August 2001 (Bl. 183 d. A.), des Chirurgen Dr. T. /Dessau vom 17. August 2001 (Bl. 194 d. A.), der Dres. G. und Schl. /Klinik Bosse Wittenberg, Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie, Geriatrie und Neurologie vom 20. August 2001 (Bl. 196 d. A.), welche den Entlassungsbericht über einen stationären Aufenthalt vom 30. Januar bis 16. Februar 2001 (Bl. 197-199 d. A.) und einen Behandlungsbericht vom 7. Dezember 2000 (Bl. 200-201 d. A.) beigefügt haben, ferner der Allgemeinmedizinerin Dipl.-Med. Sch. vom 30. August 2001 (Bl. 202 d. A.), des Internisten Dr. K. vom 21. September 2001 (Bl. 231 d. A.) sowie des Orthopäden Dipl.-Med. H. vom 9. November 2001 (Bl. 245-249 d. A. nebst Anlagen). Das Gericht hat weiterhin einen Befundbericht Dr. L. /Herzzentrum C. vom 12. Oktober 2001 (Bl. 233 und 234 d. A.) und einen urologischen Befundbericht von Dr. Kh. /Wittenberg vom 23. November 2001 (Bl. 254 und 255 d. A.) angefordert. Dr. M. hat die Klägerin danach nur am 30. November 2000 untersucht und ein Karpaltunnelsyndrom links diagnostiziert. Dr. W. hat ausgeführt, dass ein Cervicobrachialsyndrom bestehe. Die Klägerin sei generell als arbeitsunfähig einzuschätzen. Arbeiten in Zwangshaltungen seien zu vermeiden. Es bestehe ein erheblicher Leidensdruck durch eine chronische Schmerzsymptomatik. Dr. Tute hat angegeben, das Karpaltunnelsyndrom bestehe beidseits. Es sei durch eine ambulante Operation heilbar. Die Ärzte der Klinik Bosse haben ausgeführt, dass ein Schmerzsyndrom mit Verdacht auf Somatisierungsstörung bei Cervicalneuralgie bestehe, ferner ein Karpaltunnelsyndrom links. Diesbezüglich sei eine konservative Behandlung angezeigt. Die geklagten Inkontinenzprobleme fänden keine Objektivierung. Es bestehe eine subdepressive Grundstimmung. Die Stimmung sei aber noch aufzuhellen. Die Klägerin gebe einen starken Leidensdruck an. Dipl.-Med. Sch. hat dargelegt, dass eine depressive Stimmungslage und eine Somatisierungsstörung die Klägerin sehr belasteten. Die Beurteilung der psychischen Belastbarkeit sei anzustreben. Seit Dezember 2000 bestünden Stuhlinkontinenzprobleme. Dr. K. hat angegeben, bei einmaliger Untersuchung am 3. April 2001 habe sie eine Stuhlinkontinenz und ein Taubheitsgefühl im Analbereich geklagt. Dr. L. hat Blutdruckwerte von 130 bzw. 140/90 mmHg ermittelt und ausgeführt, es bestünden passagere Sensibilitätsstörungen der linken Körperhälfte bei Zustand nach Bandscheibenoperation, ferner aktuell eine Knickbildung der Arteria carotis interna rechts. Dipl.-Med. H. hat dargelegt, dass ein Radikulärsyndrom bei Bandscheibenvorfall C 6/7 und ein Lumbalsyndrom bei Spondylarthrose, ein Schmerzsyndrom bei muskulärer Dysbalance der Becken-Oberschenkelmuskulatur und Inkontinenz durch eine Schwäche der Beckenbodenmuskulatur sowie ein Karpaltunnelsyndrom beidseits vorlägen. Durch einen Büroarbeitsplatz bzw. Bildschirmarbeitsplatz würden muskuläre Verspannungen, Kopfschmerzsyndrome und ausstrahlende Beschwerden in beide Arme die Folge sein. Derzeit bestehe keine Möglichkeit, die Klägerin in den Arbeitsprozess einzugliedern. Es sei auch unter Zuhilfenahme von mehreren schmerztherapeutischen Konsultationen nicht gelungen, einen belastungsfähigen Halswirbelsäulenbefund zu erreichen. Die Kriterien der Erwerbsunfähigkeit seien erfüllt. Dr. Kh. hat eine Harnwegsinfektion festgestellt, die sich unter Therapie mit Antibiotika zurückgebildet habe. Es bestehe eine Doppelanlage der rechten Niere bei einem Harnleiter.

