L 1 RA 40/01

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 RA 201/99
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 40/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Zusatzversorgungsträger bei der Klägerin Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz festzustellen hat.

Die 1946 geborene Klägerin schloss am 13. Juli 1970 an der Fachschule für Bibliothekare an wissenschaftlichen Bibliotheken (B. ) die staatliche Abschlussprüfung als Dokumentalistin erfolgreich ab. Die Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung Berlin verlieh ihr deshalb mit einer Urkunde vom 11. Januar 1994 die Berechtigung, den Grad Dipl.-Dokumentar (FH) zu führen. Ab 1. September 1970 und über den 30. Juni 1990 hinaus arbeitete die Klägerin beim VEB Waggonbau D. im Bereich Information/Dokumentation. Der Nachfolgebetrieb Waggonbau D. GmbH bescheinigte ihr unter dem 12. August 1991 für diesen Zeitraum eine Ingenieurtätigkeit. Ab 1. Februar 1984 trat die Klägerin der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung bei.

Mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 17. Februar 1999 beantragte die Klägerin für den Zeitraum ihrer Tätigkeit beim VEB Waggonbau D. die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Aufgrund ihrer Tätigkeit habe sie nach der einschlägigen Versorgungsordnung Anspruch auf Einbeziehung in diese Altersversorgung gehabt. Eine entsprechende Versorgungszusage habe sie jedoch nicht erhalten.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 17. Juni 1999 diesen Antrag mit der Begründung ab, die Qualifikation als Diplom-Dokumentarin erfülle nicht die Voraussetzung des Titels eines Ingenieurs oder Technikers nach dem Wortlaut der Versorgungsordnung. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch: Die Ablehnungsentscheidung genüge offensichtlich nicht den Anforderungen einer Einzelfallprüfung, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu erfolgen habe. Vielmehr sei diese zu ihrem Nachteil interpretiert worden. Ihre Ingenieurtätigkeit sei durch die Arbeitsgeberbescheinigung nachgewiesen. Das Bundessozialgericht habe in einem Urteil (vom 30. 6. 98 - B 4 RA 11/98 R) einem Diplom-Chemiker Ansprüche aus der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz zuerkannt, obwohl in seiner Berufsbezeichnung "Ingenieur" nicht enthalten sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999 mit der Begründung zurück, eine dem Wortlaut der Versorgungsordnung entsprechende Qualifikation liege nicht vor. Die von der Klägerin ausgeübte Beschäftigung könne lediglich zu den so genannten Ermessensfällen gerechnet werden. Eine bis zur Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 nicht getroffene Ermessensentscheidung könne durch den bundesdeutschen Versorgungsträger nicht nachgeholt bzw. ersetzt werden.

Mit der am 23. Dezember 1999 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Entscheidung der Beklagten verstoße gegen § 5 Abs. 1 AAÜG. Zugehörigkeitszeiten im Sinne des § 5 AAÜG lägen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts stets vor, wenn konkret eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei, derentwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen sei, die in den Anlagen 1 und 2 zum AAÜG aufgelistet sei. Der Kerngehalt dieser Überlegungen lasse daher ausschließlich den Blick auf die von dem Antragsteller geleistete Tätigkeit sowie auf die in den Anlagen 1 und 2 des AAÜG aufgelisteten Tätigkeiten zu. Ein irgendwie gearteter Ermessensspielraum bleibe unberücksichtigt. Auf die Ausbildung komme es gerade nicht an, sondern ausschließlich auf die konkrete Ausübung eines vom Versorgungssystem begünstigten Berufes.

