L 1 RA 85/00

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 RA 353/99
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 85/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 28. Juli 2000 wird abgeändert und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2000 abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht und des Vorverfahrens zu vier Fünfteln zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über den Monatswert der Rente aus dem besitzgeschützten Zahlbetrag nach dem Einigungsvertrag.

Der 1928 geborene Kläger war mit einer Urkunde vom 6. Mai 1961 in die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR einbezogen und wurde 1977 zum ordentlichen Professor berufen. Ausweislich einer Bescheinigung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 16. September 1992 belief sich sein Jahresnettoverdienst im Zeitraum vom 1. Juli 1989 bis zum 30. Juni 1990 auf 37.333,- M.

Die Beklagte stellte antragsgemäß für den Kläger vom 1. August 1993 an mit Bescheid vom 5. April 1994 die Regelaltersrente nach dem SGB VI aus dem gesamten Versicherungsverlauf fest und behielt sich die Feststellung des Betrages nach § 4 Abs. 4 AAÜG vor. Den Bescheid ergänzte sie durch einen Bescheid vom 19. September 1994, mit dem sie dem Kläger einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung gewährte.

Mit Eingang bei der Beklagten vom 3. Mai 1994 erhob der Kläger Widerspruch und verlangte die volle Berücksichtigung seines Besitzschutzes nach einem Versorgungssatz von 80 v. H. aus der Altersversorgung der Intelligenz im Rahmen der Anwendung des § 4 Abs. 4 AAÜG.

Mit einer Erklärung vom 12. Juli 1994 gab der Kläger die Aufgabe seines Amtes mit Ablauf des 30. September 1994 bekannt.

Mit Bescheid vom 19. Mai 1995 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch als unzulässig zurück. Sie führte aus, der Kläger könne durch den Rentenbescheid vom 5. April 1994 nicht beschwert sein, weil sie über den Betrag gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG keine Entscheidung getroffen habe.

Mit der am 1. Juni 1995 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat der Kläger die Zahlung einer Rente mindestens in Höhe des besitzgeschützten Betrages von 2.700,- DM und die Feststellung einer besitzgeschützten Versorgungsanwartschaft nach einem Versorgungssatz von 80 v. H. begehrt.

Mit Bescheid vom 24. August 1995 stellte die Beklagte die Rente des Klägers seit Rentenbeginn ohne den Beitragszuschuss mit 2.884,68 DM, dem um 6,84 v. H. erhöhten Besitzschutzhöchstbetrag nach dem AAÜG von 2.700,- DM monatlich, fest. Mit Datum des Poststempels vom 26. September 1995 übersandte sie Ablichtungen ihrer Vorgänge zur Ermittlung des besitzgeschützten Betrages, die sie als "Berechnungsunterlagen für die Vergleichsberechnung" bezeichnete. Danach ermittelte sie mit Rückbezug auf den Juli 1990 eine Sozialpflichtversicherungsrente nach einem Monatsdurchschnittsverdienst von 1.124,- M bei 49 Arbeitsjahren und mit einem Festbetrag von 70,- M in Höhe von insgesamt 621,- M monatlich.

Der Kläger hat sich gegen die Richtigkeit der Vergleichsberechnung gewandt.

In der mündlichen Verhandlung vom 7. November 1995 hat sich die Beklagte zur Erteilung eines Bescheides über die Höhe des besitzgeschützten Betrages aus Rentenversicherung und Zusatzversorgung gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG verpflichtet.

Der Kläger hat die Zahlung des besitzgeschützten Betrages aus Sozialpflichtversicherung und Zusatzversorgung gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG geltend gemacht, bis ihn die neu berechnete Rente nach dem SGB VI erreiche.

Mit Bescheid vom 1. April 1996 hat die Beklagte den besitzgeschützten Betrag nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG berechnet. Dem Versorgungsanspruch hat sie einen maßgebenden Bruttoverdienst von 3.899,08 M zu Grunde gelegt. Den Anspruch auf Zusatzversorgung am 30. Juni 1990 hat sie mit 3.120,- M als - aufgerundet - 80 v. H. dieses Bruttoverdienstes beziffert. Zuzüglich des Rentenbetrages von 621,- M hat sie den besitzgeschützten Betrag mit 3.741,- DM ermittelt, erhöht um 6,84 v. H. mit 3.996,88 DM.

