Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 1 AY 56/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 B 32/08 AY ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Leistungen nach AsylblG bei Ausbildung/Schulbesuch
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. August 2008 wird abgeändert und die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller ab 30. Mai 2008 bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren S 1 SO 55/08 vor dem Sozialgericht Magdeburg, längstens bis zum Abschluss der Fachoberschulausbildung, unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen vorläufige Leistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt höhere vorläufige Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), nach dem das Sozialgericht die Antragsgegnerin bereits zur vorläufigen Erbringung des monatlichen Geldbetrags zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens verpflichtet hat.
Der Antragsteller ist chinesischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben ist er am. Mai 19xx geboren und reiste am 21. Oktober 2001 ohne ein erforderliches Visum in das Bundesgebiet ein. Zu dem damals begleitenden Onkel besteht kein Kontakt mehr. Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig. Aufgrund fehlender Ausweispapiere ist eine Abschiebung nicht möglich. Zur Zeit besteht eine wiederholt verlängerte Duldung des Aufenthalts. Eine Erwerbstätigkeit ist ihm nicht gestattet.
Seit Januar 2001 war der Antragsteller in einer Kinder- und Jugendeinrichtung der Antragsgegnerin untergebracht. Seit Ende September 2007 wohnte er entsprechend der Auflagen der Antragsgegnerin in einem Jugendwohnprojekt. Diese Unterbringung erfolgte in Verbindung mit dem gleichzeitig finanzierten Schulbesuch durch das Jugendamt der Antragsgegnerin. Der Jugendhilfeplan für den Antragsteller lief im November 2007 aus und wurde nicht verlängert. Bis dahin erhielt der Antragsteller Leistungen zum Lebensunterhalt vom Jugendamt Wittenberg. Seit dem 30. August 2007 besucht der Antragsteller die berufsbildende Schule Magdeburg "Dr. O. S. " in der Fachrichtung Fachoberschulen "Gesundheit und Soziales", Schwerpunkt "Sozialwesen" in Vollzeit. Die Ausbildung ist Schulgeld frei und dauert voraussichtlich bis zum 24. Juni 2009. Durch die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin wurde der Antragsteller ab dem 14. März 2008 zur Aufnahme und Unterbringung einer Gemeinschaftsunterkunft der Antragsgegnerin zugewiesen.
Am 25 Oktober 2007 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen der Sozialhilfe. Hierzu gab er an, ab November 2007 kein Einkommen mehr zu haben. Auch Vermögen sei nicht vorhanden. Da er allein in Deutschland sei, könne ihn niemand unterstützen. Er habe einen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gestellt und warte auf Antwort. Dieser Antrag wurde durch das Amt für Ausbildungsförderung der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. November 2007 abgelehnt, wogegen der Kläger Widerspruch eingelegt hat.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2008 hat die Antragsgegnerin die Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Antragsteller habe die Regelschulzeit erfolgreich beendet. Aufgrund seines Aufenthaltsstatus habe er keinen Anspruch auf weitergehende Leistungen nach dem AsylbLG beim Besuch einer weiterführenden Schule. Da die Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig sei, hätte er gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Als leistungsberechtigter nach dem AsylbLG habe er auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).
Hiergegen hat der Antragsteller am 22. Januar 2008 mit der Begründung Widerspruch eingelegt, er habe zumindest Anspruch auf Leistungen gemäß § 3 AsylbLG, denn sein Schulbesuch führe nicht zum völligen Ausschluss von Leistungen nach diesem Gesetz. Auch der Hinweis auf § 22 SGB XII gehe ins Leere, da hiernach nur Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel des SGB XII ausgeschlossen werden. Gleichzeitig bitte er, das Vorliegen eines besonderen Härtefalls nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu prüfen. Seit dem 1. November 2007 erhalte er keinerlei Leistungen mehr und sei mittellos. Ohne Unterstützung sei er gezwungen, die Schule abzubrechen. Dies könne nicht im politischen Interesse sein, da er auch einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung gestellt habe, der positiv beschieden werden müsse.