Mit Urteil vom 14. November 2000 hat das Sozialgericht Dessau die Klage als zulässig, aber unbegründet abgewiesen. Es hat ausgeführt, in dem in § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (2. DB) genannten Personenkreis würden Dokumentare nicht ausdrücklich genannt. Bei der nach der BSG-Rechtsprechung gebotenen objektiven Auslegung könne die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit nicht als Ingenieurtätigkeit im Sinne von § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der 2. DB bezeichnet werden. Gegen diese Interpretation spreche der Wortlaut der Vorschrift. Darüber hinaus sei die Bescheinigung der Waggonbau D. GmbH vom 12. August 1991 nicht nachvollziehbar. Weder die berufliche Qualifikation als Dipl.-Dokumentarin noch ihre anschließende berufliche Verwendung entsprechend ihrer Ausbildung könnten als Ingenieurtätigkeit beurteilt werden. Der Anspruch auf Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz sei auch nicht nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der 2. DB begründet. Denn danach hätte der Klägerin zwar eine Versorgungszusage erteilt werden können. Die Vorschrift sei jedoch ausdrücklich als Ermessensvorschrift ausgestaltet, so dass gerade kein obligatorischer Anspruch auf Einbeziehung bestanden habe.

Gegen das ihr am 17. April 2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 16. Mai 2001 beim Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie trägt vor, entgegen der Feststellung des Sozialgerichts habe sie die ihr verbriefte Ingenieurtätigkeit ausgeübt. Sie habe daher Anspruch, in den Genuss des Zusatzversorgungssystems zu kommen. Richtig sei, dass sie den staatlichen Abschluss zur Dokumentalistin abgelegt habe. Dementsprechend laute ihre Berufsbezeichnung Dipl.-Dokumentarin und nicht Dipl.-Ingenieurin. Trotz dieser begrifflichen Unterscheidung habe sie bei dem VEB Waggonbau D. eine über die übliche Tätigkeit einer Dokumentalistin hinausgehende Tätigkeit als Ingenieurin ausgeübt. Anders sei es nicht zu erklären, dass sie vom Waggonbau D. einen Nachweis über die Ingenieurtätigkeit ausgestellt bekommen habe. Die konkrete Tätigkeit beim VEB Waggonbau D. habe nicht nur darin bestanden, vorhandenes Schriftmaterial zu sortieren, einzuordnen und im Bedarfsfalle herauszusuchen und den Ingenieuren zuzuleiten. Der VEB Waggonbau D. habe neben seiner Bibliothek die Abteilung Dokumentation geführt, welche zur Beschleunigung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts u. a. die Aufgabe gehabt habe, Zielvorgaben und Jahrespläne für den jeweiligen Betrieb zu erstellen. In der Begrifflichkeit der DDR sei die Aufgabe der Dokumentationsabteilung letztlich der Anfang einer jeden "großen wissenschaftlichen und technischen Aufgabe" gewesen. Aufgabe sei nicht nur die wissenschaftliche Begleitung, sondern im weitesten Sinne auch die Entwicklung und (Er-)Findung neuen technischen Geräts gewesen. Trotz fehlender Ingenieurausbildung habe die Tätigkeit technisches Verständnis vorausgesetzt, da ansonsten die Erarbeitung von wissenschaftlich-technischen Zielsetzungen gar nicht möglich gewesen wäre. Außerdem schließe die Rechtsprechung des BSG es keineswegs aus, den erbrachten Nachweis über eine Ingenieurtätigkeit zu Gunsten des Betroffenen her-anzuziehen. Denn wenn der Nachweis vorliege und der Betroffene hierauf habe vertrauen dürfen, komme es auf die Frage, ob eine Ingenieurtätigkeit ausgeübt worden sei, gar nicht mehr an. In den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen hätte ein entsprechender Nachweis nicht vorgelegen. Erst dann sei maßgeblich, welche konkrete entgeltliche Beschäftigung ausgeübt worden sei. Im ihrem Fall stamme der Nachweis originär vom ehemaligen Arbeitgeber.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 14. November 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 1. September 1970 bis zum 30. Juni 1990 mit Ausnahme der Jahre 1985, 1986, 1988 und des ersten Halbjahres 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf das erstinstanzliche Urteil.

Die Akte der Beklagten – Vers.-Nr ... (ZV) – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Beratung vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung ist unbegründet.

Für die Klage besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, soweit die Klägerin die begehrte Feststellung bereits für den Zeitraum vor dem 1. März 1971 geltend macht. Denn in der Arbeitgeberbescheinigung über Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 AAÜG vom 22. Februar 1999 sind für den Zeitraum vom 1. September bis 31. Dezember 1970 Verdienste von 2.291,40 M und für das Jahr 1971 von 6.638,29 M eingetragen, die die im Versicherungsverlauf für diese Zeiträume gespeicherten Beträge von 2.148 M bzw. 6.226,42 M übersteigen. Insoweit kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass sich letztlich die Rentenberechnung durch einen Erfolg des Klagebegehrens günstiger gestalten würde.

