Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 RA 264/98
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 75/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Juni 2000 wird aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 1998 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin von Februar 2000 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens ganz und des Verfahrens vor dem Sozialgericht zur Hälfte zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die im 1942 geborene Klägerin übte nach einem Schulabschluss nach der 8. Klasse zunächst verschiedene Tätigkeiten als Arbeiterin aus. Seit dem 12. August 1963 war sie als Sachbearbeiterin beschäftigt und seit dem 9. September 1969 als Lohnbuchhalterin. Neben dieser Tätigkeit bildete sie sich nach ihrem Facharbeiterzeugnis vom 21. April 1975 zur Industriekauffrau weiter. Seit dem 1. Oktober 1978 betrieb die Klägerin selbständig eine Heißmangel. Seit dem 29. Januar 1991 war sie arbeitslos. Vom 1. April 1992 an arbeitete die Klägerin als Verkäuferin und Reinigungskraft in einem Möbelhandel, war jedoch seit dem 16. Februar 1993 arbeitsunfähig. Nach erneuter Arbeitslosigkeit seit dem 25. September 1993 war sie zuletzt vom 31. Mai 1994 an als Bäckereiverkäuferin beschäftigt und ist seit dem 6. Juni 1996 durchgehend arbeitsunfähig.
Die Klägerin stellte am 14. November 1996 bei der Beklagten einen Antrag auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und am 18. November 1996 bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation durch die Beklagte.
Die Beklagte zog ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt vom 5. November 1996 bei, in dem der Gutachter M. ausführte, die deutlich vorgealterte Versicherte leide in erster Linie unter einem chronischen Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit aufgepfropfter Migräne. Jetzt liege offenbar eine noch nicht näher abgeklärte Herzschädigung vor. Das Leiden gehe mit deutlichen Funktionsstörungen einher. Die Erwerbsfähigkeit sei erheblich gefährdet. Weiterhin bezeichnete der Gutachter als Krankheiten ein deutliches Übergewicht, einen arteriellen Bluthochdruck und Ausfallerscheinungen nach einer Unterleibsoperation. Nach Berichten des Kardiologen Dr. med. St. vom 3. Dezember 1996 und 5. März 1997 bestand eine Belastungsschwäche von Seiten der Herzdurchblutung mit Abbruch der Fahrradergometrie in der sechsten Minute bei 75 Watt. Die Internistin SR Dr. med. K. erstellte in dem Reha-Verfahren unter dem 8. Juli 1997 ein Gutachten und gelangte in einem weiteren Gutachten vom 30. September 1997 in dem Rentenverfahren zu der Einschätzung, die Klägerin könne eine Tätigkeit als Reinigungskraft/Verkäuferin nicht mehr, eine leichte körperliche Arbeit, möglichst im Büro, jedoch vollschichtig ausüben. Als neuen Befund erhob sie lediglich krankhafte Leberwerte.
In einem weiteren Gutachten vom 11. November 1997 gelangte auch der Chirurg Prof. Dr. M. zu dem Ergebnis, die Klägerin könne nicht mehr als Verkäuferin in einer Bäckerei, jedoch in wechselnder sitzender, stehender und fortbewegender Körperhaltung ohne Heben von mehr als 15 kg vollschichtig erwerbstätig sein. Er führte aus, orthopädischerseits lägen eine ausgeprägte und druckschmerzhafte Verspannung der Schulter-Nackenmuskulatur sowie der Muskulatur im Lendenwirbelsäulenbereich vor, eine endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit Schmerzangabe bei den Lendenwirbelkörpern 2 – 4 und endgradiger Rückbeugung und eine Unausgewogenheit der Rückenmuskulatur. Neurologische Ausfallerscheinungen hätten zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht bestanden.
Mit Bescheid vom 26. Januar 1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung bezog die Beklagte sich auf die vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, durch die sie weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Dagegen legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 11. Februar 1998 Widerspruch ein.
Die Beklagte holte einen Befundbericht der praktischen Ärztin OMR Dr. med. R. vom 2. Mai 1998 ein, die als Krankheiten ein chronisch wiederkehrendes Lendenwirbelsäulensyndrom, einen schwer führbaren Bluthochdruck mit Herzkrankheit, wiederkehrende Magenschleimhautentzündungen und Speiseröhrenentzündungen durch Säurerückfluss 2. Grades, Verfettung der Leber und Bauchspeicheldrüse, Nachwirkungen einer Schilddrüsen- und gynäkologischen Totaloperation mitteilte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 1998 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Klägerin könne zumutbare Beschäftigungen vollschichtig verrichten. Bei einem vollschichtig einsatzfähigen Ver-sicherten, der von Tarifverträgen erfasste Tätigkeiten unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten könne, begründe der Umstand der Arbeitslosigkeit keine Berufsunfähigkeit. Dementsprechend liege auch keine Erwerbsunfähigkeit vor.
Mit der am 25. August 1998 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Orthopäden Dr. med. F. vom 30. September 1998 eingeholt. Dieser hat auf entsprechende Frage hin ausgeführt, die Klägerin leide unter einem chronischen, nicht besserungsfähigen Wirbelsäulenleiden. Vermehrt körperlich schwere oder mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten und Laufen längerer Strecken sei nicht mehr möglich. Auch eine vorwiegend sitzende Haltung würde erfahrungsgemäß zu einer Schmerzverstärkung in der Lendenwirbelsäule führen. Aus orthopädischer Sicht sei die Versicherte nicht zu einer regelmäßigen Arbeit in der Lage. Weiterhin hat das Sozialgericht einen Befundbericht des Internisten Doz. Dr. med. habil. G. vom 5. Oktober 1998 eingeholt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 21 f. d. A. verwiesen wird. Es hat dann ein arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 10. März 1998 beigezogen, das auf beigezogenen Unterlagen und den Gutachten der Beklagten beruhte. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 25 – 42 d. A. Bezug genommen. Die Gutachterin gelangte zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch vollschichtig leichte Arbeiten zeitweise stehend, gehend und sitzend ohne Zeitdruck, klimatische Einflüsse und Zwangshaltungen ausüben. Wegen eines weiteren Befundberichtes der praktischen Ärztin Dr. med. R. vom 28. Oktober 1998 wird auf Bl. 43 – 47 d. A. verwiesen. Nach einer Bescheinigung der gleichen Ärztin vom 23. Dezember 1998 war bei der Klägerin neu eine Zuckerkrankheit aufgetreten.