Das Gericht hat weiterhin Beweis erhoben durch die Einholung eines psychosomatischen Fachgutachtens von Dr. Pl. –Ph. vom 14. Mai 2002 (Bl. 289-315 d. A.). Diese hat bei der Klägerin eine Aggravation einer ursprünglich gesicherten körperlichen Störung aufgrund ihres psychischen Zustandes (Rentenneurose) diagnostiziert. Klinisch und testpsychologisch ergebe sich kein Anhalt eines gravierenden krankheitswertigen Befundes, auch keine Berentungsgrundlage. Die Klägerin schildere anhand der psychologischen Testverfahren, die eine hohe Anzahl an Extremantworten und Maximalwerten aufwiesen, nur subjektiv einen hohen Leidensdruck, dem objektiv kein hinreichender medizinischer Befund gegenüberstehe.

Die Klägerin hat hierzu Stellung genommen und ausgeführt, dass das Gutachten den Anforderungen eines medizinischen Fachgutachtens nicht genüge, da eine völlig einseitige und voreingenommene Ausgangsbasis gewählt und völlig unwahre Aussagen konstruiert worden seien. Die Gutachterin sei voreingenommen. Aus dem Gutachten von Dr. Pl. –Ph. sei ein Extremwert an Schmerzen und an Erschöpfungsneigung abzulesen. Diese seien damit zu objektivieren. Die Extremwerte für Gliederschmerzen seien aber nicht als organisch bedingte chronische Schmerzen gewertet worden. Es sei nicht überprüft worden, wie sich die in der Folge jeder nachhaltigen Betätigung in einem Arbeitsprozess potenzierenden Schmerzen auf die Lebensqualität auswirkten. Die Diagnose einer Rentenneurose könne nicht nachvollzogen werden. Die Gutachterin gehe nicht auf die Befunde und Beurteilungen von Dipl.-Med. H. ein, der als behandelnder Arzt die besten und nachhaltigsten Erkenntnisse über ihren Gesundheits- und Leistungsstand habe. Organisch bedingt durch den Bandscheibenvorfall und der anschließenden Verplattung seien das chronische Schmerzsyndrom, die Muskelverspannung und die fehlende Leistungsfähigkeit entstanden. "Nachhaltige Bewegungen" könnten in einem Zeitraum von maximal zwei Stunden durchgeführt werden. Ansonsten seien die Folgeschmerzen unerträglich. Durch das organisch bedingte Karpaltunnelsyndrom komme es zu starken Schmerzen der linken Hand mit Ausstrahlung auf Unterarm, Ellenbogen, Schultergelenk mit zunehmender Taubheit der betroffenen Finger. Besonders das fehlende Vermögen zum Gebrauch der Finger für alle Greifarbeiten sei festzustellen. Hierfür seien auch die Defekte der Halswirbelsäule verantwortlich.

Es träten durch die Doppelniere wiederholt Hämaturien und Blasen- und Nierenentzündungen auf. Die Migräne habe an Häufigkeit und Stärke zugenommen. Der schwankende Blutdruck sei nach wie vor nicht eingestellt. Aktuelle Messungen hätten einen Wert 160/100 mmHg erbracht. Auf die Stuhlinkontinenz und die damit einhergehende veränderte Lebensführung gehe die Gutachterin nicht ein. Diese sei eine Folge der Blockade der Nervenstränge, ausgehend vom Halswirbelbereich. Die Verschlussfähigkeit des Darmes habe abgenommen. Die Stuhlinkontinenz sei unkontinuierlich und unberechenbar. Bis zur erfolgten Stuhlentleerung könne das Haus praktisch nicht verlassen werden.

