L 6 U 125/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4/8 U 100/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 125/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Arbeitsunfall, Kausalität, Discus ulnaris
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. August 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander im Vorverfahren sowie in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall.

Der am ... 1961 geborene und als stellvertretender Schulleiter einer Sonderschule angestellte Kläger transportierte am 11. April 2000 gegen 09.15 Uhr im Rahmen der Vorbereitung eines Schulfestes zusammen mit einem Schüler eine Lautsprecherbox mit einem Gewicht von ca. 50 kg. Dabei hielt er die Box mit der linken Hand an einem in die Seitenwand eingelassenen Griff; der Schüler trug die Box an dem zweiten Seitengriff. Beim Betreten des Fahrstuhls bewegte sich der Schüler vom Kläger weg nach links und zog die Lautsprecherbox mit sich. Hierdurch wurde der Kläger zu einer Außendrehung des linken Handgelenkes veranlasst, arbeitete anschließend jedoch wei-ter.

Am 10. Mai 2000 suchte der Kläger den Facharzt für Orthopädie Dr. V. auf, der eine Distorsion (Verstauchung/Zerrung) des linken Handgelenkes diagnostizierte und einen Zinkleimverband anlegte. Röntgenologisch liege ein unauffälliger knöcherner Befund vor. Auch klinisch seien kein sicherer Frakturanhalt sowie keine Läsion (Schä-digung) einer Sehne festzustellen. Anzunehmen sei eine Irritation des Discus (inter)articularis (= Discus triangularis = Discus ulnaris; Knorpelscheibe zwischen Elle und Handwurzelknochen). In seinem Bericht an die Beklagte vom 17. Mai 2000 teilte Dr. V. mit, er habe nach Abnahme des Verbandes bei anhaltenden Beschwerden des Klägers erneut Lipotalon (cortisonhaltiges Präparat) in den Bereich des Processus styloideus ulnae (kleinfingerseitiger knöcherner Griffelfortsatz der Elle) injiziert.

Der Facharzt für Nuklearmedizin Dr. H. fand bei der Auswertung der von ihm am 4. August 2000 gefertigten Magnetresonanzthomographie (MRT) der linken Hand einen Einriss des Diskus ulnaris ulnarwärts (ellenseitig) im Übergang zum dorsalen (hin-teren) radioulnaren Ligament (Band zwischen Speiche und Elle). Die übrigen Strukturen der Knochen und Weichteile seien unauffällig. Am 25. August 2000 stellte sich der Kläger bei dem Chefarzt der Klinik für Unfall- und Handchirurgie des Städtischen Klinikums D. Dr. Z. vor. Dieser konnte keinen Gelenkerguss und keinen Reizzustand des linken Handgelenkes feststellen. Der über dem TFCC (triangular fibrocartilage complex = Discus ulnaris) auslösbare deutliche Druckschmerz weise jedoch auf eine Läsion des Diskus ulnaris hin. Deshalb sei eine arthroskopische Operation geplant. Zu diesem Zweck befand sich der Kläger in der Zeit vom 4. bis zum 8. Oktober 2000 im Städtischen Klinikum D. , wo am 5. Oktober 2000 die Arthroskopie stattfand. Intraoperativ beschrieb der Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. W. einen relativ großen Einriss des Discus ulnaris im Bereich des Übergangs zum ulnaren Kompartiment, wobei eine genaue zeitliche Zuordnung nicht möglich sei. Die radialen und ulnaren Bandkomplexe seien intakt, die Kahnbeingelenkfläche glatt. Ein kompletter Nahtverschluss des Discus habe nicht erzielt werden können. Postoperativ sei es zu einer sensiblen Läsion des Nervus ulnaris (Ellennerven) links gekommen.

Anlässlich seiner Kontrolluntersuchungen am 9., 11., 13. und 20. Oktober 2000 berichtete Dr. V. zunächst von einer noch deutlichen Kraftminderung des kleinen Fingers der linken Hand, nachfolgend von einem leichten Druckschmerz am Processus styloi-deus ulnae links und bescheinigte schließlich vom 20. Oktober 2000 an Arbeitsfähigkeit ohne schweres Heben und Tragen sowie häufige Umwendbewegungen und Greif-übungen mit der linken Hand während der nächsten sechs Wochen.

Mit Schreiben vom 17. November 2000 teilten die Dres. Z. und W. der Be-klagten mit, dass sich der Kläger am 15. November 2000 wegen fortbestehender Schmerzen bei der Dorsal- und Volarflexion (Rück- und Vorbeugung) des linken Handgelenkes vorgestellt habe. Bei der durchgeführten neurologischen Untersuchung habe eine sensible Läsion des Nervus ulnaris objektiviert werden können.

