L 2 AS 1/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 26 AS 4613/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 1/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
SGB II - akute Notlage
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller für das Antragsverfahren außergerichtliche Kosten zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes von der Antragsgegnerin die Übernahme von Heizkosten für die Heizsaison 2008/2009.

Der Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin laufende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Er bewohnt ein von ihm allein genutztes Einfamilienhaus. Dieses wird durch eine Ölheizung beheizt.

Mit Schreiben vom 28. September 2009 beantragte der Antragsteller die Übernahme der Kosten für eine Heizölbetankung in Form einer Einmalzahlung für die kommende Heizsaison und führte zur Begründung aus: Der Bedarf liege bei 3.000 bis 3.300 Litern je Heizperiode. Die Betankung sei in den nächsten zwei bis drei Wochen erforderlich. Vor diesem Hintergrund sei der Betrag sofort auszuzahlen.

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Heizkosten könnten erst ab November 2008 in angemessener Höhe beantragt werden.

Der Antragsteller hat am 14. Oktober 2008 beim Sozialgericht Halle (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt. Die Antragsgegnerin habe in der Vergangenheit keinerlei Vorauszahlungen geleistet. Die Heizölvorräte seien nahezu erschöpft, sodass täglich mit dem Ausfall der Heizungsanlage infolge Ölmangel zu rechnen sei. Jegliche Hilfestellung durch Familienangehörige oder Freunde sei ausgeschlossen. Die Kosten für den Heizölbedarf der Saison 2008/2009 müssten daher schnellstmöglich übernommen werden.

Mit Beschluss vom 24. November 2008 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Antrag vom 28. September 2008 beschieden worden sei und, da nunmehr der Monat November begonnen habe, eine erneute Antragstellung erfolgen könne. Vor diesem Hintergrund bedürfe es keiner gerichtlichen Entscheidung.

Der Beschluss wurde dem Antragsteller am 27. November 2008 zugestellt.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 beantragte der Antragsteller erneut die Übernahme von Heizkosten für die Saison 2008/2009 und verwies auf seinen vorigen Antrag vom 28. September 2008 und die Entscheidung des SG.

Daraufhin gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 Leistungen Heizkosten von insgesamt 786,02 EUR und forderte ihn auf, zur Ausstellung des Warengutscheins bei ihr vorzusprechen.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2008, das am selben Tag per Fax beim SG einging, hat der Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 24. November 2008 eingelegt und zur Begründung insbesondere ausgeführt, dass die nunmehr bewilligten Leistungen nicht einmal den Bedarf bis zum heutigen Tage decken würden. Der Bewilligungsbescheid ließe nicht erkennen, wie die Bewilligungssumme zustande komme. Insoweit sei wegen der Preisabhängigkeit für Heizöl nur eine mengenmäßige Bewilligung denkbar.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG vom 24. November 2008 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über die bereits bewilligten Heizkosten in Höhe von 786,02 EUR hinaus weitere Kosten für Heizkosten in der Heizsaison 2008/2009 unter Zugrundelegung der für sein Haus notwendigen Menge an Heizöl (3.000 bis 3.300 Liter) an ihn auszuzahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Am 8. Januar 2009 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Heizölgutschein im Wert von 786,02 EUR abgeholt. Der Heizöllieferant rechnete bei der Antragsgegnerin mit Rechnung vom 9. Januar 2009 die Lieferung von 1.503 Litern Heizöl an den Antragsteller ab.

Nach telefonischer Auskunft des Antragstellers gegenüber dem Gericht (Telefonvermerk vom 9. Januar 2009) sei das Eilverfahren trotz der Heizöllieferung nicht erledigt. Denn er habe bereits seiner Nachbarin "geborgtes" Öl in Kanistern zurückgegeben. Derzeit befänden sich in seinem Tank nur noch 250 Liter, die längstens für 14 Tage reichen würden. Der Berichterstatter hat im Anschluss an das Telefongespräch schriftlich um Glaubhaftmachung des Vortrags gebeten. Der Antragsteller hat daraufhin mit Schreiben vom 18. Januar 2008 unter anderem mitgeteilt, dass die Rückgabe des geliehenen Heizöls nach Anruf des Gerichts abgebrochen worden sei. Die Gläubiger hätten im Falle der nicht alsbaldigen Rückgabe der geliehenen Brennstoffe jedoch rechtliche Schritte angekündigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte des Sozialgerichts und des Senats ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 172 Sozialgerichtsgesetz – SGG), form- und fristgerecht am letzten Tag der Monatsfrist eingelegt worden (§ 173 SGG). Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, da der für die Zulassung einer Berufung erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR erreicht wird. Denn der Antragsteller geht von einem Bedarf in Höhe von 3.000 bis 3.300 Litern je Heizperiode aus. Daraus errechnet sich nach den aktuellen Heizölpreisen ein begehrter Auszahlungsbetrag in Höhe von ca. 1.700,00 EUR.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) den Anspruch auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) sowie die Dringlichkeit der Entscheidung des Gerichts (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen. Bei der Entscheidung über den Antrag ist von den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auszugehen. Eine einstweilige Anordnung, mit der Leistungen nach dem SGB II geltend gemacht werden, ist regelmäßig nur dann notwendig, wenn eine gegenwärtige akute Notlage zu beseitigen ist.

Es kann dahinstehen, ob das SG es zu Recht abgelehnt hat, eine einstweilige Anordnung gegen die Antragsgegnerin zu erlassen. Denn jedenfalls nach der Befüllung des Heizöltankes des Antragstellers ist der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unbegründet.

