L 6 U 143/03

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 243/00
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 143/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. November 2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 11. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2000 aufgehoben und wird gegenüber der Beigeladenen zu 2) festgestellt, dass der Unfall vom 8. September 1981 ein Arbeitsunfall war. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Vorverfahren trägt die Beklagte ganz und diejenigen in beiden Rechtszügen tragen die Beklagte und die Beigeladene zu 2) jeweils zu 1/3. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Die am 1963 geborene Klägerin, die im vierten Lebensjahr mit dem Turnen begonnen hatte, trainierte neben ihrem Schulbesuch ab 1970 in der Sektion Geräteturnen im damaligen Trainingszentrum B ... Im Jahre 1974 wurde sie zum ehemaligen Sportclub C. H. (SC Chemie) delegiert, dem sie als Leistungskader bis Ende Dezember 1981 angehörte. Ab September 1975 war sie Schülerin der Kinder- und Jugendsportschule "F.-E.” H. (KJS), die sie am 30. Juni 1982 mit dem Abschlusszeugnis der allgemein bildenden Oberschule – Prädikat "Auszeichnung” – verließ.

Am 8. September 1981 gegen 13.00 Uhr stürzte die Klägerin während eines in den Stundenplan der KJS integrierten Trainings bei einem Flickflack in der Turnhalle des SC C., die von der KJS mitbenutzt wurde und sich zusammen mit deren Unterrichtsräumen und dem Schülerinternat sowie dem Leichtathletikstadion und der Schwimmhalle auf dem Gelände des Sportkomplexes in der R.-K.-Straße in H. befand (und befindet), auf den Kopf (Unfallschilderung vom 10. Juni 1996).

Am 6. September 1991 war bei der Beigeladenen zu 2) eine Meldung des Facharztes für Allgemeinmedizin W. vom 29. August 1991 eingegangen, wonach sich die Klägerin an diesem Tag bei ihm vorgestellt hatte. Durch den von 1973 bis 1981 betriebenen Leistungssport habe sie einen Wirbelsäulenschaden erlitten. Die Beigeladene zu 2) hatte den Vorgang mit Schreiben vom 7. November 1991 an die Beklagte weitergeleitet. Deren Zuständigkeit sei gegeben, weil die Klägerin sich als Schülerin beim Sport eine Berufskrankheit (BK) zugezogen habe. Auf Anfrage der Beklagten hatte ihr die Klägerin am 5. Dezember 1991 u.a. mitgeteilt, sie sei am 14. März 1984 begutachtet worden, und ihren Rentenvertrag vom 26. Juni 1984 übersandt, nach dem sie von der Staatlichen Versicherung der DDR seit dem 1. März 1982 (bis einschließlich Mai 2023) eine Rente nach einem Körperschaden von 30 % erhalten hatte. Mit Schreiben vom 28. Mai 1993 hatte die Beklagte den Vorgang an Beigeladene zu 2) zurückgereicht.

Die Beigeladene zu 2) hatte einen Befundbericht der Fachärztin für Sportmedizin Dr. F. vom 22. November 1993 eingeholt. Dr. F. hatte als Diagnosen eine Skoliose (Verbiegung) der Wirbelsäule mit mehrfachen funktionellen Störungen sowie einen Bänderschmerz im Übergangsbereich der Lendenwirbelsäule (LWS) zum Kreuzbein (S1), einen Zustand nach Osteochondrose (degenerative Knochen-Knorpelveränderung) der LWS und eine Pseudolisthesis (degeneratives Wirbelgleiten) von L4 (vom vierten Lendenwirbelkörper) bis S1 vermerkt sowie den Verdacht auf das Vorliegen von Chondropathien (Knorpelschädigungen) im Bereich des linken Kniegelenkes und der Sprunggelenke geäußert. In seiner gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 4. Mai 1994 hatte Dr. Müller darauf hingewiesen, dass es sich bei der vorliegenden Wirbelsäulenschädigung nach den Gepflogenheiten der DDR nicht um eine BK gehandelt habe. Ferner hatte die Beigeladene zu 2) das Sportmedizinische Vorgutachten der Dr. H. vom 20. Dezember 1982 beigezogen, welches bei ihr am 11. Juli 1994 einging. Dr. H. hatte hierin neben intervallweise auftretenden Rückenbeschwerden infolge progredienter (fortschreitender) Skoliose der LWS bei seit 1979 bestehender Apophysenverknöcherungsstörung (Verknöcherungsstörung der Sehnenansatzstelle) der ventralen (vorderen) Oberkante von L3 (dritter Lendenwirbelkörper) u.a. einen Zustand nach HWS-Trauma (Halswirbelsäulen-Verletzung) festgehalten. Am 9. September 1981 habe die Klägerin bei einem Flickflack einen Kopfsturz erlitten und sich dabei ein C6-Syndrom (Sensibilitätsstörung im Bereich des 6. Halswirbelkörpers) zugezogen. Mit Schreiben vom 25. Juli 1994 hatte die Beigeladene zu 2) den Vorgang an die Beklagte zurückgegeben.

Die Beklagte zog von der Deutschen Versicherungs-Aktiengesellschaft Allianz das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. J. vom 27. Januar 1984 bei, welches dieser aufgrund der ambulanten Untersuchung der Klägerin vom 8. November 1983 erstellt hatte. Anamnestisch hatte Dr. J. für September 1981 Schmerzen im Bereich der HWS nach einem Sturz auf den Kopf festgehalten und folgende Diagnosen gestellt: Chondropathia patellae (Knorpelschaden im Kniescheibenbereich) beiderseits bei Zustand nach Arthrotomie (operative Gelenkeröffnung) am 31. August 1978, Osteochondrose mit Gefügelockerung bei C4/5 (zwischen dem vierten und fünften Halswirbelkörper), linkskonvexe Lumbalskoliose (Verbiegung der LWS mit Bogen nach links) mit Randleistenverknöcherungsstörung der Vorderkante bei L3, beginnende Arthrose in beiden Großzehengrundgelenken sowie Bandinsuffizienz der beiden oberen Sprunggelenke bei rezidivierenden (wiederkehrenden) Distorsionen (Zerrungen) beiderseits. Im Ergebnis war Dr. J. zu der Einschätzung gelangt, der durch den Sport bedingte Körperschaden betrage 30 %.

Am 17. Juli 1995 unterrichtete die verantwortliche Ärztin des Olympiastützpunktes M./H. Dr. P. die Beklagte darüber, dass die radiologische Untersuchung des Schädels (am 9. September 1981) ohne Befund geblieben sei und die nachfolgenden Sensibilitätsstörungen auf ein C6-Syndrom hingewiesen hätten.

Auf entsprechende Anfrage teilte der Sportverein H. e.V. als Rechtsnachfolger des SC C. der Beklagten mit Schreiben vom 8. Juli 1996 mit, bei ihm liege keine Meldung zum Unfall vom 8. September 1981 vor und empfahl eine Nachfrage beim Sportgymnasium Halle als Rechtsnachfolger der KJS. Von diesem erhielt die Beklagte am 26. Juli 1996 die Auskunft, auch dort sei keine Meldung zu diesem Unfall vorhanden.