Am 11. Dezember 2000 begab sich der Kläger ambulant in die Abteilung für Hand-, Replantations- und Mikrochirurgie des Unfallkrankenhauses B. , wo eine stationäre Behandlung vereinbart wurde. Diese erfolgte dann vom 4. bis zum 8. Januar 2001, wobei am 5. Januar 2001 eine nochmalige Arthroskopie des linken Handgelenkes stattfand. Intraoperativ habe sich eine Chondromalazie (entzündlicher Knorpelschaden) im Bereich des Scaphoides (Kahnbeines) und des Lunatums (Mondbeines) I. Grades, eine Chondromalazie im Bereich der Gelenkfläche des Radius (Speiche) II. Grades, eine Chrondromalazie im Bereich des Triquetrums (Dreieckbein der Handwurzel) IV. Grades, eine deutlich hypertrophe Synovialitis (vergrößerte Gelenkinnenhaut) sowie ein ausgeprägter degenerativer Riss im Bereich der Ansatzstelle des TFC(C) am Radius Typ II nach Palmer ergeben. Die palmaren, SL- sowie LT-Bänder (handflächenseitige sowie zwischen dem Kahn- und Mondbein bzw. dem Mond- und Dreieckbein befindlichen Bänder) seien intakt (Operationsbericht vom 5. Januar 2001). In seiner gutachtli-chen Stellungnahme vom 28. März 2001 führte der Chefarzt der genannten Abteilung des Unfallkrankenhauses B. Privatdozent (PD) Dr. E. ergänzend aus, dass die histologische Aufbereitung des aus dem Discus triangularis entnommenen Materials degenerative Veränderungen mit frischen und älteren Einrissen ohne alte Blutungsreste gezeigt habe. Die Gewebeuntersuchung der ebenfalls entnommenen Synovialproben habe eine chronische Entzündungsreaktion belegt. Unter Berücksichtigung des vom Kläger erlittenen Verdrehtraumas mit fixiertem Arm müsse davon aus-gegangen werden, dass die zugrunde liegenden Veränderungen des Handgelenkes degenerativer Art seien und nicht auf den Unfall vom 11. April 2000 zurückgeführt werden könnten. Der Unfall habe jedoch zu einer maßgeblichen Verschlimmerung eines vorbestehenden unfallunabhängigen Krankheitsbildes geführt.

In seiner beratenden Stellungnahme vom 13. August 2001 vertrat der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. L. (Institut für Ärztliche Begutachtung D. ) die Ansicht, es sei unfall- und biomechanisch auszuschließen, dass das strittige Ereignis mit einer indirekten Einwirkung zu dem am 4. August 2000 kernspintomographisch gesicherten isolierten Einriss des ellenseitigen Diskus geführt habe. Zeichen für Begleitverletzungen vorgelagerter und/oder benachbarter Strukturen, die in einem solchen Fall zwingend zu erwarten gewesen seien, habe Dr. V. weder klinisch noch bildgebend gesichert. Die von ihm durchgeführte Therapie sei zudem nicht nachvollziehbar, da Cortisoninjektionen in ein zur Diskussion stehendes frisch verletztes Ge-lenk geradezu kontraindiziert seien. Denn zumindest bei wiederholter Durchführung könnten der Discus und Kapsel-Bandstrukturen injektionsbedingt gefährdet werden. Auch der Krankheitsverlauf sei völlig verletzungsunspezifisch. Der Kläger habe nach dem Ereignis weiter gearbeitet. Erst 29 Tage später habe er einen Arzt aufgesucht.

Mit Bescheid vom 18. April 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 11. April 2000 als Arbeitsunfall ab. Es sei nicht die rechtlich wesentliche Ursache für den später festgestellten Gesundheitsschaden. Die bei ihm erfolgte indirekte Einwirkung sei schon nicht geeignet gewesen, isoliert zu einer Teilzusammenhangstren-nung der ellenseitigen Zwischengelenkscheibe des linken Handgelenkes zu führen. Gegen einen Unfallzusammenhang spreche auch, dass keine Begleitverletzungen um-gebender und/oder benachbarter Strukturen festgestellt worden seien. Schließlich sei auch der zeitliche Verlauf uncharakteristisch. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien (daher) nicht zu erbringen.

Hiergegen erhob der Kläger am 14. Mai 2002 Widerspruch und legte zur Begründung insbesondere das von dem Facharzt für Chirurgie und Durchgangs-Arzt Dr. G. im Auftrag eines privaten Versicherers erstellte Gutachten vom 13. September 2001 vor. Hierin hatte Dr. G. anlässlich der letzten Vorstellung des Klägers am 24. Juli 2001 über eine Einschränkung der Drehbewegung im linken Handgelenk, Schmerzen bei der Dorsalflexion, eine Hypästhesie (herabgesetzte Berührungs- bzw. Schmerzempfindung) im Bereich des 4. und des 5. Fingers der linken Hand berichtet sowie eine Be-einträchtigung der Gebrauchsfähigkeit von 1/10 eingeschätzt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch unter Wiederholung und Vertiefung der im angefochtenen Bescheid gegebenen Begründung zurück.