Den Widerspruch hat das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2008 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller sei nicht nach dem BAföG antragsberechtigt. Da auch Leistungsempfängern nach § 2 AsylbLG nach § 22 Abs. 1 SGB XII Leistungen nicht gewährt würden, stehe den Leistungsberechtigten nach § 3 AsylbLG ebenfalls kein Anspruch auf Leistungen zu. Nach einem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg entspreche der Ausschluss von Sozialleistungen für die Ausbildung der bewussten gesetzlichen Wertung, dass Asylbewerbern auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung nicht dieselben Rechte wie Deutschen oder anerkannten Asylberechtigten gewährt werden sollen. Eine besondere Härte sei nicht erkennbar. Die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG während einer förderungsfähigen Ausbildung würde den Antragsteller gegenüber der Gruppe von Auszubildenden bevorzugen, denen Hilfe zum Lebensunterhalt nicht gewährt werden könne. Das AsylbLG selbst enthalte keine diesbezügliche Regelung. Das Unterlassen einer ausdrücklichen Regelung im AsylbLG begründe eine planwidrige Lücke.
Gegen den nach seinen Angaben am 30. April 2008 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller mit einem am 30. Mai 2008 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben und gleichzeitig beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem AsylbLG analog SGB XII zuzahlen. Zu Begründung hat er darauf verwiesen, dass AsylbLG selbst enthalte keinen Leistungsausschluss bei Teilnahme an einer Ausbildung, weshalb er zumindest Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz haben müsse. Da er keine Arbeits- beziehungsweise Beschäftigungserlaubnis habe, könne er auch durch den Abbruch seines Schulbesuchs die öffentlichen Kassen nicht entlasten. Weil er mittellos sei und sich auch kein Geld mehr borgen könne, seien ihm bis zur Entscheidung des Gerichts zumindest Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII bestehe während einer förderungsfähigen Ausbildung auch kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 3 AsylbLG, obwohl der Antragsteller grundsätzlich zum Leistungsberechtigten Personenkreis gehöre. Die Ausbildung an der Fachoberschule sei abstrakt nach dem BAföG förderungsfähig, wenn auch der Antragsteller nach § 8 BAföG von dieser Förderung ausgeschlossen sei. Auch eine besondere Härte im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII liege nicht vor. Die Versagung von Ausbildungsförderung bei geduldeten Ausländern sei vielmehr Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Ausländer ohne endgültiges Bleiberecht nicht dieselben Rechte bei der Gewährung von Ausbildungsförderung einzuräumen, wie Deutschen und Asylberechtigten. Andernfalls käme es zu einer Bevorzugung gegenüber Auszubildenden, die aus persönlichen Gründen von der Ausbildungsförderung und von Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen sind. Auch würde der Gesetzeszweck, die Hilfe zum Lebensunterhalt von den finanziellen Lasten der Ausbildungsförderung freizuhalten, unterlaufen. Diese Regelung sei analog auch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG anzuwenden. Der Antragsteller könne seine Ausbildung abbrechen und dadurch die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG herbeiführen.
Mit Beschluss vom 19. August 2008 hat das Sozialgericht Magdeburg die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller ab 30. Mai 2008 bis zur Entscheidung der Hauptsache, längstens bis zum Abschluss des Schulausbildung, vorläufig einen monatlichen Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er gehöre zum Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG und sei leistungsrechtlich auch so zu behandeln, zumal die Antragsgegnerin auch das übrige Instrumentarium auf ihn anwende. Das Gericht gehe davon aus, dass der in § 3 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 AsylbLG genannte Bedarf im Rahmen der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft durch Sachleistungen des Antraggegners gedeckt sei. Darüber hinaus habe der Antragsteller einen Anspruch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG auf einen monatlichen Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens in Höhe von 40,90 EUR. Dieser Anspruch werde nicht durch die Teilnahme am Schulunterricht ausgeschlossen. Dieser Geldbetrag gewinne durch den Schulbesuch nicht die Prägung einer Ausbildungsförderung, vielmehr behalte er seine nach dem Gesetz vorgesehene Bestimmung. Dadurch werde auch einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung gegenüber anderen Grundleistungsberechtigten nach dem AsylbLG vorgebeugt, zumal eine ausdrückliche Vorschrift über die Kollision von Leistungen nach § 3 AsylbLG mit einer möglichen Ausbildungsförderung fehle. Es bestehe auch keine Regelungslücke. Vielmehr zeige bereits das Gesetz, dass eine entsprechende Anwendung des SGB XII nur dann in Betracht komme, wenn der Leistungsberechtigte verlange, Leistungen entsprechend dem SGB XII zu erhalten. Die Grundabsicherung verbleibe ihm immer, unabhängig davon, ob er seinen Alltag bis zu einer möglichen Ausreise durch eine Ausbildung sinnvoll gestalte. Im übrigen werde der Antrag zurückgewiesen, denn ein Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wegen der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft habe der Antragsteller - abgesehen vom "Taschengeld" - lediglich Anspruch auf Sachleistungen.