Insgesamt bezögen sich die vorliegenden Gutachten immer nur auf das jeweilige Vorgutachten, setzten sich aber nicht kritisch mit diesen auseinander und übernähmen nur deren Aussage, es sei alles ausdiagnostiziert und ausreichend behandelt. Die Sachverständige sei von ihren fachlichen Voraussetzungen her nicht in der Lage, die im Test erkannten Extremwerte an Schmerzen und Bewegungseinschränkungen mit den organisch bedingten Leiden in Verbindung zu bringen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 22. März 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. August 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 22. April 1998 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und die vorliegenden medizinischen Unterlagen.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme im Einzelnen und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Rentenversicherungsakte der Beklagten (Vers.-Nr. , 2 Bände) verwiesen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und dem Senat bei der Beratung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 26. August 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 1999 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte damit zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit abgelehnt hat.

Die Klägerin hat bereits keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil sie nicht im Sinne von § 43 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1, Abs. 2 S. 1, 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 15.12.1995 (BGBl. I S. 1824) sowie der jeweiligen Fassungen durch die nachfolgenden Änderungen mit Wirkung bis zum 31. Dezember 2000, zuletzt durch Gesetz vom 2.5.1996 (BGBl. I, S. 659) berufsunfähig ist. Ein Absinken der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte ist nicht zu Gunsten der Klägerin feststellbar, weil schon eine Einbuße der Fähigkeit zur Ausübung der Tätigkeit als Bankkauffrau nicht festzustellen ist. Dies ist der bisherige Beruf der Klägerin im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI, da es sich um die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit handelt, die zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist und die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt worden ist (vgl. Kasseler Kommentar-Niesel, § 240 SGB VI Rdnr. 10 mwN). Die in der Folge verrichteten Tätigkeiten wurden von ihr dagegen nur vorübergehend, nämlich befristet ausgeübt.

Die Tätigkeit einer Bankkauffrau ist nach der einschlägigen Berufsinformationskarte (BO 691/I, Ziffer 10) der Bundesanstalt für Arbeit eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen Räumen, überwiegend sitzend, z. T. stehend. Die Tätigkeit beinhaltet z. T. Schalterdienst, z. T. Bildschirmarbeitsplätze, z. T. Publikumsverkehr, z. T. Aussendienst. Anforderungen sind Genauigkeit, Flexibilität, Verantwortungsbewußtsein, Auffassungsgabe, Konzentrationsvermögen, Verhandlungsgeschick, sprachliches Ausdrucksvermögen, Kontaktfähigkeit und -bereitschaft, Einfühlungsvermögen, Charakterfestigkeit und gepflegtes Erscheinungsbild.

Soweit das Anforderungsprofil an den Beruf von gesundheitlichen Voraussetzungen abhängt, ist die Klägerin in der Lage, diesem gerecht zu werden. Dies ergibt sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere aus den Gutachten der Gerichtssachverständigen Dr. Pl. –Ph. und Dr. W. , sowie aus den zahlreich zu den Akten gelangten Befundberichten der behandelnden Ärzte der Klägerin.

Der auf orthopädischem Fachgebiet bei der Klägerin bestehende Zustand nach operiertem Bandscheibenvorfall C 6/7 mit Verblockung der Halswirbelsäule C 5-7 bei Entfernung des 6. Halswirbelkörpers mit Ersatz durch Titankörbchen und Beckenspongiosa bedingt in funktioneller Hinsicht nur eine endgradig eingeschränkte Halswirbelsäulenbeweglichkeit in der Drehung sowie in der Vor- und Rückneigung, ferner Empfindungsstörungen im Versorgungsgebiet der Nerven C 6 und 7, insbesondere am Daumen, Zeige- und Mittelfinger links sowie Schmerzen der Nackenmuskulatur.