Am 2. August 2002 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Dessau Klage erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Das SG hat von dem Oberarzt des Zentrums für Rückenmarkverletzte und der Klinik für Orthopädie der Berufsgenossenschaftlichen Klini-ken B. H. Dr. M. das nach ambulanter Untersuchung am 30. April 2003 erstellte Gutachten vom 29. Juli 2003 eingeholt. Gegenüber dem Sachverständigen hat der Kläger gelegentliche Ruhe- und Belastungsbeschwerden im Bereich des linken Handgelenkes geschildert. So könne er in seiner Funktion als Sportlehrer Liegestütze nur noch auf den Fingerknöcheln vorführen. Auch wenn er hin und wieder Schüler tragen müsse, träten Schmerzen im linken Handgelenk auf. Beim Gitarrespielen sei die Feinmotorik der linken Hand gestört. Dr. M. hat radiologisch einen altersentspre-chenden Befund ohne knöcherne Destruktionen und Arthrosezeichen des linken Handgelenkes festgehalten. Klinisch lägen Einschränkungen der Handgelenkbeweglichkeit links handrücken- und hohlhandwärts sowie ellen- und speichenwärts und eine Ein-schränkung der Beuge- und Streckfähigkeit in den Grund-, Mittel- und Endgelenken des 4. und 5. Fingers der linken Hand vor. Im Ergebnis hat der Sachverständige einen Riss der ellenseitigen Zwischengelenkscheibe sowie eine inkomplette Läsion des lin-ken Ellennerven diagnostiziert und eingeschätzt, diese Gesundheitsstörungen seien unmittelbare bzw. mittelbare Folgen des Ereignisses vom 11. April 2000. Der Gesche-hensablauf mit einer Überstreckung der linken Hand bei Einwärtsdrehung sei entgegen Dr. L. als geeignetes Trauma zur isolierten Verletzung des Discus ulnaris anzusehen. Die feingeweblich nachgewiesene chronische Entzündungsreaktion zeige lediglich an, dass die Gelenkinnenhaut auf eine Veränderung im Handgelenk reagiert habe. Wie lange diese Reaktion angedauert und worauf sie beruht habe, lasse sich nicht feststellen. Am ehesten sei insoweit von einer Folge der gestörten Gelenkmechanik infolge der am 5. Oktober 2000 erfolgten Gelenkspiegelung und der vorgenommenen Injektionen auszugehen. Auch röntgenologisch und in der Krankengeschichte fehle der Nach-weis für einen Verschleiß des linken Handgelenkes, so dass ein vorbestehendes Leiden als Schadensursache nicht belegt sei. Der Umstand, dass der Kläger erst vier Wochen nach dem Ereignis einen Arzt aufgesucht habe, sei kein Beweis für eine Beschwerdefreiheit während dieser Zeit.

Die Beklagte hat sich gegen die Bewertung von Dr. M. gewandt und sich zur Begründung auf die von ihr vorgelegte und in ihrem Auftrag von dem Facharzt für Orthopädie Dr. T. nach Aktenlage erstellte (gutachtliche) Stellungnahme vom 10. Oktober 2003 berufen. In ihren vom SG angeforderten ergänzenden Stellungnahmen vom 8. Januar 2004 bzw. 25. Mai 2004 haben die Dres. M. und T. ihre jeweiligen Beurteilungen nochmals verteidigt.

Schließlich hat das SG von der Oberärztin der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederher-stellungschirurgie des St. S. -Krankenhauses H. Dr. R. das zusammen mit dem Chefarzt dieser Klinik Dr. B. nach ambulanter Untersuchung am 19. Januar 2001 gefertigte Gutachten vom 18. Februar 2005 erstellen lassen. Die Sachverständigen haben Einschränkungen des linken Handgelenkes bei der Streckung, Beugung, der Ein- und Auswärtsdrehung sowie Sensibilitätsstörungen des Kleinfingerballens und im ellenseitigen Bereich des Ringfingers festgestellt. Diese Funktionsstörungen seien mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar bzw. mittelbar durch den Unfall vom 11. April 2000 verursacht worden. Hierbei sei es zwar weder zu einer Überstreckung noch zu einer axialen Stauchung des linken Handgelenkes gekommen. Auch eine axiale Zugbelastung unter übermäßiger Torsion (Drehung) sei aber als geeigneter Hergang zur Hervorrufung eines (isolierten) Discusschadens anzu-sehen. Obgleich degenerative Strukturveränderungen des Discus ebenso wie bei Menisken bereits ab der dritten Lebensdekade aufträten und bei mehr als 40 % der über 40jährigen entsprechende – in der Regel klinisch stumme – Zustände anzutreffen sei-en, könne aus dem am 5. Januar 2001 gesicherten degenerativen Veränderungen nicht geschlossen werden, die Beschwerden des Klägers seien nicht unfallbedingt. Denn der zeitliche Abstand zwischen dem Unfall und der zweiten Operation sei zu groß. Zudem sei durch das Fehlen radiologisch nachweisbarer (knöcherner) Ver-schleißzeichen der Ausschluss einer Degeneration zum Unfallzeitpunkt belegt. Schließlich sei der am 5. Januar 2001 gefundene Riss im Bereich des speichenseitigen Ansatzes des Discus typisch für einen unfallbedingten Schaden. Degenerative Defekte begännen nämlich regelmäßig im zentralen Discusbereich und würden sich dann auf die ligamentäre Peripherie ausbreiten. In dem von den Sachverständigen beigefügten radiologischen Befund des linken Handgelenkes vom 19. Januar 2005 hatte die Chef-ärztin der Radiologischen Klinik des St. S. -Krankenhauses H. Dr. R. keine Hinweise auf arthrotische Veränderungen gefunden.

Die Beklagte hat hierzu unter Hinweis auf die von ihr übersandte Stellungnahme des Dr. L. vom 11. Mai 2005 im Wesentlichen die fehlende eigene Auswertung der bildgebenden Befunde durch die Gutachter gerügt. Wenn eine unfallbedingte Verletzung des Discus unterstellt werde, müsse am 11. April 2000 eine relevante Gewaltein-wirkung auf das linke Handgelenk abgelaufen sein. Ab einer bestimmten Intensität setzte jede Gewaltentfaltung auf eine Körperstruktur kernspintomographisch nachweisbare Verletzungszeichen, und zwar in Form von Weichteil- und/oder Knochenmarködemen, die auch nach Wochen und Monaten noch darstellbar seien.

Mit Urteil vom 24. August 2005 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 18. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2002 aufgehoben und antragsgemäß festgestellt, dass der Kläger am 11. April 2000 einen Arbeitsunfall mit einem Einriss des Discus triangularis im linken Handgelenk und einem sensiblen Aus-fall des Ellennerven links als Unfallfolgen erlitten habe. Dies ergebe sich aus den schlüssigen Darlegungen der Dres. M. , R. und B ...