Es mangelt nunmehr an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass eine vorläufige gerichtliche Entscheidung zur Behebung einer akuten Notlage erforderlich ist. Eine akute Notlage ist im Zusammenhang mit der Gewährung von Heizkosten dann anzunehmen, wenn die Wohnung des Hilfebedürftigen im Winter nicht beheizt werden kann.

Diese akute Notlage ist zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats jedoch nicht festzustellen. Denn die Antragsgegnerin bewilligte dem Antragsteller mit Bescheid vom 19. Dezember 2009 Heizkosten in Höhe von 786,02 EUR und überreichte ihm am 8. Januar 2009 einen Warengutschein in dieser Höhe. Der Antragsteller ließ daraufhin laut Rechnung der R. M. eG seinen Tank mit 1.503,00 Litern Heizöl befüllen.

Den telefonischen Vortrag des Antragstellers am 9. Januar 2009, er habe trotz der Lieferung von 1.503,00 Litern Heizöl derzeit nur noch 250,00 Liter in seinem Tank, da er einer Nachbarin geliehenes Öl in Kanistern zurückgegeben habe, hält der Senat nicht für glaubhaft. Dies beruht auf folgenden Erwägungen: Es ist lebensfremd, dass der Antragsteller Heizöl in Kanistern zurückgegeben hat. Denn zum einen hat der Antragsteller nicht erklärt, wie er das Öl aus seinem Tank in die Kanister verfüllt hat. Zum anderen müsste es sich bei einer behaupteten Menge von 1.250 Litern und einer üblichen Kanistergröße von 20 Litern um 62 Kanister handeln, die innerhalb eines Tages umgefüllt werden mussten. Der Antragsteller hat auf Nachfrage des Gerichts auch nicht erklärt, wie er das Öl von seinem Tank in den Tank der Nachbarin verfüllt hat. Vielmehr scheint er nunmehr diesen Vortrag nicht mehr aufrecht erhalten zu wollen. Mit Fax vom 18. Januar 2009 teilte er dem Gericht nämlich mit, dass er das Heizöl von seinem Bruder und in geringem Umfang von seiner Mutter erhalten habe. Auch dieser Vortrag erscheint dem Senat allerdings unglaubhaft, denn der Antragsteller hatte zunächst zur Begründung seines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz mitgeteilt, dass jegliche Hilfestellung durch Familienangehörige oder Freunde ausgeschlossen sei (Antragsschrift vom 14. Oktober 2008). Erst nach der Lieferung des Heizöls und telefonischer Nachfrage des Berichterstatters, ob das Eilverfahren damit erledigt sei, behauptete er, dass die Nachbarin ihm bisher Öl geliehen hätte und er es ihr in Kanistern zurückgegeben habe. Diesen Vortrag änderte er erneut, nachdem das Gericht die Glaubhaftmachung des Sachverhalts verlangte. Vor dem Hintergrund des mehrfach veränderten tatsächlichen Vortrags erscheint auch der neueste Vortrag unglaubhaft, wonach er Öl von seinem Bruder und in geringer Menge von seiner Mutter erhalten hatte. Jedenfalls führt auch dieser Vortrag nicht zur Glaubhaftmachung einer akuten Notlage, die eine Eilentscheidung des Gerichts erforderlich machen würde.

Der Senat hat keine Bedenken, den Vermerk des Berichterstatters über das am 9. Januar 2009 mit dem Antragsteller geführte Telefongespräch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu verwerten. Der Antragsteller hat diesbezüglich bemängelt, dass ein im dichten Verkehr geführtes Handygespräch nicht zur Basis einer gerichtlichen Auseinandersetzung gemacht werden könne. Dies ist jedoch unzutreffend. Es obliegt dem Antragsteller seinen Eilantrag glaubhaft zu machen. Der Vortrag war jedoch nach Lieferung des Heizöls nicht mehr glaubhaft. Das Gericht kann in einem solchen Fall – um eine Notlage zu vermeiden – wegen der besonderen Eilbedürftigkeit den Sachverhalt auch telefonisch weiter aufklären. Es ermöglicht dem Hilfebedürftigen dadurch seinen Vortrag zu ergänzen und gibt dem Gericht Gelegenheit zu weiteren Ermittlungen oder einer schnellen Beendigung einer etwaigen Notlage. Soweit der Antragsteller mit seiner Kritik – was er nicht genau mitteilt – sich auf die schlechte Verständigung über das Handy im dichten Verkehr (Autofahrt) beziehen will, kann der Senat diesen Einwand ebenfalls nicht teilen. Denn es besteht kein Anlass für die Vermutung, dass der Berichterstatter den Antragsteller falsch verstanden hat. Der Sachvortrag des Antragstellers war unmissverständlich und eindeutig.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Im Hinblick auf das erstinstanzliche Verfahren berücksichtigt der Senat, dass im Anschluss an das Eilverfahren die Leistung bewilligt wurde, wobei sich die hälftige Kostenteilung aus folgender Erwägung ergibt: Der Eilantrag beim SG dürfte einerseits als weiterer Antrag auf Übernahme von Heizkosten zu werten gewesen sein, den die Antragsgegnerin nach Beendigung der ersten Instanz beschieden hat. Andererseits ist zweifelhaft, ob der Antragsteller angesichts der von der Antragsgegnerin in Aussicht gestellten Bewilligung von Heizkosten ab November 2008 Anlass für den gerichtlichen Eilantrag hatte.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.

gez. Lauterbach gez. Wulff gez. Dr. Peters
Rechtskraft
Aus
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