Gegen den ihm am 19. August 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 23. August 2008 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Hierzu hat er ausgeführt: Seit 1994 würden durch die Antragsgegnerin die Grundleistungen nach dem AsylbLG an Ausländer in Gemeinschaftsunterkünften in bar ausgezahlt.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. August 2008 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm ab 30. Mai 2008 bis zur Entscheidung der Hauptsache im Verfahren S 1 SO 55/08 vor dem Sozialgericht Magdeburg, längstens aber, falls dies vorher eintritt, bis zum Abschluss der Schulausbildung, vorläufig Leistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestätigt, an Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft neben den Barleistungen in Höhe von 40,90 EUR weitere Barleistungen gemäß § 3 Abs. 2 AsylbLG in Höhe von 132,94 EUR für den Haushaltsvorstand zu erbringen. Die Differenz zu dem im Gesetz festgesetzten Wert resultierte aus der Gewährung von Sachleistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts einschließlich Energie und Warmwasser in der Unterkunft. Ungeachtet dessen hält sie an ihrer Rechtsauffassung fest und verweist auf ihre bisherigen Stellungnahmen.
Das Sozialgericht hat die Beschwerde mit Verfügung vom 9. September 2008 dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt, wo sie am 11. September 2008 eingegangen ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen. Diese haben bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
II.
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach Maßgabe des § 173 SGG frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde hat Erfolg. Insbesondere wird der nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebliche Beschwerdewert von 750 EUR erreicht, denn der Antragsteller begehrt weitere Grundleistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 132,94 EUR für einen Zeitraum vom Mai 2008 bis voraussichtlich Juni 2009.
Nach Auffassung des Senats hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zu Recht zur vorläufigen Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG verpflichtet. Dabei hat es jedoch die tatsächlichen Modalitäten der Leistungserbringung durch die Antragsgegnerin verkannt und zu Unrecht die Verpflichtung zur Erbringung weiterer Barleistungen über den Barbetrag von 40,93 EUR hinaus bis zur Höhe der vollen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (LSG Hessen, Beschl. v. 29.6.2005 – L 7 AS 1/05 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b RdNr. 27 und 29 m.w.N.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte dabei schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 12. 5.2005 – 1 BvR 569/05 – info also 2005, 166).
Sowohl das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anordnungsanspruch als auch für den Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschl. v. 12. 5.2005 – a.a.O.). Die Glaubhaftmachung erfordert eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes und bezieht sich auch auf die Beweismittel (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., RdNr. 16b f.).
Nach diesem Maßstab ist hier zunächst ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht worden, denn der Antragsteller verfügt soweit erkennbar über keine bereiten Mittel, um seinen Lebensunterhalt über die von der Antragsgegnerin gewährte Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft hinaus sicherzustellen. Insoweit erscheint sogar die Deckung seiner elementaren Grundbedürfnisse gefährdet. Durch den von der Antragsgegnerin angeregten Abbruch der Schulausbildung entstünden für den Antragsteller schwerwiegende Nachteile. Da der Antragsteller weiterhin im aufenthaltsrechtlichen Status der Duldung lebt und daher mit einer unter Umständen kurzfristigen Beendigung seines Aufenthalts rechnen muss, ist nicht absehbar, ob er eine unterbrochene Ausbildung jemals wird beenden können. Gleichzeitig hat auch die Antragsgegnerin dem Antragsteller nahe gelegt, sich um eine Aufenthaltsgestattung nach § 60a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz bis zum Ende seiner Ausbildung zu bemühen und so einen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG zu erhalten, was durch eine Unterbrechung der Ausbildung konterkariert würde. Jedenfalls käme es aber durch eine Unterbrechung der Ausbildung auch bei einer schnellen Entscheidung in der Hauptsache zu einer wesentlichen Verzögerung der Ausbildung, da es nach der allgemeinen Lebenserfahrung überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller die schulische Ausbildung nach einer längeren Unterbrechung entweder ganz von vorne beginnen müsste oder jedenfalls für die Fortsetzung bis zum Beginn des nächsten Schuljahrs würde warten müssen.