Die Leistung ab Rentenbeginn hat die Beklagte unter – wohl versehentlicher - erneuter Erhöhung des letztgenannten Betrages um 6,84 v. H. nach einem Bruttobetrag von 4.270,27 DM bemessen und dazu ausgeführt, sie zahle diesen Betrag unter Vorbehalt bis zur endgültigen Klärung.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2000 hat die Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. August 1999 - B 4 RA 24/98 R - den angepassten besitzgeschützten Zahlbetrag ermittelt. Insoweit hat sie den Versorgungssatz von 90 v. H. des maßgeblichen Nettoverdienstes von 3.111,08 M - im Ergebnis 2.799,97 M - der Anpassung zu Grunde gelegt. Der Betrag unterschreitet den weiterhin mit 4.270,27 DM festgestellten weiterzuzahlenden Betrag auch nach der im Juli 2002 erfolgten Anpassung.

Gegen diesen Bescheid hat sich der Kläger mit der Begründung gewandt, er beziehe sich auf die Feststellung aus dem Bescheid vom 1. April 1996 über einen Besitzschutzbetrag in Höhe von 3.996,88 DM als Grundlage der vorgenommenen Anpassung.

Mit Gerichtsbescheid vom 28. Juli 2000 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide verpflichtet, den besitzgeschützten Zahlbetrag ab Rentenbeginn in Höhe von 3.741,- DM, dynamisiert nach den Rentenanpassungen der alten Bundesländer, zu gewähren, bis die Rente nach den Vorschriften des SGB VI diesen Betrag übersteigt. Es hat ausgeführt, der Kläger habe gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG Anspruch auf einen angepassten besitzgeschützten Zahlbetrag nach einem Ausgangsbetrag von 3.741,- DM. Darin sei ein Versorgungsanspruch in Höhe von 80 v. H. des maßgeblichen Bruttojahresentgeltes enthalten, den die Beklagte bereits anerkannt habe. Eine Begrenzung des besitzgeschützten Zahlbetrages auf 90 v. H. des maßgeblichen Nettoeinkommens lasse sich nicht begründen. § 24 RAG sei mit diesem Inhalt nicht mehr umgesetzt worden. Auch sonst habe das Rentenangleichungsgesetz bis zum 1. Juli 1990 keine solche Regelung geschaffen. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.11.1995 – 4 RA 33/95 – sei durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28.4.1999 – 1 BvL 32/95; 1 BvR 2105/95 – hinfällig geworden, in dem es ausdrücklich auf den für Juli 1990 zu erbringenden Zahlbetrag abgestellt habe. § 24 Abs. 3 RAG sei auch schon deshalb nicht anzuwenden, weil die dort vorgesehene Begrenzung des Zahlbetrages auf 90 v. H. des maßgeblichen Nettoverdienstes nur nach 1984 entstandene Versorgungsansprüche betroffen habe, wozu derjenige des Klägers nicht gehöre.

Gegen den ihr am 8. August 2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte mit Eingangsdatum vom 4. September 2000 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht habe gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen, indem es sie mit Schreiben vom 28. Juli 2000 zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides angehört, diesen aber schon unter dem 28. Juli 2000 erlassen habe. Sachlich beziehe sie sich weiterhin auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. November 1995. Auch habe zu keinem Zeitpunkt ein unterstellter Anspruch auf Versorgung nach einem Versorgungssatz um 80 v. H. bestanden, weil die Voraussetzung der Emeritierung gemäß § 10 Abs. 1 Buchstabe a in Verbindung mit § 14 Abs. 3 der Verordnung über die Vergütung der Hochschullehrer sowie der wissenschaftlichen und künstlerischen Assistenten und über die Emeritierung der Professoren nicht mehr eingetreten sei. Der Versorgungssatz beschränke sich danach auf 60 v. H.

Sie beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 28. Juli 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts und ergänzt, § 24 Abs. 3 Buchst. b Satz 2 RAG sei im Zusammenhang mit § 27 RAG zu sehen. Kürzungen seien danach insbesondere bei informellen Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR vorzunehmen. Die Handhabung durch die Beklagte führe hingegen dazu, dass diese höhere, angepasste Renten erhielten, weil sie noch emeritiert worden seien. Ein Wechsel der Auslegung je nach dem Einsetzen der Zahlungen vor oder ab Juli 1990 sei nicht verfassungsgemäß, weil die Vertrauensschutzfrist nach den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 bis zum 30. Juni 1995 reiche. Schließlich zweifle er an der Verfassungsmäßigkeit der Anpassung des besitzgeschützten Betrages nach den Anpassungssätzen für den Bereich der früheren Bundesländer.

