Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 RA 78/99
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 27/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2001 wird abgeändert. Soweit das Gericht die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide zur Leistung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den Monat Juni 1999 hinaus verurteilt hat, wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge und das Vorverfahren zu einem Drittel zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbs- beziehungsweise Berufsunfähigkeit.
Die im Juni 1941 geborene Klägerin legte von September 1955 an eine dreijährige Ausbildung zur Friseurin zurück und arbeitete nach deren Abschluss weiterhin in diesem Beruf, zuletzt von Februar 1972 bis Januar 1982. Von Februar 1982 bis Dezember 1991 arbeitete sie als Werkstattbuchhalterin in einem Gießereibetrieb. Im Anschluss daran bezog sie bis zum 9. September 1994, vom 9. September 1995 bis zum 30. Dezember 1995 und vom 1. August 1996 bis zum 31. Januar 1997 Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit. In der ersten Jahreshälfte 1995 war sie als Gussputzerin beitragspflichtig beschäftigt.
Im November 1996 trat bei der Klägerin eine Lungenfibrose auf, die Arbeitsunfähigkeit nach sich zog. Nach einem Entlassungsbericht der Klinik für Atemwegserkrankungen (Pneumologie) des H. W. vom 9. Juli 1997 lagen bei der Klägerin eine beginnende eigenständige Lungenfibrose und eine überempfindliche Reaktion auf Cortison vor. Die Lungenfunktionsprüfung ergab eine mittelschwere, teilweise rückbildungsfähige Verlegung (Obstruktion) der großen Atemwege und leichtgradige unveränderliche Verlegung der kleinen Atemwege, keine Beeinträchtigung der Atemwegsdehnung (Restriktion), keine Überblähung. Bei einer Medikation mit einem cortisonhaltigen Medikament in niedrigen Dosen war eine Einstellung möglich.
Bei einer Begutachtung am 27. Oktober 1997 gelangte die Gutachterin des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu dem Ergebnis, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei hochgradig gefährdet und bereits deutlich gemindert. Die Gutachterin gab als Ergebnis einer Spirometrie vom gleichen Monat eine geringgradige, überwiegend restriktive Ventilationsstörung bei normalen Blutgaswerten an. Die Klägerin teile auch unter extrem niedriger Dosierung ihrer Medikamente weiterhin Nebenwirkungen und erhebliche Atemnot mit. Als Befund erhob die Gutachterin eine leichte Belastungsatemnot und eine teigige Schwellung von Gesicht und Unterschenkeln.
Aus einem Befundbericht des Internisten und Pneumologen Dr. N. vom 26. November 1997 ging eine geringe Befundrückbildung mit insgesamt stabilem Befinden, fortbestehender Belastungsluftnot und etwas Reizhusten ohne Auswurf hervor.
Mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 2. Dezember 1997 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehungsweise Berufsunfähigkeit.
In einem Befundbericht vom 3. Dezember 1997 beschrieb der praktische Arzt Dr. med. B. neben den schon erwähnten Krankheitsbildern zeitweiligen Schulterschmerz, Gelenkbeschwerden in Fingern und ein Halswirbelsäulensyndrom. In einem Bericht vom 13. Februar 1998 teilte Dr. med. N. insgesamt keine Verschlechterung des Befindens bei reduzierter Medikation mit.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Internisten und Laborarztes Dr. med. W. vom Harzklinikum Wernigerode vom 6. März 1998 ein, der zu dem Ergebnis gelangte, über die berufliche Einsetzbarkeit der Klägerin könne erst nach einer stationären Rehabilitation entschieden werden. Er führte aus, die Befunde seien nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nicht fortgeschritten. Nach einer Belastung im Rahmen der Fahrrad-ergometrie mit 50 Watt über zwei Minuten habe die Belastung wegen Atemnot abgebrochen werden müssen. Puls, Blutdruck und EKG seien aber normal gewesen. Nach der Lungenfunktionsprüfung mit einer Bodyplethysmographie hätte eine mittelgradige, teilweise rückbildungsfähige Verlegung der kleinen Atemwege und eine leichtgradige Lungenüberblähung bestanden.
Die Klägerin führte im Juni 1998 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung durch. In dem Entlassungsbericht vom 1. Juli 1998 gelangten die behandelnden Ärzte zu dem Ergebnis, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten in beliebiger Haltung und mit beliebiger Schichtbelastung unter Vermeidung von klimatischen beziehungsweise Umwelteinflüssen vollschichtig ausüben. Die Lungenfunktionsprüfung sei durchweg normal ausgefallen, bei allerdings ausgeprägter Hyperventilation. Das Belastungs-EKG habe nach einer sechsminütigen Belastung mit 50 Watt nach Klagen über Atemnot und bei ausgeprägter Hyperventilation abgebrochen werden müssen. Die Herzfrequenz sei auf 148 Schläge pro Minute angestiegen. Das Hyperventilationssyndrom sei weiter abzuklären. Es sei am ehesten psychogen zu werten.
Mit Bescheid vom 22. Juli 1998 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und führte aus, sie könne in ihrem bisherigen Berufsbereich weiterhin vollschichtig tätig sein.
Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialerkrankungen MR Dr. med. L. vom 5. Oktober 1998 eingeholt, der zu dem Ergebnis gelangte, die Klägerin könne als Buchhalterin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch halb- bis unter vollschichtig tätig sein. Dabei sei sie auf Arbeiten in sitzender Haltung beschränkt. In der Bodyplethysmographie finde sich eine leichte Restriktion. Das Belastungs-EKG habe wegen Atemnot, völliger Erschöpfung und beginnender Hyperventilation bei einer Belastung mit 50 Watt abgebrochen werden müssen. Die Hyperventilation müsse weiter abgeklärt werden. Als demonstrative Reaktion möge er sie aber nicht werten.
Weiterhin holte die Beklagte ein Gutachten des Nervenarztes Dr. med. Sch. vom 5. Januar 1999 ein, der auf seinem Fachgebiet keine Auffälligkeiten von Krankheitswert fand.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1999 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Klägerin sei noch zu leichten körperlichen Tätigkeiten überwiegend im Sitzen unter Meidung atemwegsreizender Stoffe vollschichtig in der Lage.
Mit der am 11. März 1999 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt, wegen deren Einzelheiten auf die Berichte der Internistin Dr. med. K. vom 16. November 1999, Bl. 27-30 d.A., von Dr. med. N. vom 12. November 1999, Bl. 31-44 d.A., der Gynäkologin Dipl.-Med. K. vom 17. November 1999, Bl. 45-47 d.A. und den Bericht des praktischen Arztes Dr. med. B. vom 17. November 1999, Bl. 49-55 d.A. Bezug genommen wird. Dr. med. Neumann hat insbesondere über das Absetzen der Cortisontherapie Anfang 1999 bei weiterhin normalen oder nur leichtgradig eingeschränkten Lungenfunktionswerten berichtet. Dr. med. B. hat berichtet, seit Februar 2000 habe sich der Zustand der Klägerin wieder verschlechtert. Nach einem beigefügten Protokoll eines Belastungs-EKG´s vom 2. März 2000 hyperventilierte die Klägerin bei einer Belastung mit 75 Watt. Die Pulsfrequenz erhöhte sich bei einer Belastung mit 50 Watt auf 131 Schläge pro Minute. Bei dieser Belastung fanden sich auch fragliche Herzkreislaufschwächezeichen. Aus dem Befundbericht ergibt sich auch eine im Röntgenbild belegte Knochengewebeminderung (Osteoporose).
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Internisten und Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. W. vom 18. Juli 2000 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 66-82 d.A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige hat insbesondere die Auffassung vertreten, die Hyperventilation mit der Folge einer atmungsbedingten Kohlendioxidminderung (respiratorische Alkalose) sei bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden. Aufgrund der Lungenfibrose mit Belastungsatemnot und der Osteoporose bestehe nur noch ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen. Auch seien zusätzliche Arbeitspausen von jeweils 15 Minuten nach drei Stunden Tätigkeit erforderlich.
Mit Urteil vom 8. Februar 2001 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu leisten. Es ist insbesondere dem Sachverständigen in der Beurteilung des Leistungsvermögens gefolgt und hat die Rente befristet, weil der Anspruch angesichts des unter vollschichtigen Leistungsvermögens auch von der Arbeitsmarktlage abhängig sei. Es hat weiterhin ausgeführt, die Rente sei als befristete Rente gemäß §§ 99 und 101 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu leisten.
Gegen das ihr am 15. März 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Eingangsdatum vom 17. April 2001 (dem Tag nach Ostern) Berufung eingelegt. Sie führt aus, die Erkrankung der Klägerin habe in Ruhe keine Beeinträchtigung der Lungenfunktion zur Folge. Nur bei Belastung mit 50 Watt entstehe Atemnot und komme es gelegentlich zu Zeichen einer Hyperventilation mit Ausbildung einer respiratorischen Alkalose. Bei der Tätigkeit als Buchhalterin trete maximal eine Belastung von 50 Watt auf. Eine Beschränkung des Leistungsvermögens auf unter vollschichtig sei nicht nachvollziehbar, weil eine Hyperventilation entweder immer auftrete oder bei der geringen Belastung als Buchhalterin überhaupt nicht. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich, weil auch während der vollschichtigen Arbeitszeit 80 Minuten nicht für die Arbeit genutzter Zeiten anfielen.
Die Beklagte hat der Klägerin mit Bescheid vom 27. Juli 2001 ab Juli 2001 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt. In der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2004 hat sie die Berufung teilweise zurückgenommen.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie auf die Verurteilung zur Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum ab Juli 1999 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide gerichtet ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das Gutachten des Sachverständigen und reicht eine Bescheinigung des praktischen Arztes Dr. med. B. vom 8. April 2002 über die von ihm seit 1996 behandelten Dauererkrankungen zur Akte.
Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 29. Dezember 2001 eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 161-163 d.A. Bezug genommen wird. Er hat im wesentlichen ausgeführt, eine Lungenfibrose könne auch bei noch regelrechten Lungenfunktionsdaten schon deutliche Beschwerden wie Atemnot und beschleunigte Atmung sogar unter Ruhebedingungen verursachen. Dafür sei auch nicht nur die körperliche Belastung, sondern auch eine psychische Anspannung am Arbeitsplatz wesentlich. Auch unter einer solchen könne es ohne weiteres zu einem Hyperventilationssyndrom kommen. Zusätzliche Pausen seien bei diesem Krankheitsbild zur Änderung der Körperhaltung und Durchführung leichter Atemübungen erforderlich. Gegen ein Fortschreiten der Osteoporose sei eine gewisse körperliche Bewegung und Belastung erforderlich.
Die Renten- und Reha-Akte der Beklagten – Vers.-Nr. – haben in der mündlichen Behandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat im verbliebenen Umfang Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1999 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit er der Zahlung einer Rente wegen Erwerbs-, hilfsweise Berufsunfähigkeit für den Zeitraum ab Juli 1999 entgegensteht.
Die Klägerin hatte gemäß § 43 Abs. 1, 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 24.3.99 (BGBl. I S. 388) seither schon keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit mehr, weil keine gesundheitlichen Einschränkungen feststellbar sind, die sie entgegen § 43 Abs. 2 S. 4 SGB VI an der regelmäßigen vollschichtigen Ausübung ihres Berufes als Buchhalterin hindern könnten. Dabei handelt es sich – zu ihren Gunsten unterstellt – um den bisherigen Beruf der Klägerin, den sie unbeeinflusst durch krankheitsbedingte Erwerbsminderung zuletzt dauerhaft ausgeübt hat. Dahinstehen kann dabei, ob ihr dieser Beruf im Zusammenhang des § 43 Abs. 2 S. 1, 2 SGB VI Berufsschutz vermitteln würde und ob die jedenfalls ohne Anknüpfung an eine vorherige Anlern- oder Ausbildungszeit aufgenommene Beschäftigung im Jahre 1995 den bisherigen Beruf im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1, 2 SGB VI bestimmen kann.
Bei der Tätigkeit im bisherigen Beruf handelt es sich nach den Berufsinformationskarten zur Berufsordnung der Buchhalter/innen (772), herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit 1995, um eine leichte, überwiegend sitzend ausgeführte körperliche Arbeit in geschlossenen Räumen. Soweit der Sachverständige eine solche Tätigkeit nur noch unter Einschränkungen der Schichtdauer und zusätzlicher Pausen für möglich hält, überzeugen seine Erwägungen nicht und stehen im Widerspruch zu den bekannten und von ihm selbst erhobenen Befunden.
Der Sachverständige berücksichtigt nicht die Besserung der belastungsergometrischen Leistungsfähigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Begutachtung. Diese ergibt sich insbesondere aus den Befundberichten des Facharztes für Lungenkrankheiten Dr. med. N. , der bereits ausweislich seines Berichtes vom 18. Januar 1999 die Beendigung der Cortisontherapie veranlasste. Bereits zu dieser Zeit bestand nur noch eine geringe Belastungsatemnot bei normalen Lungenfunktionswerten. Der Arzt riet der Klägerin dabei zu körperlichem Training zur Konditionsverbesserung. Ausweislich seines Berichtes vom 2. Juni 1999 waren die Symptome trotz der abgesetzten Cortisonmedikation sogar zurückgegangen. So erhob der Arzt einen relativ guten Allgemeinzustand ohne Atemnot. Diese wurde auch nur bei längerem Gehen sowie beim Treppensteigen geklagt. Für die von dem praktischen Arzt Dr. med. B. berichtete erneute Verschlechterung ab Februar 2000 fehlen entsprechende Befunde. Ein Belastungs-EKG in der Praxis von Dr. med. K. am 2. März 2000 musste erst auf der Stufe von 75 Watt wegen Luftnot und Hyperventilation abgebrochen werden. Nach dem Bericht von Dr. med. N. vom 17. Dezember 1999 konnte die Klägerin wandern und leichte Hausarbeiten wie Staubsaugen und Bügeln erledigen. Der Allgemeinzustand wurde weiterhin als gut beschrieben, Atemnot war nicht festzustellen. Dr. N. empfahl "mäßige, aber regelmäßige körperliche Belastung im Sinne von Wandern bzw. andere Ausdauerbelastung."
Schwerwiegendere Befunde ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen. Eine Hyperventilation trat anlässlich der Begutachtung erst bei einer Belastung mit 90 Watt auf. Bei einem guten Allgemeinzustand verzeichnete der Sachverständige keine Atemnot bei Belastungsfreiheit. Nach seiner eigenen Einschätzung kann Luftnot bei den erhobenen Befunden auch nur bei mittelstarker bis starker Belastung auftreten.
Mit diesem gebesserten Leistungsvermögen sind nach sozialmedizinischen Erkenntnissen wenigstens leichte Arbeiten möglich. Denn das Auftreten von Beschwerden und Krankheitsanzeichen bei einer Belastung mit 75 Watt lässt nur auf eine Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung schließen (Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 5. Aufl., 1995, S. 202; Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1996, Rdnr. 26.9). Unbeachtlich ist dabei, dass die Belastungsuntersuchungen selbst wie auch die angegebene Literatur Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Gegenstand haben. Denn für die Beurteilung des krankheitsbedingten Leistungsvermögens kommt es nicht auf die Art der Krankheit, sondern auf die Fähigkeit zur Bewältigung von Verrichtungen an, die durch die vorgegebene Belastung überprüft wird.