Die Beweglichkeitseinschränkung der Halswirbelsäule der Klägerin nach der stattgehabten Operation dokumentieren sowohl der Sachverständige Dr. W. als auch der behandelnde Orthopäde Dipl.-Med. H. in unterschiedlichem Maße, als gering bis mäßig. Selbst anhand der objektiven Erhebungen von Dipl.-Med. H. , der die Klägerin als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr einsatzfähig erachtet, lässt sich nur eine mäßige Bewegungseinschränkung von in der Seitenneigung rechts/links von 30/0/20 Grad und von in der Rotation rechts/links 60/0/40 Grad ermitteln (Befund vom 10. September 2001). Demgegenüber lauten die Werte von Dr. W. vom 9. September 1999 30/0/30 Grad und 60/0/60 Grad. Bei einem Gesunden erreicht die Seitenneige der HWS bis zu 45° Grad, die Drehbeweglichkeit 60-80 Grad (Zilch/Weber, Lehrbuch Orthopädie mit Repetitorium, Berlin, New York 1989, S. 303). Auch Dipl.-Med. H. sieht die Sensibilität und die Motorik intakt bei seitengleich auslösbaren Muskeleigenreflexen. Der Zustand hatte sich sogar gegenüber der letzten Befundung vom 12. April 2000 verbessert. Als neurologischer Restbefund in Folge der Halswirbeloperation sieht Dr. W. nur noch eine Störung der Berührungsempfindung am Daumen, Zeige- und Mittelfinger links im Versorgungsgebiet des 6. und 7. Nervenwurzel der Halswirbelsäule, die die Gebrauchsfähigkeit der Hände aber nach seiner schlüssigen Bewertung nicht einschränkt. Weiterhin ist die Nackenmuskulatur schmerzhaft.

An der Lendenwirbelsäule liegt nach Dr. W. als einziger krankhafter Befund eine Arthrose der kleinen Wirbelkörpergelenke L 4/5 vor, welche in Anbetracht der vom Sachverständigen gemessenen Bewegungswerte keine normabweichenden pathologische Bewegungsmaße bzw. funktionelle Einschränkungen mit sich bringt. Für die Krümmungsfähigkeit der Lendenwirbelsäule hat Dr. W. ein Schobersches Zeichen von 10/15 cm bei einem Finger-Boden-Abstand von 10 bis 15 cm gemessen, was durchaus dem Lebensalter entspricht und im Normbereich liegt.

Dr. W. stellte während der Untersuchung eine aggravatorische Haltung der Klägerin fest, die sich darin äußerte, vor allem die Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ungünstiger zu demonstrieren, als sie tatsächlich ist. Außerhalb der konkreten Untersuchungssituation konnte der Sachverständige sich dagegen von einem in Teilen besseren Bewegungsvermögen überzeugen. Das Gericht hat diesbezüglich keine Zweifel an der Objektivität der Wahrnehmungen des Sachverständigen, da der Sachverständige auf Grund seiner Erfahrung derartige Beobachtungen richtig zuordnen kann und für ihn kein Grund besteht, Umstände in das Gutachten aufzunehmen, die er in dieser Form nicht wahrgenommen hat.

Insgesamt ist daher die Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule, sowohl der Hals- als auch der Lendenwirbelsäule, nicht nur nach den vom Sachverständigen ermittelten Messwerten, sondern auch nach den von Dipl.-Med. H. ermittelten nur als verhältnismäßig gering einzuschätzen. Auch bestehen keine neurologischen Ausfallserscheinungen, was den guten Erfolg der HWS-Operation unterstreicht. Deshalb konnte das Gericht die Bewertung des behandelnden Orthopäden der Klägerin, diese sei damit erwerbsunfähig, nicht teilen. Objektiv durch die klinischen und röntgenologischen Befunde untermauert und gut nachvollziehbar ist dagegen die Ansicht Dr. W. , der die vollschichtige Einsatzfähigkeit der Klägerin auch in den zuletzt ausgeübten Tätigkeiten bestätigt. Ihr hat sich das Gericht nach einer Gesamtwürdigung der ärztlichen Aussagen angeschlossen.

Von Seiten des orthopädischen Fachgebiets, welches schwerpunktmäßig die Leiden an der Wirbelsäule, vornehmlich an der Halswirbelsäule betrifft, besteht daher keine objektive Grundlage, die Klägerin in den bisher ausgeübten Berufen als nur untervollschichtig einsatzfähig zu erachten. Mit der von dem Gerichtssachverständigen Dr. W. überzeugend getroffenen Einschätzung einer Einsatzfähigkeit der Klägerin für überwiegend sitzende Tätigkeiten, bei denen aber auch Haltungswechsel möglich sind, besteht Übereinstimmung mit dem Anforderungsprofil der Tätigkeit einer Bankkauffrau, wie es sich aus der vom Gericht ausgewerteten Berufsinformationskarte des Arbeitsamtes ergibt.