Die Klage ist aber unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. November 1999 die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert. Die Klägerin hat gemäß § 8 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 S. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) in der Fassung durch Gesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939) keinen Anspruch auf die beantragten Feststellungen für ihre im Zeitraum vom 1. September 1970 bis 30. Juni 1990 inhaltlich gleichbleibend ausgeübte Tätigkeit. Sie unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG, weil sie in dem geltend gemachten Zeitraum weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nach § 1 Abs. 2 AAÜG i.V.m. Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG angehörte.

Der Klägerin ist nicht durch eine einseitige oder vertragliche, auf die Begründung von Rechtsfolgen gerichtete Erklärung die entsprechende Versorgung zugesagt worden.

Der Senat kann offen lassen, inwieweit er sich der Rechtsprechung des BSG anschließt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG im Wege der Unterstellung (st. Rspr., z.B. BSG, Urt. v. 10. April 2002 – B 4 RA 18/01 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 8) vorliegen kann. Denn auch die Voraussetzungen dafür liegen schon nach dieser Rechtsprechung für eine Dokumentalistin nicht vor, weil eine der Voraussetzungen das Recht zur Führung des Titels "Ingenieur" im Sinne der Verordnung vom 12. April 1962 (GBl. der DDR II S. 278) während der geltend gemachten Zeit ist (BSG, a.a.O., S. 77). Dass ihr dieses nicht zusteht, räumt die Klägerin ein.

Eine Einbeziehung im Sinne der Unterstellung kommt nach Auffassung des Senates – mit gleichem Ergebnis – allenfalls in Betracht, wenn zwingende Einbeziehungstatbestände deutlich erfüllt sind. Dieser Rechtssatz ist aus folgenden Erwägungen allgemein herzuleiten: Maßgeblich für die Bestimmung des Anwendungsbereiches des AAÜG im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG ist der Zweckbezug der dabei erfolgenden Zuordnung zu einem Zusatzversorgungssystem, der sich aus der Spannweite aller möglichen Rechtsfolgen der Anwendung für die Berechnung einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ergibt. Dieser Zweckbezug liegt in der gesetzlich typisierten Sonderüberprüfung erzielter Arbeitsentgelte auf ihre angemessene rentenerhöhende Wirkung. Denn insoweit geht das Rechtsfolgensystem des AAÜG in beiderlei Richtung über die allgemeine rentenrechtliche Bewertung von Arbeitsentgelten hinaus. Einerseits gewährt § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG den von der allgemein geltenden Regel des § 256a Abs. 2 S. 1 SGB VI abweichenden Vorteil einer rentenrechtlichen Berücksichtigung tatsächlicher Einkommen ungeachtet der tatsächlichen Beitragszahlung. Darin liegt als Kehrseite die Ermächtigung zur Benachteiligung der nur - zwangsweise und freiwillig - Sozialversicherten. Andererseits bewirkt § 6 Abs. 2, 3 AAÜG die Benachteiligung von Zusatzversorgungsberechtigten durch eine gegenüber § 256a SGB VI verminderte Auswirkung erzielter Entgelte auf die Rente. Nur auf die gesamte Breite aller im AAÜG vorgesehenen Rechtsfolgen kann es bei der Auslegung seines Anwendungsbereiches ankommen, weil die engere Prüfung der Tatbestände bestimmter – begünstigender oder belastender – Rechtsfolgen erst nach der bestätigenden Prüfung des Anwendungsbereiches eröffnet ist.