Gegen das am 14. September 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Oktober 2005 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt und vertiefend vor-getragen: Der Unfallhergang sei nicht geeignet gewesen, den am 4. August 2000 festgestellten Einriss der Zwischengelenkscheibe hervorzurufen. Die Dres. R. und B. hätten in ihrem Gutachten ausdrücklich bestätigt, dass eine Stauchung für die Verlet-zung des Discus typisch sei. Eine solche habe jedoch unstrittig nicht vorgelegen. Mangels Begleitverletzungen sei von einem isolierten Discusschaden auszugehen. Insoweit hätten die Dres. R. und B. ausgeführt, dass Dr. Mall einen Bewegungsablauf zugrunde gelegt habe, der schon nicht stattgefunden habe und anatomisch auch nicht möglich sei. Ihre Argumentation, weder der fehlende klinische Nachweis eines Gesundheitserstschadens und frischer traumatischer Veränderungen noch die am 5. Januar 2001 gesicherten degenerativen Veränderungen des Discus seien geeignet, eine trau-matische Entstehung des Schadens zu entkräften, verkenne die Beweisgrundsätze der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn sie laufe darauf hinaus, eine andere Ursache des Schadens nachweisen zu müssen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. August 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau vom 24. August 2005 zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für richtig und sieht sich in seiner Auffassung durch die Bewertungen der Dres. M. , R. und B. gestützt. Auch das im Berufungsverfah-ren eingeholte orthopädische Gutachten bestätige deren Sicht.

Der Senat hat den Facharzt für Orthopädie Dr. A. nach ambulanter Untersuchung das Gutachten vom 28. Mai 2006 erstatten lassen. Dr. A. hat eine Einschränkung der Dorsalextension/Palmarflexion (Rückstreckung/Vorbeugung) links auf 40-0-40° und eine inkomplette Schädigung des Nervus ulnaris sowohl sensibel als auch motorisch in dessen Versorgungsgebiet für die ulnaren anderthalb Finger der linken Hand festgehalten. Die röntgenologischen Befunde vom 4. Januar 2001 und 19. Januar 2005 seien – bis auf einen rechtsseitigen Vorschub der Ulna von 3 mm – unauffällig. Im Ergebnis ist der Gutachter zu der Ansicht gelangt, der Einriss des Discus ulnaris sei direkt durch den Unfall vom 11. April 2000 verursacht worden. Darüber hinaus sei es durch die Arthroskopie am 5. Oktober 2000 zu einer Schädigung des sensiblen und motorischen Teils des Nervus ulnaris im Sinne einer mittelbaren Unfall-folge gekommen. Die fehlende zeitnahe ärztliche Konsultation spreche nicht gegen diese Wertung. Von einem Vorhandensein des diagnostizierten Schadens vor dem Unfall am 11. April 2000 könne nicht ausgegangen werden. Der Kläger habe keine Tätigkeit ausgeführt, die das Handgelenk in irgendeiner Weise belastet habe. Seine Funktion als Sportlehrer mit einer Wochenarbeitszeit von zwei Stunden übe er erst seit 1991 aus. Auf eine unfallbedingte Entstehung des Schadens weise zudem die bis dahin bestehende Beschwerdefreiheit des Klägers hin.

Nachfolgend hat die Beklagte Auszüge einer Vorveröffentlichung zur Begutachtung von Discusschäden am Handgelenk (siehe nunmehr Hempfling, Trauma und Berufskrank-heit 2008, 66 ff.; abrufbar unter: http://springerlink.com/content/u22v752326114161/ fulltext.pdf) vorgelegt.

In seiner dazu abgegebenen ergänzenden Äußerung vom 29. Oktober 2006 hat Dr. A. an seiner Beurteilung festgehalten. Entscheidend für den Unfallzusammen-hang sei, dass ein geeigneter Verletzungsmechanismus angenommen werden könne.

Der Senat hat nochmals sämtliche bildgebenden Befunde vom 10. Mai 2000, 4. August 2000, 4. Januar 2001 sowie 19. Januar 2005 im Original beigezogen und über die Beklagte eine Nachauswertung veranlasst. In seinem dazu erstellten Gutachten vom 31. März 2007 hat der Facharzt für Radiologie Dr. H. (Institut für Ärztliche Be-gutachtung D. ) dargelegt, sowohl auf den konventionellen als auch digitalen Aufnahmen seien weder frische noch indirekte Verletzungszeichen zu erkennen. Ins-besondere Begleitverletzungen des palmaren radioulnaren Bandes sowie posttraumatische Ödeme im Bereich der knöchernen oder der Kapsel-Bandstrukturen seien kernspintomographisch auszuschließen. Die distale (körperferne) Gelenkfläche der Ulna zeige im Vergleich zum Radius eine Neutralstellung.

Mit ergänzender Stellungnahme vom 5. April 2007 hat schließlich Dr. L. zusammenfassend eingeschätzt, es sei insgesamt von einer degenerativ bedingten Teilzusammenhangtrennung des Discus auszugehen. Dafür spreche nicht nur, dass der Discus – umgeben von den stabilisierenden und völlig unverletzt gebliebenen Band-strukturen – geschützt im Handgelenk liege und von einem Trauma in der Regel nicht isoliert betroffen werde. Vielmehr seien auch jegliche indirekte Verletzungszeichen auszuschließen. Ferner weise der Umstand, dass beim Kläger eine Ulna-Null-Variante (Neutralstellung von Elle und Speiche) vorliege, ebenfalls auf eine unfallunabhängige Schadensentstehung hin. Denn bei derartigen anatomischen Verhältnissen träten bevorzugt Abnutzungsveränderungen des Discus auf. Überdies sei der zeitliche Verlauf untypisch für ein traumatisches Geschehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündli-chen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

I. Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Denn der Bescheid der Beklagten vom 18. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juli 2002 ist nicht zu beanstanden und verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Unfall vom 11. April 2000 kann deshalb keine Anerkennung als Arbeitsunfall finden, weil die insoweit erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versiche-rungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich (auf eine Arbeitsschicht) begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach erforderlich, dass die Verrichtung, die der Versicherte zur Zeit des Unfalls ausübt, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), dass diese Ver-richtung zu dem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass dieses Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden verursacht hat (siehe nur Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 14, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17 oder Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 18).