Das Gericht hat ein Gutachten des Chefarztes der Orthopädischen Klinik der P. S. , Priv. Doz. Dr. med. Sch. , vom 29. April 1999 eingeholt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 58 – 76 d. A. Bezug genommen wird. Dieser hat ausgeführt, die Klägerin könne körperlich leichte Tätigkeiten im Gehen, Stehen und überwiegend Sitzen wechselweise vollschichtig ausüben. Er halte Tätigkeiten als Telefonistin, Aufseherin im Museum, Empfangsdame und Lagerverwalter für möglich. Nervenwurzelreizsymptome lägen nicht vor. Die Knochendichte sei durchschnittlich.
Die Hausärztin der Klägerin hat weitere Befunde eingereicht, deren Inhalt sich aus Bl. 83 – 93 d. A. ergibt. Nach einem Bericht des Internisten Dr. med. St. vom 23. September 1999 musste die Fahrradergometrie in der vierten Minute bei 50 Watt wegen Luftnot und Erschöpfung abgebrochen werden.
In einem weiteren Bericht vom 9. März 2000 führte die Hausärztin Dr. med. R. aus, der Gesundheitszustand habe sich Ende 1998 erheblich verschlechtert. Seither liege eine insulinpflichtige Zuckerkrankheit vor. Eine länger bekannte Bronchitis habe sich verschlechtert und erfordere lungenfachärztiche Mitbehandlung. Die Zuckerkrankheit sei nicht befriedigend zu führen.
Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten des Internisten Dr. med. L. vom sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft vom 14. April 2000 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 116 – 150 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige hat aus der Sicht seines Fachgebietes einen sekundär insulinpflichtigen Diabetes Mellitus vorgefunden. Die Klägerin sei in der Lage, sich das Insulin selbst zu ver- abreichen und Blutzuckermessungen durchzuführen. Zu einer Stoffwechselentgleisung und Spätkomplikationen sei es bisher nicht gekommen. Die Blutzuckerwerte seien befriedigend. Es bestehe ein Bluthochdruck ohne Komplikationen. Ergometrisch habe er die Klägerin bis 100 Watt belasten können. Glaubhaft seien gelegentlicher Schwankschwindel und eine Neigung zu Kopfschmerzen. Es liege ein axialer Zwerchfellbruch mit einer Speiseröhrenentzündung durch Rückfluss 2. Grades und einer chronischen Magenschleimhautentzündung im Bereich des Antrums vor. Die entsprechend geklagten Beschwerden bestünden in Völlegefühl und Sodbrennen. Als Folge der durchgemachten Schilddrüsenoperation liege keine Beschwerdesymptomatik vor. Etwa ein- bis zweimal pro Quartal leide die Klägerin an Migräne. Eine bronchiale Überempfindlichkeit habe noch nicht zu einer Funktionseinschränkung der Lunge geführt. Eine bestehende Fettleberhepatitis führe ebenfalls nicht zu Beschwerden. Mit dem daraus folgenden Leistungsbild sei die Klägerin zu vollschichtigen, körperlich und geistig leichten Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit zeitweiligem Gehen und Stehen, in geschlossenen Räumen ohne Zwangshaltungen mit zwei zusätzlichen täglichen Pausen von je einer Viertelstunde zur Einnahme kleiner Mahlzeiten in der Lage. So seien etwa leichte Büroarbeiten mit den zusätzlichen Ruhepausen auszuführen. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem 1. April 1999 mit dem Eintritt der Insulinpflichtigkeit des Diabetes mellitus.
Mit Urteil vom 20. Juni 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB VI liege bei der Klägerin nicht vor, weil sie nach Aussage der Sachverständigen noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge.
Sie sei auch nicht im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI berufsunfähig, weil sie als Angestellte mit einer Ausbildungszeit mit bis zu zwei Jahren auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Zudem könne sie Bürotätigkeiten nach der Vergütungsgruppe IX des Bundesangestelltentarifvertrages ausüben. Diese seien ihr zumutbar.