Von dem Direktor der Universitätsklinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken B. H. Prof. Dr. O. ließ die Beklagte das zusammen mit dem Leitenden Oberarzt der Klinik Dr. W. sowie dem Facharzt für Chirurgie Dipl.-Med. W. gefertigte Gutachten vom 8. Dezember 1999 erstellen. Zum Unfallhergang gab die Klägerin bei der ambulanten Untersuchung am 22. November 1999 ergänzend an, sie habe bei einem während einer Akrobatikreihe ausgeführten Flickflack plötzlich stechende LWS-Beschwerden verspürt, vor Schreck die Hände nicht über den Kopf bringen können und sei rücklings ohne Armabstützung auf den Kopf-Nacken-Bereich gestürzt. Die Gutachter fanden bei der klinischen Untersuchung keine wesentlichen Bewegungseinschränkungen der HWS, keine neurologischen Ausfälle oder Durchblutungsstörungen der oberen beiden Extremitäten sowie eine ungestörte grobe Kraftentfaltung. Radiologisch seien im Bereich der HWS weder degenerative Veränderungen noch Hinweise auf Instabilitäten erkennbar. Als Unfallfolge diagnostizierte Prof. Dr. O. einen (folgenlos ausgeheilten) Zustand nach HWS-Distorsion.

Mit Bescheid vom 11. April 2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 8. September 1981 als Arbeitsunfall ab. Da sie von ihm erst nach dem 31. Dezember 1993 Kenntnis erlangt habe, sei zu prüfen, ob der Unfall nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Versicherungsschutz gestanden habe. Dies sei nicht der Fall. Denn der Unfall habe sich im Rahmen eines unversichert betriebenen Freizeit- bzw. Vereinssports ereignet.

Hiergegen legte die Klägerin am 20. April 2000 Widerspruch ein und machte im Wesentlichen geltend, dass sie den Unfall während des Schulsports als Schülerin der KJS erlitten habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2000 wies die Beklagte den Widerspruch unter Vertiefung der im angefochtenen Bescheid gegebenen Begründung zurück.

Am 28. November 2000 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und ihr Begehren weiter verfolgt. Sämtliche Unfallunterlagen seien von der Beigeladenen zu 2) im Jahr 1991 an die Beklagte übersandt worden, so dass auch ihr der Unfall vom 8. September 1981 bereits vor dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden sei. Unabhängig hiervon habe sich der Unfall im Verantwortungs- und Organisationsbereich der KJS ereignet, die eine allgemein bildende Schule gewesen sei. Dass in ihr das gezielte Training in den Schulsport integriert und dafür der Bildungsauftrag zeitlich gestreckt worden sei, wodurch sich die Schulzeit verlängert habe, ändere hieran nichts. Ein unversicherter Leistungssport könne allenfalls für diejenigen Fälle angenommen werden, bei denen sie sich auf Veranlassung des SC C. auf nationalem oder internationalem Terrain bewegt habe. Zur Veranschaulichung hat die Klägerin einen – zum Teil aus dem Gedächtnis erstellten – Stunden- und Trainingsplan der KJS vorgelegt, wonach sie (einschließlich Sonnabends) 18 Wochenstunden a 45 Minuten Unterricht und ca. 36 Wochenstunden Training absolviert hatte.

Die Beklagte hat an ihrer Ansicht aus dem Vorverfahren festgehalten und nochmals betont, dass sie erstmals im Juli 1994 Kenntnis vom streitbefangenen Unfall erlangt habe. Bei den von der Klägerin ausgeübten sportlichen Aktivitäten habe es sich nicht um Schulsport einer allgemein bildenden Schule, sondern um Leistungssport gehandelt. Denn bei der KJS habe die Erzielung von sportlichen Spitzenleistungen und nicht die Vermittlung allgemein bildenden Wissens im Vordergrund gestanden. Sie habe als "Kaderschmiede" zur Heranziehung von Leistungssportlern gedient. Dass ein derart ideologisch motivierter Unfallversicherungsschutz, der dem System der RVO fremd sei, nicht dem normalen Versicherungsschutz beim Besuch einer allgemein bildenden Schule unterlegen habe, werde durch § 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 (GBl. I Nr. 22/1973 – ErweiterungsVO) belegt, wonach die genannten Aktivitäten gesondert unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestellt worden seien.

Das SG hat seine Verfahrensakte zum Unfall der Klägerin vom 20. Oktober 1977, bei dem sie anlässlich eines Wettkampftrainings in Berlin eine distale Radiusfraktur (handnaher Speichenbruch) rechts erlitten hatte (als Arbeitsunfall anerkannt mit Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 1997) beigezogen (S 7 U 129/97): In diesem Verfahren hatte das SG zunächst von dem Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie der M.-L.-Universität H.-W. Prof. Dr. H. das Gutachten vom 17. Mai 1998 eingeholt. Anknüpfend an das von Prof. Dr. O. am 26. August 1996 erstellte Gutachten zum Unfall der Klägerin vom 18. Juli 1980 (bei einem Schauturnen in Portugal erlittene Stauchung der Wirbelsäule sowie Distorsion des linken Fußgelenkes; als Arbeitsunfall anerkannt mit Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 1997) hatte auch Prof. Dr. H. eine sowohl klinisch als auch radiologisch unauffällige HWS gefunden. Im Ergebnis hatte er zunächst gemeint, es sei nicht sicher zu sagen, ob es sich bei dem Deckplatteneinbruch bei L3 um eine Unfallfolge, z.B. im Rahmen der Stauchungsverletzung von 1980, oder eine Randleistenstörung handele. Dann hatte er sich jedoch einerseits darauf festgelegt, dass Ursache der Schädigung der Unfall vom 9. September 1981 (gemeint wohl 8. September 1981) sei. Anderseits hatte Prof. Dr. H. eingeschätzt, der Unfall vom 18. Juli 1980 könne mit einer Stauchung der Wirbelsäule und gegebenenfalls dem Kantenabbruch mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 vom Hundert (vH) bewertet werden. Nachfolgend hatte das SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. J. das Gutachten vom 8. März 1999 erstatten lassen. Im Anschluss an Prof. Dr. H. hatte Dr. J. die Ansicht vertreten, die Schädigung im Bereich von L3 sei dem Unfall vom 9. September 1981 (gemeint wohl 8. September 1981) zuzurechnen, da bei der Klägerin eine traumabedingte Anamnese vorliege.