Mit Rücksicht auf die vorstehend genannten drohenden Nachteile hält der Senat auch einen Anordnungsanspruch für ausreichend glaubhaft gemacht. Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugestehen, dass die Erbringung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auch während einer grundsätzlich nach dem BAföG förderungsfähigen Ausbildung zu einer Besserstellung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG gegenüber solchen nach dem SGB XII und dem SGB II zur Folge hätte. Letztere sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII beziehungsweise § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II während der Dauer einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung von Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel SGB XII beziehungsweise von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Die aus dem Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Ausschlussnorm im AsylbLG folgende Besserstellung von Leistungsberechtigten nach diesem Gesetz hat das Sozialgericht Berlin (Beschluss vom 14.3.2005 – S 38 AY 13/05 ER) und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 15.11.2005 – L. 23 B 1008/05 AY ER) in den von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen bewogen, die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII im Wege der lückenfüllenden Gesetzesanalogie auch für den Ausschluss von Leistungen nach § 3 AsylbLG heranzuziehen.
Der Senat hat jedoch erhebliche Zweifel, ob diese Analogie statthaft ist. Welche Regelungen des SGB XII im Rahmen des Asylbewerberleistungsrechts analog angewandt werden können, ist in verschiedenen Bestimmungen des AsylbLG ausdrücklich geregelt. Das daneben weitere Bestimmungen des SGB XII analog angewandt werden können, wird in der Literatur angezweifelt (Birk in LPK-SGB XII, Vorbem. vor § 1 AsylbLG RdNr 5; Hohm in Schellhorn/Schell¬horn/ Hohm, Vorbem. AsylbLG RdNr 5) oder unter enge Voraussetzungen gestellt (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, AsylbLG Einl. RdNr 3). Eine analoge Anwendung des § 22 SGB XII wird sogar ausdrücklich abgelehnt (Birk in LPK-SGB XII, Vorbem. vor § 1 AsylbLG RdNr 5 unter Hinweis auf OVG NRW, Beschluss vom 15.6.2001 – 12 B 795/00). Der Senat hält diese Zweifel für nicht unbegründet, denn die Rechtsfigur der Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus, von der nach den mehrfachen Änderungen des AsylbLG seit 1993 kaum noch ausgegangen werden kann. So hat das OVG NRW (a.a.O.) in gut nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass der Gesetzgeber mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des AsylbLG vom 25.8.1998 (BGBl. I S. 2505) in Anlehnung an entsprechende Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) verschiedene Einschränkungs- oder Ausschlusstatbestände im AsylbLG normiert hat. Damit habe der Gesetzgeber den Weg eingeschlagen, Anspruchsausschlüsse oder –einschränkungen, die er für notwendig hält, jeweils gesondert innerhalb des AsylbLG zu regeln, was auch in der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 13/10155) zum Ausdruck komme. Denn diese Normen werden nicht etwa als Klarstellungen bereits zuvor im Wege der Analogie gewonnener Regelungen bezeichnet, sondern im einzelnen detailliert begründet. Da der Gesetzgeber sich die Ergänzung des AsylbLG um Normen, mit denen Ansprüche eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, vorbehalten habe, müsse die Rechtsprechung insoweit Wertungswidersprüchen zwischen dem BSHG und dem AsylbLG beziehungsweise innerhalb des AsylbLG hinnehmen. Im übrigen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob ein völliger Ausschluss selbst von Leistungen, die nur wenig mehr als das physische Existenzminimum sichern, ohne eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung im Wege der Analogie im Ergebnis nur deshalb vorgenommen werden kann, weil ein Ausländer die ihm bis zur Ausreise verbleibende Zeit sinnvoll zu nutzen versucht.
Selbst wenn man eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Bezug auf die Erbringung von Leistungen nach § 3 AsylbLG zulassen wollte, gibt der vorliegende Fall Anlass, eine besondere Härte im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu prüfen. Denn nach dem bisher bekannten Sachverhalt ist anzunehmen, dass der Antragsteller seine Ausbildung im August 2007 noch in Übereinstimmung mit dem damals gültigen Jugendhilfeplan aufgenommen hat und hierbei nicht nur materiell durch das Jugendamt Wittenberg und eventuell auch der Antragsgegnerin unterstützt worden ist. Der hierdurch möglicherweise geschaffene Vertrauenstatbestand könnte geeignet sein, eine besondere, über die mit dem Abbruch einer begonnenen Ausbildung üblicherweise verbundenen Nachteile hinausgehende Härte zu begründen. Insoweit bedarf es jedoch weiterer Sachverhaltsaufklärung, die angesichts der prekären materiellen Lage des Antragstellers und der faktischen vollständigen Vorwegnahme der Hauptsache im Falle eines Ausbildungsabbruchs dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt höhere vorläufige Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), nach dem das Sozialgericht die Antragsgegnerin bereits zur vorläufigen Erbringung des monatlichen Geldbetrags zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens verpflichtet hat.
