L 1 RA 2/02

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 7 (1) RA 49/01
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 RA 2/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die rentensteigernde Berücksichtigung der vom ihm gezahlten Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung der DDR (FZR), die sich nach der nachträglichen Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG-AVI) nicht mehr rentensteigernd auswirken.

Der am 27. März 1939 geborene Kläger entrichtete in der Zeit vom Februar 1975 bis Juni 1990 neben den Beiträgen zur Sozialpflichtversicherung Beiträge zur FZR, seit 1977 nach einem - ggf. anteiligen – Einkommen über 1200,- M monatlich.

Am 29. Juni 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab 1. Oktober 2000. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme – fest, dass beim Kläger die Zeit vom September 1964 bis Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG-AVI) anzuerkennen war. Mit Bescheid vom 22. November 2000 stellte die Beklagte die Rente des Klägers ab 1. Oktober 2000 wegen der nachträglich zuerkannten Zeiten der Zugehörigkeit zur AVI fest. Dabei wurde für die Zeit vom 1. September 1964 bis 31. Januar 1975 das pflichtversicherte Einkommen und das darüber hinausgehende Einkommen aufgrund der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt. Für die Zeit vom 1. Februar 1975 bis 30. Juni 1990 wurde das über 600,- Mark hinausgehende Einkommen als durch Beitragsleistung zur FZR pflichtversichertes Einkommen gekennzeichnet, das für die Monate Februar – Dezember 1975 und für die Jahre 1976 – 1979, 1986 und 1987 durch die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze begrenzt wurde.

Hiergegen erhob der Kläger am 13. Dezember 2000 Widerspruch und führte aus, dass durch die Anerkennung der Altersversorgung der technischen Intelligenz die vollen Verdienste durch das "AAÜG" aufgefangen würden. Die von ihm in der Zeit vom 1. Februar 1975 bis 30. Juni 1990 gezahlten FZR-Beiträge wirkten sich somit nicht mehr rentensteigernd aus. Daher begehre er entweder die Erstattung dieser Beiträge oder eine rentensteigernde Berücksichtigung, da er die Versichertengemeinschaft mit seiner zusätzlichen Beitragszahlung unterstützt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2001 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit folgender Begründung zurück: Das Begehren, die monatlichen Werte der SGB VI-Rente ohne Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze, also unter Einbeziehung der höheren Arbeitsentgelte zu berechnen, lasse sich nicht auf den Einigungsvertrag, Anl. II Kap. VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 (EV Nr. 9) stützen. Denn diese Vorschrift äußere sich nicht zu den einzelnen Berechnungselementen der SGB VI-Renten. In der Nichtgewährung zusätzlicher Versorgungsleistungen neben der SGB VI-Rente liege keine Ungleichbehandlung. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) komme nicht in Betracht, denn alle Versicherten im ganzen Bundesgebiet erhielten ab 1. Januar 1992 Renten aus dem SGB VI nach Arbeitsentgelten bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Hierin liege auch kein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Denn der individuell grundrechtliche Schutz der Eigentumsgarantie erstrecke sich nicht rückwirkend auf Tatbestände, die vor dem 1. Oktober 1990 im Gebiet der ehemaligen DDR zurückgelegt und die von dieser als Erwerbstatbestände für Berechtigungen auf Renten bei Alter, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Tod aufgestellt worden seien.

Mit seiner am 16. März 2001 beim Sozialgericht Dessau eingegangenen Klage hat der Kläger eine entsprechende rentensteigernde Berücksichtigung der von ihm zur FZR gezahlten Beiträge begehrt.

Mit Urteil vom 12. September 2001 hat das Sozialgericht Dessau die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine rentensteigernde Berücksichtigung der in die FZR eingezahlten Beiträge habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe die Beklagte bei der Feststellung des Versicherungsverlaufs für den Zeitraum von Januar 1964 bis Juni 1990 den gesamten vom Kläger in der DDR erzielten Arbeitsverdienst nach Aufwertung in DM zunächst mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI auf das jeweilige Lohnniveau in den genannten Kalenderjahren in der Bundesrepublik Deutschland hochgewertet und den derart gewonnenen fiktiven versicherten Arbeitsverdienst nur bis zu der damals in der Bundesrepublik Deutschland maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Hierbei werde dem Kläger nichts genommen, was er in der DDR erworben habe. Er werde bei der Festsetzung der Höhe seiner SGB VI-Rente lediglich genauso behandelt wie die Versicherten, die im streitbefangenen Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland über der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze liegende Arbeitsverdienste erzielt hätten. Das Begehren auf eine begünstigende Ungleichbehandlung (Privilegierung) finde weder im Gesetz noch in den Art. 14 und 3 GG eine Stütze.