Auch Bildschirmarbeiten müssen im Beruf als Bankkauffrau zwar gelegentlich, aber nicht über längere Zeit ununterbrochen von der Klägerin ausgeführt werden, entsprechen aber auch ihrem Leistungsbild. Damit ist keine Zwangshaltung der Wirbelsäule, keine Überkopfarbeit, keine Arbeit mit häufiger Rückwärts- und Vorwärtshebung des Kopfes und keine Tragarbeit mit Belastung des Schultergürtels verbunden, die der Sachverständige ausdrücklich für nicht angezeigt erachtet. Haltungswechsel sind vielmehr möglich. Bildschirmarbeit wird von ihm dagegen nicht ausgeschlossen.

Ein Einsatz lediglich im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, wie die Ärzte des Reha-Zentrums Bad D. in ihrem ärztlichen Entlassungsbericht ihn annehmen und der einer Sachbearbeitertätigkeit ggf. im Wege stünde, ist nicht nachvollziehbar. Es handelt sich dabei um Einschränkungen, die nur bei einer Minderbelastbarkeit der Lendenwirbelsäule zu wahren sind, aber bei Leiden der Halswirbelsäule nicht zu einer Entlastung führen. An der Lendenwirbelsäule der Klägerin sind aber kaum krankhafte Befunde vorhanden, die eine derartige Einschränkung rechtfertigen könnten.

Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht nach der Diagnose der Sachverständigen Dr. Pl. –Ph. eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen (ICD-10: F 68.0), als deren psychodynamischen Hintergrund die Sachverständige ein krankhaftes Rentenbegehren, von ihr als "Rentenneurose" bezeichnet, sieht. Entgegen der Meinung der Klägerin ist die Urteilsbildung der Sachverständigen dabei nachvollziehbar. Der Versuch der Sachverständigen, die Krankheitsentwicklung bei der Klägerin psychodynamisch aus ihrem Lebenslauf zu erklären, muss auch Gesichtspunkte ihres Familienlebens erfassen, wenn sie der ihr vom Gericht gestellten Aufgabe gerecht werden will. Eventuell hierbei auftretende, von den Sichtweisen der Klägerin abweichende Anschauungen der Sachverständigen zu den familiären Beziehungen begründen weder Einseitigkeit noch Voreingenommenheit, sondern sind in der Methodik begründet. Auch wenn die Sachverständige bei der Erhebung der biografischen Anamnese einzelne Details missverstanden haben sollte, etwa die berufliche Entwicklung der Klägerin und ihres Ehemannes im Zusammenhang mit dem Wegzug aus Halle, bleibt die Schlüssigkeit ihrer Überlegungen insgesamt erhalten. Denn ihr Ausgangspunkt, bei der Klägerin bestehe ein Bedürfnis nach Ausgleich kindlicher Mangelerfahrungen, welches nach dem Arbeitsplatzverlust durch die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente befriedigt werden soll, ist von missverstandenen Einzelheiten unabhängig.

Auch die Meinung der Klägerin, die Sachverständige sei insoweit an das Ergebnis der von ihr durchgeführten psychologischen Tests gebunden, als Höchstwerte bei Beschwerdeäußerungen nicht als Aggravation gewertet werden dürften, geht fehl. Es bleibt der gutachtlichen Beurteilung vorbehalten, zu bewerten, welche Aussage Tests treffen, die auf einer Selbsteinschätzung des zu Untersuchenden beruhen. Es ist Teil der medizinischen Wissenschaft, die Struktur von Tests und die Übereinstimmung der Test-ergebnisse mit den übrigen ärztlichen Beobachtungen dahingehend zu würdigen, ob die Testergebnisse gerade in Bezug auf die Beschwerdeäußerungen durch den tatsächlich zu erhebenden Befund erklärt werden können und worauf ggf. auftretende Abweichungen beruhen, ob diese selbst krankhaft oder etwa Ausdruck eines zweckgerichteten Verhaltens sind. Dies hat die Sachverständige widerspruchsfrei unternommen.