Der Antragsteller ist chinesischer Staatsangehöriger. Nach eigenen Angaben ist er am. Mai 19xx geboren und reiste am 21. Oktober 2001 ohne ein erforderliches Visum in das Bundesgebiet ein. Zu dem damals begleitenden Onkel besteht kein Kontakt mehr. Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig. Aufgrund fehlender Ausweispapiere ist eine Abschiebung nicht möglich. Zur Zeit besteht eine wiederholt verlängerte Duldung des Aufenthalts. Eine Erwerbstätigkeit ist ihm nicht gestattet.
Seit Januar 2001 war der Antragsteller in einer Kinder- und Jugendeinrichtung der Antragsgegnerin untergebracht. Seit Ende September 2007 wohnte er entsprechend der Auflagen der Antragsgegnerin in einem Jugendwohnprojekt. Diese Unterbringung erfolgte in Verbindung mit dem gleichzeitig finanzierten Schulbesuch durch das Jugendamt der Antragsgegnerin. Der Jugendhilfeplan für den Antragsteller lief im November 2007 aus und wurde nicht verlängert. Bis dahin erhielt der Antragsteller Leistungen zum Lebensunterhalt vom Jugendamt Wittenberg. Seit dem 30. August 2007 besucht der Antragsteller die berufsbildende Schule Magdeburg "Dr. O. S. " in der Fachrichtung Fachoberschulen "Gesundheit und Soziales", Schwerpunkt "Sozialwesen" in Vollzeit. Die Ausbildung ist Schulgeld frei und dauert voraussichtlich bis zum 24. Juni 2009. Durch die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin wurde der Antragsteller ab dem 14. März 2008 zur Aufnahme und Unterbringung einer Gemeinschaftsunterkunft der Antragsgegnerin zugewiesen.
Am 25 Oktober 2007 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen der Sozialhilfe. Hierzu gab er an, ab November 2007 kein Einkommen mehr zu haben. Auch Vermögen sei nicht vorhanden. Da er allein in Deutschland sei, könne ihn niemand unterstützen. Er habe einen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gestellt und warte auf Antwort. Dieser Antrag wurde durch das Amt für Ausbildungsförderung der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. November 2007 abgelehnt, wogegen der Kläger Widerspruch eingelegt hat.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2008 hat die Antragsgegnerin die Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Antragsteller habe die Regelschulzeit erfolgreich beendet. Aufgrund seines Aufenthaltsstatus habe er keinen Anspruch auf weitergehende Leistungen nach dem AsylbLG beim Besuch einer weiterführenden Schule. Da die Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig sei, hätte er gemäß § 22 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Als leistungsberechtigter nach dem AsylbLG habe er auch keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).
Hiergegen hat der Antragsteller am 22. Januar 2008 mit der Begründung Widerspruch eingelegt, er habe zumindest Anspruch auf Leistungen gemäß § 3 AsylbLG, denn sein Schulbesuch führe nicht zum völligen Ausschluss von Leistungen nach diesem Gesetz. Auch der Hinweis auf § 22 SGB XII gehe ins Leere, da hiernach nur Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel des SGB XII ausgeschlossen werden. Gleichzeitig bitte er, das Vorliegen eines besonderen Härtefalls nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu prüfen. Seit dem 1. November 2007 erhalte er keinerlei Leistungen mehr und sei mittellos. Ohne Unterstützung sei er gezwungen, die Schule abzubrechen. Dies könne nicht im politischen Interesse sein, da er auch einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung gestellt habe, der positiv beschieden werden müsse.
Den Widerspruch hat das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2008 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Antragsteller sei nicht nach dem BAföG antragsberechtigt. Da auch Leistungsempfängern nach § 2 AsylbLG nach § 22 Abs. 1 SGB XII Leistungen nicht gewährt würden, stehe den Leistungsberechtigten nach § 3 AsylbLG ebenfalls kein Anspruch auf Leistungen zu. Nach einem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg entspreche der Ausschluss von Sozialleistungen für die Ausbildung der bewussten gesetzlichen Wertung, dass Asylbewerbern auf dem Gebiet der Ausbildungsförderung nicht dieselben Rechte wie Deutschen oder anerkannten Asylberechtigten gewährt werden sollen. Eine besondere Härte sei nicht erkennbar. Die Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG während einer förderungsfähigen Ausbildung würde den Antragsteller gegenüber der Gruppe von Auszubildenden bevorzugen, denen Hilfe zum Lebensunterhalt nicht gewährt werden könne. Das AsylbLG selbst enthalte keine diesbezügliche Regelung. Das Unterlassen einer ausdrücklichen Regelung im AsylbLG begründe eine planwidrige Lücke.