Diese Kriterien sind hier nicht erfüllt. Zwar sind der sachliche Zusammenhang zwischen dem Transport der Lautsprecherbox am 11. April 2000 als unfallbringende Verrichtung und der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit des Klägers als Lehrer sowie die Unfallkausalität zwischen diesem Tragen der Box und dem Verdrehen des linken Handgelenkes beim Betreten des Fahrstuhles als Unfallereignis unstrittig. Der am 4. August 2000 bildgebend und am 5. Oktober 2000 bzw. 5. Januar 2001 intraoperativ gesicherte sowie behobene Einriss des Discus ulnaris der linken Hand lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf dieses Unfallereignis zurückführen.

Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der geltend gemachten Gesundheitsstörung gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" in Eingrenzung der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jede nicht hinwegzudenkende Bedingung (conditio-sine-qua-non) kausal ist, voraus, dass das versicherte Geschehen nicht nur irgendeine Bedingung in der Kette der Faktoren für die Entstehung des Gesundheitsschadens, sondern die wesent-liche Ursache war (vgl. KassKomm-Ricke, Stand April 2008, § 8 SGB VII Rn. 4 und 15 m.w.Nw.). Rechtlich erheblich ist deshalb nur diejenige Ursache, die bei wertender Betrachtung zumindest als gleichwertige Mitursache einen wesentlichen Einfluss auf den Eintritt des Gesundheitsschadens gehabt hat. Von einer Wesentlichkeit im Rechtssinne kann allerdings dann nicht ausgegangen werden, wenn ein anderer (unversicherter) Umstand einen überwiegenden kausalen Einfluss auf den Eintritt des Schadens hatte. Das bedeutet, dass ein Gesundheitsschaden einem Versicherungsfall (hier einem Arbeitsunfall) selbst dann nicht rechtlich zugerechnet werden kann, wenn das versicherte Geschehen zwar geeignet war, den Schadenseintritt zu verursachen, und ihn als letzte Bedingung in der Kausalkette gelegentlich der versicherten Tätigkeit be-wirkt hat (Adäquanztheorie), es jedoch keine wesentliche Bedeutung hatte (Auslöser bzw. Gelegenheitsursache). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Gesundheitsschaden) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind Art und Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, der zeitliche Ablauf des Geschehens, das Verhalten des Versicherten nach dem Unfall, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (siehe BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – a.a.O.).

Gemessen hieran ist der Senat unter Berücksichtigung der ermittelten medizinischen Anknüpfungstatsachen bei der gebotenen wertenden Betrachtung zu der Überzeugung gelangt, dass das versicherte Geschehen vom 11. April 2000, nämlich die Außendre-hung des linken Handgelenkes beim Betreten des Fahrstuhles, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die rechtlich wesentliche Bedingung für den Einriss des Discus war. Denn es spricht mehr gegen als für eine solche Kausalität. Es fehlt damit der haftungs-begründende Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheits-schaden. Der Senat stützt sich bei dieser Bewertung auf das Gesamtergebnis der Be-weisaufnahme und hierbei insbesondere auf die Darlegungen von PD Dr. E. und Dr. L. , die unter Berücksichtigung des Ereignishergangs, der bildgebenden, intraoperativen und feingeweblichen Befunde, des Krankheitsverlaufs und der anatomisch-biomechanischen Abläufe plausible Begründungen ihrer Einschätzungen gegeben haben, die sich zudem mit den aktuellen medizinischen Erkenntnisse decken. So-weit PD Dr. E. indessen eine maßgebliche Verschlimmerung eines unfall-unabhängigen Leidens angenommen hat, vermag der Senat dieser Beurteilung nicht zu folgen. Verschlimmern kann sich nämlich nur ein (im Vollbeweis gesicherter) Vorschaden, der bereits vor dem Unfallzeitpunkt durch Funktionsstörungen Beschwerden hervorgerufen hat (= Krankheit im Rechtssinne; siehe Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Abschn. 1.3.7.2, S. 84 ff.). Da der Kläger vor dem Unfallereignis nach seinen eigenen Angaben jedoch nicht an Handgelenkbeschwerden links gelitten hatte, fehlt der Ansatzpunkt für eine Verschlimmerung.