Nach Erörterung des Sachverhalts in nichtöffentlicher Sitzung am 15. April 2003 hat das SG mit Beschluss vom 12. September 2003 die Beigeladene zu 1) zum Verfahren hinzugezogen. Diese hat ausgeführt, ihre Zuständigkeit für den strittigen Unfall scheide aus. Die Klägerin habe stets betont, den Unfall bei der Ausübung des Schulsports erlitten zu haben, der lediglich in den Einrichtungen des SC Chemie betrieben worden sei. Soweit die Beklagte im angefochtenen Bescheid eine nicht versicherte Vereinstätigkeit der Klägerin festgestellt habe, sei diese Feststellung zwar mangels Zuständigkeit der Beklagten zu Unrecht erfolgt, jedoch im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Mit Urteil vom 7. November 2003 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anerkennung des Unfalls vom 8. September 1981 als Arbeitsunfall. Es könne dahinstehen, ob der Unfall nach der RVO unter Versicherungsschutz gestanden habe. Eine Feststellung als Arbeitsunfall scheide nämlich bereits deshalb aus, weil der Unfall keine Gesundheitsstörungen hinterlassen habe, die sich heute noch in irgendeiner Form auswirkten. Insbesondere die Veränderungen im Bereich von L3 könnten entgegen den weder schlüssigen noch überzeugenden Einschätzungen von Prof. Dr. H. und Dr. J. nicht als Folgen des Unfalls vom 9. September 1981 (gemeint 8. September 1981) angesehen werden. Dass bei diesem Sturz die LWS traumatisiert worden sei, sei weder im Aktenmaterial dokumentiert noch habe die Klägerin dies selbst behauptet. Vielmehr sei immer von einem Kopfsturz nach einem Flickflack die Rede gewesen. Eine HWS-Distorsion, die offensichtlich mit temporären neurologischen Erscheinungen (C6-Syndrom) eingetreten sei, könne deshalb nicht als Unfallfolge festgestellt werden, weil sie entsprechend allgemeiner medizinischer Erfahrung binnen weniger Wochen folgenlos ausgeheilt sei.

Gegen das am 27. November 2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Dezember 2003 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens insbesondere gerügt, dass das SG den gesamten bisherigen Streitstoff völlig überraschend und ohne jegliche Vorwarnung als bedeutungslos ignoriert habe. Überdies habe es die Ausführungen des bekanntesten Sportorthopäden der DDR (Dr. J.) sowie des international anerkannten Sachverständigen Prof. Dr. H. als unschlüssig abgetan. Dass diejenigen medizinischen Unterlagen, in denen der Unfall vom 8. September 1991 ausdrücklich erwähnt sei, erst nach dem 31. Dezember 1993 bei der Beklagten eingegangen seien, könne nicht entscheidend sein. Denn der Rentenvertrag, der auf dem Gutachten vom 20. Dezember 1982 beruhe, sei ihr am 5. Dezember 1993 bekannt geworden. Demnach habe sie weiteren Anhaltspunkten im Wege der Amtsermittlung nachgehen und sich entsprechende Kenntnis verschaffen können.

Die Klägerin beantragt ihrem Vorbringen nach,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. November 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2000 aufzuheben und – hilfsweise gegenüber einer der Beigeladenen – festzustellen, dass der Unfall am 8. September 1981 ein Arbeitsunfall (Schülerunfall) war. Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. November 2003 zurückzuweisen.

Sie hält ihre angefochtenen Bescheide und das diese bestätigende Urteil des SG im Ergebnis für zutreffend.

Die Beigeladenen, die keine Anträge gestellt haben, haben auf ihre bisherigen Ausführungen verwiesen.

Der Senat hat neben der Gerichtsakte des SG mit dem Aktenzeichen S 7 U 129/97, der Verwaltungsakte der Beigeladenen zu 2) und derjenigen der Beklagten zum streitgegenständlichen Unfall auch deren Akte zum Unfall vom 20. Oktober 1977 (die Verwaltungsakte zum Unfall vom 18. Juli 1980 wurde von der Beklagten nach der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vernichtet) beigezogen. Aus der hierin enthaltenen Unfallmeldung vom 22. Juli 1980 ging hervor, dass die Klägerin am 18. Juli 1980 bei einem rückwärts ausgeführten Doppelsalto auf einer relativ harten Mattenunterlage gelandet war und eine erhebliche Stauchung der LWS sowie eine schwere Distorsion des linken Fußgelenkes erlitten hatte.

Am 24. Juli 2007 hat der zuständige Berichterstatter des Senats den Sachverhalt mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung erörtert. Diese haben in dem Termin einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Schließlich hat der Senat mit Beschluss vom 25. März 2008 die Beigeladene zu 2) am Verfahren beteiligt. Sie hat mit Schreiben vom 26. März 2008 ebenfalls ihre Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

I. Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die nach § 143 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung der Klägerin ist im Sinne des Ausspruchs zum Teil begründet. Das gegen die Beklagte in Form einer nach den §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 19/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 23, m.w.Nw.) gerichtete Begehren ist hinsichtlich seines Anfechtungsteils deshalb zulässig und begründet sowie bezüglich seines Feststellungsteils bereits unzulässig, weil über die Anerkennung des Unfalls vom 8. September 1981 nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene zu 2) zu befinden hat (nachfolgend unter 1.). Dagegen ist die von der Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 2) im Berufungsverfahren hilfsweise begehrte Feststellung sowohl zulässig (hierzu unter 2.) als auch begründet (unter 3.). Wegen Rechtswidrigkeit des Bescheides der Beklagten vom 11. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2000 und des ihn bestätigenden Urteils des SG waren die entsprechenden Entscheidungen insoweit aufzuheben (§ 54 Abs. 2 SGG). Da der Unfall vom 8. September 1981 ein Arbeitsunfall war, war dies gegenüber der Beigeladenen zu 2) als zuständigem Versicherungsträger festzustellen.

1. Die gegen die Beklagte erhobene Klage ist im Hinblick auf das Anfechtungsbegehren sowohl zulässig als auch begründet, wohingegen das Feststellungsbegehren mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig ist. Denn die Beklagte hat über die Anerkennung des Arbeitsunfalls als unzuständiger Versicherungsträger entschieden. Zuständig hierfür ist die Beigeladene zu 2).

a) Die Zuweisung an die Beigeladene zu 2) ergibt sich aus Anl. I Kap. VIII Sachgeb. I Absch. III Ziff. 1 Buchst. c) Abs. 8 Nr. 2 ff) des Einigungsvertrages (BGBl. II Nr. 35/1990 – EV) i.V.m. der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (BG) erarbeiteten Liste über die Zuständigkeit der Unfallversicherungsträger für Arbeitsunfälle/Berufskrankheiten bis zum 31. Dezember 1990 (abgedruckt z.B. als Anlage 4 bei Petri u.a., Leistungsgewährung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten in den neuen Bundesländern, Berlin 1993, S. 93). Danach werden Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, bei denen der Zeitpunkt des Versicherungsfalls – wie hier – vor dem 1. Januar 1991 liegt, die aber erst nach diesem Stichtag, jedoch spätestens bis zum 31. Dezember 1994 – wie hier ebenso – angezeigt werden, numerisch nach Geburtstag und -monat des Leistungsempfängers verteilt (Geburtstags-BG). Da die Geburtsdaten vom 25. Mai bis zum 8. Juni nach der genannten Liste der Beigeladenen zu 2) zugewiesen sind, ist sie für die Klägerin zuständig.