Die Akte der Beklagten – Vers.-Nr. – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat im Sinne der Abänderung des Gerichtsbescheides Erfolg.

Von der Möglichkeit der Zurückverweisung gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, weil eine Sachentscheidung durch den Senat zu wirkungsvollerem Rechtsschutz für beide Beteiligte führt. Denn trotz des von der Beklagten mit Recht gerügten Verstoßes gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes hat das Sozialgericht über die Erwägungen und Einwände der Beklagten sachlich vollständig entschieden. Dies lässt sich ihrer Berufungsschrift entnehmen, in der die Beklagte die Überlegungen wiederholt hat, mit denen sich das Sozialgericht auseinandergesetzt, die es aber nicht geteilt hat.

Der Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2000 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin den Zahlbetrag der Rente zutreffend bestimmt hat.

Nur der Bescheid vom 16. Februar 2000 ist gemäß § 96 Abs. 1 SGG noch Gegenstand des Verfahrens, weil er den Bescheid der Beklagten vom 1. April 1996 durch eine vollständige Regelung der Besitzschutzbeträge ersetzt hat. Dieser Bescheid ist seinerseits gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens gewesen, weil die Beklagte mit ihm die erstmalige Feststellung besitzgeschützter Zahlbeträge in dem Bescheid vom 24. August 1995 ersetzt hat. Dieser Bescheid war Gegenstand des gegen die Bescheide vom 5. April 1994 und 19. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 1995 gerichteten Klageverfahrens geworden, weil er diese Bescheide zur Ermittlung eines Rentenhöchstwertes um die erstmalige Feststellung eines besitzgeschützten Zahlbetrages ergänzte. Dabei kann dahinstehen, ob die vorangegangene Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des besitzgeschützten Betrages in einer bestimmten Höhe bereits zulässig war, obwohl die Beklagte nach dem Inhalt ihres Bescheides vom 5. April 1994 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 1995 eine solche Entscheidung möglicherweise überhaupt nicht abgelehnt hatte. § 96 Abs. 1 SGG ist nämlich jedenfalls dann zumindest nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift anzuwenden, wenn in einem Bescheid eine Regelung getroffen wird, deren Anspruchsinhalt vorher Streitgegenstand ist, weil die Beteiligten gerade darüber streiten, ob schon vorher eine Regelung darüber ergangen ist.

Der Kläger hat gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 3-5 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in der Fassung der Änderung durch das 2. AAÜG-Änderungsgesetz vom 27.7.01 (BGBl. I S. 1939) keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren anzupassenden Betrages. Diese Vorschrift ist auf den Fall des Klägers gemäß Art. 13 Abs. 5 2. AAÜG-ÄndG anzuwenden, weil der Rentenbescheid vom 1. April 1996 am 28. April 1999 noch nicht bindend war. Insoweit bedarf es keines erneuten vorangehenden Verwaltungsverfahrens, weil die Beklagte den Rentenhöchstwert jedenfalls in dem Bescheid vom 16. Februar 2000 unter allen Gesichtspunkten dieser Vorschrift geprüft hat und kein Neubescheidungsantrag des Klägers vorliegt. Dem Bescheid vom 16. Februar 2000 liegen nämlich bereits die Grundsätze des Urteils des Bundessozialgerichts vom 3. August 1999 zu Grunde, die der Gesetzgeber in der genannten Vorschrift redaktionell neu gefasst hat. Insoweit ist es Sache der Beklagten selbst zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wann sie eine Überprüfung ihrer Rentenhöchstwertfestsetzung nach § 48 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) für erforderlich hält.