Gegen das ihr am 6. Juli 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Eingangsdatum vom 3. August 2000 Berufung eingelegt, die sie auf einen Leistungszeitraum vom 1. Februar 2000 an beschränkt hat. Sie hat mit der Begründung einen Bericht der Orthopäden Dres. med. W. und H. vom 28. September 2000 vorgelegt, wonach die Wirbelsäulenbeschwerden unterdessen mit Schmerzmedikamenten behandelt würden. Auf Grund der Beschwerden bestehe eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Erfahrungsgemäß seien auch leichte körperliche Tätigkeiten im Sitzen nur kurzfristig durchführbar. Die Klägerin könne keiner regelmäßigen Tätigkeit mehr nachgehen. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts trägt sie weiter vor, bei zusätzlichen Pausen von zweimal einer Viertelstunde bestünden ernste Zweifel, ob Arbeitsplätze vorhanden seien. Es sei dann eine Verweisungstätigkeit zu benennen. Die Beklagte könne nicht generell auf eine sogenannte Verteilzeit verweisen, die schon nach ihren eigenen Angaben von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Juni 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 1998 abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, ihr von Februar 2000 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Urteil des Sozialgerichts sei zutreffend. Wegen der vom Sachverständigen Dr. med. L. geforderten zusätzlichen Pausen sei auf eine durchschnittlich 5 – 12 % der täglichen Arbeitszeit betragende persönliche Verteilzeit zu verweisen, die von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sei. Eine solche Verteilzeit könne sowohl zum Aufsuchen der Waschräume als auch für kleine Zwischenmahlzeiten genutzt werden. Die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen bestehe nicht. Ein bei der Klägerin neu erhobenes Carpaltunnelsyndrom sei behandelbar.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Auskünften der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 214 – 218 d. A. Bezug genommen. Das Gericht hat einen weiteren Befundbericht der praktischen Ärztin Dr. med. R. vom 8. Februar 2002 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 227 – 238 d. A. Bezug genommen wird. Darin ist nunmehr ein Diabetes mellitus Typ 2b mit Folgeschäden beschrieben. Trotz viermaliger Insulingabe seien zuletzt Blutzuckerwerte bis 400mg/dl gemessen worden.
Dem Gericht haben die Akten der Beklagten bezüglich Rente und Rehabilitation – Vers.-Nr ...– in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vorgelegen. Der Rehaakte war ein Kontospiegel nach dem Stand vom 5. Juni 2000 vorgeheftet.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 1998 beschweren die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit sie der Leistung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von Februar 2000 an entgegenstehen.
Die Klägerin hat gemäß § 44 Abs. 1, 2 S. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 24.3.99 (BGBl. I S. 388) für den jetzt noch geltend gemachten Leistungszeitraum Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die Klägerin erfüllt gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI die allgemeine Wartezeit im Sinne von § 50 Abs. 1 S. 1 SGB VI von fünf Jahren mit Beitragzeiten nach der Voraussetzung des § 51 Abs. 1 SGB VI beziehungsweise Ersatzzeiten im Sinne von § 51 Abs. 4 SGB VI. Nach dem Kontenspiegel der Beklagten vom 5. Juni 2000 lagen bis einschließlich Juni 2000 insgesamt 502 auf die Wartezeit anzurechnende Monate vor. Insoweit kommt es auf den genauen Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin nicht an. Jedenfalls lässt sich aber der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit, vor dem gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI die allgemeine Wartezeit erfüllt gewesen sein muss, vor Januar 1999 nicht feststellen. Auch zu dieser Zeit war die allgemeine Wartezeit erfüllt. Bei der Klägerin liegen auch im Sinne von § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI drei Jahre an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor. Insoweit kommen auch Zeiten im Sinne von § 55 Abs. 2 SGB VI, im Falle der Klägerin insbesondere im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI in Betracht, in denen ein Leistungsträger Beiträge für Anrechnungszeiten entrichtet hat. An solchen Zeiten lagen bei der Klägerin im Juni 2000 59 Monate vor. Selbst wenn man den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit dem Januar 1999 für möglich hält, verblieben mehr als drei Jahre, nämlich 41 Monate, an erforderlichen Zeiten innerhalb des Fünfjahreszeitraumes vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit.
Die Klägerin ist auch im Sinne von § 44 Abs. 2 S. 1 SGB VI erwerbsunfähig, weil sie jedenfalls seit Februar 2000 kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze mehr aus regelmäßiger Erwerbstätigkeit erzielen kann. Denn sie kann ihr an sich noch vollschichtiges Leistungsvermögen nicht unter den in Betrieben üblichen Bedingungen verwerten (dazu als hinreichender Voraussetzung der Erwerbsunfähigkeit BSG, Beschluss v. 19.12.96 – GS 2/95 – SozR 3 – 2600 § 44 Nr. 8 S. 28 f.). Dieser Erwägung steht § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB VI nicht entgegen, weil durch das Abstellen auf betriebsübliche Bedingungen nicht die jeweilige Arbeitsmarktlage, sondern die Arbeitswelt im Sinne der Ausgestaltung abhängiger Erwerbstätigkeit betroffen ist. Dieser Fall liegt bei der Klägerin vor, weil die Notwendigkeit zweier zusätzlicher Pausen von jeweils 15 Minuten – auch in Verbindung mit den weiteren bei der Klägerin vorliegenden Leistungseinschränkungen – das Erfordernis der Benennung konkreter Verweisungstätigkeiten nach sich zieht (BSG, Urt. v. 6.6.86 – 5b RI 42/85 – SozR 2 – 2200 § 1246 Nr. 136), die im Falle der Klägerin nicht feststellbar sind.