1. Gegen die Wahrscheinlichkeit eines Unfallzusammenhangs spricht zunächst, dass die Geeignetheit des Unfallhergangs zur Hervorrufung des hier dokumentierten isolierten Discusschadens schon im Sinne der Adäquanztheorie zweifelhaft ist.

a) Bereits der fehlende Nachweis eines einschlägigen Gesundheitserstschadens als notwendigem Verbindungsglied zu dieser erstmals am 4. August 2000 kernspintomographisch diagnostizierten Gesundheitsstörung weckt insoweit Zweifel. Der für den Gesundheitserstschaden erforderliche Vollbeweis (siehe zu den inhaltlichen Anforde-rungen dieses Beweismaßstabes BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 RSozR 4-5671 § 6 Nr. 2) ist entgegen der Meinung von Dr. M. insbesondere nicht aus den Beschwerdeangaben des Klägers zu gewinnen. Denn diese können den mangelnden Primärbefund deshalb nicht ersetzen, weil sie lediglich das unbestimmte Ausmaß einer Symptomatik wiedergeben, jedoch keinen dafür verantwortlichen Erstschaden objektiv belegen. Typische Symptome einer Discusschädigung wie Schmerzen bei der Pro- und Supination oder der forcierten Extension und Abduktion des Handgelenkes (Bewegung ellen- und speichenwärts) sowie eine Kraftlosigkeit beim Faustschluss (siehe Hempfling, a.a.O., S. 73) hatte Dr. V. bei seiner ersten Untersuchung am 10. Mai 2000 nicht ansatzweise festgehalten, sondern einen komplett unauffälligen funktionellen Status dokumentiert.

b) Darüber hinaus widerlegt das Fehlen einer nachfolgend festgestellten Mitschädigung benachbarter Strukturen eine massive Gewalteinwirkung durch das angeschuldigte Trauma und weist darauf hin, dass dieses einen intakten Discus nicht weiter hat betreffen können. So hatte Dr. V. knöcherne Verletzungen bereits am Tag der Erstbehandlung ausgeschlossen. Diese Befundsituation ist durch alle späteren radiologischen Beurteilungen bestätigt worden. Dass sämtliche Bandkomplexe vom Unfallgeschehen unbeeinträchtigt geblieben sind, steht sowohl auf Grundlage der intraoperativen Fest-stellungen vom 5. Oktober 2000 und 5. Januar 2001 als auch nach der von Dr. H. in seinem Gutachten vom 31. März 2007 geschilderten Befundlage fest. Gerade die als regelrecht beurteilten Bänder sprechen deutlich gegen eine im Wesentlichen traumatische Verursachung des beim Kläger gefundenen Discusschadens. Denn der Discus ist fest mit den Ligamentii radioulnare palmare und dorsale (Bänder an der Innen- und Außenhandseite) verwachsen. Wegen dieser unmittelbaren Nachbarschaft kommt es bei Traumen in der Regel zu ihrer Mitbetroffenheit im Sinne einer Komplexschädigung (Hempfling, a.a.O., S. 72 und 74).

c) Abgesehen davon tritt nach aktuellen medizinischen Erkenntnissen ein Trauma, das isoliert und ausschließlich einen Discus treffen und verletzen kann, äußerst selten auf und setzt einen bestimmten Ablauf voraus. Denn der Discus, der die Dreh-Gleit-Bewegung bei der Rotation gewährleistet und der Druckdämpfung zwischen den Handwurzelknochen und der Elle/Speiche dient, liegt als Knorpelplatte geschützt im Gelenk. Erst wenn der Kapsel-Bandapparat seine Funktion als Gelenkstabilisator – verletzungsbedingt – nicht mehr voll erfüllen kann, kann sich der Discus verschieben und infolge durchdringender Einwirkungen zerreißen. Dies setzt eine erhebliche Traumatisierung des Gelenkes insgesamt voraus, wie sie etwa bei einem Sturz auf die abstützende Hand vorkommen kann. Eine isolierte Discusbetroffenheit ohne Begleitverletzungen umgebender und/oder knöcherner Strukturen ist daher kaum denkbar. Als geeignete Unfallhergänge hierfür kommen allenfalls unphysiologische Zug- oder Druckbelastungen in Frage, wie sie bei einem Hyperextensions-Pronations-Mechanismus (extreme Überstreckung des Handgelenkes mit gleichzeitiger Verwindung nach innen), einer Hyperpronation (Überdrehung des Handgelenkes nach innen) oder einer Hypersupination (Überdrehung des Handgelenkes nach außen) denkbar sind (Hempfling, a.a.O., S. 68 ff., 72 und 74).

(1) Unter Berücksichtigung dessen erscheint hier der Ablauf eines spezifischen Unfallhergangs mit indirekter Krafteinwirkung auf das Handgelenk, der unter vollständiger Umgehung sämtlicher benachbarter und vorgelagerter Strukturen ausnahmsweise geeignet ist, ohne Begleitverletzungen einen intakten Discus isoliert zu zerreißen, auf den ersten Blick zwar möglich. Allerdings scheidet sowohl die Annahme des von Dr. M. unterstellten Hyperextensions-Pronations-Mechanismus als auch eine Hyperpronation von vornherein aus, wie die Dres. R. und B. insoweit zutreffend dargelegt haben. Denn um die Lautsprecherbox zu tragen, musste der Kläger den linken Unter-arm nach außen drehen und die Finger mit Faustschluss in den Seitengriff der Box platzieren. Durch deren Gewicht wirkte eine Zugbelastung, so dass sich das Handgelenk nicht in Überstreckung, sondern unter muskulärer Anspannung sowie Feststellung im Seitengriff nur in Mittelstellung hat befinden können. Daneben ist eine Überdrehung des Handgelenkes nach innen ausgeschlossen, da sich der Schüler im Augenblick des Wegziehens der Box (vom Kläger aus gesehen) nach links und nicht nach rechts bewegte. Übrig bleibt somit die Variante einer extremen Verwindung des Handgelen-kes nach außen (Hypersupination), von der offenbar die Dres. R. , B. und A. ausgegangen sind.