b) Eine Sonderzuweisung an die Beklagte folgt vorliegend nicht aus Anl. I Kap. VIII Sachgeb. I Absch. III Ziff. 1 Buchst. c) Abs. 8 Nr. 2 ee) EV. Diese Vorschrift begründet eine besondere Zuständigkeit der Beklagten für Arbeitsunfälle, die dem Anwendungsbereich von § 1 der ErweiterungsVO unterfallen. Dies waren Unfälle, die Betroffene bei organisierten, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten erlitten (§ 1 Abs. 1). Hierzu zählten neben aktiven kulturellen, sportlichen und ehrenamtlichen Betätigungen u.a. Teilnahmen an von Betrieben, staatlichen Einrichtungen oder Genossenschaften organisierten Versammlungen oder Kundgebungen (§ 1 Abs. 2 der ErweiterungsVO). Dass sich der Unfall vom 8. September 1981 entgegen der Ansicht der Klägerin nicht als organisierte sportliche Tätigkeit unter den Anwendungsbereich von § 1 der ErweiterungsVO subsumieren lässt, ergibt sich aus dem Vergleich der §§ 1 und 2 der ErweiterungsVO. Nach dem Katalog des § 2 der ErweiterungsVO waren bestimmte Verrichtungen organisierten gesellschaftlichen, kulturellen und sportlichen Tätigkeiten gleichgestellt, mit ihnen also nicht identisch. Nach § 2 e) der ErweiterungsVO wurde u.a. erstmals der Besuch der zehnklassigen bzw. erweiterten allgemein bildenden Oberschule oder Spezialschule, zu der die KJS ab 1963 zählten (siehe § 18 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über das Einheitliche Sozialistische Bildungssystem vom 25. Februar 1965, GBl. I Nr. 6, S. 92 – ESBG, 23 GA), unter Versicherungsschutz gestellt. Der vorliegende Unfall, der sich im Gegensatz zu denjenigen vom 20. Oktober 1977 und 18. Juli 1980 während des in den Stundenplan der KJS integrierten Turntrainings ereignete, unterliegt damit nicht dem Anwendungsbereich von § 1, sondern dem insoweit spezielleren von § 2 e) der ErweiterungsVO.

c) Die nach § 2 e) der ErweiterungsVO versicherten Unfälle unterliegen nicht dem Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Für dieses Verständnis spricht zunächst der Wortlaut von Anl. I Kap. VIII Sachgeb. I Absch. III Ziff. 1 Buchst. c) Abs. 8 Nr. 2 ee) EV. Der hierin enthaltene Rückgriff allein auf § 1 der ErweiterungsVO als einem (vermeintlich) klaren formalen Abgrenzungskriterium trägt dem erkennbaren Bedürfnis nach einer möglichst schnellen und unkomplizierten Zuständigkeitsverteilung Rechnung. Sachlicher Hintergrund der zentralen Funktion der Beklagten für die Altfälle nach § 1 der ErweiterungsVO ist das Fehlen eines entsprechenden Versicherungsschutzes nach der RVO, womit insoweit – im Unterschied zu den Fällen des § 2 der ErweiterungsVO – keine zuständige Fach-BG existiert. Hätte der Gesetzgeber eine Sonderzuständigkeit der Beklagten auch für § 2 der ErweiterungsVO schaffen wollen, wäre als nahe liegend zu erwarten gewesen, dass er diese Norm ebenfalls in Anl. I Kap. VIII Sachgeb. I Absch. III Ziff. 1 Buchst. c) Abs. 8 Nr. 2 ee) EV genannt hätte. Überdies lässt sich auch die seit der Wiedervereinigung geübte Verwaltungspraxis, nach der die Altfälle aus § 2 der ErweiterungsVO nach dem Verteilerschlüssel der Geburtstags-BG zugeordnet wurden (siehe Petri u.a., a.a.O., S. 24), als Beleg für diese Auslegung anführen.

Die kombinierte Klage gegen die Beklagte ist demnach zum Teil zulässig und begründet und zum Teil unzulässig.

2. Demgegenüber ist das hilfsweise Feststellungsbegehren der Klägerin gegenüber der Beigeladenen zu 2) zulässig.

a) Hierbei handelt es sich insbesondere um keine unzulässige Klageänderung. Denn in dem gegen die Beklagte gerichteten Hauptantrag ist der gegenüber der Beigeladenen zu 2) gestellte Hilfsantrag stillschweigend enthalten (vgl. Keller/Leitherer in: Meyer-Ladewig/dies., SGG, 8. Aufl., § 75 Rn. 18). Im Übrigen läge jedenfalls Sachdienlichkeit vor (§ 99 Abs. 1 2. Alt. SGG). Im sozialgerichtlichen Verfahren richtet sich ein Antrag auch auf die Verurteilung des zuständigen Versicherungsträgers, wenn dieser beigeladen und seine Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG zulässig ist. Nach dieser Norm kann ein beigeladener Versicherungsträger nicht nur zur Leistung verurteilt werden. Vielmehr ist ihm gegenüber z.B. auch die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht zulässig (siehe BSG, Urteil vom 12. Dezember 1964 – 3 RK 65/62BSGE 22, 173; Urteil vom 22. März 2001– B 12 P 3/00 RSozR 3-2600 § 3 Nr. 5; Urteil vom 23. September 2003 – B 12 P 2/02 RSozR 4-2600 § 3 Nr. 1 oder Urteil vom 26. Mai 2004 – B 12 AL 4/03 RSozR 4-2500 § 5 Nr. 2). Entsprechendes gilt nach Überzeugung des Senats dann, wenn – wie hier – die Feststellung des Versicherungsfalls streitbefangen ist und der zuständige Versicherungsträger – wenngleich erst im Berufungsverfahren – beigeladen wird (im Ergebnis ebenso Urteil des Senats vom 21. Februar 2008 – L 6 U 31/05 –, Revision anhängig unter B 2 U 8/08 R; ähnlich zur Versicherungs- und Beitragspflicht, LSG Sachsen-Anhalt, Urteil des 4. Senats vom 20. September 2006 – L 4 P 17/03 –, Revision anhängig unter B 12 P 5/06 R).