Die Klägerin benötigt nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Dr. med. L. zwei zusätzliche Pausen von jeweils einer Viertelstunde. Diese dienen der Einnahme kleiner Zwischenmahlzeiten zur Stoffwechselregulierung angesichts der bei der Klägerin bestehenden Zuckerkrankheit. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Sachverständige als beruflich im Bereich der Sozialmedizin bei einem Rentenversicherungsträger tätiger Arzt die Forderung nach zusätzlichen Ruhepausen auch angesichts denkbarer Verteilzeiten erhoben hat. Solche persönlichen Verteilzeiten an – nach der im Ansatz zutreffenden Darstellung der Beklagten – jedem Büroarbeitsplatz sind allgemein bekannt und waren vom Sachverständigen, insbesondere angesichts der ausdrücklichen Fragestellung nach Büroarbeiten – nicht durch gesonderte Diskussion zu würdigen. Aber auch nach den Darlegungen der Beklagten erfüllt die Verteilzeit nicht die notwendigen Voraussetzungen. So kann sie sich schon durchschnittlich nur auf 5% einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden belaufen und damit den Zeitaufwand zweier viertelstündiger Pausen unterschreiten. Zudem steht die persönliche Verteilzeit auch zum "Aufsuchen der Waschräume" zur Verfügung, für das auch die Klägerin zumindest einen Teil der Verteilzeit in Anspruch müsste. Entsprechendes gilt für die erforderlichen Blutzuckermessungen und Insulingaben. Schließlich ist eine Verteilzeit schon dem Begriff nach ständig den betrieblichen Abläufen anzupassen und nicht in zwei zeitlich gering anpassungsfähige Blöcke aufzuteilen. Denn die Klägerin benötigt angesichts ihrer als schwer einstellbar nachgewiesenen Zuckerkrankheit einen regel-mäßigen Stoffwechselausgleich mit geringem zeitlichen Spielraum, dem die Forderung des Sachverständigen nach zwei Arbeitspausen entspricht. Dabei ist auch eine ruhige Umgebung und ein ruhiger Ablauf vorauszusetzen, der allein durch die Aufnahme der jeweils nach der Stoffwechsellage erforderlichen Nahrungsmenge bestimmt wird. Auch die Magenschleimhaut- und Speiseröhrenentzündung bei der Klägerin schränken eine bruchstückhafte und von äußeren Abläufen bestimmte Essweise weiter ein.
Die vom Sachverständigen Dr. med. L. für erforderlich gehaltenen zusätzlichen Arbeitspausen sind auch in der Arbeitswelt unüblich. Insoweit kann dahinstehen, ob dies für die Feststellung einer Summierung von Leistungseinschränkungen bei notwendigen Pausen über die Pausenregelung des Arbeitszeitgesetzes hinaus zusätzlich festzustellen ist, was nach der Rechtsprechung nicht der Fall ist (BSG, Urt. v. 6.6.86, a.a.O.). Es lässt sich nicht feststellen, dass es sich bei solchen Pausenzeiten um übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes handelt. Dies ergibt sich aus der Auskunft der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vom 19. September 2001, wonach die Ausgestaltung der Pausenregelung mittlerweile so weitgehend Betriebsvereinbarungen überlassen ist, dass übliche Ausweitungen der Pausenzeiten nicht zu bestätigen sind. Dies ergibt sich auch aus der Auskunft des Bundesvorstandes des DGB vom 25. September 2001, wonach sich aus Tarifverträgen der wichtigsten Tarifbereiche keine üblichen Ausweitungen der Pausenzeiten ergeben. Auf Tarifverträge ist aber zur Feststellung der Umstände, die die Arbeitswelt der Bundesrepublik allgemein kennzeichnen, vorrangig abzustellen.
Das Erfordernis zusätzlicher Arbeitspausen begründet zusammen mit weiteren Leistungseinschränkungen bei der Klägerin aber die Notwendigkeit der Benennung konkreter Verweisungstätigkeiten, weil es sich dabei um eine Summierung von Leistungseinschränkungen handelt. Denn die Klägerin unterliegt neben der Notwendigkeit zusätzlicher Arbeitspausen weiteren Einschränkungen bei der Ausübung einer leichten vollschichtigen Erwerbstätigkeit, die insbesondere in der Notwendigkeit zu Haltungswechseln bestehen. Eine solche Notwendigkeit folgt aus der Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankung bei der Klägerin und wird schon in dem Gutachten des Chirurgen Prof. Dr. M. , sodann auch vom Sachverständigen Priv. Doz. Dr. med. Sch. überzeugend dargelegt. Zusammen mit dem Erfordernis zusätzlicher Pausen weckt diese Leistungseinschränkung zusätzliche Zweifel an einer betrieblichen Einsetzbarkeit der Klägerin, weil auch dem Erfordernis des Haltungswechsels vielfach nur durch eine Inanspruchnahme persönlicher Verteilzeit Rechnung getragen werden könnte. Auch insoweit erscheint die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die den Anforderungen genügt, erforderlich. Bei einer derartigen Fallgestaltung handelt es sich dabei zugleich um die Prüfung der betrieblichen Einsetzbarkeit im Hinblick auf die erforderlichen Pausen (BSG, Urt. v. 6.6.86, a.a.O.; Urt. v. 19.8.97 – 13 RI 11/96, Urt. v. 30.10.97 – 13 RI 49/97 – Umdr. S. 9).
Konkrete Verweisungstätigkeiten sind im Falle der Klägerin nicht feststellbar. Die Beklagte selbst hat auch auf Aufforderung durch das Gericht eine Benennung nicht für erforderlich gehalten. Die vom Sozialgericht in seinem Urteil im Hinblick auf eine zu prüfende Berufsunfähigkeit benannten Verweisungstätigkeiten sind nicht zur Berücksichtigung zusätzlicher Pausenerfordernisse beziehungsweise einer Summierung von Leistungseinschränkungen ausgewählt. Den Tätigkeiten ist auch der Art kein besonderer Bezug zu von der allgemeinen Arbeitswelt abweichenden Pausenregelungen zu entnehmen. Auch die vom Sachverständigen Priv. Doz. Dr. med. Sch. benannten möglichen Tätigkeiten sind jedenfalls insoweit nicht in Betracht zu ziehen, sodass offen bleiben kann, inwieweit sie darüber hinaus schon den von ihm selbst mitgeteilten Leistungseinschränkungen widersprechen. Dem Senat selbst sind aus seiner Tätigkeit keine Verweisungstätigkeiten mit Bezug zu überdurchschnittlich großzügigen Pausenregelungen, die von den Verhältnissen des allgemeinen Arbeitsmarktes abwichen, bekannt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Entscheidung auf einer gesicherten Rechtslage beruht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die im 1942 geborene Klägerin übte nach einem Schulabschluss nach der 8. Klasse zunächst verschiedene Tätigkeiten als Arbeiterin aus. Seit dem 12. August 1963 war sie als Sachbearbeiterin beschäftigt und seit dem 9. September 1969 als Lohnbuchhalterin. Neben dieser Tätigkeit bildete sie sich nach ihrem Facharbeiterzeugnis vom 21. April 1975 zur Industriekauffrau weiter. Seit dem 1. Oktober 1978 betrieb die Klägerin selbständig eine Heißmangel. Seit dem 29. Januar 1991 war sie arbeitslos. Vom 1. April 1992 an arbeitete die Klägerin als Verkäuferin und Reinigungskraft in einem Möbelhandel, war jedoch seit dem 16. Februar 1993 arbeitsunfähig. Nach erneuter Arbeitslosigkeit seit dem 25. September 1993 war sie zuletzt vom 31. Mai 1994 an als Bäckereiverkäuferin beschäftigt und ist seit dem 6. Juni 1996 durchgehend arbeitsunfähig.