(2) Dass hier tatsächlich eine ausreichende Hypersupination stattgefunden hat, wird allerdings durch das Nichtvorliegen jeglicher verletzungstypischer Mikroveränderungen erschüttert. Wenngleich es auch bei einem Hypersupinationstrauma ausnahmsweise biomechanisch begründbar sein mag, dass keine makroskopisch objektivierbaren Verletzungszeichen am Kapsel-Bandapparat und/oder an den Knochen auftreten, müssen zumindest geringe Hinweise auf eine Mitbeteiligung dieser Strukturen (z.B. Einrisse der Gelenkinnenhaut mit Weichteil- und oder Knochenmarködemen) vorliegen. Denn es gibt zwar einen isolierten Discusschaden, eine isolierte (traumatische) Discusruptur ohne verletzungsspezifische mikroskopische Begleitveränderungen ist jedoch unmöglich (Hempfling, a.a.O., S. 76). Entsprechende Rückstände, die kernspintomographisch bzw. histologisch auch noch nach mehreren Monaten nachweisbar sind (siehe Hempfling, a.a.O., S. 67 und 73) und dementsprechend auf ein geeignetes Trauma rückschließen lassen, sind vorliegend jedoch nicht einmal ansatzweise belegt. Vielmehr hatte PD Dr. E. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 28. März 2001 das Vorhandensein alter Blutungsreste bei der histologischen Aufbereitung des aus dem Discus entnommenen Materials ausdrücklich verneint. Auch Dr. H. hat bei der Nachauswertung des MRT-Befundes vom 4. August 2000 keine Anzeichen für posttraumatische Ödeme im Bereich der knöchernen oder der Kapsel-Bandstrukturen finden können.

2. Weitere erhebliche Zweifel an einer wesentlichen Teilursächlichkeit des Unfalls vom 11. April 2000 für die Entstehung des Discuseinrisses werden durch das Verhalten des Klägers nach dem Unfall und den weiteren zeitlichen Krankheitsverlauf genährt.

Unmittelbar nach dem Unfallereignis arbeitete der Kläger ohne Unterbrechung weiter. Erst vier Wochen später stellte er sich bei Dr. V. vor. Ein solcher Verlauf ist mit einer frischen strukturellen Discusverletzung nur schwer zu vereinbaren, wie Dr. L. im Einklang mit den aktuellen medizinischen Erkenntnissen zutreffend betont hat. Denn eine solche pflegt mit einem sofortigen spürbaren Funktionsverlust im Sinne einer Akutsymptomatik einherzugehen, die in der Regel eine Wiederaufnahme der Arbeit verhindert und eine umgehende ärztliche Konsultation erforderlich macht (vgl. Hempfling, a.a.O., S. 73). Insoweit entspricht auch der Krankheitsverlauf anstatt einer traumatischen Entwicklung eher der klinischen Manifestation eines schicksalhaften Discusdefektes. Mangels unmittelbarer zeitlicher Verknüpfung liegt damit bereits die Wertung des Unfalls als auslösende conditio-sine-qua-non keineswegs auf der Hand. Selbst wenn aber auch das Intervall von 29 Tagen als ausreichende zeitliche Verbindung angenommen würde, wäre allein hieraus kein Ursachenzusammenhang abzulei-ten. Das Zeitmoment ist nämlich nur ein (nachrangiger) Aspekt der Kausalitätsbeurteilung. Denn im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gilt kein Anscheinsbeweis, der besagt: Post hoc, ergo propter hoc (nach dem Unfall, also durch den Unfall). Mithin reichen Beschwerden, die nach einem Unfall auftreten und vorher – gegebenenfalls in diesem Maße – nicht verspürt worden sind, entgegen Dr. A. zur Begründung der unfallversicherungsrechtlichen Kausalität nicht aus (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.).

3. Hinzu kommt, dass sich ein im Wesentlichen durch den Unfall vom 11. April 2000 verursachter Discuseinriss auch nach der Form des Schadensbildes nicht wahrscheinlich machen lässt.

Wie die Dres. R. und B. zutreffend dargelegt haben, weisen Risse nahe am Radius zwar grundsätzlich auf eine traumatische Discusruptur hin (siehe Hempfling, a.a.O., S. 71). Der insoweit am 5. Januar 2001 intraoperativ festgestellte Defekt an der speichenseitigen Ansatzstelle des Discus ulnaris ist entgegen der Wertung dieser Sachverständigen aber trotzdem nicht als Beleg für eine unfallbedingte Entstehung verwertbar. Denn er widerspricht den im Hinblick auf den Unfallzeitpunkt noch relativ authentischen und zeitnäheren bildgebenden sowie arthroskopischen Feststellungen. So hatte Dr. H. am 4. August 2000 kernspintomographisch keinen Defekt am radialen Ansatz, sondern einen ulnarwärtigen Einriss des Diskus beschrieben. Diese bildgebend gesicherte Situation deckt sich mit derjenigen, die Dr. W. am 5. Oktober 2000 vorgefunden hatte. Denn auch ihm hatte sich ein (relativ großer) Einriss des Diskus ulnaris im Bereich des Übergangs zum ulnaren Kompartiment gezeigt. Da der Discus – mit Ausnahme des radialen Ansatzes und des Zentrums – (randständig) blutver-sorgt ist (Hempfling, a.a.O., S. 67 und 73), wäre bei einer traumatischen Betroffenheit des ulnarwärtigen Bereichs als Folge des angeschuldigten Ereignisses mit einer Einblutung in das Gelenk zu rechnen gewesen, zumal bei der unausweichlichen Gelenkinnenhautbeteiligung. Hinweise für entsprechende Ablagerungen haben sowohl PD Dr. E. als auch Dr. H. aber ausdrücklich ausgeschlossen (siehe zuvor unter 1. c).