b) Die Voraussetzungen von § 75 Abs. 5 SGG liegen hier vor. Zwar hat die Beigeladene zu 2) über den Anspruch der Klägerin nicht selbst durch Verwaltungsakt entschieden. Das von der Beklagten betriebene Verwaltungsverfahren genügt jedoch ausnahmsweise für einen zulässigen Feststellungsantrag ihr gegenüber, zumal sie mit dem Verfahren bereits mehrfach befasst war. Der Rechtsprechung ist nämlich nicht zu entnehmen, dass vor einer Feststellung gegenüber einer Beigeladenen von dieser als für die Entscheidung zuständigem Versicherungsträger in jedem Fall ein nochmaliges Verwaltungsverfahren durchzuführen und ein (förmlicher) Verwaltungsakt zu erlassen ist. Die Unzulässigkeit einer Feststellung gegenüber einem Beigeladenen hat das BSG nur bei eindeutiger und ausdrücklicher gesetzlicher Zuständigkeitsregelung und nur für diejenigen Fälle angenommen, in denen der unzuständige Versicherungsträger nicht konkret über den streitbefangenen Anspruch entschieden hat (siehe Urteil vom 23. September 2003 – B 12 RA 3/02 R – SozR 4-2400 § 28 h Nr. 1; Urteil vom 25. März 2004 – B 12 AL 5/03 RSozR 4-2600 § 191 Nr. 1 sowie Urteil vom 26. Mai 2004, s.o.). Im Übrigen kann das Verwaltungsakterfordernis dann erfüllt sein, wenn eine Beigeladene ausdrücklich erklärt, sie erkenne den Versicherungsfall nicht an (so im Verfahren des Senats – L 6 U 31/05 –, s.o.). Hier hat die Beklagte eine Entscheidung über den allein streitbefangenen Anspruch (Feststellung des Versicherungsfalls) getroffen. Zudem ist die vorliegend einschlägige Zuständigkeitsverteilung schon im Ansatz durch materiell-rechtliche Überlegungen vorgeprägt (s.o.; sogleich näher unter 3.) und nicht eindeutig. Dieser Umstand widerspiegelt sich nicht zuletzt im Ablauf des Verwaltungsverfahrens, mit der mehrfachen gegenseitigen Übergabe des Vorgangs zwischen der Beigeladenen zu 2) und der Beklagten. Denn ein der unter 1. aufgezeigten Zuständigkeitsverteilung entgegengesetztes Verständnis ist jedenfalls nicht von vornherein unvertretbar. Dies gilt umso mehr, als die Gesetzesmaterialien keinerlei Anhaltspunkte in Richtung einer bestimmten Auslegung enthalten (siehe BT-Drucks. 11/7760, S. 371 und 11/7817, S. 153 sowie BR-Drucks. 605/90, S. 153). Es erschiene nicht ausgeschlossen, § 2 der ErweiterungsVO als unselbstständige Ergänzung der Grundnorm des § 1 der ErweiterungsVO anzusehen, die rechtstechnisch als "§ 1 Abs. 3” gelesen werden könnte. Dies stünde auch nicht im Widerspruch zu den einschlägigen Regelungen im EV. Denn Anl. I Kap. VIII Sachgeb. I Absch. III Ziff. 1 Buchst. c) Abs. 8 Nr. 2 ff) EV greift die ErweiterungsVO – im Unterschied zur Nr. 2 ee) – nicht auf, so dass sich die in der Praxis geübte Verteilung gerade nicht ohne weiteres aufdrängt. Diese Regelung betrifft vielmehr alle Arbeitsunfälle sowie Berufskrankheiten und benennt als maßgebliches Kriterium anstatt einer bestimmten Rechtsnorm einen konkreten Zeitrahmen, folgt also einem völlig anderen System. Insoweit erscheint auch nicht völlig ausgeschlossen, dass der Normgeber eine Erwähnung von § 2 der ErweiterungsVO schlicht als überflüssig ansah, da er die zentrale Zuständigkeit der Beklagten für alle Fälle der ErweiterungVO als selbstverständlich vorausgesetzt hat.

Ist demnach zum einen die Voraussetzung einer identischen Verwaltungsentscheidung erfüllt und fehlt es zum anderen an einer ausdrücklichen Zuständigkeitsregelung für die Fälle von § 2 der ErweiterungsVO, erlangt die ratio legis des § 75 Abs. 5 SGG entscheidendes Gewicht. Die Norm verfolgt den Zweck, eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts herbeizuführen und die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen zu vermeiden (vgl. Keller/Leitherer, a.a.O., § 75 Rn. 3). Eine unzutreffende Beurteilung der Zuständigkeit soll nicht in der Weise zu Lasten des Betroffenen gehen, dass er im Prozess mit seinem Begehren gegen den unzuständigen Träger abgewiesen wird und ein neues Verfahren gegen den zuständigen Träger anstrengen muss. Vielmehr soll schon im ersten Verfahren eine Entscheidung über das sachliche Begehren des Betroffenen gegenüber dem zuständigen beigeladenen Versicherungsträger ermöglicht werden.

3. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Der Unfall der Klägerin am 8. September 1981 war entgegen der Ansicht der Beklagten und des SG ein Arbeitsunfall.

Der von der Klägerin verfolgte Anspruch richtet sich noch nach den vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) am 1. Januar 1997 geltenden Vorschriften, da der vorliegende Unfall bereits vor diesem Zeitpunkt eingetreten war (Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254; §§ 212 ff. SGB VII). Nach § 215 Abs. 1 SGB VII ist für die Übernahme der vor dem 1. Januar 1992 (in der DDR) eingetretenen Unfälle und Krankheiten als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung § 1150 Abs. 2 und 3 RVO weiter, also über das Inkrafttreten des SGB VII hinaus, anzuwenden. Gemäß § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO in der bis zum 31. Dezember 1996 gültigen Fassung gelten Arbeitsunfälle, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO. Dies gilt nicht für Arbeitsunfälle, die einem ab dem 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch der RVO nicht zu entschädigen wären (§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO). Diese Vorschrift ist hier einschlägig, weil der Beigeladenen zu 2) der Unfall vom 8. September 1981 erst am 11. Juli 1994 bekannt geworden ist. Ein früherer Zeitpunkt ist entgegen der Meinung der Klägerin nicht ersichtlich.

a) Ein vor dem 1. Januar 1994 liegendes Bekanntwerden i.S.v. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO kann zunächst nicht darin gesehen werden, dass bei der Beigeladenen zu 2) am 6. September 1991 die Meldung des Facharztes für Allgemeinmedizin W. vom 29. August 1991 über einen infolge des in den Jahren 1973 bis 1981 betriebenen Leistungssports entstandenen Wirbelsäulenschaden einging. Denn in dieser Meldung findet sich keinerlei Ansatzpunkt zu irgendeinem Unfallgeschehen, geschweige denn zum streitgegenständlichen Unfall.

b) Der Unfall der Klägerin vom 8. September 1981 ist der Beigeladenen zu 2) auch nicht dadurch bekannt geworden, dass ihr der Rentenvertrag vom 26. Juni 1984 von der Beklagten mit Schreiben vom 28. Mai 1993 zugeleitet wurde. Denn abgesehen davon, dass der Rentenvertrag – entgegen der Behauptung der Klägerin – nicht auf dem Gutachten der Dr. H. vom 20. Dezember 1982, sondern demjenigen des Dr. J. vom 27. Januar 1984 beruhte, enthielt er ebenso wenig konkrete Hinweise auf den Unfall vom 8. September 1981 wie der von der Beigeladenen zu 2) eingeholte Befundbericht der Dr. F. vom 22. November 1993. Insbesondere war die Beigeladene zu 2) ohne nähere Indizien nicht verpflichtet, "ins Blaue hinein" alle etwaigen Unfälle zu ermitteln, die die Klägerin gegebenenfalls in den Jahren 1973 bis 1981 erlitten hatte. Denn § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO enthält keine Antrags-, sondern eine gesetzliche Ausschlussfrist, bei der das Bekanntwerden ein rein tatsächliches Geschehen beim zuständigen Unfallversicherungsträger bezeichnet (BSG, Urteil vom 26. Juni 2001 – B 2 U 31/00 R – juris, m.w.Nw.). Dementsprechend ist der Unfall vom 8. September 1981 der Beigeladenen zu 2) erst durch das von ihr beigezogene Gutachten der Dr. H. vom 20. Dezember 1982, welches bei ihr am 11. Juli 1994 einging, bekannt geworden. Ebenso wie die Unfälle vom 20. Oktober 1977 und 18. Juli 1980 ist hierin der streitgegenständliche Unfall erstmals erwähnt.