Gegen den nach seinen Angaben am 30. April 2008 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller mit einem am 30. Mai 2008 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben und gleichzeitig beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem AsylbLG analog SGB XII zuzahlen. Zu Begründung hat er darauf verwiesen, dass AsylbLG selbst enthalte keinen Leistungsausschluss bei Teilnahme an einer Ausbildung, weshalb er zumindest Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz haben müsse. Da er keine Arbeits- beziehungsweise Beschäftigungserlaubnis habe, könne er auch durch den Abbruch seines Schulbesuchs die öffentlichen Kassen nicht entlasten. Weil er mittellos sei und sich auch kein Geld mehr borgen könne, seien ihm bis zur Entscheidung des Gerichts zumindest Leistungen nach dem AsylbLG zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 1 AsylbLG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII bestehe während einer förderungsfähigen Ausbildung auch kein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach § 3 AsylbLG, obwohl der Antragsteller grundsätzlich zum Leistungsberechtigten Personenkreis gehöre. Die Ausbildung an der Fachoberschule sei abstrakt nach dem BAföG förderungsfähig, wenn auch der Antragsteller nach § 8 BAföG von dieser Förderung ausgeschlossen sei. Auch eine besondere Härte im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII liege nicht vor. Die Versagung von Ausbildungsförderung bei geduldeten Ausländern sei vielmehr Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Ausländer ohne endgültiges Bleiberecht nicht dieselben Rechte bei der Gewährung von Ausbildungsförderung einzuräumen, wie Deutschen und Asylberechtigten. Andernfalls käme es zu einer Bevorzugung gegenüber Auszubildenden, die aus persönlichen Gründen von der Ausbildungsförderung und von Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen sind. Auch würde der Gesetzeszweck, die Hilfe zum Lebensunterhalt von den finanziellen Lasten der Ausbildungsförderung freizuhalten, unterlaufen. Diese Regelung sei analog auch auf Leistungen nach § 3 AsylbLG anzuwenden. Der Antragsteller könne seine Ausbildung abbrechen und dadurch die Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG herbeiführen.
Mit Beschluss vom 19. August 2008 hat das Sozialgericht Magdeburg die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller ab 30. Mai 2008 bis zur Entscheidung der Hauptsache, längstens bis zum Abschluss des Schulausbildung, vorläufig einen monatlichen Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt: Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er gehöre zum Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG und sei leistungsrechtlich auch so zu behandeln, zumal die Antragsgegnerin auch das übrige Instrumentarium auf ihn anwende. Das Gericht gehe davon aus, dass der in § 3 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 AsylbLG genannte Bedarf im Rahmen der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft durch Sachleistungen des Antraggegners gedeckt sei. Darüber hinaus habe der Antragsteller einen Anspruch gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 AsylbLG auf einen monatlichen Geldbetrag zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens in Höhe von 40,90 EUR. Dieser Anspruch werde nicht durch die Teilnahme am Schulunterricht ausgeschlossen. Dieser Geldbetrag gewinne durch den Schulbesuch nicht die Prägung einer Ausbildungsförderung, vielmehr behalte er seine nach dem Gesetz vorgesehene Bestimmung. Dadurch werde auch einer nicht zu rechtfertigenden Benachteiligung gegenüber anderen Grundleistungsberechtigten nach dem AsylbLG vorgebeugt, zumal eine ausdrückliche Vorschrift über die Kollision von Leistungen nach § 3 AsylbLG mit einer möglichen Ausbildungsförderung fehle. Es bestehe auch keine Regelungslücke. Vielmehr zeige bereits das Gesetz, dass eine entsprechende Anwendung des SGB XII nur dann in Betracht komme, wenn der Leistungsberechtigte verlange, Leistungen entsprechend dem SGB XII zu erhalten. Die Grundabsicherung verbleibe ihm immer, unabhängig davon, ob er seinen Alltag bis zu einer möglichen Ausreise durch eine Ausbildung sinnvoll gestalte. Im übrigen werde der Antrag zurückgewiesen, denn ein Anspruch auf Leistungen entsprechend dem SGB XII sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wegen der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft habe der Antragsteller - abgesehen vom "Taschengeld" - lediglich Anspruch auf Sachleistungen.