Die Klägerin stellte am 14. November 1996 bei der Beklagten einen Antrag auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und am 18. November 1996 bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation durch die Beklagte.
Die Beklagte zog ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt vom 5. November 1996 bei, in dem der Gutachter M. ausführte, die deutlich vorgealterte Versicherte leide in erster Linie unter einem chronischen Halswirbelsäulen- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit aufgepfropfter Migräne. Jetzt liege offenbar eine noch nicht näher abgeklärte Herzschädigung vor. Das Leiden gehe mit deutlichen Funktionsstörungen einher. Die Erwerbsfähigkeit sei erheblich gefährdet. Weiterhin bezeichnete der Gutachter als Krankheiten ein deutliches Übergewicht, einen arteriellen Bluthochdruck und Ausfallerscheinungen nach einer Unterleibsoperation. Nach Berichten des Kardiologen Dr. med. St. vom 3. Dezember 1996 und 5. März 1997 bestand eine Belastungsschwäche von Seiten der Herzdurchblutung mit Abbruch der Fahrradergometrie in der sechsten Minute bei 75 Watt. Die Internistin SR Dr. med. K. erstellte in dem Reha-Verfahren unter dem 8. Juli 1997 ein Gutachten und gelangte in einem weiteren Gutachten vom 30. September 1997 in dem Rentenverfahren zu der Einschätzung, die Klägerin könne eine Tätigkeit als Reinigungskraft/Verkäuferin nicht mehr, eine leichte körperliche Arbeit, möglichst im Büro, jedoch vollschichtig ausüben. Als neuen Befund erhob sie lediglich krankhafte Leberwerte.
In einem weiteren Gutachten vom 11. November 1997 gelangte auch der Chirurg Prof. Dr. M. zu dem Ergebnis, die Klägerin könne nicht mehr als Verkäuferin in einer Bäckerei, jedoch in wechselnder sitzender, stehender und fortbewegender Körperhaltung ohne Heben von mehr als 15 kg vollschichtig erwerbstätig sein. Er führte aus, orthopädischerseits lägen eine ausgeprägte und druckschmerzhafte Verspannung der Schulter-Nackenmuskulatur sowie der Muskulatur im Lendenwirbelsäulenbereich vor, eine endgradige Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit Schmerzangabe bei den Lendenwirbelkörpern 2 – 4 und endgradiger Rückbeugung und eine Unausgewogenheit der Rückenmuskulatur. Neurologische Ausfallerscheinungen hätten zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht bestanden.
Mit Bescheid vom 26. Januar 1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung bezog die Beklagte sich auf die vollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, durch die sie weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Dagegen legte die Klägerin mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 11. Februar 1998 Widerspruch ein.
Die Beklagte holte einen Befundbericht der praktischen Ärztin OMR Dr. med. R. vom 2. Mai 1998 ein, die als Krankheiten ein chronisch wiederkehrendes Lendenwirbelsäulensyndrom, einen schwer führbaren Bluthochdruck mit Herzkrankheit, wiederkehrende Magenschleimhautentzündungen und Speiseröhrenentzündungen durch Säurerückfluss 2. Grades, Verfettung der Leber und Bauchspeicheldrüse, Nachwirkungen einer Schilddrüsen- und gynäkologischen Totaloperation mitteilte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 1998 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Klägerin könne zumutbare Beschäftigungen vollschichtig verrichten. Bei einem vollschichtig einsatzfähigen Ver-sicherten, der von Tarifverträgen erfasste Tätigkeiten unter betriebsüblichen Bedingungen verrichten könne, begründe der Umstand der Arbeitslosigkeit keine Berufsunfähigkeit. Dementsprechend liege auch keine Erwerbsunfähigkeit vor.
Mit der am 25. August 1998 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Orthopäden Dr. med. F. vom 30. September 1998 eingeholt. Dieser hat auf entsprechende Frage hin ausgeführt, die Klägerin leide unter einem chronischen, nicht besserungsfähigen Wirbelsäulenleiden. Vermehrt körperlich schwere oder mittelschwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten und Laufen längerer Strecken sei nicht mehr möglich. Auch eine vorwiegend sitzende Haltung würde erfahrungsgemäß zu einer Schmerzverstärkung in der Lendenwirbelsäule führen. Aus orthopädischer Sicht sei die Versicherte nicht zu einer regelmäßigen Arbeit in der Lage. Weiterhin hat das Sozialgericht einen Befundbericht des Internisten Doz. Dr. med. habil. G. vom 5. Oktober 1998 eingeholt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 21 f. d. A. verwiesen wird. Es hat dann ein arbeitsamtsärztliches Gutachten vom 10. März 1998 beigezogen, das auf beigezogenen Unterlagen und den Gutachten der Beklagten beruhte. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 25 – 42 d. A. Bezug genommen. Die Gutachterin gelangte zu dem Ergebnis, die Klägerin könne noch vollschichtig leichte Arbeiten zeitweise stehend, gehend und sitzend ohne Zeitdruck, klimatische Einflüsse und Zwangshaltungen ausüben. Wegen eines weiteren Befundberichtes der praktischen Ärztin Dr. med. R. vom 28. Oktober 1998 wird auf Bl. 43 – 47 d. A. verwiesen. Nach einer Bescheinigung der gleichen Ärztin vom 23. Dezember 1998 war bei der Klägerin neu eine Zuckerkrankheit aufgetreten.