Zutreffend hat die Beklagte gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 5 AAÜG die unterstellte Anspruchshöhe zum 1. Juli 1990 als Grundlage des anzupassenden Betrages ermittelt. Insoweit kann die damalige Höhe des Rentenanspruchs dahinstehen, weil der Gesamtzahlbetrag aus Rente und Versorgung nach den maßgebenden leistungsrechtlichen Regelungen des Versorgungssystems im Sinne von § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AAÜG auf den Betrag von gerundet 2.800,- M als 90 v. H. des maßgeblichen Nettodurchschnittseinkommens von 3.111,08 M beschränkt war. Diesen Gesamtbetrag erreicht jedenfalls der damalige Rentenanspruch nicht.

Die Beschränkung folgt aus § 25 Abs. 1 Nr. 3 des Rentenangleichungsgesetzes (RAG) vom 28.6.90 (GBl. der DDR I S. 495). Denn danach besteht ein (Rest-) Zusatzversorgungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen der Rente aus der Sozialversicherung beziehungsweise gesetzlichen Rentenversicherung und 90 Prozent des Nettoverdienstes. Diese Vorschrift – und nicht § 24 RAG – ist anzuwenden, weil sie die ab 1. Juli 1990 entstehenden Ansprüche betrifft. Denn nur, aber auch alle diese Ansprüche gehen aus den bis zum 30. Juni 1990 erworbenen Anwartschaften hervor, die § 25 RAG regelt. Der Einwand des Klägers und des Sozialgerichts, der zusätzliche Versorgungsanspruch des Klägers sei im Sinne von § 24 Abs. 3 Buchstabe b RAG schon vor 1985 entstanden, trifft nicht zu, weil ein Versorgungsanspruch des Klägers frühestens 1993 entstanden wäre und es sich vorher lediglich um eine Anwartschaft im Sinne von § 25 Abs. 1 RAG handelte. Insoweit versteht der Kläger – ihm folgend das Sozialgericht – den Begriff des Anspruchs im Sinne der §§ 24, 25 RAG grundlegend falsch. Beide Vorschriften unterscheiden sich in ihrer Anwendbarkeit und ihrem Regelungsgehalt nicht durch den Zeitpunkt der Versorgungszusage, sondern durch den Beginn des Anspruchs auf Zahlungen. Durch die Versorgungszusage ist lediglich eine Anwartschaft begründet worden, deren weiteres rechtliches Schicksal § 25 RAG regelt, soweit bis zu seinem Inkrafttreten am 1. Juli 1990 der erste Zahlungsanspruch auf Versorgung noch nicht spätestens für Juni 1990 entstanden war. Gleichwohl unterscheidet sich die Regelung inhaltlich nicht von der des § 24 Abs. 3 Buchst. b Untersatz 2 RAG, soweit der erste monatliche Anspruch auf Versorgung erst für Januar 1985 oder später entstanden war. Denn für alle diese Ansprüche regeln §§ 24, 25 RAG ausnahmslos die Zahlbetragsobergrenze von 90 v.H. des maßgeblichen Nettoverdienstes. Das Entstehen eines auf eine konkrete Zahlung gerichteten Anspruches vor 1993 nimmt aber der Kläger selbst für sich nicht in Anspruch.

Um die Prüfung eines zum Juli 1990 entstandenen Anspruchs geht es hier, weil gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 4, 5 AAÜG der für Juli 1990 als zahlbar zu unterstellende Anspruch zu ermitteln ist. Darin liegt im Übrigen entgegen der Auffassung des Klägers kein Widerspruch zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. 4. 1999 (1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95BVerfGE 100, 1, 46) in Bezug auf eine Einbeziehung der bis Juni 1995 entstehenden Ansprüche in den Vertrauensschutz. Denn die Frage, bis wann aus einem geschützten "Besitz" noch Ansprüche entstehen können bzw. wann der Schutz abbricht, hat nichts mit der Frage zu tun, wie der Umfang des Besitzschutzes bestimmt wird, zu deren Beantwortung allein auf einen unterstellten Anspruchsmonat Juli 1990 abgestellt wird.