4. Gegen die Wahrscheinlichkeit des Unfallzusammenhangs spricht schließlich, dass eine einleuchtende unfallunabhängige Erklärung für den Discusschaden in Betracht kommt.

a) In Übereinstimmung mit den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen haben die Dres. R. und B. hervorgehoben, dass die Ursache von Discusschäden in der Regel die Degeneration darstellt, wobei die Reißfestigkeit ab dem 30. Lebensjahr ab-nimmt und nahezu die Hälfte der Bevölkerung betroffen ist (vgl. Hempfling, a.a.O., S. 68 f., 71 und 74). Bei dem zum Unfallzeitpunkt 39jährigen Kläger wurde am 5. Janu-ar 2001 ein ausgeprägter degenerativer Riss des Discus ulnaris gefunden, den die Operateure als Typ II nach Palmer, also als typisch abnutzungsbedingten Defekt klassifizierten (siehe Hempfling, a.a.O., S. 70). Diese Einordnung wurde durch die nachfol-gende Gewebeuntersuchung des Discusmaterials bestätigt, die ebenfalls degenerative Veränderungen erbracht hatte. Überdies ist bei dem Kläger durch das Gutachten des Dr. H. vom 31. März 2007 eine Ulna-Null-Variante gesichert. Bereits zuvor hat Dr. A. bei der Nachauswertung der röntgenologischen Befunde vom 4. Januar 2001 und 19. Januar 2005 eine Ulna-Plus-Variante rechts von 3 mm beschrieben. Damit bestehen beim Kläger in Form eines Ellenvorschubs rechts und einer Ellenneu-tralstellung links (seltene) besondere anatomische Verhältnisse, bei denen es mit fortschreitendem Alter infolge abnehmender Discusdicke vermehrt zu einer Discusdrucküberbelastung und einer damit verbundenen Häufung abnutzungsbedingter Discusdefekte kommen kann (vgl. Hempfling, S. 68 f. und 74). Demgegenüber ist bei der Mehr-zahl der Bevölkerung (ca. 80 %) eine Ulna-Minus-Variante anzutreffen (Hempfling, a.a.O.). Da degenerative Discusveränderungen durch ihre allmähliche Entstehung in der Regel klinisch stumm bleiben und von den benachbarten Strukturen – insbesonde-re dem Kapsel-Bandapparat – kompensiert werden können, schließt eine "leere Dis-cusanamnese” einen Discusdefekt gerade nicht aus (Hempfling, a.a.O, S. 71 und 74). Mit oder ohne besonderen äußeren Anlass kann dann der Discus in Konflikt mit der Gelenkmechanik geraten, was zur Auslösung einer Schmerzsymptomatik führt. Eine äußere Einwirkung ist insoweit zwar Anlass für das Hervortreten, nicht jedoch Ursache eines Discusdefektes. b) Diese Bewertung erfährt dadurch zusätzliche Unterstützung, als bei dem Kläger durch die Arthroskopie vom 5. Januar 2001 und die nachfolgenden Histologien im Be-reich des linken Handgelenkes weitere ausgedehnte Verschleißzeichen nachgewiesen sind, die in diesem Ausmaß nicht in so kurzem Abstand nach dem Unfall vom 11. April 2000 eingetreten sein können. So hatten am 5. Januar 2001 neben dem genannten Discuseinriss teilweise ausgeprägte Chondromalazien im Bereich des Scaphoides und des Lunatums (I. Grades), der Radiusgelenkfläche (II. Grades) und des Triquetrums (IV. Grades) gesichert werden können. Darüber hinaus hatte die feingewebliche Untersuchung der aus der deutlich hypertrophen Gelenkinnenhaut entnommenen Proben eine chronische Entzündungsreaktion belegt. Auch diese Tatsachen lassen es nicht fernliegend erscheinen, dass sich der Discusdefekt ebenso schicksalhaft entwickelt hat.

Nach alledem mag der Einriss des Discus ulnaris am 11. April 2000 gelegentlich des Verdrehens der linken Hand im Rahmen des Tragens der Lautsprecherbox als versichertem Geschehen zwar manifest geworden sein. Rechtlich wesentliche Teilursache dieser Zusammenhangtrennung war dieses Ereignis nach Überzeugung des Senats jedoch nicht. Vielmehr besteht zwischen ihm und der genannten Gesundheitsstörung nur eine (lose) zeitliche Verknüpfung, die nicht mit dem ursächlichen Zusammenhang gleichzusetzen ist. Auch die den Bewertungen der Dres. M. , R. , B. und A. zugrunde liegende Ableitung, mangels gesicherten Vorschadens sei im Umkehrschluss das angeschuldigte Trauma als wesentliche Ursache anzusehen, ist im Recht der ge-setzlichen Unfallversicherung unzulässig (siehe nochmals: BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.). Denn dieses setzt (nur) die hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten unfallbringenden Verrichtung und dem geltend gemachten Gesundheitsschaden voraus. Ist eine solche nicht gegeben, bedarf es nicht zusätzlich des Nachweises einer außerversicherten alternativen Scha-densursache. Da hier der Discusdefekt nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich auf den Unfall vom 11. April 2000 zurückgeführt werden kann, liegt kein Arbeitsunfall vor, dem die postoperativ eingetretene Teilläsion des Ellennerven als mittel-bare Unfallfolge zugerechnet werden könnte. Auf die Berufung der Beklagten war das Urteil des SG deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

III. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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