Das Gericht hat ein Gutachten des Chefarztes der Orthopädischen Klinik der P. S. , Priv. Doz. Dr. med. Sch. , vom 29. April 1999 eingeholt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 58 – 76 d. A. Bezug genommen wird. Dieser hat ausgeführt, die Klägerin könne körperlich leichte Tätigkeiten im Gehen, Stehen und überwiegend Sitzen wechselweise vollschichtig ausüben. Er halte Tätigkeiten als Telefonistin, Aufseherin im Museum, Empfangsdame und Lagerverwalter für möglich. Nervenwurzelreizsymptome lägen nicht vor. Die Knochendichte sei durchschnittlich.
Die Hausärztin der Klägerin hat weitere Befunde eingereicht, deren Inhalt sich aus Bl. 83 – 93 d. A. ergibt. Nach einem Bericht des Internisten Dr. med. St. vom 23. September 1999 musste die Fahrradergometrie in der vierten Minute bei 50 Watt wegen Luftnot und Erschöpfung abgebrochen werden.
In einem weiteren Bericht vom 9. März 2000 führte die Hausärztin Dr. med. R. aus, der Gesundheitszustand habe sich Ende 1998 erheblich verschlechtert. Seither liege eine insulinpflichtige Zuckerkrankheit vor. Eine länger bekannte Bronchitis habe sich verschlechtert und erfordere lungenfachärztiche Mitbehandlung. Die Zuckerkrankheit sei nicht befriedigend zu führen.
Das Sozialgericht hat ein weiteres Gutachten des Internisten Dr. med. L. vom sozialmedizinischen Dienst der Bundesknappschaft vom 14. April 2000 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 116 – 150 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige hat aus der Sicht seines Fachgebietes einen sekundär insulinpflichtigen Diabetes Mellitus vorgefunden. Die Klägerin sei in der Lage, sich das Insulin selbst zu ver- abreichen und Blutzuckermessungen durchzuführen. Zu einer Stoffwechselentgleisung und Spätkomplikationen sei es bisher nicht gekommen. Die Blutzuckerwerte seien befriedigend. Es bestehe ein Bluthochdruck ohne Komplikationen. Ergometrisch habe er die Klägerin bis 100 Watt belasten können. Glaubhaft seien gelegentlicher Schwankschwindel und eine Neigung zu Kopfschmerzen. Es liege ein axialer Zwerchfellbruch mit einer Speiseröhrenentzündung durch Rückfluss 2. Grades und einer chronischen Magenschleimhautentzündung im Bereich des Antrums vor. Die entsprechend geklagten Beschwerden bestünden in Völlegefühl und Sodbrennen. Als Folge der durchgemachten Schilddrüsenoperation liege keine Beschwerdesymptomatik vor. Etwa ein- bis zweimal pro Quartal leide die Klägerin an Migräne. Eine bronchiale Überempfindlichkeit habe noch nicht zu einer Funktionseinschränkung der Lunge geführt. Eine bestehende Fettleberhepatitis führe ebenfalls nicht zu Beschwerden. Mit dem daraus folgenden Leistungsbild sei die Klägerin zu vollschichtigen, körperlich und geistig leichten Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit zeitweiligem Gehen und Stehen, in geschlossenen Räumen ohne Zwangshaltungen mit zwei zusätzlichen täglichen Pausen von je einer Viertelstunde zur Einnahme kleiner Mahlzeiten in der Lage. So seien etwa leichte Büroarbeiten mit den zusätzlichen Ruhepausen auszuführen. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem 1. April 1999 mit dem Eintritt der Insulinpflichtigkeit des Diabetes mellitus.
Mit Urteil vom 20. Juni 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB VI liege bei der Klägerin nicht vor, weil sie nach Aussage der Sachverständigen noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen verfüge.
Sie sei auch nicht im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI berufsunfähig, weil sie als Angestellte mit einer Ausbildungszeit mit bis zu zwei Jahren auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Zudem könne sie Bürotätigkeiten nach der Vergütungsgruppe IX des Bundesangestelltentarifvertrages ausüben. Diese seien ihr zumutbar.