Die tatbestandliche Bedeutung, diese doppelte Ermächtigung zur typisierenden rentenbezogenen Verdienstüberprüfung zur Anwendung zu bringen, kommt der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als einem Altersversorgungsprivileg zu. Denn nur ein Verständnis des Bundesgesetzgebers von der Zusatzversorgung als einem in der Deutschen Demokratischen Republik verliehenen – durch außergewöhnliche Leistung gerechtfertigten oder durch politische Begünstigung missbrauchten – Privileg erklärt die genannten Rechtsfolgen. Danach zeigt nämlich die Zugehörigkeit unmittelbar die Prüfbedürftigkeit selbst einer Rentenhöhe an, die sich nach den allgemeinen Regeln des SGB VI errechnen würde. Das die Sonderregelung auslösende frühere Privileg liegt dabei auf der Ebene des Anwendungsbereiches in der Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem und nicht in den auf der Rechtsfolgenseite – zumindest auch – zu überprüfenden Arbeitsentgelten. Denn diese lässt der Gesetzgeber in gleicher Höhe bei einer alleinigen Zugehörigkeit zu einem System der Sozialversicherung der DDR gleichmäßig und unüberprüft rentenwirksam werden.

Die Indizwirkung für die Prüfbedürftigkeit des Falles auf den rentenrechtlichen Wirkungsumfang von Arbeitsentgelten kann die Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung nur ausüben, wenn schon der Einbeziehungsakt selbst den Willen zur Bevorzugung durch ein Altersversorgungsprivileg verdeutlicht. Die Klarheit der Bevorzugungsabsicht liegt regelmäßig in der schriftlichen Niederlegung der Versorgungszusage. Die Bedeutung dieser Privilegienverleihung bringt § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG sogar für die Fälle zum Ausdruck, in denen das Altersversorgungsprivileg noch in der DDR wieder entfallen ist. Diese Vorschrift eröffnet auch für den Zeitraum der wirksam gewesenen Zusage einer privilegierten Altersversorgung die typisierte Sonderprüfung erzielter Arbeitseinkommen auf ihre Rentenwirksamkeit, um der Gleichheit der Privilegienzusage mit dem Regelfall des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG für den betroffenen Zeitraum gerecht zu werden.

Der Einbeziehungstatbestand der Ausübung einer rechtlich zwingend versorgungsberechtigenden Tätigkeit unterfällt dementsprechend allenfalls dann dem Begriff der Zugehörigkeit im Sinne des Anwendungsvorbehaltes des § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG, wenn die rechtlich unmittelbare Privilegierung eine ähnliche Deutlichkeit aufweist. Sie muss einerseits den Vollzugsakt durch eine einzelfallbezogene Versorgungszusage entbehrlich erscheinen lassen und andererseits eine unterstellte Verweigerung der Einbeziehung nicht nur als falsch, sondern als einen – grundlegenden – Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze erscheinen lassen, wie ihn Art. 19 S. 2 des Einigungsvertrages zum Maßstab für die Aufhebbarkeit von Verwaltungsentscheidungen der DDR macht. Umgekehrt muss der Einbeziehungstatbestand jedenfalls so deutlich sein, dass er im Hinblick auf die nachteiligen Folgen des AAÜG zu dessen Anwendung durch einen Zusatzversorgungsträger ohne jeden rechtsstaatlichen Zweifel ermächtigen müsste. Vor diesem Maßstab sind die Anspruchsvoraussetzungen allenfalls dann erfüllt, wenn für den festzustellenden ausbildungs- und tätigkeitsbezogenen Sachverhalt die Versorgungsnorm/en bei Auslegung mit allgemeinkundigem geschichtlichen Wissen rechtlich unzweideutig und unmittelbar eine gesetzliche Versorgungszusage enthalten (vgl. Urt. des Senats v. 24.4.03 – L 1 RA 31/00, v. 22.5.03 – L 1 RA 50/01, v. 24.7.03 – L 1 RA 32/00 und Beschluss v. 9.9.03 – L 1 RA 96/00).