Gegen den ihm am 19. August 2008 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit einem am 23. August 2008 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Hierzu hat er ausgeführt: Seit 1994 würden durch die Antragsgegnerin die Grundleistungen nach dem AsylbLG an Ausländer in Gemeinschaftsunterkünften in bar ausgezahlt.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. August 2008 die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm ab 30. Mai 2008 bis zur Entscheidung der Hauptsache im Verfahren S 1 SO 55/08 vor dem Sozialgericht Magdeburg, längstens aber, falls dies vorher eintritt, bis zum Abschluss der Schulausbildung, vorläufig Leistungen nach § 3 Abs. 1 AsylbLG zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestätigt, an Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG bei Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft neben den Barleistungen in Höhe von 40,90 EUR weitere Barleistungen gemäß § 3 Abs. 2 AsylbLG in Höhe von 132,94 EUR für den Haushaltsvorstand zu erbringen. Die Differenz zu dem im Gesetz festgesetzten Wert resultierte aus der Gewährung von Sachleistungen für Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts einschließlich Energie und Warmwasser in der Unterkunft. Ungeachtet dessen hält sie an ihrer Rechtsauffassung fest und verweist auf ihre bisherigen Stellungnahmen.
Das Sozialgericht hat die Beschwerde mit Verfügung vom 9. September 2008 dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt, wo sie am 11. September 2008 eingegangen ist.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verfahrensakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen. Diese haben bei der Entscheidungsfindung vorgelegen.
II.
Die nach § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach Maßgabe des § 173 SGG frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde hat Erfolg. Insbesondere wird der nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebliche Beschwerdewert von 750 EUR erreicht, denn der Antragsteller begehrt weitere Grundleistungen nach dem AsylbLG in Höhe von monatlich 132,94 EUR für einen Zeitraum vom Mai 2008 bis voraussichtlich Juni 2009.
Nach Auffassung des Senats hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zu Recht zur vorläufigen Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG verpflichtet. Dabei hat es jedoch die tatsächlichen Modalitäten der Leistungserbringung durch die Antragsgegnerin verkannt und zu Unrecht die Verpflichtung zur Erbringung weiterer Barleistungen über den Barbetrag von 40,93 EUR hinaus bis zur Höhe der vollen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (LSG Hessen, Beschl. v. 29.6.2005 – L 7 AS 1/05 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86b RdNr. 27 und 29 m.w.N.). Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte dabei schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 12. 5.2005 – 1 BvR 569/05 – info also 2005, 166).
Sowohl das Vorliegen der Voraussetzungen für den Anordnungsanspruch als auch für den Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (BVerfG, Beschl. v. 12. 5.2005 – a.a.O.). Die Glaubhaftmachung erfordert eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes und bezieht sich auch auf die Beweismittel (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., RdNr. 16b f.).
Nach diesem Maßstab ist hier zunächst ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht worden, denn der Antragsteller verfügt soweit erkennbar über keine bereiten Mittel, um seinen Lebensunterhalt über die von der Antragsgegnerin gewährte Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft hinaus sicherzustellen. Insoweit erscheint sogar die Deckung seiner elementaren Grundbedürfnisse gefährdet. Durch den von der Antragsgegnerin angeregten Abbruch der Schulausbildung entstünden für den Antragsteller schwerwiegende Nachteile. Da der Antragsteller weiterhin im aufenthaltsrechtlichen Status der Duldung lebt und daher mit einer unter Umständen kurzfristigen Beendigung seines Aufenthalts rechnen muss, ist nicht absehbar, ob er eine unterbrochene Ausbildung jemals wird beenden können. Gleichzeitig hat auch die Antragsgegnerin dem Antragsteller nahe gelegt, sich um eine Aufenthaltsgestattung nach § 60a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz bis zum Ende seiner Ausbildung zu bemühen und so einen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG zu erhalten, was durch eine Unterbrechung der Ausbildung konterkariert würde. Jedenfalls käme es aber durch eine Unterbrechung der Ausbildung auch bei einer schnellen Entscheidung in der Hauptsache zu einer wesentlichen Verzögerung der Ausbildung, da es nach der allgemeinen Lebenserfahrung überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller die schulische Ausbildung nach einer längeren Unterbrechung entweder ganz von vorne beginnen müsste oder jedenfalls für die Fortsetzung bis zum Beginn des nächsten Schuljahrs würde warten müssen.