§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RAG ist gemäß Anl. II Kap. VIII Sachg. H Abschn. III Maßg. 9b S. 2 zum Einigungsvertrag (Gesetz vom 23.9.90, BGBl. II S. 585) unmittelbar anwendbares Zusatzversorgungsrecht. Denn ungeachtet der Frage einer unmittelbaren Anwendbarkeit der in § 25 RAG im Rahmen einer Anwartschaftsüberführung getroffenen Regelungen zur Leistung und Anspruchshöhe von Renten der Sozialversicherung regelt die Vorschrift jedenfalls die höchstmögliche Versorgung unmittelbar. Die mit der Vorschrift vorgenommene Begrenzung des Versorgungssatzes hängt nach den Berechnungsregelungen des § 25 RAG nämlich nicht von dem Verhältnis der Höhe des neuen Rentenanspruches zum Versorgungsanspruch ab, sondern nur von dem der Zusatzversorgung schon vorher eigenen Umstand, überhaupt einen Anspruch über die Rente aus der Sozialversicherung hinaus zu begründen.

§ 25 Abs. 1 Nr. 3 RAG zählt auch zu den am 31. Dezember 1991 maßgebenden leistungsrechtlichen Regelungen im Sinne von § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AAÜG, weil die Vorschrift gemäß Art. 41 Nr. 3 des Renten-Überleitungsgesetzes vom 25.7.91 (BGBl. I S. 1606) erst zum 1. Januar 1992 außer Kraft getreten ist.

Entgegen der Meinung des Klägers greift § 25 Abs. 1 Nr. 3 RAG nicht nur im Zusammenhang mit einer Begrenzungsprüfung im Einzelfall nach § 27 RAG, sondern gilt schon seinem Wortlaut nach als äußerste Höchstgrenze für jeden einzelnen Gesamtzahlbetrag aus Rente und Versorgung. Die Versorgungsbegrenzung auf 90 v. H. des Nettoverdienstes ist auch dann vorzunehmen, wenn frühere Versorgungsregelungen für einen begrenzten Personenkreis höhere Versorgungsbeträge zuließen. Insoweit setzt die Vorschrift §§ 10 Abs. 1 Buchst. a; 14 Abs. 3 der Verordnung über die Vergütung der Hochschullehrer sowie der wissenschaftlichen und künstlerischen Assistenten und über die Emeritierung der Professoren (-VO- v. 12.7.51, GBl. der DDR S. 677) außer Kraft. Dies folgt aus dem – ursprünglichen - sachlichen Zusammenhang von § 25 Abs. 1 Nr. 3 RAG mit § 24 Abs. 3 Buchst. b Untersatz 2 RAG, weil danach die Begrenzung ausdrücklich die Außerkraftsetzung von Versorgungsregelungen zum Inhalt hat, die einen Gesamtbetrag über 90 Prozent des Nettoverdienstes zuließen. Die vom Kläger befürchtete versorgungsrechtliche Bevorzugung regimenahen Hochschulpersonals gegenüber regimekritischen Professoren ergibt sich daraus nicht, weil im Zuge der Auflösung der Deutschen Demokratischen Republik die gleichzeitige Erfüllung aller Voraussetzungen eines Versorgungshöchstsatzes von 80 v.H. des maßgeblichen Bruttoeinkommens nach § 14 Abs. 2, 3 VO, nämlich Vollendung des 65. Lebensjahres oder dauernde Arbeitsunfähigkeit und Emeritierung, nur in einzelnen Fällen zufällig rechtmäßig eintreten konnte. Ältere Ansprüche darauf standen hingegen auch nach Meinung des Klägers ohnehin – weiterhin – regimekritischen Professoren ebenfalls zu.

Der zur Bestimmung des maßgebenden Nettoverdienstes maßgebliche Zeitraum ist der Jahreszeitraum vor Eintritt des – hier unterstellten – Versorgungsfalles. Zwar trifft § 25 Abs. 1 Nr. 3 RAG dazu keine Aussage, knüpft aber an die entsprechende Regelung in § 24 Abs. 3 Buchst. b RAG mit dem Zusatz "vor Eintritt des Versorgungsfalles" an. Das ebenso wie bei der Ausgangsermittlung der Versorgungshöhe nach dem Bruttoeinkommen auf den Jahreszeitraum (vgl. z.B. § 10 Abs. 1 Buchst. a VO) abzustellen ist, folgt aus der gleichgerichteten Zwecksetzung, zufällige Einkommensschwankungen, die den Lebensstandard nicht geprägt haben, nicht für das Versorgungsniveau über Jahrzehnte ausschlaggebend werden zu lassen.