Voraussetzung des hier geltend gemachten Anspruchs ist demnach, dass der Unfall vom 8. September 1981 die Merkmale eines Arbeitsunfalls sowohl nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht als auch nach der RVO erfüllt (ständige Rechtsprechung des BSG, siehe nur Urteil vom 4. Dezember 2001 – B 2 U 35/00 R – SozR 3-8440 Nr. 50 Nr. 1 oder Urteil vom 18. August 2004 – B 8 KN 1/03 U R – SozR 4-5670 Anl. 1 Nr. 2402 Nr. 1; siehe auch Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung, BT-Drucks. 12/405, S. 116). Dies ist hier der Fall.

(1) Nach § 220 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuchs der DDR (GBl. I Nr. 18 vom 16. Juni 1977, S. 185 – AGB) ist ein Arbeitsunfall die Verletzung eines Werktätigen im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess, wobei die Verletzung durch ein plötzliches, von außen einwirkendes Ereignis hervorgerufen worden sein musste (Satz 2). Gemäß § 220 Abs. 3 AGB galt als Arbeitsunfall auch ein Unfall, der sich bei organisierten gesellschaftlichen, kulturellen oder sportlichen Tätigkeiten ereignete. Nach § 2 e) der ErweiterungsVO waren Unfälle, die sich beim Besuch der zehnklassigen allgemein bildenden Oberschule oder Spezialschule ereigneten, Arbeitsunfällen gleichgestellt. Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 ESBG waren Spezialschulen, die für technische, mathematische, naturwissenschaftliche, sprachliche, künstlerische und sportliche Richtungen einzurichten waren (§ 18 Abs. 2 ESBG), allgemein bildende Schulen. Da sich der Unfall der Klägerin vom 8. September 1981 während ihres in den Stundenplan integrierten Turntrainings der KJS als Spezialschule des Sports ereignete, galt er nach dem Recht des Beitrittsgebiet als Arbeitsunfall (§ 220 Abs. 3 AGB). Dass die Klägerin beim Flick-flack auf den Kopf-Nacken-Bereich gestürzt war, womit ein Unfallereignis im Sinne von § 220 Abs. 1 Satz 2 AGB gegeben ist, ist aufgrund ihrer Unfallschilderung vom 10. Juni 1996 und den damit übereinstimmenden Angaben vom 8. November 1983 (gegenüber Dr. J.) und vom 22. November 1999 (gegenüber Prof. Dr. O.) belegt und zwischen den Beteiligten auch unstrittig. Daneben ist auf Grundlage der dokumentierten medizinischen Unterlagen (Gutachten Dr. H. vom 20. Dezember 1982, Mitteilungen Dr. P. vom 17. Juli 1995 sowie Gutachten Prof. Dr. O. vom 8. Dezember 1999) auch die Verletzung der Klägerin in Form einer HWS-Distorsion mit nachfolgender Sensibilitätsstörung (C6-Syndrom) vollbeweislich gesichert. Schließlich ist der Senat nach dem insoweit erforderlichen Beweismaßstab davon überzeugt, dass diese Gesundheitsstörung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Sturz hervorgerufen worden ist.

(2) Neben den danach vorliegenden Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nach § 220 AGB sind auch die Anerkennungskriterien der RVO erfüllt.

Nach § 548 Abs. 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den eine versicherte Person bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten (versicherte Tätigkeit) erleidet. Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt – so die heutige Legaldefinition in § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII, die auf die Jahrzehnte alte Definition in Rechtsprechung und Literatur zurückgeht (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17, m.w.Nw.) und auch 1981 galt. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach erforderlich, dass die Verrichtung, die der Versicherte zur Zeit des Unfalls ausübt, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass dieses Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden verursacht hat (siehe nur BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 14, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17 oder Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 18). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Unfallkausalität zwischen dem von der Klägerin am 8. September 1981 ausgeführten Flickflack und dem Sturz auf den Kopf-Nacken-Bereich als Unfallereignis sowie die haftungsbegründende Kausalität zwischen dem Sturz und dem HWS-Trauma als Gesundheits(erst)schaden sind unstrittig. Auch die weiteren Erfordernisse für die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall sind gegeben. Denn der Besuch der KJS durch die Klägerin wäre nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 b) RVO versichert gewesen und ihr Training am Unfalltag stand im sachlichen Zusammenhang zu diesem versicherten Schulbesuch.

aa) Nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 b) RVO sind Schüler während des Besuchs allgemein bildender Schulen gesetzlich gegen Arbeitsunfälle versichert. Was unter dem Begriff "allgemein bildende Schule" zu verstehen ist, wird vom Gesetz weder definiert noch beispielhaft aufgezählt. Die Schulgesetze der Länder unterscheiden die Schularten nach den Bildungs- und Erziehungszielen und zählen zu den allgemein bildenden Schulen die Grund-, Sekundar-, Gesamt- und Förderschulen sowie Gymnasien (siehe z.B. § 3 Abs. 2 Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt – SchulG LSA – in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 2005, GVBl. LSA 2005, S. 520). Ausgehend hiervon sowie unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien legt die Rechtsprechung den Begriff der allgemein bildenden Schule weit aus. Allgemein bildende Schulen sind danach zumindest solche Schulen, an denen die Schulpflicht erfüllt werden kann oder die nach ihrem Schulziel den Schülern eine auf den Haupt- oder Realschulabschluss oder die Reifeprüfung vorbereitende Bildung vermitteln. Darauf, ob es sich um Ersatz- oder Ergänzungsschulen (vgl. §§ 16 Abs. 1 und 18 b SchulG LSA) in öffentlicher oder privater Trägerschaft handelt, kommt es nicht an. Unter den Begriff der allgemein bildenden Schule fallen also z.B. Grund- und Hauptschulen, Mittel- oder Realschulen, Gymnasien, Sonderschulen, Aufbauschulen, Abendschulen und Kollegs (BSG, Urteil vom 26. Januar 1988 – 2 RU 2/87 – SozR 2200 § 539 Nr. 125 = BSGE 63, 14). Diese Voraussetzung war bei den Abschlussklassen der KJS erfüllt. Denn deren Schüler wurden nach den damaligen staatlichen Lehrplänen auf die einschlägigen Prüfungen vorbereitet und konnten – wie die Klägerin – einen Abschluss erlangen, der demjenigen von Realschulen bzw. Gymnasien entspricht. Dass bei den KJS der Sport im Vordergrund stand (siehe zu deren Entwicklung, Röder – bis 1989 Vizepräsident des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) der DDR –, Nachwuchsleistungssport, abrufbar unter: http://www.sport-ddr-roeder.de/nachwuchsleistungssport 1.html; umfassend zur Historie, Hoffmann, Der Ausbau der Kinder- und Jugendsportschulen der DDR unter besonderer Betrachtung des Konflikts um einen "humaneren Kinderhochleistungssport” zwischen dem Ministerium für Volksbildung (MfV) und dem DTSB, abrufbar unter: http://www.sport.uni-mainz.de/mueller/Texte/HOFFMANNExArbeit03. pdf), dies von der politischen Führung der DDR ideologisch motiviert war und die Schüler insoweit instrumentalisiert worden sind, ist entgegen der Sicht der Beklagten für die Einordnung als allgemein bildende Schulen rechtlich unerheblich. Dies gilt schon deshalb, weil hierdurch weder die Erfüllung der Schulpflicht entfällt, auf die es für diesen Begriff maßgeblich ankommt, noch das Bildungsziel der Vermittlung allgemein bildenden Wissens und der darauf bezogene Abschluss als nicht äquivalentes Nebenprodukt "zweiter Klasse" erscheint (siehe etwa zur Schulzeitstreckung oder dem Gruppen- und Einzelunterricht als Maßnahmen zur Garantie der Allgemeinbildung, Hoffmann, a.a.O., S. 83 f.). Abgesehen davon ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, warum Schulen mit sportlichem Schwerpunktbereich anders behandelt werden sollten, als Schulen mit sprachlichem, musikalisch-künstlerischem oder mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwergewicht, die auch heute existieren und bei denen der Versicherungsschutz nicht in Frage steht. Im Gegenteil gebietet die bei Sportschulen im Verhältnis zu derartigen Einrichtungen naturgemäß erhöhte Unfallgefahr sogar ihre Einbeziehung in den Schutzbereich der Norm.