Der Senat folgt nicht der Einschätzung des Sachverständigen bezüglich der Notwendigkeit einer Tätigkeit im Haltungswechsel, soweit damit mehr als die auch einer Buchhalterin eingeräumte Möglichkeit zu gelegentlichem Aufstehen zum Herbeiholen von Unterlagen oder zu Toilettengängen gemeint sein sollte. Die Einschätzung der Internistin Koch in ihrem Befundbericht vom 16. November 1999, wonach insbesondere eine leichte sitzende Tätigkeit möglich sei, ist im Hinblick auf die atemwegsbedingt erforderliche Vermeidung von Anstrengungen überzeugender.
Der Sachverständige begründet insgesamt die Beschränkung auf ein untervollschichtiges Leistungsvermögen nicht überzeugend. Der Hinweis auf jederzeit mögliche anfallsartige Atembeschwerden allein durch seelische und psychische Belastungen betrifft – wie die Beklagte zutreffend einwendet – nicht die Leistungsausdauer, sondern die Möglichkeit der Arbeitsleistung überhaupt. Nach der von Dr. N. belegten gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin fehlen aber für eine jederzeitige Symptomanfälligkeit mit einer Aufhebung des Leistungsvermögens objektive Anhaltspunkte. Denn einer Patientin mit einer noch vorhandenen Gefährdung durch unvorhergesehene Anfälle stärkerer Krankheitsanzeichen, wie sie für eine Aufhebung des Leistungsvermögens erforderlich wären, würde kaum der ärztliche Rat zu einer gewissen Belastung zu Trainingszwecken erteilt.
Auch fehlt ein Beleg für eine besondere Empfindlichkeit der Klägerin gegenüber psychischen Belastungen. Denn der Meinung von Dr. med. B. , bestimmte psychische Fähigkeiten seien bei der Klägerin vermindert, steht das nur ein Jahr ältere Gutachten des Nervenarztes Dr. med. Sch. gegenüber, dem solche Einschränkungen nicht aufgefallen sind. Eine Verschlechterung während dieser Zeit ist nicht feststellbar, weil sich die Hauptkrankheit – die Atemwegserkrankung – sogar gebessert hat und zu keiner Zeit eine neurologisch-psychiatrische Behandlung veranlasst wurde.
Von der vom Sachverständigen gesehenen Bedeutung der Osteoporose für das Leistungsvermögen der Klägerin kann sich der Senat nicht überzeugen. Eine fachärztliche Behandlung der Osteoporose hatte die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nie in Anspruch genommen. Im Gegenteil hat der einzige behandelnde Orthopäde Dr. med. N. in einem dem Sachverständigen vorgelegten Bericht vom 8. Mai 2000 eine Osteoporose trotz ihm bekannter Röntgenfremdaufnahmen nicht einmal erwähnt. In der Bescheinigung des praktischen Arztes Dr. med. B. vom April 2002 über den Behandlungszeitraum seit Januar 1996 findet die Erkrankung auch keine Erwähnung mehr.
Auch die Notwendigkeit zusätzlicher Pausen begründet der Sachverständige nicht überzeugend. Denn angesichts einer gesetzlichen Pause etwa zur Hälfte der Arbeitszeit nach vier Stunden leuchtet nicht ein, weshalb die Arbeitszeit vor, zwischen und nach den Pausen drei, eine, zwei und zwei Stunden betragen sollte. Sollte der Sachverständige hingegen Pausen überhaupt nur nach drei Stunden für erforderlich halten, entspricht die Vorgabe von jeweils zwei viertelstündigen Pausen nach drei Stunden Arbeitszeit der gesetzlichen Vorgabe einer insgesamt halbstündigen Pausenzeit während des Arbeitstages und ist bei der Organisation einer Tätigkeit ohne Publikumsverkehr ohne Schwierigkeiten einzuhalten. Zu den von Dr. med. W. für erforderlich gehaltenen Bewegungs- und Haltungswechseln bedarf es auch keiner zusätzlichen Pausen, weil es sich bei der Tätigkeit als Buchhalterin um kein ausschließlich sitzendes Berufsbild handelt. Auch im Übrigen entspricht die Tätigkeit in geschlossenen Räumen den gesundheitlichen Anforderungen bei der Klägerin.
Einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gem. § 44 Abs. 1 S. 1, 2 SGB VI in der genannten Fassung bzw. einer Rente wegen Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 1-3 SGB VI steht das beschriebene Leistungsvermögen mit der damit verbundenen Fähigkeit zu vollschichtigen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erst recht entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und richtet sich nach dem Ausmaß des jeweiligen Obsiegens.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Entscheidung auf der Würdigung tatsächlicher Umstände auf gesicherter Rechtsgrundlage beruht.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen Erwerbs- beziehungsweise Berufsunfähigkeit.