Über den Betrag, der sich im Sinne von § 4 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG im Wege der Unterstellung zum 1. Juli 1990 als Gesamtzahlbetrag ergibt, hat die Beklagte vor dem Bescheid vom 16. Februar 2000 noch keine Entscheidung im Sinne von § 31 S. 1 SGB X getroffen. Der Bescheid vom 1. April 1996 war nur insoweit im Sinne dieser Vorschrift auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, als die Beklagte darin ihre Aufgabe aus § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AAÜG erfüllt hat, einen um 6,84 v. H. erhöhten Betrag als weiterzuzahlenden Betrag festzustellen. Denn nur daraus ergeben sich Rechtswirkungen im Sinne eines Rentenanspruches. Die verschiedenen Schritte zur Ermittlung dieses Betrages, darunter die Berechnung und versorgungsrechtliche Bewertung der Anwartschaft nach dem Stand vom Juli 1990, betrifft hingegen nur die unverbindliche Begründung der verbindlichen Regelung. Auch aus § 4 Abs. 4 S. 5 AAÜG lässt sich keine verbindliche Tatbestandswirkung einer früheren Berechnung der zum 1. Juli 1990 bestehenden Anwartschaft entnehmen. Wenn nämlich dort auf einen nach S. 1 und 2 der Vorschrift "ermittelten" Betrag abgestellt wird, besagt dies nur, vor der Durchführung der in dieser Vorschrift geregelten nachfolgenden Rechenschritte müsse ein solcher Betrag ermittelt sein, ohne zugleich auf eine vorherige Ermittlung für den weiterzuzahlenden Betrag im Sinne von § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AAÜG Bezug zu nehmen. Eine Tatbestandswirkung früherer Ermittlungsergebnisse wäre auch nicht zweckgerecht, weil die Beklagte angesichts der von ihr bei der früheren Anwendung von § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AAÜG vorgenommenen Begrenzungen auf einen Rentenbetrag von 2.884,68 DM vielfach gar nicht über die Anwendung eines bestimmten Versorgungssatzes nach dem Stand vom Juli 1990 entschieden hat.

Die Beklagte hat die gemäß § 4 Abs. 4 S. 5 AAÜG vorzunehmende Berechnung des anzupassenden Betrages rechnerisch ohne Belastung des Klägers vorgenommen. Offen bleiben kann insoweit, auf welchen aktuellen Rentenwert zur Ermittlung des Ausgangsbetrages diese Vorschrift eigentlich abstellt; sie selbst enthält dazu keine Aussage. Ein früherer aktueller Rentenwert, als der im ersten Halbjahr 1992 geltende, kann jedenfalls schon deshalb nicht gemeint sein, weil für einen früheren Zeitraum mangels rechtlicher Grundlage kein aktueller Rentenwert bestimmt worden ist.

Auch aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 und Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) folgt kein Anspruch auf Rente, der den mit Bescheid vom 16. Februar 2000 festgestellten Rentenhöchstwert übersteigt. Denn der Eigentumsschutz der Anwartschaft auf Zusatzversorgung (BVerfG, a.a.O., S. 33 ff.) wird durch das Regelungswerk zu ihrer Überführung als Inhaltsbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG nicht schon dann unverhältnismäßig eingeschränkt (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 40), wenn die Anpassung der besitzgeschützten Anwartschaft auf Sozialpflichtversicherungsrente und Zusatzversorgung nach dem Stand vom 30. Juni 1990 nicht die im Falle des Klägers festgestellte Rente übersteigt.

Dahinstehen kann insoweit, ob sich aus Anl. II Kap. VIII Sachg. H Abschn. III Maßg. 9b S. 5 zum Einigungsvertrag (Gesetz v. 23.9.90, BGBl. II S. 885) im Wege der verfassungskonformen Auslegung ein Anspruch auf Anpassung des besitzgeschützten Betrages (BVerfG, a.a.O., S. 43 f.) ableiten lässt. Ob das Wortlautverständnis eines Zahlbetrages nicht zwingend auf einen Nominalwert hinweist und erst recht nicht einen Wechsel von einem Nominalwertverständnis zu einem Realwertverständnis zu einem nicht in seinem Zusammenhang geregelten Stichtag ermöglicht, ist zumindest zu erwägen.