Gegen das ihr am 6. Juli 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Eingangsdatum vom 3. August 2000 Berufung eingelegt, die sie auf einen Leistungszeitraum vom 1. Februar 2000 an beschränkt hat. Sie hat mit der Begründung einen Bericht der Orthopäden Dres. med. W. und H. vom 28. September 2000 vorgelegt, wonach die Wirbelsäulenbeschwerden unterdessen mit Schmerzmedikamenten behandelt würden. Auf Grund der Beschwerden bestehe eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Erfahrungsgemäß seien auch leichte körperliche Tätigkeiten im Sitzen nur kurzfristig durchführbar. Die Klägerin könne keiner regelmäßigen Tätigkeit mehr nachgehen. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts trägt sie weiter vor, bei zusätzlichen Pausen von zweimal einer Viertelstunde bestünden ernste Zweifel, ob Arbeitsplätze vorhanden seien. Es sei dann eine Verweisungstätigkeit zu benennen. Die Beklagte könne nicht generell auf eine sogenannte Verteilzeit verweisen, die schon nach ihren eigenen Angaben von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Juni 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 1998 abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, ihr von Februar 2000 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, das Urteil des Sozialgerichts sei zutreffend. Wegen der vom Sachverständigen Dr. med. L. geforderten zusätzlichen Pausen sei auf eine durchschnittlich 5 – 12 % der täglichen Arbeitszeit betragende persönliche Verteilzeit zu verweisen, die von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sei. Eine solche Verteilzeit könne sowohl zum Aufsuchen der Waschräume als auch für kleine Zwischenmahlzeiten genutzt werden. Die Notwendigkeit betriebsunüblicher Pausen bestehe nicht. Ein bei der Klägerin neu erhobenes Carpaltunnelsyndrom sei behandelbar.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Auskünften der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 214 – 218 d. A. Bezug genommen. Das Gericht hat einen weiteren Befundbericht der praktischen Ärztin Dr. med. R. vom 8. Februar 2002 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 227 – 238 d. A. Bezug genommen wird. Darin ist nunmehr ein Diabetes mellitus Typ 2b mit Folgeschäden beschrieben. Trotz viermaliger Insulingabe seien zuletzt Blutzuckerwerte bis 400mg/dl gemessen worden.
Dem Gericht haben die Akten der Beklagten bezüglich Rente und Rehabilitation – Vers.-Nr ...– in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vorgelegen. Der Rehaakte war ein Kontospiegel nach dem Stand vom 5. Juni 2000 vorgeheftet.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 1998 beschweren die Klägerin im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit sie der Leistung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von Februar 2000 an entgegenstehen.
Die Klägerin hat gemäß § 44 Abs. 1, 2 S. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 24.3.99 (BGBl. I S. 388) für den jetzt noch geltend gemachten Leistungszeitraum Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die Klägerin erfüllt gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI die allgemeine Wartezeit im Sinne von § 50 Abs. 1 S. 1 SGB VI von fünf Jahren mit Beitragzeiten nach der Voraussetzung des § 51 Abs. 1 SGB VI beziehungsweise Ersatzzeiten im Sinne von § 51 Abs. 4 SGB VI. Nach dem Kontenspiegel der Beklagten vom 5. Juni 2000 lagen bis einschließlich Juni 2000 insgesamt 502 auf die Wartezeit anzurechnende Monate vor. Insoweit kommt es auf den genauen Eintritt der Erwerbsunfähigkeit bei der Klägerin nicht an. Jedenfalls lässt sich aber der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit, vor dem gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB VI die allgemeine Wartezeit erfüllt gewesen sein muss, vor Januar 1999 nicht feststellen. Auch zu dieser Zeit war die allgemeine Wartezeit erfüllt. Bei der Klägerin liegen auch im Sinne von § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI drei Jahre an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor. Insoweit kommen auch Zeiten im Sinne von § 55 Abs. 2 SGB VI, im Falle der Klägerin insbesondere im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI in Betracht, in denen ein Leistungsträger Beiträge für Anrechnungszeiten entrichtet hat. An solchen Zeiten lagen bei der Klägerin im Juni 2000 59 Monate vor. Selbst wenn man den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit dem Januar 1999 für möglich hält, verblieben mehr als drei Jahre, nämlich 41 Monate, an erforderlichen Zeiten innerhalb des Fünfjahreszeitraumes vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit.
Die Klägerin ist auch im Sinne von § 44 Abs. 2 S. 1 SGB VI erwerbsunfähig, weil sie jedenfalls seit Februar 2000 kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze mehr aus regelmäßiger Erwerbstätigkeit erzielen kann. Denn sie kann ihr an sich noch vollschichtiges Leistungsvermögen nicht unter den in Betrieben üblichen Bedingungen verwerten (dazu als hinreichender Voraussetzung der Erwerbsunfähigkeit BSG, Beschluss v. 19.12.96 – GS 2/95 – SozR 3 – 2600 § 44 Nr. 8 S. 28 f.). Dieser Erwägung steht § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB VI nicht entgegen, weil durch das Abstellen auf betriebsübliche Bedingungen nicht die jeweilige Arbeitsmarktlage, sondern die Arbeitswelt im Sinne der Ausgestaltung abhängiger Erwerbstätigkeit betroffen ist. Dieser Fall liegt bei der Klägerin vor, weil die Notwendigkeit zweier zusätzlicher Pausen von jeweils 15 Minuten – auch in Verbindung mit den weiteren bei der Klägerin vorliegenden Leistungseinschränkungen – das Erfordernis der Benennung konkreter Verweisungstätigkeiten nach sich zieht (BSG, Urt. v. 6.6.86 – 5b RI 42/85 – SozR 2 – 2200 § 1246 Nr. 136), die im Falle der Klägerin nicht feststellbar sind.