Mit seiner am 22. November 2001 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 12. September 2001 aufzuheben und den Bescheid vom 22. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für seine in der Zeit vom 1. Februar 1975 bis 30. Juni 1990 gezahlten Beiträge zur FZR eine entsprechende Erhöhung der Rente vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages bezieht sie sich auf die im bisherigen Verfahren vertretene Rechtsauffassung und auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

In der Beratung und bei der Entscheidung hat dem Senat die Akte der Beklagten (Vers.-Nr ...) vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung ist unbegründet.

Der Bescheid vom 22. November 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2001 ist rechtmäßig und beschwert daher den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil der Kläger keinen Anspruch auf die Feststellung höherer Entgelte bzw. die rentensteigernde Berücksichtigung seiner zur FZR gezahlten Beiträge hat.

Einziger rechtlicher Anknüpfungspunkt für das Begehren des Klägers ist die Berücksichtigung bundesrechtlich als versichert geltenden Verdienstes bei der Ermittlung persönlicher Entgeltpunkte (Ost) innerhalb der Rentenformel des § 254b Abs. 1 i.V.m. § 64 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in der Fassung durch Gesetz vom 24. Juni 1993 (BGBl. I S. 1038). Ausgangspunkt dafür ist im Falle des Klägers für die hier im Streit stehenden Zeiten allein § 259 b Abs. 1 S. 1 SGB VI, weil der Kläger ausweislich des Feststellungsbescheides vom 25. Oktober 2000 insoweit Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- und Sonderversorgungssystem zurückgelegt hat. Daran ist die Beklagte gem. § 8 Abs. 5 S. 2 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) i.d.F. durch Gesetz vom 11. November 1996 (BGBl. I S. 1674) bei Erlass des Rentenbescheides gebunden.

Nach dem insoweit für den Kläger bezüglich der umstrittenen Zeiten anzuwendenden § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG ist die Beklagte rechtmäßig von dem vom Kläger erzielten – tatsächlichen – Arbeitsentgelt ausgegangen, an dessen Feststellung in dem Bescheid vom 25. Oktober 2000 sie gem. § 8 Abs. 2, 3 S. 1, Abs. 5 S. 2 AAÜG ebenfalls gebunden war. Eine andersartige oder weitergehende Einstellung des in der Währung der DDR erzielten Nominalverdienstes in die Rentenberechnung ist unter keinem Gesichtspunkt, auch nicht unter demjenigen einer Versicherung in der freiwilligen Zusatzrentenversicherung, rechtlich möglich.

Ebenfalls rechtmäßig hat die Beklagte diesen Verdienst im Sinne von § 259b Abs. 1 S. 1 SGB VI gem. § 256a Abs. 1 S. 1 SGB VI auf Beträge hochgewertet, die den Verdienstverhältnissen in der früheren Bundesrepublik entsprechen, indem sie das Arbeitsentgelt mit den Faktoren der Anlage 10 zum SGB VI vervielfältigt hat. Denn diese geben das jeweilige Verhältnis der Durchschnittsverdienste der Versicherten in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik wieder. Die Berücksichtigung des so ermittelten Verdienstes hat sie dabei nach der Vorschrift des § 260 S. 2 SGB VI auf die in der gesamten Bundesrepublik Deutschland maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze beschränkt. Auch insoweit besteht keine Rechtsgrundlage für eine besondere Berücksichtigung einer früheren Versicherung in der freiwilligen Zusatzrentenversicherung.