Die im Juni 1941 geborene Klägerin legte von September 1955 an eine dreijährige Ausbildung zur Friseurin zurück und arbeitete nach deren Abschluss weiterhin in diesem Beruf, zuletzt von Februar 1972 bis Januar 1982. Von Februar 1982 bis Dezember 1991 arbeitete sie als Werkstattbuchhalterin in einem Gießereibetrieb. Im Anschluss daran bezog sie bis zum 9. September 1994, vom 9. September 1995 bis zum 30. Dezember 1995 und vom 1. August 1996 bis zum 31. Januar 1997 Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit. In der ersten Jahreshälfte 1995 war sie als Gussputzerin beitragspflichtig beschäftigt.
Im November 1996 trat bei der Klägerin eine Lungenfibrose auf, die Arbeitsunfähigkeit nach sich zog. Nach einem Entlassungsbericht der Klinik für Atemwegserkrankungen (Pneumologie) des H. W. vom 9. Juli 1997 lagen bei der Klägerin eine beginnende eigenständige Lungenfibrose und eine überempfindliche Reaktion auf Cortison vor. Die Lungenfunktionsprüfung ergab eine mittelschwere, teilweise rückbildungsfähige Verlegung (Obstruktion) der großen Atemwege und leichtgradige unveränderliche Verlegung der kleinen Atemwege, keine Beeinträchtigung der Atemwegsdehnung (Restriktion), keine Überblähung. Bei einer Medikation mit einem cortisonhaltigen Medikament in niedrigen Dosen war eine Einstellung möglich.
Bei einer Begutachtung am 27. Oktober 1997 gelangte die Gutachterin des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu dem Ergebnis, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei hochgradig gefährdet und bereits deutlich gemindert. Die Gutachterin gab als Ergebnis einer Spirometrie vom gleichen Monat eine geringgradige, überwiegend restriktive Ventilationsstörung bei normalen Blutgaswerten an. Die Klägerin teile auch unter extrem niedriger Dosierung ihrer Medikamente weiterhin Nebenwirkungen und erhebliche Atemnot mit. Als Befund erhob die Gutachterin eine leichte Belastungsatemnot und eine teigige Schwellung von Gesicht und Unterschenkeln.
Aus einem Befundbericht des Internisten und Pneumologen Dr. N. vom 26. November 1997 ging eine geringe Befundrückbildung mit insgesamt stabilem Befinden, fortbestehender Belastungsluftnot und etwas Reizhusten ohne Auswurf hervor.
Mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 2. Dezember 1997 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehungsweise Berufsunfähigkeit.
In einem Befundbericht vom 3. Dezember 1997 beschrieb der praktische Arzt Dr. med. B. neben den schon erwähnten Krankheitsbildern zeitweiligen Schulterschmerz, Gelenkbeschwerden in Fingern und ein Halswirbelsäulensyndrom. In einem Bericht vom 13. Februar 1998 teilte Dr. med. N. insgesamt keine Verschlechterung des Befindens bei reduzierter Medikation mit.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Internisten und Laborarztes Dr. med. W. vom Harzklinikum Wernigerode vom 6. März 1998 ein, der zu dem Ergebnis gelangte, über die berufliche Einsetzbarkeit der Klägerin könne erst nach einer stationären Rehabilitation entschieden werden. Er führte aus, die Befunde seien nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nicht fortgeschritten. Nach einer Belastung im Rahmen der Fahrrad-ergometrie mit 50 Watt über zwei Minuten habe die Belastung wegen Atemnot abgebrochen werden müssen. Puls, Blutdruck und EKG seien aber normal gewesen. Nach der Lungenfunktionsprüfung mit einer Bodyplethysmographie hätte eine mittelgradige, teilweise rückbildungsfähige Verlegung der kleinen Atemwege und eine leichtgradige Lungenüberblähung bestanden.
Die Klägerin führte im Juni 1998 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung durch. In dem Entlassungsbericht vom 1. Juli 1998 gelangten die behandelnden Ärzte zu dem Ergebnis, die Klägerin könne leichte bis mittelschwere Arbeiten in beliebiger Haltung und mit beliebiger Schichtbelastung unter Vermeidung von klimatischen beziehungsweise Umwelteinflüssen vollschichtig ausüben. Die Lungenfunktionsprüfung sei durchweg normal ausgefallen, bei allerdings ausgeprägter Hyperventilation. Das Belastungs-EKG habe nach einer sechsminütigen Belastung mit 50 Watt nach Klagen über Atemnot und bei ausgeprägter Hyperventilation abgebrochen werden müssen. Die Herzfrequenz sei auf 148 Schläge pro Minute angestiegen. Das Hyperventilationssyndrom sei weiter abzuklären. Es sei am ehesten psychogen zu werten.
Mit Bescheid vom 22. Juli 1998 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab und führte aus, sie könne in ihrem bisherigen Berufsbereich weiterhin vollschichtig tätig sein.