Mit Rücksicht auf die vorstehend genannten drohenden Nachteile hält der Senat auch einen Anordnungsanspruch für ausreichend glaubhaft gemacht. Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugestehen, dass die Erbringung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auch während einer grundsätzlich nach dem BAföG förderungsfähigen Ausbildung zu einer Besserstellung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG gegenüber solchen nach dem SGB XII und dem SGB II zur Folge hätte. Letztere sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII beziehungsweise § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II während der Dauer einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung von Leistungen nach dem dritten und vierten Kapitel SGB XII beziehungsweise von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Die aus dem Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Ausschlussnorm im AsylbLG folgende Besserstellung von Leistungsberechtigten nach diesem Gesetz hat das Sozialgericht Berlin (Beschluss vom 14.3.2005 – S 38 AY 13/05 ER) und das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 15.11.2005 – L. 23 B 1008/05 AY ER) in den von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidungen bewogen, die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII im Wege der lückenfüllenden Gesetzesanalogie auch für den Ausschluss von Leistungen nach § 3 AsylbLG heranzuziehen.
Der Senat hat jedoch erhebliche Zweifel, ob diese Analogie statthaft ist. Welche Regelungen des SGB XII im Rahmen des Asylbewerberleistungsrechts analog angewandt werden können, ist in verschiedenen Bestimmungen des AsylbLG ausdrücklich geregelt. Das daneben weitere Bestimmungen des SGB XII analog angewandt werden können, wird in der Literatur angezweifelt (Birk in LPK-SGB XII, Vorbem. vor § 1 AsylbLG RdNr 5; Hohm in Schellhorn/Schell¬horn/ Hohm, Vorbem. AsylbLG RdNr 5) oder unter enge Voraussetzungen gestellt (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, AsylbLG Einl. RdNr 3). Eine analoge Anwendung des § 22 SGB XII wird sogar ausdrücklich abgelehnt (Birk in LPK-SGB XII, Vorbem. vor § 1 AsylbLG RdNr 5 unter Hinweis auf OVG NRW, Beschluss vom 15.6.2001 – 12 B 795/00). Der Senat hält diese Zweifel für nicht unbegründet, denn die Rechtsfigur der Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz voraus, von der nach den mehrfachen Änderungen des AsylbLG seit 1993 kaum noch ausgegangen werden kann. So hat das OVG NRW (a.a.O.) in gut nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass der Gesetzgeber mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des AsylbLG vom 25.8.1998 (BGBl. I S. 2505) in Anlehnung an entsprechende Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) verschiedene Einschränkungs- oder Ausschlusstatbestände im AsylbLG normiert hat. Damit habe der Gesetzgeber den Weg eingeschlagen, Anspruchsausschlüsse oder –einschränkungen, die er für notwendig hält, jeweils gesondert innerhalb des AsylbLG zu regeln, was auch in der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 13/10155) zum Ausdruck komme. Denn diese Normen werden nicht etwa als Klarstellungen bereits zuvor im Wege der Analogie gewonnener Regelungen bezeichnet, sondern im einzelnen detailliert begründet. Da der Gesetzgeber sich die Ergänzung des AsylbLG um Normen, mit denen Ansprüche eingeschränkt oder ausgeschlossen werden, vorbehalten habe, müsse die Rechtsprechung insoweit Wertungswidersprüchen zwischen dem BSHG und dem AsylbLG beziehungsweise innerhalb des AsylbLG hinnehmen. Im übrigen hat der Senat erhebliche Zweifel, ob ein völliger Ausschluss selbst von Leistungen, die nur wenig mehr als das physische Existenzminimum sichern, ohne eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung im Wege der Analogie im Ergebnis nur deshalb vorgenommen werden kann, weil ein Ausländer die ihm bis zur Ausreise verbleibende Zeit sinnvoll zu nutzen versucht.
Selbst wenn man eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Bezug auf die Erbringung von Leistungen nach § 3 AsylbLG zulassen wollte, gibt der vorliegende Fall Anlass, eine besondere Härte im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII zu prüfen. Denn nach dem bisher bekannten Sachverhalt ist anzunehmen, dass der Antragsteller seine Ausbildung im August 2007 noch in Übereinstimmung mit dem damals gültigen Jugendhilfeplan aufgenommen hat und hierbei nicht nur materiell durch das Jugendamt Wittenberg und eventuell auch der Antragsgegnerin unterstützt worden ist. Der hierdurch möglicherweise geschaffene Vertrauenstatbestand könnte geeignet sein, eine besondere, über die mit dem Abbruch einer begonnenen Ausbildung üblicherweise verbundenen Nachteile hinausgehende Härte zu begründen. Insoweit bedarf es jedoch weiterer Sachverhaltsaufklärung, die angesichts der prekären materiellen Lage des Antragstellers und der faktischen vollständigen Vorwegnahme der Hauptsache im Falle eines Ausbildungsabbruchs dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
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