Eine Fallgestaltung im Sinne der oben entwickelten Maßstäbe liegt hier nicht vor, weil Dokumentalisten nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu dem ursprünglich begünstigten Personenkreis gehören. Das Berufsbild der Klägerin lässt sich nicht unter den anspruchsbegründenden Begriff der technischen Intelligenz in § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO) vom 17. August 1950 (GBl. der DDR S. 844) fassen, weil dieser Begriff selbst keine eindeutige Abgrenzung der einbezogenen Personen zum Inhalt hat. Er hat schon nicht den Inhalt einer zwingenden Bestimmung gebundenen Verwaltungshandelns (vgl. zu dieser Voraussetzung BSG, Urt. v. 10. April 2002, a.a.O., S.74). Denn der Begriff ist in Verfolgung politischer Zwecke aus der Sowjetunion übernommen und nicht erkenntnisbezogen gebildet. Seiner durch politische Zielverfolgung geprägten Verwendung entsprachen die Beurteilungsspielräume der wertausfüllungsbedürftigen Tatbestände des § 1 der Ersten Durchführungsbestimmung (1. DB) zur VO (v. 26. September 1950, GBl. S. 1043). Die Aufhebung dieser Durchführungsbestimmung verändert nicht den dadurch erläuterten Begriff selbst. Die Nachholung der zur Auslegung des Begriffes der technischen Intelligenz erforderlichen Wertungen ist dem Senat – ebenso wie eine nachträgliche Ermessensausübung (BSG, Urt. v. 31. Juli 2002 – B 4 RA 21/02 RSozR 3-8570 § 1 Nr. 9) – verwehrt.

Ob § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der 2. DB demgegenüber zwingendes Recht enthält, kann dahinstehen. Dagegen sprechen die Regelungen der §§ 5, 1 Abs. 1 der Dritten Durchführungsbestimmung (3. DB) - zusammen mit der 2. DB erlassen und veröffentlicht – weil § 5 der 3. DB dann eine nahezu bedeutungslose Vorschrift wäre. Denn danach steht einem (mit nur einer Ausnahme) gegenüber § 1 Abs. 1 der 2. DB enger gefassten Personenkreis eine zwingende Altersversorgung zu. Diese Regelung ist nur dann sinnvoll, wenn § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der 2. DB nicht schon selbst einen zwingenden Rechtsanspruch auf die Einbeziehung in die Versorgung regelt. Diese Zweifel an dem Bestehen eines zwingenden Rechtsanspruches auf Zusatzversorgung werden für den Zeitraum ab Juli 1953 durch § 7 Abs. 2 der Verordnung über die Neuregelung des Abschlusses von Einzelverträgen mit Angehörigen der Intelligenz in der Deutschen Demokratischen Republik (v. 23. Juli 1953, GBl. S. 897) verstärkt. Denn diese Vorschrift sah die Versorgungszusage nur als Ermessensentscheidung jedenfalls auch für den Großteil der nach der 2. DB. begünstigten Personen vor. Insoweit sind gem. § 12 Abs. 2 der Verordnung Vorschriften über einen zwingenden Versorgungsanspruch als entgegenstehende Bestimmungen außer Kraft getreten.

Die rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen der genannten Vorschrift erfüllt die Klägerin nicht. Denn diese zählt Dokumentalisten nicht als versorgungsberechtigt auf. Die Klägerin ist keine Ingenieurin im Sinne dieser Vorschrift. Dies ist auch durch die Bescheinigung der Waggonbau D. GmbH vom 12. August 1991 nicht zu belegen. Denn aus der Gegenüberstellung von Personen ohne den "Titel" eines Ingenieurs oder Technikers im Rahmen der Ermessensversorgung in § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 der 2. DB lässt sich auf die Erforderlichkeit eines solchen "Titels" für eine etwaige Anspruchsversorgung nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 der 2. DB. schließen. Einen Titel erwirbt man durch die Ablegung einer zu dem entsprechenden Abschluss führenden Prüfung. Eine Ingenieurprüfung hat die Klägerin aber nicht abgelegt. Es besteht auch keine rechtliche Verknüpfung zwischen der Befugnis eines Arbeitgebers, die jeweilige Beschäftigung im Rahmen seiner Stellenpläne und Vergütungsregelungen als Ingenieurtätigkeit zu bezeichnen und dem hier allein angesprochenen Recht einer natürlichen Person, sich mit einem durch ihre Ausbildung erworbenen Titel – hier als Dokumentalistin – zu bezeichnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht, weil die Rechtslage durch die angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geklärt ist.
Rechtskraft
Aus
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