Diese Regelung verstößt nach Auffassung des Senats weder gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG noch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Leiturteil vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1) sind die in der DDR erworbenen und im Einigungsvertrag als Rechtsposition anerkannten Versorgungsansprüche und -anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen und Ansprüche auf Zusatzrente aus der FZR vom Schutz der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs.1 S. 1 GG umfasst, aber nur in der Form, die sie aufgrund der Regelung des Einigungsvertrags erhalten haben (BVerfGE 100, 37 ff.). Auch für rentenversicherungsrechtliche Rechtspositionen gilt, dass sich die Reichweite der Eigentumsgarantie erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums ergibt, die nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Sache des Gesetzgebers ist. Der Einigungsvertragsgesetzgeber fand die Rentenansprüche und –anwartschaften in der Form vor, die sie durch die Gesetzgebung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) erhalten hatten, welche den Anforderungen des GG nicht unterlag und daher auch nicht an ihr gemessen werden kann. Nach § 28 Abs.1 S.1 Verordnung über die freiwillige Zusatzrentenversicherung der Sozialversicherung (FZR-VO) vom 17. November 1977 (GBl. I Nr.35, S. 395) erhielten Werktätige anstelle der Altersversorgung der Intelligenz eine Zusatzrente in Höhe der zugesicherten Altersversorgung der Intelligenz, sofern die Zusatzrente aufgrund ihrer Beitragszahlung und der Beitragszahlung des Betriebes nicht höher war. Somit war es nach den Gesetzen der DDR möglich, sowohl der FZR beizutreten als auch in die Altersversorgung der Intelligenz einbezogen zu sein. Für diesen Fall hat der DDR-Gesetzgeber bestimmt, dass im Versicherungsfall nur die höhere Rente zu zahlen ist, d.h. entweder die Zusatzrente oder die Altersversorgung der Intelligenz. Demnach ist auch nur diese Rentenanwartschaft von der Eigentumsgarantie umfasst. Die vom Kläger begehrte zusätzliche rentensteigernde Berücksichtigung seiner gezahlten FZR-Beiträge kann somit nicht über Art. 14 Abs.1 S.1 GG erfolgen, da diese nicht unter die Eigentumsgarantie fällt.

Dem Gesetzgeber kommt bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken nach Art. 14 Abs.1 S.2 GG rentenversicherungsrechtlicher Positionen eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Daher hat der Gesetzgeber auch die Befugnis, Rentenansprüche und –anwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen und Ansprüche und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck dient und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit genügt (vgl. BVerfGE 53, 257,293). Die sog. "Systementscheidung", nach der die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod bis Ende 1991 in die Rentenversicherung zu überführen waren, ist bereits im Einigungsvertrag getroffen worden (Anlage II Kap. VIII Sachgebiet H Abschn. III Nr. 9 Buchst. b). Daher ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Gesetzgeber die in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch eine einheitliche, ausschließlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammende Versorgungsleistung unter Verzicht auf Zusatzleistungen ersetzt hat. Dasselbe gilt für die weitere Absenkung des Sicherungsniveaus dadurch, dass die Versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Die Erstreckung der Beitragsbemessungsgrenze auf die überführten Anwartschaften unter Einschluss der Beträge, die in der FZR versichert waren, ist durch die Entscheidung zu Gunsten der verfassungsrechtlich zulässigen Eingliederung in die Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland vorgeprägt, da eine andere Entscheidung innerhalb des Versicherungssystems nicht möglich ist. Durch diese "Systementscheidung" des Einigungsvertrages sind alle Altersversorgungsansprüche – auch der FZR – ausschließlich durch eine einzige Rente aus der Rentenversicherung ersetzt worden. Danach erfasst die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG nur den in der DDR erworbenen Anspruch als solchen. Einzelne Berechnungselemente dieses Rentenanspruchs sind daher von der Eigentumsgarantie nicht umfasst.

Schließlich verstoßen die vorgenannten Regelungen des AAÜG und SGB VI nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, Eine mögliche Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG dadurch, dass der Kläger trotz FZR-Beitrags-leistungen und nachträglicher Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der AVI eine gleich hohe Rente bezieht, wie derjenige, der bereits in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen worden war oder so behandelt wird und keine Beiträge zur FZR gezahlt hat, ist jedoch nicht verfassungswidrig. Art. 3 Abs. 1 GG schreibt nicht uneingeschränkt vor, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Gleiches ist nur gleich zu behandeln, wenn es keinen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung gibt. Nach Auffassung des Senats stellt die bereits in der DDR existierende Regelung des § 28 FZR-VO einen sachlichen Grund dar. § 28 FZR-VO sah von vornherein die Zahlung nur einer Leistung auch bei Zugehörigkeit zur FZR und zur Zusatzversorgung vor. Darin lag schon vor Inkrafttreten des Grundgesetzes die Gleichbehandlung mit nur Zusatzversorgungsberechtigten, auf die der Bundesgesetzgeber sich bei der Überführung in Bundesrecht beschränken konnte.

Ferner bestand insbesondere auch im Krankheitsfall durch die Mitgliedschaft in der FZR Anspruch auf ein höheres Krankengeld, das allein die Beitragszahlung jedenfalls rechtfertigen konnte.

Nach alledem konnten die Berufung und die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nach § 160 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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