Darüber hinaus reichende krankhafte Befunde, etwa eine hirnorganisch bedingte Leistungsminderung konnte sie nicht finden. Defizite im Hinblick auf Merkfähigkeit und Konzentration bzw. übriger kognitiver Fähigkeiten, welche für die vollwertige Ausübung von Sachbearbeitertätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung, bzw. verwaltender Tätigkeiten in der freien Wirtschaft, auch der Bankkauffrau von besonderer Bedeutung wären, waren nicht feststellbar. Es ergibt sich danach auch kein Defizit im Hinblick auf Publikumsverkehr, was für die Ausübung der Tätigkeit als Bankkauffrau Einschränkungen mit sich gebracht hätte. Evtl. Einschränkungen bezieht die Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar auf Charaktereigenschaften und die Persönlichkeitsstruktur der Klägerin, mit denen allerdings die bisherige Berufstätigkeit ausgeübt und auch ausgefüllt werden konnte. Veränderungen sind diesbezüglich nicht nachweisbar.

Die Einschätzung von Dr. Pl. –Ph. steht im Ergebnis im Einklang mit derjenigen der Ärzte der Bosse-Klinik Wittenberg, auch wenn diese mit der verdachtsweisen Annahme einer Somatisierungsstörung diagnostisch andere Schwerpunkte setzen, ohne aber ein anderes Krankheitsbild zu beschreiben. Dort werden nur leichte Konzentrationsstörungen bei erhaltenem Kurz- und Langzeitgedächtnis und eine lediglich subdepressive Grundstimmung, demgemäß keine Depression angeführt. Eine schwerwiegende Erkrankung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sahen auch die dortigen Ärzte nicht. Vielmehr nehmen sie ausdrücklich darauf Bezug, dass die Stimmung der Klägerin aufhellbar sei, so dass ein chronifizierter krankheitswertiger Zustand nicht anzunehmen ist.

Die Sachverständige selbst fand anhand der durchgeführten Testverfahren und ihrer gesprächsexplorativen Untersuchung schlüssig und überzeugend noch keinen sicheren Anhalt für eine derartige Diagnosestellung und nannte konsequent keine weiteren Einschränkungen aus der Sicht ihres Fachgebiets im Hinblick auf die Verrichtbarkeit anspruchsvollerer geistiger Tätigkeiten, so dass solche auch vom Gericht nicht erkannt werden können.

Die übrigen auf neurologischem Fachgebiet bestehenden Leiden besitzen keine Rentenrelevanz, da sie gut behandelbar sind und auch behandelt werden. Der Chirurg Dr. T. konnte das auch durch die Ärzte der Klinik Bosse erwähnte Karpaltunnelsyndrom zwar durch eine elektroneurografische Untersuchung sichern. Dieses wird allerdings von Dr. T. bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt konservativ behandelt. Ein operativer Eingriff wurde deshalb nicht für notwendig gehalten. Eine gravierende Funktionsstörung lässt sich hieraus nicht ableiten.

Die von der Klägerin geklagte Analsphinkterschwäche war nicht objektivierbar. Die Ärzte der Klinik Bosse fanden den Analsphinkterreflex bei unauffälligem Schließmuskeltonus und unauffälliger Analinspektion. Der Internist Dr. K. nennt Analsphinkter-Insuffizienz mit Inkontinenz nur als eine Verdachtsdiagnose. Als mögliche Therapie nennt er ein muskuläres Training, nur im Bedarfsfall operative Korrektur, was die Behandelbarkeit der Erscheinung, deren Krankheitswert damit in Frage steht, unterstreicht und ihre Beseitigung in erster Linie von der Mitwirkung der Klägerin abhängig macht. Die Notwendigkeit einer "veränderten Lebensführung" aus dieser Erscheinung heraus, wie sie die Klägerin angibt, ist nicht belegt.