Die Beklagte hat ein weiteres Gutachten des Facharztes für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialerkrankungen MR Dr. med. L. vom 5. Oktober 1998 eingeholt, der zu dem Ergebnis gelangte, die Klägerin könne als Buchhalterin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch halb- bis unter vollschichtig tätig sein. Dabei sei sie auf Arbeiten in sitzender Haltung beschränkt. In der Bodyplethysmographie finde sich eine leichte Restriktion. Das Belastungs-EKG habe wegen Atemnot, völliger Erschöpfung und beginnender Hyperventilation bei einer Belastung mit 50 Watt abgebrochen werden müssen. Die Hyperventilation müsse weiter abgeklärt werden. Als demonstrative Reaktion möge er sie aber nicht werten.
Weiterhin holte die Beklagte ein Gutachten des Nervenarztes Dr. med. Sch. vom 5. Januar 1999 ein, der auf seinem Fachgebiet keine Auffälligkeiten von Krankheitswert fand.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 1999 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Klägerin sei noch zu leichten körperlichen Tätigkeiten überwiegend im Sitzen unter Meidung atemwegsreizender Stoffe vollschichtig in der Lage.
Mit der am 11. März 1999 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt, wegen deren Einzelheiten auf die Berichte der Internistin Dr. med. K. vom 16. November 1999, Bl. 27-30 d.A., von Dr. med. N. vom 12. November 1999, Bl. 31-44 d.A., der Gynäkologin Dipl.-Med. K. vom 17. November 1999, Bl. 45-47 d.A. und den Bericht des praktischen Arztes Dr. med. B. vom 17. November 1999, Bl. 49-55 d.A. Bezug genommen wird. Dr. med. Neumann hat insbesondere über das Absetzen der Cortisontherapie Anfang 1999 bei weiterhin normalen oder nur leichtgradig eingeschränkten Lungenfunktionswerten berichtet. Dr. med. B. hat berichtet, seit Februar 2000 habe sich der Zustand der Klägerin wieder verschlechtert. Nach einem beigefügten Protokoll eines Belastungs-EKG´s vom 2. März 2000 hyperventilierte die Klägerin bei einer Belastung mit 75 Watt. Die Pulsfrequenz erhöhte sich bei einer Belastung mit 50 Watt auf 131 Schläge pro Minute. Bei dieser Belastung fanden sich auch fragliche Herzkreislaufschwächezeichen. Aus dem Befundbericht ergibt sich auch eine im Röntgenbild belegte Knochengewebeminderung (Osteoporose).
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Internisten und Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. W. vom 18. Juli 2000 eingeholt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 66-82 d.A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige hat insbesondere die Auffassung vertreten, die Hyperventilation mit der Folge einer atmungsbedingten Kohlendioxidminderung (respiratorische Alkalose) sei bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden. Aufgrund der Lungenfibrose mit Belastungsatemnot und der Osteoporose bestehe nur noch ein unter vollschichtiges Leistungsvermögen. Auch seien zusätzliche Arbeitspausen von jeweils 15 Minuten nach drei Stunden Tätigkeit erforderlich.
Mit Urteil vom 8. Februar 2001 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 2001 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu leisten. Es ist insbesondere dem Sachverständigen in der Beurteilung des Leistungsvermögens gefolgt und hat die Rente befristet, weil der Anspruch angesichts des unter vollschichtigen Leistungsvermögens auch von der Arbeitsmarktlage abhängig sei. Es hat weiterhin ausgeführt, die Rente sei als befristete Rente gemäß §§ 99 und 101 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu leisten.
Gegen das ihr am 15. März 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Eingangsdatum vom 17. April 2001 (dem Tag nach Ostern) Berufung eingelegt. Sie führt aus, die Erkrankung der Klägerin habe in Ruhe keine Beeinträchtigung der Lungenfunktion zur Folge. Nur bei Belastung mit 50 Watt entstehe Atemnot und komme es gelegentlich zu Zeichen einer Hyperventilation mit Ausbildung einer respiratorischen Alkalose. Bei der Tätigkeit als Buchhalterin trete maximal eine Belastung von 50 Watt auf. Eine Beschränkung des Leistungsvermögens auf unter vollschichtig sei nicht nachvollziehbar, weil eine Hyperventilation entweder immer auftrete oder bei der geringen Belastung als Buchhalterin überhaupt nicht. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich, weil auch während der vollschichtigen Arbeitszeit 80 Minuten nicht für die Arbeit genutzter Zeiten anfielen.
Die Beklagte hat der Klägerin mit Bescheid vom 27. Juli 2001 ab Juli 2001 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt. In der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2004 hat sie die Berufung teilweise zurückgenommen.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 8. Februar 2001 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit sie auf die Verurteilung zur Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für den Zeitraum ab Juli 1999 unter Abänderung der angefochtenen Bescheide gerichtet ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf das Gutachten des Sachverständigen und reicht eine Bescheinigung des praktischen Arztes Dr. med. B. vom 8. April 2002 über die von ihm seit 1996 behandelten Dauererkrankungen zur Akte.
Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 29. Dezember 2001 eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 161-163 d.A. Bezug genommen wird. Er hat im wesentlichen ausgeführt, eine Lungenfibrose könne auch bei noch regelrechten Lungenfunktionsdaten schon deutliche Beschwerden wie Atemnot und beschleunigte Atmung sogar unter Ruhebedingungen verursachen. Dafür sei auch nicht nur die körperliche Belastung, sondern auch eine psychische Anspannung am Arbeitsplatz wesentlich. Auch unter einer solchen könne es ohne weiteres zu einem Hyperventilationssyndrom kommen. Zusätzliche Pausen seien bei diesem Krankheitsbild zur Änderung der Körperhaltung und Durchführung leichter Atemübungen erforderlich. Gegen ein Fortschreiten der Osteoporose sei eine gewisse körperliche Bewegung und Belastung erforderlich.
Die Renten- und Reha-Akte der Beklagten – Vers.-Nr. – haben in der mündlichen Behandlung und bei der Beratung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat im verbliebenen Umfang Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 1999 beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, soweit er der Zahlung einer Rente wegen Erwerbs-, hilfsweise Berufsunfähigkeit für den Zeitraum ab Juli 1999 entgegensteht.
Die Klägerin hatte gemäß § 43 Abs. 1, 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 24.3.99 (BGBl. I S. 388) seither schon keinen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit mehr, weil keine gesundheitlichen Einschränkungen feststellbar sind, die sie entgegen § 43 Abs. 2 S. 4 SGB VI an der regelmäßigen vollschichtigen Ausübung ihres Berufes als Buchhalterin hindern könnten. Dabei handelt es sich – zu ihren Gunsten unterstellt – um den bisherigen Beruf der Klägerin, den sie unbeeinflusst durch krankheitsbedingte Erwerbsminderung zuletzt dauerhaft ausgeübt hat. Dahinstehen kann dabei, ob ihr dieser Beruf im Zusammenhang des § 43 Abs. 2 S. 1, 2 SGB VI Berufsschutz vermitteln würde und ob die jedenfalls ohne Anknüpfung an eine vorherige Anlern- oder Ausbildungszeit aufgenommene Beschäftigung im Jahre 1995 den bisherigen Beruf im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 1, 2 SGB VI bestimmen kann.
Bei der Tätigkeit im bisherigen Beruf handelt es sich nach den Berufsinformationskarten zur Berufsordnung der Buchhalter/innen (772), herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit 1995, um eine leichte, überwiegend sitzend ausgeführte körperliche Arbeit in geschlossenen Räumen. Soweit der Sachverständige eine solche Tätigkeit nur noch unter Einschränkungen der Schichtdauer und zusätzlicher Pausen für möglich hält, überzeugen seine Erwägungen nicht und stehen im Widerspruch zu den bekannten und von ihm selbst erhobenen Befunden.
Der Sachverständige berücksichtigt nicht die Besserung der belastungsergometrischen Leistungsfähigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Begutachtung. Diese ergibt sich insbesondere aus den Befundberichten des Facharztes für Lungenkrankheiten Dr. med. N. , der bereits ausweislich seines Berichtes vom 18. Januar 1999 die Beendigung der Cortisontherapie veranlasste. Bereits zu dieser Zeit bestand nur noch eine geringe Belastungsatemnot bei normalen Lungenfunktionswerten. Der Arzt riet der Klägerin dabei zu körperlichem Training zur Konditionsverbesserung. Ausweislich seines Berichtes vom 2. Juni 1999 waren die Symptome trotz der abgesetzten Cortisonmedikation sogar zurückgegangen. So erhob der Arzt einen relativ guten Allgemeinzustand ohne Atemnot. Diese wurde auch nur bei längerem Gehen sowie beim Treppensteigen geklagt. Für die von dem praktischen Arzt Dr. med. B. berichtete erneute Verschlechterung ab Februar 2000 fehlen entsprechende Befunde. Ein Belastungs-EKG in der Praxis von Dr. med. K. am 2. März 2000 musste erst auf der Stufe von 75 Watt wegen Luftnot und Hyperventilation abgebrochen werden. Nach dem Bericht von Dr. med. N. vom 17. Dezember 1999 konnte die Klägerin wandern und leichte Hausarbeiten wie Staubsaugen und Bügeln erledigen. Der Allgemeinzustand wurde weiterhin als gut beschrieben, Atemnot war nicht festzustellen. Dr. N. empfahl "mäßige, aber regelmäßige körperliche Belastung im Sinne von Wandern bzw. andere Ausdauerbelastung."
Schwerwiegendere Befunde ergeben sich auch nicht aus dem Gutachten des Sachverständigen. Eine Hyperventilation trat anlässlich der Begutachtung erst bei einer Belastung mit 90 Watt auf. Bei einem guten Allgemeinzustand verzeichnete der Sachverständige keine Atemnot bei Belastungsfreiheit. Nach seiner eigenen Einschätzung kann Luftnot bei den erhobenen Befunden auch nur bei mittelstarker bis starker Belastung auftreten.
Mit diesem gebesserten Leistungsvermögen sind nach sozialmedizinischen Erkenntnissen wenigstens leichte Arbeiten möglich. Denn das Auftreten von Beschwerden und Krankheitsanzeichen bei einer Belastung mit 75 Watt lässt nur auf eine Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung schließen (Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 5. Aufl., 1995, S. 202; Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1996, Rdnr. 26.9). Unbeachtlich ist dabei, dass die Belastungsuntersuchungen selbst wie auch die angegebene Literatur Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Gegenstand haben. Denn für die Beurteilung des krankheitsbedingten Leistungsvermögens kommt es nicht auf die Art der Krankheit, sondern auf die Fähigkeit zur Bewältigung von Verrichtungen an, die durch die vorgegebene Belastung überprüft wird.