bb) Die konkrete unfallbringende Verrichtung, nämlich der beim Training erlittene Sturz auf den Kopf-Nacken-Bereich, stand auch im sachlichen Zusammenhang mit diesem versicherten Schulbesuch.

Der sachliche Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Maßgeblich ist dabei grundsätzlich, ob das angeschuldigte Geschehen nach der Handlungstendenz des Betroffenen dem versicherten Bereich zu dienen bestimmt war (vgl. nunmehr § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII: Unfall "infolge" einer versicherten Tätigkeit; siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.). Im Rahmen der "Schülerunfallversicherung" nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 b) RVO kommt es für den sachlichen Zusammenhang entscheidend darauf an, ob die betreffende Verrichtung dem organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule zuzurechnen ist. Außerhalb dieses Verantwortungsbereichs besteht in der Regel auch kein Versicherungsschutz bei Verrichtungen, die wesentlich durch den Schulbesuch bedingt sind. Dabei ist allerdings zu beachten, dass auf die versicherungsrechtliche Beurteilung von Schülern die für erwachsene Versicherte geltenden Maßstäbe nicht ohne weiteres anwendbar sind (BSG, Urteil vom 26. Juni 2001, a.a.O.; insbesondere zum Versicherungsschutz bei typisch gruppendynamischen Verhaltensweisen, Urteil vom 5. Oktober 1995 – 2 RU 44/94SozR 3-2200 § 539 Nr. 34). Die organisatorische Verantwortung ist gegeben, wenn eine Veranstaltung in den konkret geltenden Lehrplan aufgenommen worden ist, so dass in erster Linie Betätigungen während des Unterrichts, in den dazwischen liegenden Pausen und solche im Rahmen von schulischen Veranstaltungen versichert sind. Ist dies nicht der Fall, ist im Einzelfall zu unterscheiden, ob die Schule die betreffend Veranstaltung in eigener Verantwortung durchführt oder ob es sich um eine Freizeitveranstaltung einzelner oder aller Schüler handelt, bei der die Schule nur organisatorische Hilfestellung gibt (BSG, Urteil vom 24. Januar 1990 – 2 RU 22/89 – juris).

Gemessen hieran stand der zum Unfall führende Flickflack in einem rechtlich wesentlichen sachlichen Zusammenhang zu dem versicherten Schulbesuch. Denn das am Unfalltag durchgeführte Sporttraining lag – im Gegensatz zu den Unfallgeschehen vom 20. Oktober 1977 (Wettkampftraining in Berlin) und vom 18. Juli 1980 (Schauturnen in Portugal) – zumindest auch im organisatorischen Verantwortungsbereich der KJS.

aaa) Das Training der Klägerin war in den Lehrplan der KJS eingebunden. Es handelte sich bei ihm gerade nicht um eine Freizeitveranstaltung, bei der die KJS nur organisatorische Hilfestellung gab. Wenngleich die leistungssportliche Komponente ab der zweiten Entwicklungsphase der KJS (1963 bis 1975) in Folge des Beschlusses des Zentralkomitees der SED vom 6. Juni 1963 über die Entwicklung der KJS zu Spezialschulen des sportlichen Nachwuchses (zitiert nach Teichler, Die Sportbeschlüsse, Köln 2002, S. 432) Priorität erlangte, war damit keine vollständige Herauslösung des Trainings aus dem organisatorischen Verantwortungsbereich der KJS verbunden. Denn zwar wurde die sportliche Ausbildung primär dem DTSB als quasi halbstaatlicher Organisation und seinen Untergliederungen (den SC) übertragen. So wurde den SC eingeräumt, den Sportunterricht für das Training mit einzuplanen und zu nutzen, was zu einem Wegfall des allgemeinen Schulsports zugunsten des sportspezifischen Trainings führte. Dies änderte aber nichts daran, dass sich die Anordnung und Verteilung des Unterrichts und des Trainings im Tages- und Wochenablauf – in Abstimmung mit dem DTSB – nach den Stundentafeln und zentralen Lehrplänen des MfV richtete. Gerade die räumliche, personelle und administrative Verflechtung der Leitungsgremien der SC und KJS, die zu einer (zumindest formal) gleichrangigen Gesamtverantwortung des MfV und des DTSB für die KJS führte (siehe hierzu näher Hoffmann, a.a.O., S. 73 f., 79 f., 82, 86 sowie 134), schließt eine komplette Ausgliederung der sportlichen Ausbildung aus dem organisatorischen Verantwortungsbereich der KJS aus. Seinen Niederschlag fand die organisatorische Verschmelzung der Zuständigkeiten der SC und KJS auch für den Bereich des Trainings vor allem in der Form seiner Durchführung. Die SC waren neben der Aufstellung von Trainingsplänen und der finanziellen Sicherung von Wettkampfmöglichkeiten auch für die Aus- und Weiterbildung der Sportlehrer der KJS zuständig. Diese Sportlehrer, die in der Regel in Personalunion zugleich Trainer der SC waren, führten das Training – gegebenenfalls zusammen mit den Ausbildern der SC – durch (siehe Hoffmann, a.a.O., S. 79 f.). Ein weiterer Beleg dafür, dass den KJS auch in der Zeit nach 1975 die Verantwortung für die sportliche Ausbildung nicht vollständig entzogen war, widerspiegelt sich in den ab Ende der 1970er Jahre ausgetragenen intensiven Auseinandersetzungen zwischen dem MfV und dem DTSB um die Entscheidungskompetenzen innerhalb der KJS (siehe hierzu Hoffmann, a.a.O., S. 99 ff. und 135). Wäre das Training ohnehin bereits der Alleinverantwortlichkeit des DTSB übertragen gewesen, hätte sich ein derartiger Machtkampf, der vor allem das Aufnahmealter und die Trainingsumfänge betraf, von vornherein erübrigt. Eine hinreichende Einbindung des Trainings in den organisatorischen Verantwortungsbereich der KJS liegt damit vor. Da für den vorliegenden Unfall schließlich auch keine abdrängenden, nicht dem Training bei der KJS dienende Handlungsmotive der Klägerin ersichtlich sind, die bei wertender Betrachtung eine Zuweisung zum unversicherten Bereich (z.B. Freizeitgestaltung der privaten Lebenssphäre, eigenwirtschaftliche oder persönliche Verrichtungen) rechtfertigen könnten, ist der sachliche Zusammenhang gegeben.