Die Häufigkeit der Migräneanfälle wird von der Klägerin selbst mit drei bis vier Mal monatlich angegeben. Diese sind therapierbar, bzw. in ihren Auswirkungen mit Hilfe von Analgetika zu begrenzen und bedingen ggf. kurzzeitige Arbeitsunfähigkeit, aber keine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Im Übrigen gibt die Klägerin selbst an, seit ca. 20 Jahren an Migräneanfällen zu leiden. Es ist nicht ersichtlich, dass die Migräne sie nun daran hindern sollte, vollschichtig und regelmäßig ihrer früheren Berufstätigkeit nachzugehen, zumal eine Verschlimmerung nicht objektiviert werden konnte.

Auf internistischem Fachgebiet ist ein Bluthochdruckleiden gesichert. Die von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Blutdruckwerte waren unter Therapie aber im Normbereich und können keine Erwerbsminderung von rentenrechtlicher Bedeutung rechtfertigen, sondern bedingen im ungünstigsten Fall gelegentliche Arbeitsunfähigkeit. Dipl.-Med. Sch. nennt in ihrem Befundbericht vom 30. August 2001 einen Wert von 130/80 mmHg, Dr. L. /Herzzentrum Coswig maß am 11. September 2001 140 bzw. 130/90 mmHg. Am 3. April 2001 maß der Internist Dr. K. einen Wert von 135/75 mmHg. Dr. Pl. –Ph. maß einen Wert von 131/91 mmHg. Dies zeigt, dass der Blutdruck entgegen der Darstellung der Klägerin unter Therapie gut einstellbar ist. Spitzenwerte wurden von den behandelnden Ärzten nicht mitgeteilt. Obwohl nicht auszuschließen ist, dass solche vorkommen, stellen sie jedoch offensichtlich eine große Ausnahme dar, welche sich auf Grund ihrer Seltenheit einer Objektivierung bei Messungen im Rahmen ärztlicher Untersuchungen und Behandlungen entziehen. In einem von der Klägerin übersandten Befundbericht von Dipl.-Med. Sch. nennt diese unter den von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden Blutdruckwerte von 100/70 bis 150/110 mmHg. Hierbei ist nicht sicher, ob sie diese Werte selbst gemessen hat, da sie selbst aufgrund eigener Messung einen Wert von 140/90 mmHg mitteilt.

Auf urologischem Fachgebiet ergeben sich aus der Feststellung Dr. Kh. , es habe bei der Klägerin eine Harnwegsinfektion vorgelegen, die antibiotisch ausgeheilt sei, keine Konsequenzen im Hinblick auf eine Erwerbsminderung, auch nicht aus der angeborenen Doppelniere als eingebrachtem Leiden. Wiederkehrende Hämaturien erwähnt der Urologe nicht, was darauf hindeutet, dass die Erscheinung keiner Behandlung bedurfte und die Klägerin ihn deshalb nicht konsultiert hat.

Auch in einer Gesamtschau der vorliegenden Befunde und Diagnosen ergibt sich keine gravierende Leistungsminderung der Klägerin in Tätigkeiten als Bankkauffrau oder Finanzsachbearbeiterin etc. Mit Arbeitsunfähigkeitszeiten infolge krankheits- und behandlungsbedingter Ausfälle der Klägerin ist im Rahmen einer vollschichtigen Tätigkeit in diesem Bereich zwar durchaus zu rechnen, es spricht jedoch nichts dafür, dass diese die Regelmäßigkeit des Einsatzes der Klägerin erheblich gefährden würden. Die ärztlichen Sachverständigen haben eine derartige Prognose nicht gestellt. Eine übermäßige Stressbelastung, Zeitdruck und Akkordarbeiten sind zwar weitgehend zu vermeiden, geben aber der Tätigkeit als Bankkauffrau, wie sie in der Berufsinformationskarte beschrieben wird, auch nicht das Gepräge. Einen Rentenanspruch gemäß § 43 SGB VI neue Fassung wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI in der Fassung durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 hat die Klägerin ebenfalls nicht, weil ihr Leistungsvermögen im bisherigen Beruf nicht auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.

Da bereits Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI zu verneinen ist, entfällt die Prüfung der Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB VI, da die Klägerin in der Lage ist, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig und regelmäßig zu verrichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
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