Die Klägerin benötigt nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen Dr. med. L. zwei zusätzliche Pausen von jeweils einer Viertelstunde. Diese dienen der Einnahme kleiner Zwischenmahlzeiten zur Stoffwechselregulierung angesichts der bei der Klägerin bestehenden Zuckerkrankheit. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Sachverständige als beruflich im Bereich der Sozialmedizin bei einem Rentenversicherungsträger tätiger Arzt die Forderung nach zusätzlichen Ruhepausen auch angesichts denkbarer Verteilzeiten erhoben hat. Solche persönlichen Verteilzeiten an – nach der im Ansatz zutreffenden Darstellung der Beklagten – jedem Büroarbeitsplatz sind allgemein bekannt und waren vom Sachverständigen, insbesondere angesichts der ausdrücklichen Fragestellung nach Büroarbeiten – nicht durch gesonderte Diskussion zu würdigen. Aber auch nach den Darlegungen der Beklagten erfüllt die Verteilzeit nicht die notwendigen Voraussetzungen. So kann sie sich schon durchschnittlich nur auf 5% einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden belaufen und damit den Zeitaufwand zweier viertelstündiger Pausen unterschreiten. Zudem steht die persönliche Verteilzeit auch zum "Aufsuchen der Waschräume" zur Verfügung, für das auch die Klägerin zumindest einen Teil der Verteilzeit in Anspruch müsste. Entsprechendes gilt für die erforderlichen Blutzuckermessungen und Insulingaben. Schließlich ist eine Verteilzeit schon dem Begriff nach ständig den betrieblichen Abläufen anzupassen und nicht in zwei zeitlich gering anpassungsfähige Blöcke aufzuteilen. Denn die Klägerin benötigt angesichts ihrer als schwer einstellbar nachgewiesenen Zuckerkrankheit einen regel-mäßigen Stoffwechselausgleich mit geringem zeitlichen Spielraum, dem die Forderung des Sachverständigen nach zwei Arbeitspausen entspricht. Dabei ist auch eine ruhige Umgebung und ein ruhiger Ablauf vorauszusetzen, der allein durch die Aufnahme der jeweils nach der Stoffwechsellage erforderlichen Nahrungsmenge bestimmt wird. Auch die Magenschleimhaut- und Speiseröhrenentzündung bei der Klägerin schränken eine bruchstückhafte und von äußeren Abläufen bestimmte Essweise weiter ein.
Die vom Sachverständigen Dr. med. L. für erforderlich gehaltenen zusätzlichen Arbeitspausen sind auch in der Arbeitswelt unüblich. Insoweit kann dahinstehen, ob dies für die Feststellung einer Summierung von Leistungseinschränkungen bei notwendigen Pausen über die Pausenregelung des Arbeitszeitgesetzes hinaus zusätzlich festzustellen ist, was nach der Rechtsprechung nicht der Fall ist (BSG, Urt. v. 6.6.86, a.a.O.). Es lässt sich nicht feststellen, dass es sich bei solchen Pausenzeiten um übliche Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes handelt. Dies ergibt sich aus der Auskunft der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vom 19. September 2001, wonach die Ausgestaltung der Pausenregelung mittlerweile so weitgehend Betriebsvereinbarungen überlassen ist, dass übliche Ausweitungen der Pausenzeiten nicht zu bestätigen sind. Dies ergibt sich auch aus der Auskunft des Bundesvorstandes des DGB vom 25. September 2001, wonach sich aus Tarifverträgen der wichtigsten Tarifbereiche keine üblichen Ausweitungen der Pausenzeiten ergeben. Auf Tarifverträge ist aber zur Feststellung der Umstände, die die Arbeitswelt der Bundesrepublik allgemein kennzeichnen, vorrangig abzustellen.
Das Erfordernis zusätzlicher Arbeitspausen begründet zusammen mit weiteren Leistungseinschränkungen bei der Klägerin aber die Notwendigkeit der Benennung konkreter Verweisungstätigkeiten, weil es sich dabei um eine Summierung von Leistungseinschränkungen handelt. Denn die Klägerin unterliegt neben der Notwendigkeit zusätzlicher Arbeitspausen weiteren Einschränkungen bei der Ausübung einer leichten vollschichtigen Erwerbstätigkeit, die insbesondere in der Notwendigkeit zu Haltungswechseln bestehen. Eine solche Notwendigkeit folgt aus der Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankung bei der Klägerin und wird schon in dem Gutachten des Chirurgen Prof. Dr. M. , sodann auch vom Sachverständigen Priv. Doz. Dr. med. Sch. überzeugend dargelegt. Zusammen mit dem Erfordernis zusätzlicher Pausen weckt diese Leistungseinschränkung zusätzliche Zweifel an einer betrieblichen Einsetzbarkeit der Klägerin, weil auch dem Erfordernis des Haltungswechsels vielfach nur durch eine Inanspruchnahme persönlicher Verteilzeit Rechnung getragen werden könnte. Auch insoweit erscheint die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit, die den Anforderungen genügt, erforderlich. Bei einer derartigen Fallgestaltung handelt es sich dabei zugleich um die Prüfung der betrieblichen Einsetzbarkeit im Hinblick auf die erforderlichen Pausen (BSG, Urt. v. 6.6.86, a.a.O.; Urt. v. 19.8.97 – 13 RI 11/96, Urt. v. 30.10.97 – 13 RI 49/97 – Umdr. S. 9).
Konkrete Verweisungstätigkeiten sind im Falle der Klägerin nicht feststellbar. Die Beklagte selbst hat auch auf Aufforderung durch das Gericht eine Benennung nicht für erforderlich gehalten. Die vom Sozialgericht in seinem Urteil im Hinblick auf eine zu prüfende Berufsunfähigkeit benannten Verweisungstätigkeiten sind nicht zur Berücksichtigung zusätzlicher Pausenerfordernisse beziehungsweise einer Summierung von Leistungseinschränkungen ausgewählt. Den Tätigkeiten ist auch der Art kein besonderer Bezug zu von der allgemeinen Arbeitswelt abweichenden Pausenregelungen zu entnehmen. Auch die vom Sachverständigen Priv. Doz. Dr. med. Sch. benannten möglichen Tätigkeiten sind jedenfalls insoweit nicht in Betracht zu ziehen, sodass offen bleiben kann, inwieweit sie darüber hinaus schon den von ihm selbst mitgeteilten Leistungseinschränkungen widersprechen. Dem Senat selbst sind aus seiner Tätigkeit keine Verweisungstätigkeiten mit Bezug zu überdurchschnittlich großzügigen Pausenregelungen, die von den Verhältnissen des allgemeinen Arbeitsmarktes abwichen, bekannt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Entscheidung auf einer gesicherten Rechtslage beruht.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
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