bbb) Für diese Wertung spricht letztlich auch, dass eine in den rechtlich entscheidenden Punkten vergleichbare Struktur seit Anfang der 1990er Jahre auch bei den auf den Sport ausgerichteten Schulen besteht, die sich entweder aus einer KJS entwickelt haben (z.B. Sportgymnasium und -Sekundarschule H., siehe näher unter: http://www.hal.shuttle.de/hal/sportgymn/gesch.htm) oder in den westlichen Bundesländern neu entstanden sind (z.B. I.-Sport-Gymnasium M. als "Eliteschule des Sports" für Leistungssportler, siehe näher unter: http://www.schulverbund.de/I.-Sport-Gymnasium.html). Auch bei derartigen Schwerpunktschulen ist der Stundenplan mit einem Wechsel zwischen Training und Schule in erster Linie an die Bedürfnisse des Sportes angepasst, erfolgt die Zusammensetzung der Klassen nach den Sportarten der Schüler, werden für besonders talentierte Schüler Klassen oder Kurse mit sehr wenigen Schülern gebildet und ist Einzelunterricht möglich. So ist z.B. das vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung des Landes R.-P. getragene Konzept des H.-H.-Gymnasiums K., welches bereits vor der Wiedervereinigung als Sportgymnasium bestanden hat und sich seit 1998 ebenfalls als "Eliteschule des Sports" bezeichnet, – ähnlich den KJS – durch eine organisatorische, räumliche und personelle Einheit von Schule, sportlichem Training und Wohnen gekennzeichnet. Das Training, welches in der Regel täglich zwei Stunden umfasst, wobei dies nur als Grundgerüst gedacht ist, das (mehr oder weniger) stark modifiziert werden kann, ist – wie früher bei den KJS – in den Stundenplan der Sportklassen integriert. Wie bei den KJS (siehe Hoffmann, a.a.O., S. 83 f.) sind die Trainer zugleich Lehrer oder Erzieher und es findet nach Bedarf eine medizinische Betreuung der Schüler statt (abrufbar unter: http://www.hhg-kl.de/sportart.htm).

Insgesamt stand damit das Training am Unfalltag mit dem versicherten Besuch der KJS in sachlichem Zusammenhang und sind der Sturz auf den Kopf-Nacken-Bereich (Unfallereignis) und der hierdurch bedingte Gesundheitserstschaden in Form der HWS-Distorsion nachgewiesen (s.o.), so dass sämtliche Anerkennungsvoraussetzungen eines Arbeitsunfalls erfüllt sind. Dass die radiologische Untersuchung des Schädels am 9. September 1981 nach den Angaben von Dr. P. vom 17. Juli 1995 ohne Befund geblieben war und Prof. Dr. H. in seinem Gutachten vom 17. Mai 1998 ebenso wie Prof. Dr. O in denjenigen vom 26. August 1996 und 8. Dezember 1999 eine klinisch und radiologisch unauffällige HWS dokumentiert hatte, womit eine folgenlose Ausheilung der HWS-Distorsion belegt ist, führt nicht zum Entfallen des Versicherungsfalls. Denn das Entstehen länger andauernder Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist entgegen der Ansicht des SG keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer – hier nicht streibefangenen – Verletztenrente (siehe nochmals BSG, Urteile vom 12. April 2005 sowie vom 9. Mai 2006, jeweils a.a.O.). Deshalb kann im Ergebnis auch dahinstehen, ob entsprechend der Festlegung von Prof. Dr. H. im Gutachten vom 17. Mai 1998 – und ihm entgegen seiner eigenen Diagnose im Gutachten vom 27. Januar 1984 folgend Dr. J. im Gutachten vom 8. März 1999 – der Deckplatteneinbruch bei L3 Folge des Unfalls vom 9. September 1981 (gemeint wohl 8. September 1981) ist und der "Unfall vom 18.07.1980 ... mit dem Kantenabbruch (bei L3) ... mit einer M.d.E. von 10 v.H.” bewertet werden kann, wobei beide Aussagen bereits im diametralen Widerspruch zueinander stehen. Überdies wäre zu beachten, dass Prof. Dr. H. zunächst selbst nicht sicher hatte sagen können, ob es sich insoweit um eine seit 1979 bestehende Randleistenstörung (so Dr. H. im Gutachten vom 20. Dezember 1982) oder eine Folge des Unfalls vom 18. Juli 1980 handele, den die Klägerin als Mitglied des SC Chemie erlitten hatte und für den kein Versicherungsschutz nach der RVO erkennbar ist (siehe zum unversicherten Vereinssport nur BSG, Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 25/02 R – juris; vgl. nochmals Urteil vom 26. Juni 2001, a.a.O.). Für die letztgenannte Zuordnung dürfte neben den zuvor genannten Aspekten, der Unfallmeldung vom 22. Juli 1980 und sämtlichen Angaben der Klägerin im vorliegenden Verfahren schließlich auch der Umstand sprechen, dass sich Prof. Dr. H. ausschließlich mit dem zu diesem Unfall erstellten Vorgutachten des Prof. Dr. O. vom 26. August 1996 auseinander gesetzt hatte.

Da nach alledem der Unfall vom 8. September 1981 ein Arbeitsunfall war, für den die Beigeladene zu 2) zuständig ist, war dies auf die insoweit begründete Berufung ihr gegenüber festzustellen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei zu berücksichtigen war, dass die Klägerin nur mit ihrem Hilfsantrag obsiegt hat.

III. Die Revision wird zugelassen, weil der Senat den Fragen der berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit für Altfälle und der Zulässigkeit einer Feststellung des Versicherungsfalls gegenüber einer Beigeladenen sowie schließlich derjenigen, ob das Training bei einer KJS im sachlichen Zusammenhang mit dem nach § 539 Abs. 1 Nr. 14 b) RVO versicherten Schulbesuch steht, grundsätzliche Bedeutung zumisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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