Der Senat folgt nicht der Einschätzung des Sachverständigen bezüglich der Notwendigkeit einer Tätigkeit im Haltungswechsel, soweit damit mehr als die auch einer Buchhalterin eingeräumte Möglichkeit zu gelegentlichem Aufstehen zum Herbeiholen von Unterlagen oder zu Toilettengängen gemeint sein sollte. Die Einschätzung der Internistin Koch in ihrem Befundbericht vom 16. November 1999, wonach insbesondere eine leichte sitzende Tätigkeit möglich sei, ist im Hinblick auf die atemwegsbedingt erforderliche Vermeidung von Anstrengungen überzeugender.
Der Sachverständige begründet insgesamt die Beschränkung auf ein untervollschichtiges Leistungsvermögen nicht überzeugend. Der Hinweis auf jederzeit mögliche anfallsartige Atembeschwerden allein durch seelische und psychische Belastungen betrifft – wie die Beklagte zutreffend einwendet – nicht die Leistungsausdauer, sondern die Möglichkeit der Arbeitsleistung überhaupt. Nach der von Dr. N. belegten gesundheitlichen Entwicklung der Klägerin fehlen aber für eine jederzeitige Symptomanfälligkeit mit einer Aufhebung des Leistungsvermögens objektive Anhaltspunkte. Denn einer Patientin mit einer noch vorhandenen Gefährdung durch unvorhergesehene Anfälle stärkerer Krankheitsanzeichen, wie sie für eine Aufhebung des Leistungsvermögens erforderlich wären, würde kaum der ärztliche Rat zu einer gewissen Belastung zu Trainingszwecken erteilt.
Auch fehlt ein Beleg für eine besondere Empfindlichkeit der Klägerin gegenüber psychischen Belastungen. Denn der Meinung von Dr. med. B. , bestimmte psychische Fähigkeiten seien bei der Klägerin vermindert, steht das nur ein Jahr ältere Gutachten des Nervenarztes Dr. med. Sch. gegenüber, dem solche Einschränkungen nicht aufgefallen sind. Eine Verschlechterung während dieser Zeit ist nicht feststellbar, weil sich die Hauptkrankheit – die Atemwegserkrankung – sogar gebessert hat und zu keiner Zeit eine neurologisch-psychiatrische Behandlung veranlasst wurde.
Von der vom Sachverständigen gesehenen Bedeutung der Osteoporose für das Leistungsvermögen der Klägerin kann sich der Senat nicht überzeugen. Eine fachärztliche Behandlung der Osteoporose hatte die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt nie in Anspruch genommen. Im Gegenteil hat der einzige behandelnde Orthopäde Dr. med. N. in einem dem Sachverständigen vorgelegten Bericht vom 8. Mai 2000 eine Osteoporose trotz ihm bekannter Röntgenfremdaufnahmen nicht einmal erwähnt. In der Bescheinigung des praktischen Arztes Dr. med. B. vom April 2002 über den Behandlungszeitraum seit Januar 1996 findet die Erkrankung auch keine Erwähnung mehr.
Auch die Notwendigkeit zusätzlicher Pausen begründet der Sachverständige nicht überzeugend. Denn angesichts einer gesetzlichen Pause etwa zur Hälfte der Arbeitszeit nach vier Stunden leuchtet nicht ein, weshalb die Arbeitszeit vor, zwischen und nach den Pausen drei, eine, zwei und zwei Stunden betragen sollte. Sollte der Sachverständige hingegen Pausen überhaupt nur nach drei Stunden für erforderlich halten, entspricht die Vorgabe von jeweils zwei viertelstündigen Pausen nach drei Stunden Arbeitszeit der gesetzlichen Vorgabe einer insgesamt halbstündigen Pausenzeit während des Arbeitstages und ist bei der Organisation einer Tätigkeit ohne Publikumsverkehr ohne Schwierigkeiten einzuhalten. Zu den von Dr. med. W. für erforderlich gehaltenen Bewegungs- und Haltungswechseln bedarf es auch keiner zusätzlichen Pausen, weil es sich bei der Tätigkeit als Buchhalterin um kein ausschließlich sitzendes Berufsbild handelt. Auch im Übrigen entspricht die Tätigkeit in geschlossenen Räumen den gesundheitlichen Anforderungen bei der Klägerin.
Einem Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gem. § 44 Abs. 1 S. 1, 2 SGB VI in der genannten Fassung bzw. einer Rente wegen Erwerbsminderung gem. § 43 Abs. 1-3 SGB VI steht das beschriebene Leistungsvermögen mit der damit verbundenen Fähigkeit zu vollschichtigen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erst recht entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und richtet sich nach dem Ausmaß des jeweiligen Obsiegens.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht, weil die Entscheidung auf der Würdigung tatsächlicher Umstände auf gesicherter Rechtsgrundlage beruht.
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