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die einzige, den Fall des Klägers betreffende, andere Vorschrift über die Anpassung des besitzgeschützten Betrages, nämlich § 4 Abs. 4 S. 3-5 AAÜG in jedem Fall mit den genannten Grundrechten in Einklang steht. Denn jedenfalls entnimmt der Senat ihnen keinen Anspruch auf eine Rentenhöhe, die über die festgestellte hinausgeht. Zumindest übersteigt ein etwaig aus dem Eigentumsschutz abzuleitender Anpassungssatz nicht denjenigen, der sich aus einer Realwertgarantie ableitet (so BverfG, a.a.O., S. 41, 47). Die für den Kläger berechnete Rente übersteigt einen solchen Betrag, der sich aus einer Realwertgarantie der im Dezember 1991 bestehenden Anwartschaft allenfalls errechnete. Welcher Inhalt mindestens der Realwertgarantie im Sinne der genannten Rechtsprechung zukommt, kann dahinstehen. Insoweit käme zu Gunsten des Klägers zunächst in Betracht, den Betrag von 2.800,- DM zum Ausgleich des vom 1. Januar 1992 an zu tragenden Beitragsanteils zur Krankenversicherung der Rentner um 6,84 v. H. auf 2.991,52 DM zu erhöhen.

Nach Auffassung des Senates beschränkt sich die Prüfung der weiteren Entwicklung einer Realwertgarantie vom 1. Januar 1992 an höchstens auf die Veränderung des Indexwertes, der nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in den östlichen Bundesländern erhoben wird. Der Senat hat bereits entschieden, dass ein solcher Anspruch jedenfalls nicht über das Maß hin-auszugehen hätte, um das sich der Indexwert für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in den östlichen Bundesländern verändert (Urt. v. 30.10.02 – L 1 RA 49/97 – Umdr. S. 10). Denn die Ausrichtung des Besitzschutzes an diesem Wert verhindert die vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O., S. 42) für verfassungsrechtlich bedenklich gehaltene inflationsbedingte Wertverringerung der Sozialleistung, deren Verhinderung auch Sinn einer Realwertgarantie ist.

Danach errechnet sich hier bis zur letzten mündlichen Verhandlung kein höherer Zahlbetrag, weil die Anpassung eines Betrages von 2.991,52 DM die Grenze von 4.270,27 DM nicht erreicht. Dies lässt sich errechnen, indem man den Betrag von 2.800,- DM durch den Preisindex für die Lebenshaltung für die neuen Länder und Berlin-Ost nach den Erhebungen des statistischen Bundesamtes für Dezember 1991 von 84,1 teilt und den Quotienten mit dem Indexwert für Dezember 2002 von 111,3 wieder vervielfältigt. Dann ergibt sich ein Bruttorentenbetrag von 3.959,05 DM.

Auf den Betrag von 4.270,27 DM kommt es als Vergleichsgrundlage an, weil die Beklagte diesen Betrag mit Bescheid vom 16. Februar 2000 endgültig als weiterzuzahlenden Betrag bestimmt hat. Insoweit kann dahinstehen, ob der im Bescheid vom 14. März 1996 angebrachte Vorbehalt einer Zahlung dieses Betrages "bis zur endgültigen Klärung" wirksam war. Dagegen könnten Bedenken aufkommen, weil nicht deutlich wird, von welchen Umständen genau ein endgültiger Verbleib des Betrages beim Kläger beziehungsweise eine Rückforderung abhängen soll.

Dies kann aber dahinstehen, weil die Beklagte in ihrem Bescheid vom 16. Februar 2000 den gleichen Betrag vorbehaltlos geleistet hat. Der Bescheid enthält eine Neuregelung des Betrages nach § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AAÜG, weil die Beklagte nach der Eingangsbegründung ihres Bescheides ausdrücklich geprüft hat, "ob bisherige Beträge weiterzuzahlen sind." Danach wie auch nach den ergänzenden Begründungen und Hinweisen, in denen die Beklagte zum Ausdruck bringt, Gegenstand des Bescheides sei auch die Aufhebung der vorläufigen Zahlbetragsbegrenzung und dabei unter anderem von Bedeutung, welche Beträge in der Vergangenheit tatsächlich geflossen seien, kann der Bescheidempfänger nur schließen, die neue Bescheidung sei vorbehaltlos und endgültig.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht, weil die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 31.7.02 – B 4 RA 2/02 R) geklärt sind.
Rechtskraft
Aus
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